DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

19-07-2019 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 19.07.2019 um 10.30 UTC



Nächste Woche deutliche Meridionalisierung der großräumigen Strömung (GWL-Muster
HM (Hoch Mitteleuropa)). Dabei sehr warm bis (sehr) heiß und meist trocken, erst
zum Ende hin von Westen zunehmende Gewitterneigung.
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 26.07.2019


Sollte es unter der geneigten Leserschaft dieses Bulletins Personen geben (und
die gibt es, da ist sich der Verfasser sicher), die noch einen Funken Hoffnung
hatten, die seit Tagen für nächste Woche apostrophierte Hitzewelle sei nur Fake
und es werde vielleicht doch nicht so heiß - dear friends, forget it! Zwar gibt
es sowohl bei der modellinternen Konsistenz als auch beim Vergleich der
verschiedenen Globalmodelle noch ein paar offene Fragen (siehe dazu auch die
nächsten beiden Kapitel), es kann aber als unstrittig angesehen werden, dass
nicht nur Bullenhitze, sondern zumindest für einige Tage auch (mal wieder)
Trockenheit im Anmarsch sind.
Nun wurde an dieser Stelle in der Vergangenheit schon mehrfach betont, dass
Wetter kein Wunschkonzert ist und dass die nun wirklich nicht extraordinär
ausfallenden Neigungen des Verfassers ("im Sommer nicht zu heiß, im Winter gerne
mal Schnee", das war´s eigentlich schon) von der Natur sowieso permanent
ignoriert werden. Nehmen wir es also wie es kommt, schließlich darf es im Sommer
auch mal heiß werden - zumal ja in der nächsten Woche die berühmt-berüchtigten
Hundstage beginnen, über deren zeitgenössische Bedeutung hier aber nicht weiter
philosophiert werden soll.

Also ab zu den Fakten, die sich zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums
am kommenden Montag wie folgt darstellen. Nachdem zuvor die
Strömungskonfiguration zonal aufgestellt und durch wiederholten Ablauf kurzer
Wellen geprägt war, kommt es nun zu einem substanziellen Aufsteilen respektive
Meridionalisierung der Strömung. Ein bisschen ist es so wie beim berühmten
Henne-Ei-Problem (Ursache - Wirkung), aber schustern wir in diesem Fall die
Rolle des Erstimpulsgebenden der mächtigen Austrogung über dem Ostteil des
mittleren Nordatlantiks zu. Stromab beginnt sich quasi als
downstream-development über Westeuropa respektive dem westlichen Mitteleuropa
ein Höhenrücken aufzuwölben, der wiederum noch weiter stromab - also über dem
nahen Osteuropa - eine zweite Austrogung zur Folge hat. Etwa bis Mittwoch
vergrößert sich die Amplitude des Rückens, wobei dieser sich peu a peu weiter
nach Osten Richtung zentrales Mitteleuropa verschiebt. Gleiches gilt für das
korrespondierende Bodenhoch (vom absoluten Luftdruck mit meist 1020 bis 1025 hPa
gar nicht mal so prominent aufgestellt, aber das ist im Hochsommer über Land
auch nicht üblich), das ebenfalls einen leichten Hang zur Ostverlagerung
verspürt.
Bevor es soweit ist, müssen die nördlichsten Norddeutschen am Montag aber noch
eine Störung in Form einer über die Nordsee hinwegziehenden Warmfront ertragen,
genießen, verarbeiten oder wie auch immer (je nach gusto). Sie bringt mehr oder
weniger dichte Wolken und vielleicht auch etwas Regen, wobei noch nicht klar
ist, wie weit das Ganze nach Süden bis in die Norddeutsche Tiefebene ausgreift.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass durch das einsetzende Absinken, im
weiteren Verlauf dann aber auch durch Advektion (nämlich dann, wenn der
Hochschwerpunkt leicht östlich von uns ankommt) die Temperatur nicht nur in der
unteren Troposphäre, sondern auch in den bodennahen Luftschichten (die streng
genommen natürlich auch zur unteren Troposphäre gehören) kontinuierlich steigt.
Nehmen wir die für gewöhnlich betrachtete 850-hPa-Druckfläche, wo die Temperatur
Montagmittag 12 UTC zwischen rund 9°C im Norden sowie im Nordosten und um 16°C
im äußersten Süden liegt. Nur 60 Stunden später, wir schreiben Donnerstag,
25.07.2019, sind es zwischen Ostsee und Erzgebirge um 14°C, während südwestlich
einer Linie Niederrhein-bayerisch Schwaben 20 bis 22°C auf der Karte stehen. Was
dieser Anstieg für die für uns relevanteren weil spürbaren 2m-Temperaturen
bedeutet, muss der kundigen Leserschaft nicht weiter erklärt werden. Von
wenigen, meist in Küstennähe oder sich in größeren Höhen befindlichen Arealen
abgesehen steigt die Temperatur auf über 30°C, nach Südwesten zu sogar auf über
35°C. Das Gute dabei ist der vergleichsweise geringe Feuchtigkeitsgehalt, so
dass die Luft eher trocken und nicht drückend-schwül geprägt ist.
Am Donnerstag wird durch die leichte Progression (Verschiebung nach Osten) des
gesamten Strömungsmusters die Zufuhr heißer und wahrscheinlich auch etwas
feuchterer Subtropikluft von Süd-Südwest forciert. Um 24 UTC (was eigentlich
schon Freitag ist) verläuft die 20°C-Isotherme von der Wesermündung bis zum
Rupertiwinkel im Südosten Oberbayerns (dem Verfasser ist schon klar, dass man
gerade bei mittelfristigen Betrachtungen mit solch detaillierten Aussagen sehr
vorsichtig sein muss, wohlwissend, dass es wahrscheinlich doch etwas anders
kommt; betrachten wir es als reine Bildbeschreibung, um einen Eindruck zu
vermitteln). Nordöstlich davon stehen 15 bis 20°C, südwestlich 20 bis 24°C auf
der Karte. Im Saarland und in Teilen von Rheinland-Pfalz taucht vorübergehend
sogar die 25°C-Isotherme auf!
Am Freitag sowie an den Folgetagen wird der Rücken von seinen beiden
flankierenden Trögen regelrecht zusammengestaucht (also jetzt nicht im Sinne von
"gemaßregelt"), sprich, er vergrößert seine Amplitude bei merklich abnehmender
Wellenlänge, was schließlich am Wochenende zu einem antizyklonalen Abtropfen
(Bildung eines eigenständigen Höhenhochs) über Nordeuropa führt. Damit schwindet
der Hochdruckeinfluss vor allem im Westen und Südwesten, wo Druckfall das
Übergreifen einer Rinne mit Regenfällen und kräftigen Gewittern ermöglicht. Das
Temperaturniveau wird dadurch etwas nach unten korrigiert, es bleibt aber sehr
warm bis heiß bei zunehmender Schwüle.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die letzten Läufe von IFS (ECMF) weisen insofern eine gute Konsistenz auf, als
dass sie nach dem Wochenende einen Wechsel von zonalen, durch kurze Wellen
geprägte Strömungsverhältnissen (sogenannte High-Index-Lage) hin zu einer
deutlichen Meridionalisierung (Low-Index-Lage) simulieren. Das - nebenbei gesagt
- sehen die anderen Globalmodelle genauso. Einigkeit herrscht auch dahingehend,
dass sich der Höhenrücken als ein wesentlicher Bestandteil dieser neuen
Strömungskonfiguration über weiten Teilen Mitteleuropas entfaltet. Für
Deutschland bedeutet das ab Montag von Südwesten beginnend eine antizyklonal
geprägte, also weitgehend trockene und gewitterfreie Hitzeperiode
(Norddeutschland muss wohl noch einen Tag länger warten, da die letzten Läufe
für Montag dichte Bewölkung und Regen vorsehen).
Die große Frage, die sich nun sowohl aus Sicht der modellinternen Konsistenz
selbst als auch des Modellvergleichs allgemein stellt, besteht im Grunde aus
zwei Teilen:
Wie intensiv fällt die Hitzeperiode aus (d.h. wie liegen die Isothermen, wie
hoch steigt die Temperatur tagsüber und wie tief fällt sie in den Nächten) und
wie lange dauert sie an? Bei dieser Fragestellung gibt sich die Numerik
einschließlich der Ensembleprognosen derzeit noch recht sprunghaft.
Offensichtlich bereitet es größere Schwierigkeiten, die Geometrie des
Höhenrückens sowie seine genaue Position konsistent zu erfassen.
Es zeichnet sich aber mehrheitlich ab, dass Hochdruck und Hitze bis mindesten
Donnerstag "ungestört" (im Sinne zyklonaler, sprich tiefdruckgeprägter Attacken)
bleiben
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Wie im vorherigen Kapitel schon erwähnt, setzen alle gängigen Globalmodelle auf
die Umstellung der Großwetterlage in Richtung heiß und trocken. Unterschiede
ergeben sich dabei in der Geometrie und der Positionierung des Höhenrückens, was
auch Auswirkungen auf die Exposition der Isothermen u.a. in 850 hPa hat.
Letztlich ändert das allerdings nichts an der getroffenen Kernaussage, es
reduziert sich eher auf die Frage, ob die Spitzen in Deutschland 35, 37 oder
39°C erreichen.
Bei ICON fällt auf, dass für Montag im Norden der mit Abstand meiste und am
weitesten nach Süden ausgreifende Regen simuliert wird, was Zweifel aufkommen
lässt. Außerdem wird der Höhenrücken zumindest in den heutigen 00-UTC-Fassungen
am progressivsten behandelt, was bereits am Donnerstag das Übergreifen einer
Rinne von Westen her mit ersten Schauern und Gewittern zur Folge hätte. GEM
tendiert auch ein bisschen in diese Richtung, während IFS und GFS eindeutig den
Freitag im Visier haben. Letztendlich dokumentiert dieses Beispiel nur, wie
berechtigt die bereits weiter oben gestellte Frage, wie lang und wie stark die
Hitzeperiode ausfällt.

FAZIT: Nachdem der Hochsommer im Juni schon mal zeitweise "brilliert" hat, folgt
nun eine weitere Welle. Andauer? - Weiß man noch nicht genau.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Schaut man sich die Anzahl der Cluster für den Zeitraum T+120...168h (Mittwoch bis
Freitag) an - wir reden von IFS-EPS -, könnte man in erster Näherung meinen, die
Vorhersage sei hochgradig unsicher. Satte sechs Cluster stehen auf der
Angebotsliste, die mit 14 (+ HL/KL), 11, 10, 8, 5 und 3 Fällen besetzt sind.
Beim zweiten Blick sieht man dann aber relativ rasch, dass sich die sehr stark
ähneln. Unterschiede offenbaren sich, bezogen auf den Vorhersageraum und die
unmittelbare Umgebung, auf Form und Stärke des bestimmenden Höhenrückens. Dabei
fällt auf, dass in CL 2 bis 5 der Rücken resistenter gegen den von Westen
anklopfenden Trog gegenhält, was für eine längere Andauer des trockenen
Hochdruckwetters sprechen würde als vom Hauptlauf gerechnet. In CL 6 tropft der
Trog westlich der Iberischen Halbinsel und das nördliche Residuum kappt den
Rücken vorübergehend, was wenn überhaupt aber wohl nur im Norden halbwegs
spürbar wäre (Freitag zyklonaler).
Ab Samstag reduziert sich Anzahl der Cluster zwar auf vier (17 Fälle + KL, 15 +
HL, 11, 8), trotzdem wird die Prognose unsicherer. CL 1 baut den Rücken
sukzessive ab und zonalisiert die Höhenströmung (in Deutschland allmählich
wechselhafter und nicht mehr so heiß). In CL 2 unterwandert ein Höhentief das
sich über Nordeuropa abspaltende Höhenhoch (High-over-Low, kräftige
Niederschläge und Gewitter bei uns). CL 3 sieht wie die Fortsetzung von CL 6
weiter oben aus, dort regeneriert sich der Höhenrücken nach Passage des
Trogresiduums (weiterhin trocken und heiß im Vorhersageraum). Bei CL 4
schließlich wird eine zunehmend zyklonale Südwestlage gerechnet (wechselhaft und
kühler). Die Facette möglicher Großwetterlagen ist groß, die Vorhersage zum
übernächsten Wochenende hin sehr unsicher.
Da spiegelt sich auch in den EPS-Rauchfahnen vom ECMF wider, die bis
einschließlich Mittwoch einen ganz gesunden Eindruck mit wenig Streuung
hinterlassen. Das Potenzialmaximum findet man am Dienstag, das Temperaturmaximum
je nach Region am Donnerstag oder Freitag. Auf alle Fälle nehmen Streuung und
Niederschlagspeaks ab Donnerstag allgemein zu, wobei das Gros der T850-Ensembles
am Wochenende in Richtung 12 bis 6°C zurückgeht (Referenz Offenbach). Es soll
aber nicht verschwiegen werden, dass es mindestens auch eine Hand voll Lösungen
gibt, die zwischen 18 und 24°C liegen.

FAZIT: Bis Donnerstag/Freitag steht der Generalkurs mit kleinen Unschärfen,
danach wird es sehr unsicher.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Von Montag bis Donnerstag steht eindeutig der merkliche Temperaturanstieg im
Fokus, der mit einer zunehmend starken Wärmebelastung einhergeht. Die
Gewitterneigung ist dabei zunächst sehr gering (am ehesten vereinzelte
Hitzegewitter über dem südlichen Bergland, am Donnerstag mit einem großen
Vielleicht auch im Westen), nimmt am Freitag von Westen her aber deutlich zu.
Für nähere Ausführungen zu den dann möglicherweise auftretenden
Überentwicklungen ist es aber definitiv noch zu früh.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-Mix und IFS-EPS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann