DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-07-2019 08:01
SXEU31 DWAV 130800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 13.07.2019 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Nz

Abgesehen vom Nordwesten und Südwesten starke, teils auch schwere Gewitter, am
Sonntag nach Osten und Süden zurückziehend. Ab Montag Wetterberuhigung. Nachts
Nebel, ab Sonntag an den Küsten böiger Wind


Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... liegt Deutschland im Einflussbereich eines großräumigen Trogkomplexes
über Skandinavien, der weit nach Südosteuropa, aber auch nach Mitteleuropa
ausgreift. Seine Hauptachse ist von Nordwestrussland in Richtung Türkei
gerichtet, eine kurzwelliger Anteil zieht aktuell vom Süden Bayerns nach
Österreich. Auf seiner Rückseite stellt sich eine nordwestliche, leicht
konfluente Höhenströmung ein, die die Hebungsantriebe in der Atmosphäre in
Vergleich zum Vortag ein wenig schwächer ausgeprägt erscheinen lässt. Gleichwohl
ist die Atmosphäre weiterhin sehr feucht und auch leidlich labil geschichtet, so
dass auch heute mit starken, lokal auch mit schweren Gewittern zu rechnen ist.
Dazu später mehr, bezüglich der Geopotentialsituation ist noch zu erwähnen, dass
dem Trog auf dem Atlantik ein Rücken gegenübersteht, der vom Seegebiet westlich
der Iberischen Halbinsel bis nach Island ausgreift. Auf seiner Vorderseite liegt
ein kräftiges 1025er Hoch, das aktuell mit seinem Schwerpunkt westlich von
Irland zu finden ist und im Tagesverlauf nur geringe Verlagerungstendenzen
zeigt. Seine Kontrahenten sind einerseits ein Tief über Italien, andererseits
eine großräumige, aber gradientschwache Tiefdruckzone über weiten Teilen
Osteuropas und Russlands. Damit ist auch die bodennahe Strömung eine
Nordwestliche, allerdings gilt für die Höhe wie auch für die niedere
Troposphäre, dass die Windgeschwindigkeiten insgesamt nur mäßig sind. Somit
reicht es nicht für reine Windwarnungen, wenn man von den aktuell laufenden
Sturmböenwarnungen auf den Alpengipfeln absieht, die aber im Laufe des Tages mit
dem Abziehen des Kurzwellentroges auslaufen können. Die nur mäßige Luftbewegung
ist allerdings auch nicht in der Lage, die feucht-labile Luftmasse des Vortages
auszuräumen. Entsprechend deuten die Modelle, wie schon oben kurz erwähnt,
wieder starke und teils auch schwere Gewitter an. Bei ICON-EU werden
insbesondere für den Bereich der östlichen Bundesländer und des angrenzenden
Niedersachsens CAPE-Werte von 500-1000 J/kg angegeben, punktuell liegen die
entsprechenden Werte auch noch etwas höher. Im Süden und Südwesten ist das CAPE
dagegen mit Werten um 100 J/kg deutlich weniger stark ausgeprägt, was aber nicht
darüber hinwegtäuschen kann, dass auch dort kräftige Gewitter möglich sind. Der
Trigger diesbezüglich sind insbesondere der hohe Feuchtegehalt
(niederschlagbares Wasser) der Luft, liegen doch die ICON-EU-PPW-Werte,
abgesehen vom äußersten Südwesten und vom Nordseeumfeld erneut meist zwischen 25
und 30 mm. Bezüglich der Labilität, und hier speziell der Lapse-Rates, zeigt
sich eher ein Südwest-Nordost-Gefälle, mit den höchsten (und mithin stabilsten)
Werten von -0,55 bis -0,6 im Westen, in der Mitte und in Teilen des Südens,
wogegen die Lapse-Rates im Nordosten Werte bis -0,65 und etwas darunter
erreichen. Die genannten ICON-EU-Werte decken sich weitgehend mit denen anderer
Modelle. So prognostiziert GFS CAPE-Werte von bis zu 700 J/kg insbesondere in
Brandenburg und Sachsen-Anhalt, die PPW-Werte erreichen in diesem Modell
ebenfalls sehr verbreitet 25 bis 30 mm. Das hoch auflösende COSMO-D2 ist ebenso
wie EZMW (12 UTC gestern) bezüglich der CAPE-Werte auch nicht aggressiver als
ICON-EU, beide kommen in der Spitze auch nur, oder immerhin, auf knapp über 1000
J/kg, wobei EZMW auch am Mittelrhein und im Westniedersachsen noch auf veritable
CAPE-Werte kommt und damit in Regionen, wo sich die anderen Modelle etwas
zurückhalten. Da die Scherungswerte insgesamt recht niedrig liegen, erscheint
der Organisationsgrad der Gewitter nicht sehr ausgeprägt zu sein. Vom Charakter
her dürfte es also auf Einzel- oder Multizellen hinauslaufen. Zur Auslöse selbst
kommt es schon allein über die Temperaturen. Die Auslösetemperaturen liegen nach
COSMO-D2 abgesehen vom Nordosten leicht unter, am Rhein etwas über 20 Grad und
damit unterhalb der von MOSMIX prognostizierten Höchsttemperaturen. Im Nordosten
liegen Auslöse- und Höchsttemperaturen mit 25 Grad etwa gleichauf, hier dürfte
aber die Nähe des Troges und die damit verbundene Hebung für die Gewitterbildung
ausreichen.

In der Nacht zu Sonntag fallen die Gewitter dann zögerlich zusammen,
insbesondere von Vorpommern bis zu den Alpen können sie sich aber gebietsweise
bis in die zweite Nachthälfte halten, allerdings mit nachlassendem
Unwetterpotential. Während sich an der großräumigen Trog-Rücken-Konstellation
wenig ändert, zieht in der zweiten Nachthälfte ein kleinräumiges Höhentief von
der südlichen Nordsee nach Belgien, welches in einen kurzwelligen, aber scharf
konturierten Höhentrog eingebettet ist. Dieser sorgt in der Nacht auch im Westen
für Hebung (auch durch das lokale Temperaturminimum von -20 Grad in 500 hPa), so
dass auch dort weiterhin Schauer und Gewitter möglich sind, die bei PPW-Werten
von 20 mm durchaus kräftig ausfallen können. Insgesamt ist mit Blick auf die
Bodenkonstellation zu sagen, dass sich das italienische Tief mit dem
großräumigen osteuropäisch-russischen Tiefkomplex verbindet und dass das
Irlandhoch etwas nach Nordosten Richtung Schottland vorankommt, so dass sich von
dort ein Keil nach Benelux und in abgeschwächter Form in den Westen Deutschlands
schiebt. Er kann die Hebung im kleinräumigen Höhentief nicht unterbinden, sorgt
aber ringsherum für Absinken und ein austrocknen der Luftmasse, was sich im
Nachtverlauf in absinkenden PPW-Werten im Westen niederschlägt. In den
gewitterfreien Regionen verläuft die Nacht ruhig, in den Frühstunden kann sich
wieder lokal, insbesondere in den Gewitterecken, in denen die Grundschicht
angefeuchtet ist, Nebel bilden.

Sonntag... füllt sich das zentrale Geopotentialminimum über Nordwestrussland
etwas auf, ohne dabei seine Lage wesentlich zu verändern. Seine, in Verbindung
mit dem kleinräumigen Höhentief über Belgien stehende Sekundärachse verläuft
morgens vom Baltikum über Zentralpolen nach Mitteldeutschland (und eben weiter
nach Belgien), sie verlagert sich im Tagesverlauf nach Südosten und erreicht zum
Abend den Alpenraum. Auf ihrer Rückseite dreht die Höhenströmung etwas auf Nord,
sie wird aber zunehmend wieder diffluent, so dass die Hebungsprozesse nicht
gänzlich zum Erliegen kommen. Allerdings sickert in den Nordwesten deutlich
trockenere Luft, die PPW-Werte erreichen dort nur noch um 20 l/qm, was
grundsätzlich noch für kräftige Gewitter reichen könnte, wenn nicht gleichzeitig
eine deutliche Stabilisierung der Schichtung einsetzen würde. Diese ist dem
abziehenden Höhentief/Trog geschuldet, aber auch dem Hoch über Westeuropa,
dessen 1020er Isobare am Abend von Großbritannien und Irland her bis nach
Benelux ausgreift und als Bodenkeil bis nach Südbayern und Mitteldeutschland
wirksam ist. Mit der Drehung der Höhenströmung auf Nord ist kein Aufleben der
Strömungsgeschwindigkeit verbunden, was ähnlich für die Bodenkonfiguration gilt.
Das bedeutet weiterhin keine singulären Windwarnungen, wenn man von der
Nordseeküste absieht, wo durch ageostrophisches Ausströmen aus dem Hoch der
Nordwestwind mitunter böig auffrischet und eventuell bis zur Stärke Bft 7
auflebt. Es bedeutet aber auch, dass sich die Atmosphäre weiterhin schwertut,
die feucht-labile Luft aus Deutschland zu verdrängen. Somit bleibt es südlich
des Mains und entlang der Oder-Neiße-Linie feucht und labil. Die
Gewitterparameter haben sich in den östlichen Regionen im Vergleich zum Vortag
etwas abgeschwächt, ICON-EU simuliert PPWs um 25, CAPE-Werte zwischen 200 und
600 J/kg und Lapse-Rates zwischen -0,6 und -0,65. Damit erscheinen Unwetter dort
etwas unwahrscheinlicher als heute, aber immer noch nicht ausgeschlossen. Für
den Südwesten ist das Gegenteil der Fall, dort steigen beispielsweise die
CAPE-Werte sogar etwas an, was dann für ein im Vergleich zum Vortag leicht
erhöhtes Unwetterpotential sprechen könnte. Da die Scherungswerte allgemein
weiterhin niedrig liegen, sollte der Organisationsgrad weiterhin sehr schwach
sein. Die oben genannten ICON-EU-Werte sind dabei keine Ausreißer, die
CAPE-Werte bei EZMW erreichen sogar weiterhin bis 1000 J/kg, was auch für
COSMO-D2 (Lauf 03 UTC) gilt.

In der Nacht zu Montag läuft die 500er-Trogachse über die Alpen hinweg nach
Süden, in der Folge bildet sich ein Höhenkeil aus, der von Westen nach
Süddeutschland gerichtet ist. Im Bodendruckfeld weitet sich das
Irland-Großbritannien-Hoch bis nach Nordfrankreich aus, in der Folge kräftigt
sich auch hier der Keil, der nach Süddeutschland gerichtet ist, so dass dort
zunehmend Absinken dominiert, was auch in den Soundings mit einer schwachen
Inversion um 700 hPa erkennbar ist. Allerdings läuft die hoch reichend nördliche
Strömung frontal gegen die Alpen, was bei der zunehmenden Stabilisierung ein
Ausräumen der feucht-labilen Luft aus dem Südosten Deutschlands verhindert.
Somit kann es am Alpenrand auch in der Nacht noch zu weiteren Regenfällen
kommen, die zumindest anfangs auch gewittrig sein können. In den übrigen
Gebieten ist es oft dicht bewölkt, und an der Nordseeküste kann es, insbesondere
in Nordfriesland, weiterhin Böen Bft 7 geben.

Montag... und in der Nacht zu Dienstag kommt von Westen der Rücken näher, er
greift in der Nacht auf Benelux und Ostfrankreich über, wobei seine Amplitude
sich merklich verringert. Im südlichen bis Südöstlichen Lee der Skanden bildet
sich über der Nordspitze Dänemarks ein kleinräumiges aber kräftiges Tief,
welches über dem Kattegat in Richtung der zentralen Ostsee zieht und dabei recht
rasch wieder seine Eigenständigkeit verliert. Es ist am Abend und vor allem in
der Nacht nur noch als schwaches Randtief eines größeren, aber nicht großen
Tiefs vor der Küste Estlands auszumachen. Zwischen dem temporären "Kleintief"
und dem Hoch über Westeuropa legt der Gradient vorübergehend an Schärfe zu, was
an den Küsten zu steifen, exponiert auch zu einzelnen stürmischen Böen führen
kann. Ansonsten fließt eine trockenere, vor allem aber stabiler geschichteten
Luftmasse ein. In großen Teilen der Nordwesthälfte dürfte an einer Inversion in
900 hPa verbreitet flacher Stratus breitlaufen, von Eifel und Saar über
Mitteldeutschland und Nordbayern bis in den Berliner Raum kann es dagegen
längere freundliche Abschnitte geben. Im Süden Bayerns deutet die feucht-labile
Luft die Bereitschaft an, sich jetzt endgültig zu verabschieden, allerdings
könnte der Abschied selbst wiederum mit Schauern und Gewitter verbunden sein,
die aber praktisch kein Unwetterpotential mehr besitzen (ICON-EU: CAPE bis 200
J/kg, PPW um 20 mm, Lapse-Rates bis -0,65).

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Ereignisse der kommenden Tage recht ähnlich,
ausgewählte Unterschiede zwischen den Modellen wurden im Text erwähnt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas