DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-07-2019 17:30
SXEU31 DWAV 031800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 03.07.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zweiteilung mit unterkühltem, teils windigem und wechselhaftem Norden und
sommerlich geprägten Süden.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... weist die für Mitteleuropa relevante Druck- und Potenzialverteilung
zwei wesentliche Zentren auf, an denen sich - wenn man nicht zu pienzig urteilt
und sich die Globalbrille aufsetzt - bis auf Weiteres nicht allzu viel ändert.
Auf der einen, der nördlichen Seite befindet sich ein breiter Höhentrog, der vom
Europäischen Nordmeer bis nach Fennoskandien reicht. Eingelagert ist ein
abgeschlossenes Drehzentrum knapp westlich von Norwegen zwischen 65 und 70°
Nord. Es kommt bis morgen früh etwas nach Süden voran, bevor es spätestens bis
zum Vormittagin Kreuzfahrermanier an Land geht. Wichtiger als das ist aber die
Tatsache, dass der Trog mit einer umfangreichen Tiefdruckzone korrespondiert,
dessen Zentraltief NASIR knapp ost-südöstlich vom Weißen Meer (Nordwestrussland)
positioniert ist. Darüber hinaus ziert noch ein kleineres, namenloses Tief die
Wetterkarte, das mit dem erwähnten Höhentief westlich Norwegens korreliert.
Das zweite relevante Zentrum ist antizyklonaler Natur. Es befindet sich über dem
mittleren Nordatlantik in Form eines Höhenrückens, der eine langgestreckte
Bodenhochdruckzone stützt. Der Schwerpunkt dieser Zone (WINNIEpuh)liegt aktuell
nahe Irland mit etwa über 1030 hPa, Tendenz leicht abnehmend. Davon ausgehend
verläuft ein Keil mitten über Deutschland hinweg bis zum Schwarzen Meer.
Ausgehend von der geschilderten Verteilung lässt sich Deutschland grob in zwei
Areale aufteilen: zum einen der zyklonal geprägte Norden (zyklonale
Isohypsenkrümmung, allerdings ohne nennenswerte dynamische Hebungskomponenten),
der von vergleichsweise kühler Nordseeluft geflutet wird (T850 1 bis 5°C). Zum
anderen der antizyklonale Süden, in dem abgetrocknete und deutlich erwärmte
Meeresluft ihre volle Wirksamkeit entfaltet (T850 10 bis 15°C). Reste der
feuchten und labil geschichteten Warmluft vom Wochenanfang haben sich in den
inneralpinen Raum bzw. auf die Alpensüdseite zurückgezogen, was die Schauer- und
Gewitterneigung am deutschen Alpenrand auf ein Minimum reduziert.
So weit, so gut, aber das geschulte Auge des aufmerksamen Lesers erkennt
natürlich sofort, dass die Temperaturverteilung eine Unstetigkeit aufweist. Und
richtig, 850-hPa-Temperaturen zwischen 5 und 10°C haben sich nicht einfach in
Luft aufgelöst, sondern überdecken die mittleren Landesteile, die eine Art
Übergangszone markieren. Gut zu erkennen an der Quellbewölkung tagsüber, die
nach Norden hin dichter und sonnenscheinundurchlässiger war als nach Süden hin.
So viel zur Ausgangslage, kommen wir zur Vorhersage der kommenden Nacht zum
Donnerstag. Im Norden und in Teilen der Mitte lösen sich die Quellungen
tagesgangbedingt vielfach auf. Gleichwohl können in Küstennähe vereinzelte kurze
Schauer nicht ganz ausgeschlossen werden. In den frühen Morgenstunden zieht von
der Nordsee her dichte Bewölkung heran, die schwacher WLA im Vorfeld einer sich
annähernden Warmfront geschuldet ist. Die Warmfront ist Bestandteil eines
Frontensystems, das zu einem weiteren Tief namens PIRMIN gehört. Es dümpelt
aktuell mit einem Kerndruck von immerhin rund 1000 hPa noch über der Irminger
See herum, dürfte sich aber bis zum morgendlichen Skyr immer mehr dem
isländischen Festland nähern. Der West-Nordwestwind bleibt besonders an der
Ostseeküste flott unterwegs mit Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft, aber auch an der
nordfriesischen Küste nimmt er im Laufe der zweiten Nachthälfte wieder an Fahrt
auf (7 Bft).
Im großen Rest der Republik verläuft die Nacht meist gering bewölkt oder klar
mit lüftungstauglichen Tiefsttemperaturen zwischen 6 und 13°C (im äußersten
Süden und Südwesten etwas darüber, in der Mitte und im Norden punktuell etwas
darunter).
Eine Kleinigkeit gilt es dann doch noch zu beachten. Schon tagsüber konnte man
über Zentralfrankreich ein zyklonal angeordnetes Wolkengebiet mit schauerartigem
Regen erkennen. Es ist das Resultat eines kleinen Sekundärtroges, der sich in
den nächsten Stunden der Nordschweiz und SW-Deutschland nähert. Somit können in
Südbaden ein paar frühmorgendliche Tropfen nicht ausgeschlossen werden, Gewitter
sind aber eher unwahrscheinlich.

Donnerstag ... ändert sich nicht allzu viel an der großräumigen
Strömungskonstellation. Am Okklusionspunkt des o.e. Frontensystems bildet sich
über der nördlichen Nordsee ein kleines Teiltief, das langsam in Richtung
Südnorwegen konvergiert. Die Warmfront, an der sich mittlerweile eine Welle
gebildet hat, tangiert den Norden des Landes, wobei die anfänglich noch
auftretende schwache WLA mehr und mehr in die Knie geht. Es reicht aber, um die
dichte tiefe SC/ST-Bewölkung von der Nordsee auf große Teile der Norddeutschen
Tiefebene zu verteilen. Es reicht aber nicht, um diesen Wolken substanzielle
Niederschläge abzutrotzen (Inversion bei 800 hPa oder etwas höher), so dass es
am Ende (also bis zum Abend) bei etwas Regen oder Nieselregen unmittelbar an der
Küste bleibt (max. 1-2 mm innert 12 h).
Apropos Küste, sowohl an der Nord- (Ostfriesland weniger als Nordfriesland) als
auch an der Ostsee frischt der westliche Wind auf mit steifen bis stürmischen
Böen 7-8 Bft. Auch für Teile Schleswig-Holsteins sowie das küstennahe Binnenland
MVs dürfte eine kleine Windwarnung (7 Bft) fällig werden.
Ansonsten ist die Donnerstagsgeschichte rasch erzählt. So scheint in der Mitte
und weitestehend auch im Süden mitten im Hochkeil die Sonne. Nach Norden hin
zieren ein paar flache Quellungen den Himmel, im äußersten Süden und Südwesten
geben sich anfangs noch ein paar Restwolken des o.e. Sekundärtrogs die Ehre,
vereinzelte potenzielle Schauer inclusive. Ob am Nachmittag dann mal eine
verirrte Gewitterzelle aus dem inneralpinen Raum (dort nach wie vor erhöhte
konvektive Aktivität) die Grenzkontrollen überwindet und auf deutsche Seite
übergreift, kann nicht ausgeschlossen werden, ist insgesamt aber als gering
wahrscheinlich einzustufen.
Noch ein Satz zu den Temperaturen, die weiterhin mit einem veritablen Gradienten
aufwarten. Dürftige 16 bis 20°C sind es im weitgehend bedeckten Norden,
sommerliche 25 bis 31°C im Süden und 21 bis 26°C dazwischen.

In der Nacht zum Freitag intensivieren sich die Hebungsprozesse über dem
äußersten Norden. Zum einen nähert sich die Kaltfront der nach Osten abziehenden
Warmfrontwelle, zum anderen nimmt die Isohypsenkrümmung am Rande eines etwas
weiter nördlich durchschwenkenden Randtrogs zu. Quittiert wird das Ganze mit
einer Intensivierung der Regenfälle, insbesondere im Norden SHs sowie in
Vorpommern, wo durchaus bis 10 mm innert 12 h, lokal vielleicht auch ein, zwei
Millimeter mehr den Erdboden erreichen können. Weiter landeinwärts Richtung
Süden nimmt die Niederschlagsintensität aber rasch ab. Direkt an der Küste
bleibt es windig mit Spitzen der Stärke 7 Bft, exponiert 8 Bft.
Darüber hinaus gilt es nur noch zu konstatieren, dass sich mittelhohe, weniger
tiefe Wolken von Norden her bis in die Mitte vorarbeiten, während es in
Süddeutschland gering bewölkt oder klar bleibt. Die Tiefsttemperatur stellt sich
deutschlandweit meist zwischen 9 und 16°C ein.

Freitag ... dreht die Höhenströmung besonders im Norden und Osten vorübergehend
etwas stärker auf Nordwest, bevor sich zum Abend hin von der Nordsee her ein
flacher Höhenrücken nähert. Dieser kann sich zwischen zwei Höhentiefs
etablieren, von denen das erste (es handelt sich um das Exemplar, das heute noch
knapp westlich von Norwegen thront) inzwischen das Baltikum erreicht hat, und
das zweite um 12 UTC leicht nördlich von Schottland liegt. Bodennah greift von
Norden her die o.e. schleifende Kaltfront auf Norddeutschland über, wo sie aber
rasch ausgebremst wird (kaum Schubkomponente). Ihre Wetterwirksamkeit hält sich
mangels dynamischer Unterstützung aus der Höhe respektive im Zuge des sich
unweigerlich nähernden flachen Rückens sehr in Grenzen. Im Klartext, die
anfänglich aus der Nacht heraus noch auftretenden Regenfälle lassen mehr und
mehr nach bzw. ziehen nach Osten ab, so dass am Ende nur noch ein paar Schauer
an der Küste übrigbleiben. Wolkentechnisch sieht es für weite Teile Nord- und
Ostdeutschlands aber recht düster aus, sprich, irgendwelche Lücken,
Auflockerungen oder kleine Sonnenfenster tun sich nur selten bis überhaupt nicht
auf. Dazu frischt der West-Nordwestwind mitunter böig auf, warnrelevante Böen 7
Bft bleiben wahrscheinlich aber auf die Ostseeküste und Teile der Nordseeküste
beschränkt (dass es der Brocken sogar bis Windstärke 8 Bft schafft, bedarf
keiner besonderen Erwähnung).
Mehr Wolken (hoch und mittelhoch) als an den Vortagen treten durch die leichte
Drehung der Höhenwinde auch im Süden und in der Mitte auf den Plan. Etwa südlich
von Eifel, Taunus und Main sollten diese Wolken aber so transparent bzw. fraktil
sein, dass unter dem Strich noch ein Überangebot an direkter Sonnenstrahlung
bilanziert werden kann, während zur Mitte hin diesbezüglich ein paar Abstriche
gemacht werden müssen.
Erwähnenswert sind auf alle Fälle noch die Temperaturen bzw. die sich noch
vergrößernden Unterschiede: während im Norden nach wie vor bei 17 bis 21°C
Schluss ist, bringt es der Süden und Südwesten auf 27 bis 32°C, lokal vielleicht
auf 33°C. Grund der Erwärmung ist ein Anstieg der 850-hPa-Temperatur auf 15 bis
18°C auf der Vorderseite eines weiteren flachen Höhenrückens über Ostfrankreich
und der Schweiz (teils durch Absinken, teils durch Advektion).

In der Nacht zum Samstag zieht das zweite Höhentief vom Seegebiet um Schottland
zur nördlichen Nordsee, das korrespondierende Bodentief erreicht Südnorwegen.
Der Norden des Vorhersageraums gelangt unter ein diffluentes Isohypsenfeld, wo
ein nicht unerhebliches Quantum an PVA für dynamische Hebung sorgt. Zwar bewirkt
weit nach Osten ausgreifende KLA eine gewisse Teilkompensation, trotzdem
reagieren die meisten Modelle mit einer Zunahme der zuvor lahmenden
Niederschlagsaktivität. Schauerartig verstärkter Regen könnte bis in die
Norddeutsche Tiefebene ausgreifend bis zu 5 mm/12 h bringen. Ob es über der
Ostsee sogar für ein kurzes Gewitter reicht, wie von ICON avisiert, ist
allerdings fraglich (zu wenig höhenkalte Luft). Genauso fraglich ist die
Simulation einzelner Schauer, die von der Schweiz her auf Südbaden übergreifen
sollen.

Samstag ... schwenkt das hochreichende Tief (Bodendruck etwas unter 1000 hPa)
über Südskandinavien hinweg in Richtung Baltikum. Die zugehörige Kaltfront
überquert den Norden mit etwas Regen (am stärksten bei ICON ausgeprägt) südwärts
und erreicht bis zum Abend den zentralen Mittelgebirgsraum. Rückseitig gelangt
ein frischer Schwall Nordseeluft vor allem in das norddeutsche Flachland (T850 3
bis 6°C), in der sich mangels Höhenkaltluft wahrscheinlich nur wenige Schauer
entwickeln. Dafür legt der auf NW drehende Wind wieder spürbar zu mit Böen 7 Bft
bis weit in die Norddeutsche Tiefebene und stürmischen Böen 8 Bft an der See (in
exponierten Ostseelagen sowie in einigen Mittelgebirgen sogar einzelne Sturmböen
9 Bft).
Nicht nur im Norden und später in der Mitte tut sich ein bisschen was, auch der
Süden wacht präfrontal aus seiner Lethargie auf. Vor allem südlich der Donau
sowie über dem Südschwarzwald wird die dort lagernde Warmluft nicht nur labiler,
sondern auch deutlich feuchter (PPW über 30 mm), so dass mit Hilfe vorheriger
Einstrahlung MU-CAPE bis 1000 J/kg, lokal auch darüber generiert werden kann.
Mit Hilfe der Orografie bei gleichzeitiger Zyklonalisierung der Höhenströmung
sowie möglicher Konfluenzen im Bodenwindfeld kommt es zur Auslöse von Schauern
und teils kräftigen Gewittern mit der Gefahr von Starkregen und größerem Hagel.
Lokale Unwetter können dabei aus heutiger Sicht nicht ausgeschlossen werden.
Darüber hinaus lebt der westliche Wind auch abseits konvektiver Umlagerungen
stark böig auf mit 7er-, in Einzelfällen vielleicht sogar 8er-Böen auf.
Der Temperaturunterschied zwischen Nord und Süd bleibt weiterhin groß: 15 bis
20°C im Norden, 26 bis 31°C im Süden, 20 bis 26°C dazwischen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Entwicklung im Groben ist unstrittig, kleinere Detailunterschiede sind in
der Regel nicht warnrelevant. Schönen Abend noch!


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann