DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

11-07-2019 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 11.07.2019 um 10.30 UTC



Zunächst mäßig-warm und abgesehen von nachlassenden Niederschlägen im Süden und
Osten überall trocken. Ab der Wochenmitte schwül-warm und zunehmende Schauer-
und Gewittertätigkeit.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 18.07.2019


Es ist wieder die Jahreszeit, wo es sporadisch zu heftigen Interaktionen
zwischen den Tropen und Außertropen in Form von tropischen Stürmen kommen kann,
die (nordhemisphärisch betrachtet) nordwärts ziehen und sich in außertropische
Tiefdruckgebiete umwandeln. Je nach "timing" kann solch ein "Energiebündel" mit
extremer Anreicherung einer warmen/feuchten Luftmasse und perfekter Interaktion
mit einer wandernden Rossby-Welle stromab für eine nicht unerhebliche dynamische
Veränderung der Wellenmuster sorgen. Und in der Tat beobachten wir aktuell den
"Potential Tropical Cyclone 2, kurz: PTC 2", der sich über dem Golf von Mexiko
gebildet hat und unter Intensivierung (zum Tropensturm oder ersten
nordatlantischen Hurrikan der Saison mit dem Namen "Barry") in Richtung
nördliche/zentrale Golfküste und in der Folge weiter nach Nordosten driften
soll. Aktuell sieht es jedoch trotz all der vorherrschenden Unsicherheiten
(Zugbahn, Geschwindigkeit und Intensität) eher danach aus, dass durch seinen
diabatischen Input ein Keil über Nordamerika so stark gestützt wird, dass der
trop. Zyklon den Anschluss an einen Rossby-Wellen-Zug über Kanada nicht so
zeitig findet. Je nach Zugbahngeschwindigkeit bleibt dann abzuwarten, ob er
dabei letztendlich in Phase mit solch einer Rossby-Welle gen Nordatlantik zieht,
oder in einem recht isohypsenarmen Raum nach Nordosten driftet. Mit labiler Luft
beladene Reste werden wohl zum Ende der Mittelfrist über Neufundland in die
Westdrift eingebunden, Auswirkungen auf die aktuelle mittelfristige Entwicklung
über Europa sind aber aus heutiger Sicht noch keine zu erkennen. Allerdings
sollte sein Werdegang genau im Auge behalten werden.
Stattdessen geht es mit positiven Geopotentialanomalien nördlich von 65 Grad
Nord, einer leicht negativen AO und einer negativen NAO weiter. Alles
Indikatoren für günstige Ausgangsbedingungen von nördlich ansetzenden
Blockadelagen - eine Tendenz, die sich auch während dieser Mittelfrist erneut
andeutet.

Bereits zum Beginn der Mittelfrist - am Sonntag, den 14. Juli - ist diese
Tendenz innerhalb der Numerik über Europa zu erkennen. Südlich von Grönland
sowie über der südlichen Barentssee befinden sich zwei quasi-stationäre
Rossby-Wellen, die einen kräftigen Keil über Nordwesteuropa stützen. Dabei weist
die östliche Welle eine große Amplitude (bis ins östliche Mittelmeer) und
longitudinale Ausdehnung auf. Bodennah liegt Deutschland am Ostrand eines
umfangreichen Hochdruckgebietes über England in einer nordwestlichen Strömung.
Schwache bis indifferente niedertroposphärische Kaltluftadvektion stützt noch
die Reste eines Keils, der nach Mitteleuropa gerichtet ist. Die zu dem Zeitpunkt
im Westen und Norden eingeflossene kühle Luftmasse sorgt daher in diesen
Regionen für einen insgesamt freundlichen und trockenen Tag. Ausgenommen dürfte
der äußerste Nordwesten sein, wo sich eine landeinwärts advehierte marine
Luftmasse + Reste einer feuchten Mischluftmasse über Dänemark unter einer
schwachen Absinkinversion in Form dichter Stratusbewölkung südostwärts
ausbreiten. Im Süden und Osten herrschen noch Reste einer modifizierten
subtropischen Luftmasse vor, in der sich zahlreiche Schauer und Gewitter bilden.
Nachts lassen die Niederschläge nach und die dichte Stratusbewölkung weitet sich
auf den gesamten Norden aus. Einzig im Südwesten bleibt es dann noch überwiegend
klar. Dabei bleibt es aber die Nacht über abgesehen von einzelnen Schauern im
äußersten Osten/Südosten deutschlandweit meist trocken.

Am Montag zieht eine die westliche Rossby-Welle umrundende Kurzwelle allmählich
weiter nach Südosten und beginnt somit den nach Norwegen/Schweden gerichteten
Keil von Südwesten zu unterlaufen. Ansonsten ändert sich auf synoptisch-skaliger
Ebene wenig. Der Bodenkeil ist weiterhin nur schwach aufgestellt und weist über
Norddeutschland zunehmend zyklonale Tendenzen auf. Daher dauert der Zustrom
feuchter und nur mäßig warmer Luftmassen von der Nordsee weiter an. Fraglich
ist, wie schnell die dichte Stratusbewölkung über der Mitte, dem Norden und
Osten im Tagesverlauf aufbrechen wird. Viel Sonne ist hier auf jeden Fall nicht
zu erwarten. Anders sieht es im Süden aus, wo die Sonne häufig scheint. Einzelne
Schauer/Gewitter beschränken sich auf den Alpenrand und den Bayerischen Wald.
In der Nacht schwächt sich der niedertrop. Keil ab und dies könnte ausreichen
die Inversion soweit abzubauen, dass sich die hochnebelartige Bewölkung über der
Mitte und dem Norden zügiger auflöst. Ansonsten verläuft die Nacht meist klar
und überall trocken. In der feuchten Grenzschicht kann sich gebietsweise Nebel
bilden.

Am Dienstag schiebt sich der Höhenkeil zunehmend über Deutschland und auch
bodennah beginnt der Druck wieder zu steigen. Die Schwachstelle über England (in
Form der aus einer Kurzwelle in eine eigenständige kleinräumige Höhentiefzelle
umgewandelte Störung) beeinflusst Deutschland noch nicht. Somit verläuft der Tag
bei zeitweise dichteren Wolkenfeldern und teils längerem Sonnenschein trocken.
Dies gilt auch für die Nachtstunden, wo sich einzig über dem Südwesten dichte
hohe Wolkenfelder ausbreiten. Diese sind einer schwachen Leezyklogenese über
Norditalien geschuldet, die in der mittleren/oberen Troposphäre vorübergehend
Aufgleiten auslöst. Es bleibt jedoch überall trocken und ansonsten meist klar.

Am Mittwoch beginnt sich die kleinräumige Höhentiefzelle (nun über dem
Ärmelkanal liegend) mit einem umfangreichen Höhentief über dem Baltikum zu
vereinen und es entwickelt sich im 500 hPa Geopotentialfeld eine breite
Tiefdruckrinne, die von Nordfrankreich über Deutschland bis nach
Ost-/Nordosteuropa reicht. Mit der sich nun einstellenden schwachen
südwestlichen Höhenströmung gelangt etwas feuchtere Luftmassen nach Deutschland,
sodass insgesamt die Schauer- und Gewittergefahr zunimmt. Allerdings überwiegen
vielerorts noch die sonnigen Momente. Dieser leicht wechselhafte Abschnitt
dauert die Nacht zum Donnerstag über weiter an.

Auch am Donnerstag beeinflusst uns diese umfangreiche Tiefdruckrinne mit
zahlreichen Schauern/Gewitter. Dabei können die Niederschläge
gebietsweise/strichweise skaliger Natur sein und länger andauern, was in der
Rinne eingebetteter kleinräumiger Tiefdruckgebiete geschuldet ist.

Der Beginn der Mittelfrist (Sonntag bis Dienstag) weist deutschlandweit zunächst
noch ein gedämpftes Temperaturniveau mit Höchstwerten von 20 bis 24 Grad,
entlang des Oberrheins um 26 Grad auf. In der Folge wird es dann überall
schwül-warm mit sommerlichen 24 bis 28 Grad.
Abgesehen von einem stark böigen/zeitweise auch stürmischen Nordwestwind (7-8
Bft) über der Deutschen Bucht und im direkten Umfeld der Ostsee am Sonntag und
Montag wird die Mittelfrist über kein größeres Windereignis erwartet.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Mit Blick auf die großskalig-synoptische Ebene zeigen die IFS-Läufe recht
einheitliche Grundmuster: zwei Tröge über Grönland und Osteuropa, sowie einen
Keil, der sich in Richtung Skandinavien aufwölbt und zunehmend nach Mitteleuropa
wandert. Allerdings herrscht noch Uneinigkeit, wie schnell es über Mitteleuropa
zur Ausbildung einer breiten Tiefdruckrinne kommen soll, was tendenziell immer
zügiger angedeutet wird und im letzten Lauf (11.07. 00Z) bereits in der Nacht
zum Mittwoch abgeschlossen sein sollte (somit rund 24h früher als bei vorherigen
Modellläufen). Die Auswirkungen auf das Wetter fallen jedoch von der zeitlichen
Niederschlagsentwicklung abgesehen vorerst nur gering aus, denn alle Läufe
deuten zunächst einen eher trockenen Mittelfristbeginn (abgesehen von
nachlassenden Schauern/Gewittern im Süden und Osten) und in der Folge eine
sukzessive Zunahme der Niederschläge in ganz Deutschland an. Allerdings sorgen
in die Rinne eingelagerte kleinräumige Tiefdruckgebiete für eine hohe
Inhomogenität der Niederschlagsschwerpunkte. Gebietsweise und strichweise kann
es dann auch mal skalig und länger anhaltend regnen.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Auch innerhalb der weiteren Globalmodelle scheint die Bildung der umfangreichen
Tiefdruckrinne über Mitteleuropa den Schwerpunkt der Modellunsicherheiten
darzustellen. Wie schnell und intensiv diese Rinne gebildet wird ist noch
unsicher, was aber auch an der variablen Lage der jeweiligen Tröge und
Höhentiefs liegt (IFS zum Donnerstag mit einem Höhentief sehr nahe an
Deutschland, während nach GFS Deutschland im Delta einer diffluent und zonal
strukturierten Höhenströmung liegt). Aber auch hier gilt, dass diese
Unsicherheiten nur eine Unschärfe beim Niederschlagsbeginn zur Wochenmitte nach
sich ziehen. Auch hinter die optional auftretenden skaligen Niederschläge
(forciert durch in die Rinne eingelagerten kleinräumigen Tiefdruckgebiete) muss
noch ein dickes Fragezeichen gesetzt werden. Ansonsten wird auch hier der
Übergang in der Mittelfrist von einem mäßig-warmen und zumeist trockenen Beginn
hin zu einem schwül-warmen und niederschlagsreicheren Ende gezeigt.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Meteogramme zeigen bei der Temperatur deutschlandweit ab der Wochenmitte
einen allmählichen Erwärmungstrend, der nach Süden und Osten etwas kräftiger
ausfällt (dort nähern wir uns zum Freitag/Samstag lokal der 30 Grad-Marke). Bei
den Niederschlägen fällt ab Donnerstag eine geringe Zunahme der
Niederschlagsspitzen auf, die nach Süden zu ebenfalls etwas kräftiger ausfallen
(der dort lagernden warmen und feuchten Luftmasse geschuldet).
Bei den Rauchfahren der 850 hPa Temperatur ist zu erkennen, dass insgesamt eine
recht gute Bündelung der Member vorherrscht, was auch nicht weiter verwundert,
da es zu keinen größeren Luftmassenwechseln kommt.
Auffällig ist jedoch, dass bei der Rauchfahne des 500 hPa Geopotentials im Süden
und Osten der HRES und ENS-CTRL Lauf beide teilweise am untersten Rand der
Rauchfahne liegen, während die übrigen Member ein teils deutlich höheres
Geopotential anzeigen. Diese Diskrepanz fällt im Norden deutlich geringer aus
und zeigt, dass die Rinne besonders nach Süd- und Ostdeutschland zu noch
unsicher gerechnet wird. Aber auch auf Unsicherheiten der internen Struktur der
Rinne (siehe folgender Abschnitt) deutet diese Memberverteilung hin.

Die Clusteranalyse beginnt in der Mittelfrist mit drei Clustern (klimat. Regime
"Atlantikrücken") und weist zu dem Zeitpunkt für Deutschland keine größeren
Unsicherheiten/Unterschiede auf. In der Folge überwiegt bei zwei Clustern die
negative NAO, wobei der Kontroll- und det. Lauf jeweils im ersten Cluster zu
finden sind. Dabei liegt Norddeutschland in beiden Clustern näher am
eigentlichen Höhentief, mit sich rasch aufweichenden Gradienten zu den Alpen
hin. Zudem zeigt der Ensemble spread über Süddeutschland leicht erhöhte Werte,
während die Ensemblesicherheit nach Norden zu zunimmt. Dies könnte u.a. eine
Erklärung für die Verteilung der member in der 500 hPa Geopotential Rauchfahne
darstellen (wenn beide Member eine südlichere Lage der Rinne stützen, jedoch
eher Außenseiterlösungen darstellen). Eine weitere ist die, dass die höher
aufgelösten Member innerhalb der Rinne eingebettete lokale Minima im
Geopotentialfeld besser auflösen und daher zeitweise so stark von den übrigen
Membern abweichen. Insgesamt hebt diese Memberverteilung aber die Unsicherheit
der Lage und Ausprägung dieser Tiefdruckrinne hervor, wo Details über das
bevorzugte Auftreten von Niederschlägen entscheiden.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Der EFI gibt abgesehen von schwachen Signalen mit leicht zu kalten
Temperaturwerten zum Mittelfristbeginn ansonsten keine Hinweise auf anormale
(vom Modellklima abweichende) Wetterereignisse.

COSMO-LEPS deutet in der Nacht zum Montag über der Deutschen Bucht mit geringen
Wahrscheinlichkeiten einzelne stürmische Böen an, die sich am Montag tagsüber
unter weiterer Abschwächung auch auf die Ostsee ausweiten, dann jedoch von
Westen zügig nachlassen.

Ab der Wochenmitte rückt punktuelles Starkregenpotential durch langsam ziehende
Gewitter wieder zunehmend in den Fokus, wobei jedoch die Zutaten aktuell noch
nicht auf eine überregionale Unwetterlage hindeuten.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, MOS-MIX, IFS-EPS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy