DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-07-2016 09:00
SXEU31 DWAV 010800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 01.07.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TrW (Trog Westeuropa), Übergang zu Wz (West zyklonal)

Heute und am Sonntag vergleichsweise ruhig. Am Samstag Kaltfrontpassage, dabei
im Süden und Osten Gewitter, lokale Unwetter möglich. Später auch im Nordwesten
einzelne Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines
"breitgelatschten" Höhentroges über dem nahen Ostatlantik und Teilen
Westeuropas, in dessen Zentrum sich ein hochreichendes Tief befindet. Sein
Drehzentrum liegt zwischen Island und Schottland, von wo aus es sich nur äußerst
schleppend in Richtung Norwegische See verlagert. Da der breite Trog - angefacht
durch einen rückseitig südostwärts ablaufenden KW-Trog - regeneriert und vor
allem zunehmend konturiert wird, dreht die Höhenströmung bei uns im Laufe des
Tages zurück auf Südwest. Dabei behält die Strömung nach NW hin ihren leicht
zyklonalen Charakter, während der Isohypsenverlauf nach SO hin eine neutrale und
vergleichsweise glatte Struktur annimmt.
Tatsache ist, dass mit dem Rückdrehen der Strömung nicht nur mittel-, sondern
auch niedertroposphärisch warme Luft insbesondere in den Osten und Süden sowie
in Teile der Mitte gelangt, in der die 850-hPa-Temperatur bis zum Abend auf 11
bis 15°C, Richtung Alpen sogar etwas darüber ansteigt. In Verbindung mit
reichlich Einstrahlung - vor allem südlich des Mains, aber auch vom Erzgebirge
hoch bis weit nach BB scheint trotz einiger (anfänglicher) Wolkenfelder häufig
die Sonne - bedeutet das Tageshöchsttemperaturen in den hohen Zwanzigern, lokal
sogar nahe 30°C. Oder mit anderen Worten, der Juli startet in weiten Teilen des
Landes sommerlich, auch thermisch-formell.
Nicht ganz so rosig sieht es aus, wenn man den Monatsstart in West- oder
Norddeutschland verbringen muss, darf, will oder sonst wie. Am Rande des
besagten Tiefdruckgebietes gelangt nicht nur weniger warme, aber auch nicht
wirklich kühle Meeresluft subpolaren Ursprungs in den NW, eine wellende, in der
Analyse nur schwer detektierbare Kaltfront sorgt zudem für einen wechselhaften
und eher sonnenscheinarmen Wettercharakter mit schauerartigen Regenfällen bei
maximal 18 bis 24°C. Zwar wird in der Luftmasse geringfügiges ML-CAPE von bis zu
200 J/kg (COSMO-EU) simuliert, summa summarum hält sich die Labilität aber
soweit in Grenzen, dass das Auftreten von Gewittern nicht gerade als überbordend
wahrscheinlich angesehen werden kann.
Dafür frischt der südliche bis südwestliche Wind besonders an der Nordsee,
bedingt auch an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste, zeitweise auf mit Böen
7 Bft, exponiert vereinzelt 8 Bft, bevor am Nachmittag eine vorübergehende
Windabnahme erfolgt. Sturmböen 8-9 Bft stehen, wie so oft bei einer solchen
Wetterlage, auch auf dem Brockenplateau auf dem Zettel.

Am Abend und in der Nacht zum Samstag kommt der Höhentrog dichter an den
europäischen Kontinent heran, wodurch die Höhenströmung bei uns zunimmt und noch
etwas zurückdreht. Kurzwellige Troganteile schwenken insbesondere über den
Westen und Norden des Landes nordostwärts, wodurch die dort nach wie vor
präsente Kaltfront aktiviert wird. Sie neigt immer noch zur Wellenbildung, kommt
aber etwas nach Südosten voran, so dass in den frühen Morgenstunden bereits eine
neue, etwas kühlere Meeresluft in den äußersten NW strömt. An der Front
intensivieren sich die schauerartig verstärkten Regenfälle, die aber fernab
jedweder Warnrelevanz bleiben. Auch eingelagerte Gewitter sind aufgrund der nach
wie vor recht stabilen Schichtung nicht sehr wahrscheinlich. Dafür nimmt der
südwestliche Wind zunächst an der Nordsee, später auch an der westlichen Ostsee
sowie in einigen Hochlagen zu mit Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft.
Zurück noch mal zu den Gewittern, die wie gesagt im Frontbereich eher
unwahrscheinlich sind, dafür aber präfrontal auftreten können. Besonders aus den
Alpen heraus (ab dem Abend), aber auch im SW sind einzelne Gewitter mit
Starkregen und kleinkörnigem Hagel möglich.

Samstag... greift der LW-Trog von Westen her auf Deutschland über und überdeckt
zum Tagesende (also nach Verlängerung und Elfmeterschießen) das ganze
Bundesgebiet. Vorderseitig werden durch Advektion zyklonaler Vorticity (PVA)
zwar Hebungsimpulse generiert, die aber durch den Trog überlaufende KLA um
einiges gedämpft wird.
Fakt ist, dass sich das Drehzentrum des Bodentiefs gen Norwegische See verlagert
und die zugehörige Kaltfront ihre Neigung zur Wellenbildung ad acta legt.
Kurzum, sie schwenkt relativ zügig (im Norden mehr als im Süden) über den
Vorhersageraum hinweg, so dass Deutschland am Abend mit Ausnahme des äußersten
Südens und Südostens auf der Rückseite liegt. Während die Schichtung im
Frontbereich selbst stabil und somit gewitterunfreundlich bleibt, wird in der
präfrontalen Warmluft noch etwas ML-CAPE aufgebaut, vor allem im äußersten SO
Bayerns sowie in der Oberlausitz wo es noch am längsten einstrahlt; dort sind
Energiemengen von bis zu 1000 J/kg möglich (Lesart C-EU), dazu PPWs von über
30 mm. Ob diese CAPE-Werte tatsächlich erreicht werden (oder evtl. noch höhere)
hängt nicht zuletzt vom Timing der Front respektive der präfrontalen Bewölkung
ab, die ja doch ziemlich flott nach SO vorstoßen soll.
Wie auch immer, im S und SO muss schon am Vormittag mit schauerartigen und teils
gewittrigen Regenfällen sowie ersten markanten Gewittern gerechnet werden,
wobei Starkregen an vorderster Stelle als begleitendes Element zu nennen ist.
Über Süddeutschland könnte sich schon am Morgen vorlaufend sogar eine Konvergenz
bilden, was u.a. von C-EU im Windfeld gezeigt wird (SO-Wind vs. westliche
Winde). Zum Mittag und frühen Nachmittag hin sind dann zwischen Alpenrand und
den ostbayerischen Mittelgebirgen sowie im östlichen Sachsen (vielleicht auch
noch im südöstlichen BB) stärkere konvektive Entwicklungen mit Starkregen, Hagel
und Sturmböen möglich, lokale Unwetter nicht ganz ausgeschlossen (hängt wie
gesagt stark vom Timing der Front und auch von möglicher Organisation der
Konvektion ab).
Rückseitig der Kaltfront strömt ein Schwall erwärmter Meeresluft polaren
Ursprungs in den Vorhersageraum, in der die 850-hPa-Temperatur in weiten Teilen
der N-Hälfte auf 5°C oder etwas darunter zurückgeht. Auch mitteltroposphärisch
sinkt die Temperatur, im N und W auf unter -20°C in 500 hPa, lokal auf nahe
-25°C. Dort werden sich, nach einer vorübergehend trockenen postfrontalen
Episode mit einigen Auflockerungen, Schauer und auch einzelne
(Kaltluft-)Gewitter entwickeln, die aufgrund der hohen Scherungswerte (vor allem
deep layer) vorderseitig des Troges durchaus linienhaft organisiert sein können.
ML-CAPE bis etwa 300 J/kg, abnehmende PPWs auf unter 20 mm (örtlich sogar unter
15 mm) sowie eine vergleichsweise flotte Grundströmung deuten vornehmlich auf
stürmische Böen, vielleicht noch auf kleinkörnigen Hagel oder Graupel hin,
während Starkregen eher weniger in Frage kommt.
Der auf südwestliche bis westliche Richtungen drehende Wind frischt besonders
bei Konvektion sowie bei Frontpassage auf mit Spitzen 7 bis 8 Bft. An der
Nordsee sind auch rein gradientbedingte Böen 7 Bft möglich. Die Temperatur
erreicht Höchstwerte von 17 bis 23°C, nach O und SO hin noch mal bis zu 26, 27
oder 28°C.

In der Nacht zum Samstag erreicht die Kaltfront die Alpen, wo sie mehr oder
weniger "hängenbleibt". So kommt es am Alpenrand noch zu Regenfällen, die in der
zweiten Nachthälfte aber tendenziell nachlassen. Dahinter schiebt sich der KLA
folgend ein Azorenhochkeil bis nach Süddeutschland bzw. zur Mitte vor, der für
eine Wetterberuhigung sorgt. Bei Aufklaren geht die Temperatur gebietsweise bis
in den hohen einstelligen Bereich zurück. Entsprechend dem Tagesgang fällt die
Konvektion weitgehend zusammen, lediglich Richtung Nordsee muss in Verbindung
mit der höhenkältesten Luft noch mit Schauern und einzelnen Gewittern gerechnet
werden. Dort ist - auch unabhängig von Konvektion - der SW-Wind weiterhin recht
zackig unterwegs mit Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft.

Sonntag... gelangt Deutschland auf der Südflanke des mittlerweile über der
Norwegischen See angelangten hochreichenden Tiefs unter eine relativ glatte
westliche Höhenströmung. Nach wie vor überdeckt der Azorenhochkeil die
Südhälfte, wo sich ein ruhiger und warnfreier, teils heiterer, teils wolkiger
(knapp oberhalb von 700 hPa befindet sich eine leichte Inversion bzw. isotherme
Schicht, an der sich Quellbewölkung ausbreiten kann) Tag einstellt. Dabei steigt
die Temperatur in der erwärmten Meereskaltluft auf 19 bis 24°C, im äußersten SW
(Hochrhein, südlicher Oberrheingraben) punktuell um 25°C.
Nach Norden hin verläuft der Sonntag etwas zyklonaler ergo wechselhafter mit dem
einen oder anderen Schauer, vielleicht auch mal einem kurzen Gewitter (gelb) bei
Tageshöchstwerten von rund 17°C an der Nordsee und 22°C Richtung Berlin und
untere Oder. Abgesehen von Schauerböen frischt der SW-Wind an der See und in
einigen exponierten Hochlagen böig auf mit Spitzen der Stärke 7 Bft.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die geschilderte Entwicklung ist in ihren Grundfesten unstrittig. Am
interessantesten wird es am Samstag mit Kaltfrontpassage und nachfolgender
Trogannäherung. Die Unschärfen wurden im Text bereits angerissen mit der
Faustformel: je schneller die Front, desto geringer die Unwettergefahr.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann