DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-06-2019 16:01
SXEU31 DWAV 281800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 28.06.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Heißes Wochenende mit neuen Hitzerekorden für Juni. Am Montag im Süden Unwetter
möglich.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich der mächtige Höhenrücken mit einem außergewöhnlich
hohen Geopotentential über Frankreich. Deutschland liegt auf seiner Vorderseite
in einer nordwestlichen Höhenströmung. Damit hat sich auch die wirklich heiße
Luftmasse in Richtung Frankreich und Norditalien zurückgezogen. Föhnbedingt
durch das Zentralmassiv konnte dort heute Nachmittag ein neuer Allzeitrekord
aufgestellt werden. So wurden in Gallargues-le-Montueux 45.8 Grad gemessen und
der alte Rekord, damals noch aus dem Monat August (12.08.2003, 44.1 Grad)
förmlich pulverisiert.

Zurück nach Deutschland. Dort liegt die 850 hPa Temperatur im Nordosten
unterhalb der 10 Grad Marke, während man im äußersten Südwesten knapp 20 Grad
registriert. Dieser Temperaturunterschied zeigt sich auch in den
Nachmittagstemperaturen, die im Norden und Nordosten gerade mal um 21 Grad
liegen, während an Ober- und Hochrhein die 30 Grad Marke klar überschritten
wurde.

Viel mehr lässt sich vom Tag nicht berichten. Hoher Luftdruck dominiert auf der
Vorderseite des Höhenrückens das Wettergeschehen in Deutschland und sorgt für
Absinken. Dieses lässt sich auch gut in den Mittagsaufstiegen sehen, wo eine gut
ausgebildete Absinkinversion zwischen 900 und 950 hPa zu finden ist. Die Folge
ist Wolkenarmut. In großen Teilen des Landes zeigt sich keine einzige Wolke.
Einzig im Osten und Nordosten - wo man am nächsten am osteuropäischen
Langwellentrog liegt - sind ein paar harmlose Kumuli unterwegs.

In der Nacht auf Samstag ändert sich nichts Wesentliches. Nahezu das ganze Land
ist wolkenfrei. Einzig in Richtung Küste können sich dichtere Wolken bilden.
Diese sind aber wohl eher der Kombination aus verhältnismäßig kühlem
Nordseewasser und darüber strömender Warmluft geschuldet. In den
Prognosesoundings erkennt man eine gut ausgebildete Absinkinversion, mit
Sättigung am Unterrand. Da die Inversion im Laufe der Nacht weiter absinkt, ist
davon auszugehen, dass sich Seenebel bildet, der mit der nordwestlichen bis
nördlichen Strömung landeinwärts advehiert wird. Nicht überraschend werden
sowohl von MOS-Mix und WarnMos, wie auch vom EZMWF und ICON Signale für Nebel
gegeben, der auch in den warnwürdigen Bereich rutschen kann.

Das ist aber auch schon das spannendste Detail einer sonst ruhigen Nacht mit
Tiefstwerten zwischen 14 und 7 Grad (!) bei denen sich gut durchlüften lässt.
Einzig im Südwesten macht sich die von Südwesten allmählich wieder übergreifende
Warmluft bemerkbar. Dort werden nur zwischen 19 und 15 Grad erwartet.

Samstag ... verlagert sich die Achse des Höhenrückens nach Deutschland. Damit
dreht die Strömung von Westen her zunächst auf West und später Südwest. Als
Folge nimmt der Zustrom heißer Luftmassen aus Frankreich deutlich zu. So steigt
die 850 hPa Temperatur in der Westhälfte auf über 20 Grad an. Allerdings fehlt
es zunächst noch ein wenig an Durchmischung und die Absinkinversion wirkt in
gewisser Weise deckelnd. Dennoch werden verbreitet 30 bis 36 Grad erwartet. Die
höchsten Werte werden dabei wohl in Richtung Oberrhein und Mosel auftreten, wo
im Laufe des Nachmittags die Inversion allmählich weggemischt wird.

Die Prognosesoundings sind auf jeden Fall einen Blick wert. Das 500 hPa
Geopotential liegt weiterhin sehr hoch bei etwa 5.9 km. Zudem sind die Profile
extrem trocken, mit einem großen Spread in allen Luftschichten. Es verwundert
daher wenig, dass MOS in nahezu ganz Deutschland 100% Sonnenscheindauer
prognostiziert - etwas, dass man in dieser Form nur sehr selten sieht.

Der Seenebel aus der Nacht sollte sich mit Winddrehung auch im Laufe des
Vormittags zügig auflösen.

Wo es keine Wolken gibt, fällt auch kein Niederschlag und auch der Wind spielt
sich unterhalb der Warnschwellen ab ... okee vielleicht reicht es am Kap Arkona
mal für eine 7er Böe.

In der Nacht auf Sonntag nimmt der Zustrom von Warmluft weiter zu. So erreicht
die 20 Grad Isotherme in 850 hPa auch den Osten des Landes.

Das liegt vor allem auch daran, dass die Achse des Höhenrückens unter Abflachung
langsam ostwärts schwenkt und damit die Strömung überall auf südwestliche
Richtungen dreht. Die Minima liegen entsprechend deutlich höher als noch in den
Vornächten zwischen 10 und 22 Grad, wobei die 10 Grad vor allem in Teilen
Bayerns und die Tropennächte vornehmlich in den west- und südwestdeutschen
Ballungszentren zu verzeichnen sind, sowie föhnbedingt am Nordrand der zentralen
Mittelgebirge.

Warnungen sind nicht zu erwarten.

Sonntag ... steuern wir auf den zweiten und vorerst letzten Hitzehöhepunkt zu.
Die Keilachse flacht immer weiter ab und ist nach Osteuropa abgezogen. Damit
gelangt Deutschland allmählich in den Einflussbereich eines Troges bei den
Britischen Inseln. Allerdings ist dieser Trog zunächst ziemlich flach und die
Höhenströmung verläuft aus Südwest kommend eher indifferent und vornehmlich nach
Süden und Osten sogar leicht antizyklonal.

Dieser fehlende Antrieb ist wohl auch einer der Hauptgründe, warum es schwierig
wird Gewitter auszulösen. Denn eigentlich kommt mit der Kaltfront auch ein
Schwung sehr feuchter Luft herein mit Werten der spezifischen Feuchte bei 13/14
g/kg. Zudem ist die Luftmasse hochreichend labil geschichtet. Nicht überraschend
steigen die CAPE Werte auf 1000-2000 J/kg, im Südwesten gar über 3000 J/kg.

Schaut man sich die Prognosesoundings von ICON6 an, dann erkennt man neben dem
fehlenden Antrieb aus der Höhe (eher Absinken) auch noch ein zweites Hindernis.
Die relative Feuchte in bodennahen Schichten ist äußerst gering (großer Spread).
Das wiederum hat ein hohen HKN und einen recht starken Deckel (hohe CIN-Werte)
zu Folge. Diesen Deckel zum Beispiel durch Orographie getriggert zu
durchbrechen, würde schon einem Kunststück gleichkommen. Uns selbst wenn es
klappt, würde der große Spread auch in der mittleren Troposphäre in weiterer
Folge eher für ein Vertrocknen sorgen.

Bleibt noch die Frage, wie sieht es im Bereich de Kaltfront bzw. der
vorgelagerten Konvergenz aus. Diese zeigt einen durchaus ansprechenden
horizontalen Temperaturgradienten, sowie einen gut ausgebildeten Bodentrog mit
eingelagerter Windkonvergenz. Aber auch dort offenbaren die Prognosesoundings
einen kräftigen Deckel, der sich insbesondere auch in hohen CIN-Werten
ausdrückt. Damit ist nachvollziehbar, warum die Modelle durch die Bank weg so
gut wir keine Niederschlagssignale zeigen.

Die Kaltfrontpassage wird sich folglich anderweitig bemerkbar machen. Neben dem
offensichtlichen Temperatur- und Taupunkrückgang, wird auch ein schmales Band
mit dichten Wolken prognostiziert und insbesondere der Wind springt mit Drehung
auf Nordwest ordentlich an. In der Nordhälfte lässt sich das auch gut mit einer
ausgeprägten Druckanstiegswelle identifizieren. Je weiter man nach Süden kommt,
desto schwächer ist diese. Von daher ist es verständlich, dass von den
verschiedenen Ensembleverfahren und auch von deterministischen Modellen die
Überschreitung des Warnkriteriums für Windböen nur für den Norden vorhergesagt
wird. ICON prognostiziert gar einzelne Bft 8 Böen. Dies findet aber sonst kaum
Unterstützung und ist daher zunächst als wenig wahrscheinlich einzustufen.

Bleibt noch der Blick auf die Höchstwerte, die einen neuen Höhepunkt erreichen.
Anders als am Mittwoch ist diesmal die Durchmischung deutlich besser ausgeprägt.
Das kann man vor allem auch wieder in den Prognosesoundings erkennen. Diese
zeigen keine oder eine nur noch ganz schwach ausgeprägte Absinkinversion.
Stattdessen nimmt die Temperatur nahezu trockenadiabatisch bis in die mittlere
Troposphäre ab.
Die Prognosen von MOS-Mix sagen Werte in der Spitze über 39 Grad vorher. Wenn
alles passt, ist auch das Erreichen der 40 Grad Schwelle nicht auszuschließen.

In der Nacht auf Montag macht die Kaltfront weiter Boden gut auf ihrem Weg in
Richtung Südosten, kommt aber gerade in den westlichen Landesteilen nur langsam
voran, was wohl vornehmlich der flachen Trogvorderseite in der Höhe geschuldet
ist.

Die Kaltfront wird von kräftiger KLA überlaufen und bleibt auch deswegen
weiterhin weitgehend inaktiv. Der Wind kommt wieder etwas zur Ruhe, sodass dann
wohl keine Warnungen mehr notwendig sind. Einzig an der See und in den Hochlagen
der Bergen sind noch Windböen, auf dem Brocken Sturmböen zu erwarten.

Ausgang der Nacht greift der Trog auf den Nordwesten über. Nicht ausgeschlossen,
dass es bedingt durch die Höhenkaltluft im erweiterten Nordseeumfeld für Schauer
und vielleicht ein kurzes Gewitter reicht.

Während die Tiefstwerte im Süden zumeist zwischen 23 und 19 Grad liegen, gehen
die Werte postfrontal auf 16 bis 13 Grad zurück.

Montag ... überquert die Achse des Troges Deutschland von West nach Ost. Damit
strömt ein Schwall erwärmter Polarluft ein und beeinflusst vor allem den Norden
und die mittleren Landesteile. Im Norden werden nur noch um 22 Grad erwartet.
Zudem sind mit der Höhenkaltluft dort einige, meist schwache Schauer zu
erwarten. Weiter in den mittleren Landesteilen ist es nach Kaltfrontpassage
freundlich und weitgehend trocken bei 24 bis 30 Grad.

Den Süden erreicht die Kaltfront erst zum Abend, sodass dort nochmal
Spitzenwerte bis 36 Grad zu erwarten sind (Berchtesgadener Land). Die
Bedingungen für hochreichend Konvektion sind im Bereich vor der Kaltfront
deutlich besser als am Vortag. Hohe Feuchte- und Labilitätswerte kombinieren
besser mit einem Antrieb aus der Höhe (Trog). Betroffen sind wohl vor allem die
Gebiete entlang und südlich der Donau.

Die Prognoseaufstiege zeigen hochreichend deutlich feuchtere Profile. Folglich
werden bei niedrigerem HKN auch viel geringere CIN-Werte und damit ein
schwächerer Deckel vorhergesagt.

Kurzum, ein Auslöse erscheint deutlich wahrscheinlicher, als noch am Vortag. Die
hochreichende Scherung wird in diesem Bereich immerhin zwischen 10 und 15 m/s
vorhergesagt. Entsprechend muss in Kombination mit den hohen CAPE-Werten von
größerem Hagel (4/5 cm) ausgegangen werden. Auch sind organisiertere
Entwicklungen bis hin zu einzelnen Superzellen denkbar. Entsprechend muss auch
mit Sturmböen gerechnet werden. Bei ppw-Werten darf trotz recht guter
Zuggeschwindigkeiten das Thema Starkregen nicht außer Acht gelassen werden. Dort
wo die Gewitter auftreten, muss also auch damit gerechnet werden, dass sie die
Unwetterwarnschwelle überschreiten.

Davon abgesehen bleibt eigentlich nur noch der Wind zu erwähnen. Dieser wird in
der Nordhälfte von den verschiedenen Modellen und Ensembleverfahren recht
einheitlich im Bft 7 Bereich vorhergesagt. An der See sind durchaus auch
einzelne stürmische Böen denkbar.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im kurzfristigen Vorhersagezeitraum lassen sich eigentlich keine nennenswerten
Unterschiede bei den verschiedenen Vorhersagemodellen finden. Insofern kann die
Kurzfristprognose als recht gesichert bezeichnet werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer