DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-06-2019 17:01
SXEU31 DWAV 231800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 23.06.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Unter Hochdruckeinfluss viel Sonnenschein und - wenn überhaupt - nur sehr
geringe Gewitterneigung. Dabei deutlich zunehmende Wärmebelastung, am Mittwoch -
außer im Norden - rekordverdächtige Höchstwerte.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland im Einflussbereich eines Höhenrückens, der
sich vom westlichen Mittelmeer bis zur südlichen Ostsee erstreckt, wobei ein vom
Rücken ausgehender Keil über die Nordsee hinweg nach Schottland reicht. Gestützt
wird der Rücken durch beständige WLA und den dadurch generierten Potenzialgewinn
auf der Vorderseite eines quasistationären Höhentroges mit Drehzentrum
südwestlich der Britischen Inseln.
Das korrespondierende Bodenhoch reicht von der Biskaya über das nördliche
Mitteleuropa bzw. Südskandinavien bis INS Seegebiet südlich von Island und kann
sich im Laufe der Nacht noch etwas verstärken sowie ein wenig Richtung östliches
Mitteleuropa ausweiten. Somit dreht die Grundströmung über dem Vorhersagegebiet
allmählich auf Ost bis Südost. Dadurch schwappt die über Süddeutschland
liegende, recht feuchte und potenziell instabile Luftmasse etwas mehr in den
Südwesten und Westen des Landes.
Im Bereich des sich verstärkenden Höhenrückens und tagesgangbedingt fallen die
letzten Schauer in Südostbayern (falls noch vorhanden) rasch in sich zusammen
und die Wolken lösen sich mehr und mehr auf. Vereinzelt kann sich im Südwesten
und Süden flacher Nebel bilden. Über den Westen und Nordwesten Deutschlands
ziehen zeitweise dünne hohe Wolkenfelder hinweg, die der WLA geschuldet sind,
ansonsten bleibt es aber meist gering bewölkt oder klar. Die Tiefstwerte liegen
zwischen 18 Grad gebietsweise im Südwesten und 8 Grad im Nordosten.

Montag ... kräftigt sich der Höhenrücken über Mitteleuropa weiter, allerdings
kippt dessen Achse ein wenig nach Südosten. Somit geraten der äußerste Westen
und Nordwesten Deutschlands unterhalb einer schwachen südwestlichen
Höhenströmung, wobei ein darin eingebetteter Kurzwellenanteil abends auf den
Westen übergreift. Von ihm geht allerdings im insgesamt eher antizyklonal
konturierten Umfeld so gut wie kein dynamischer Hebungsantrieb aus.
Im Bodenfeld kann sich durch die Überhitzung eine flache Tiefdruckrinne über
Frankreich bis nach Benelux ausweiten. Somit bleiben auch der Südwesten und
äußerste Westen Deutschlands im Einflussbereich potenziell instabiler und etwas
feuchterer Luftmassen mit PPW-Werten bis 30 mm. Mit der auch
niedertroposphärisch auf Südwest bis Süd drehenden Strömung wird allerdings
zunehmend sehr warme bis heiße Subtropikluft in diese Regionen advehiert, so
dass die Troposphäre stark gedeckelt bleibt und höchstwahrscheinlich keine
hochreichende Konvektion zulässt (ganz ausschließen kann man das nie, wenn, dann
am ehesten im Schwarzwald). Das übrige Land befindet sich an der Südflanke der
nach wie vor umfangreichen und quasistationären, vom Baltikum bis zum Nordmeer
bzw. nach Island reichenden Hochdruckzone im Einflussbereich trockener und sehr
warmer Festlandsluft. Somit scheint überwiegend die Sonne, lediglich über den
Westen und Norden Deutschlands ziehen zeitweise etwas dichtere hohe Wolkenfelder
hinweg, die der WLA geschuldet sind. Die Temperatur in 850 hPa steigt bis zum
Abend auf Werte zwischen 20 Grad in Südbaden und 12 Grad im Nordosten.
Entsprechend werden Höchstwerte zwischen 26 Grad im Nordosten und 34 Grad
entlang des Rheins erreicht, an den Küsten, vor allem entlang der Ostseeküste,
wird es bei zeitweise mäßig, in Böen frisch auflebendem Ostwind mit 20 bis 24
Grad nicht ganz so warm.

In der Nacht zum Dienstag kippt der Rücken noch ein wenig nach Ostsüdost, kann
sich aber weiterhin etwas verstärken und bleibt wetterbestimmend. Im Bodenfeld
weitet sich die flache Tiefdruckrinne über Westeuropa weiter nach Norden, zur
westlichen und nördlichen Nordsee, aus, die nordeuropäische Hochdruckzone bleibt
aber nahezu quasistationär. Die etwas feuchtere Luftmasse im Westen und
Südwesten des Landes, die sich durch höhere Taupunkte auszeichnet, kann nach wie
vor nicht verdrängt werden, so dass dort vor allem in den Ballungszentren eine
sehr milde bis warme Nacht mit Tiefstwerten zwischen 21 und 17 Grad ins Haus
steht. Dünne, hohe Wolkenfelder, die nach wie vor über den Westen und Nordwesten
des Landes hinwegziehen, können die Abkühlung zusätzlich noch etwas vermindern.
Ansonsten sinken die Temperaturen bei klarem Himmel nochmals auf verhältnismäßig
angenehme 17 bis 10 Grad.

Dienstag ... ändert sich kaum etwas an der großräumigen Potenzialverteilung, der
Höhenrücken kann sich sogar noch etwas verstärken. Von Süden her wird somit
niedertroposphärisch auch zunehmend kontinentale Tropikluft aus Nordafrika
angezapft und vor allem in den Westen und Süden des Vorhersagegebietes
advehiert, die Temperatur in 850 hPa steigt bis zum Abend auf Werte zwischen 24
Grad in Südbaden und 16 Grad in Ostvorpommern. Insgesamt bleibt die Luftmasse
durch die WLA und das Absinken im Keil stark gedeckelt, was in einigen Regionen
- vor allem im Westen und Süden - eine Feuchteanreicherung innerhalb der
Grundschicht zur Folge hat.
Im Bodenfeld kann sich die flache Tiefdruckrinne knapp westlich des
Vorhersagegebietes wieder ein wenig verstärken, wodurch die umfangreiche
Hochdruckzone weiter nördlich über der Norwegischen See eine Schwachstelle
bekommt, was aber zunächst noch keinen Einfluss auf unser Wetter hat, im
weiteren Verlauf aber durchaus eine Rolle spielt.
Somit steht ein wettertechnisch ruhiger Tag ins Haus - auch, wenn vor allem im
Westen und Süden eine hohe potenzielle Instabilität aufgebaut werden kann,
reicht es (aller Voraussicht nach, ganz sichergehen kann man nie, morgen wissen
wir mehr) aufgrund des Deckels wohl nicht zur Auslöse. Ansonsten würde auch bei
einer simulierten ML-Cape von gebietsweise über 2500 J/kg (im Südwesten bzw.
nahe der Tiefdruckrinne ganz im Westen) ganz schön "die Post abgehen".
Die mitteltroposphärische WLA macht sich wohl etwas verbreiteter anhand
durchziehender dünner hoher Wolkenfelder bemerkbar als an den Vortagen,
ansonsten scheint aber die Sonne. Der Wind dreht mehr auf Ost bis Südost, so
dass es auch an den Küsten eher weniger Regionen mit auflandigem Wind geben
wird. Dort (und wo sich eventuell eine Seewindzirkulation einstellen kann)
bleibt es mit Werten um oder knapp unter 25 Grad angenehm warm, sonst wird es
mit 32 bis 37 Grad heiß bis sehr heiß, eventuell reicht es im Westen (Rhein,
Mosel) mit 38 Grad bereits für einige Dekaden- oder Monatsrekorde.

In der Nacht zum Mittwoch weitet sich ein in die über das Nordmeer und
Skandinavien nach Nordosteuropa gerichtete Frontalzone eingebetteter
kurzwelliger Troganteil von der Norwegischen See zur nördlichen Nordsee aus.
Dadurch wird der Höhenrücken ins einem Nordteil ein wenig abgehobelt, bleibt
aber unvermindert kräftig ausgeprägt mit einer 596 gpdam-Isohypse über dem
westlichen Alpenraum.
Im Bodenfeld tropft aus der flachen Tiefdruckrinne über Westeuropa ein
kleinräumiges Tiefdruckgebiet über der südöstlichen Nordsee ab, wodurch die
Hochdruckzone in zwei Teile aufgespalten wird. Dabei verbleibt ein Hoch über
Osteuropa mit einem Keil bis in den Alpenraum. Ein kräftigeres Hoch entwickelt
sich dagegen südwestlich von Island.
Somit dominiert im Vorhersagegebiet nach wie vor Hochdruckeinfluss, etwas
verstärktes Absinken lässt die meisten hohen Wolkenfelder auflösen, so dass es
meist gering bewölkt oder klar bleibt. Vor allem in Ballungszentren, aber auch
in höher gelegenen Regionen sinkt die Temperatur oft nur noch auf 23 bis 18
Grad, während es in Mittelgebirgstälern, Senken und vor allem in den Alpentälern
mit 18 bis 13 Grad angenehmer bleibt.

Mittwoch ... wird der Rücken über dem nördlichen Mitteleuropa durch den sich
nach Südskandinavien verlagernden Kurzwellentrog abgehobelt und es stellt sich
über Norddeutschland eine insgesamt leicht antizyklonal konturierte westliche
Höhenströmung ein. Die Mitte und der Süden des Landes verbleiben dagegen im
direkten Einflussbereich des kräftigen Rückens bzw. der inzwischen
eigenständigen Höhenantizyklone.
Das mit dem Trog korrespondierende Bodentief über der Nordsee verlagert sich bis
zum Abend nach Südschweden, rückseitig sorgt niedertroposphärische KLA für
kräftigen Druckanstieg über dem Westen der Britischen Inseln und der Nordsee.
Mit der damit auf Nordwest drehenden Bodenströmung gelangt deutlich kühlere
Nordseeluft in den Nordwesten und Norden des Landes - wie weit, ist noch
unsicher. Vor allem im Nordseeumfeld können sich an der Inversion, die sich in
etwa 900 hPa befindet, eventuell auch ausgedehntere SC-Felder entwickeln. In 850
hPa macht sich die Abkühlung zunächst nur bedingt bemerkbar, dort sinkt die
Temperatur auf etwa 16 Grad im Nordseeumfeld. Mit auffrischendem Nordwestwind,
der mit dem sich verschärfenden Gradienten zunächst über der Nordsee, abends
vielleicht auch im Ostseeumfeld eventuell auch Warnrelevanz (Bft 7) erreichen
kann, überschreiten die Temperaturen im unmittelbaren Küstenumfeld gebietsweise
eventuell sogar kaum mehr die 20 Grad. Wie weit die kühlere Luft ins Binnenland
vordringen kann, ist noch unsicher.
In der Mitte und im Süden dominieren dagegen weiterhin der Einfluss des
Höhenrückens und Absinken. Innerhalb der Grundschicht kommt es nun verbreiteter
zu einer Feuchteanreicherung und die Luftmasse ist oberhalb des Deckels
hochreichend labil geschichtet, dennoch dürfte es wohl nach wie vor nicht zur
Auslöse reichen (wenn doch - siehe weiter oben). Die Temperaturen in 850 hPa
bewegen sich weiterhin zwischen 20 Grad in der nördlichen Mitte und 25 Grad im
Südwesten. Bewölkung - auch hohe - sollte kaum vorhanden sein. Stellt sich die
Frage, ob eventuell Saharastaub die Einstrahlung etwas hemmt. Wenn nicht, stehen
vielerorts neue Junirekorde ins Haus, Höchstwerte zwischen 33 und 38 Grad,
eventuell sogar 39 Grad (die den neuen Deutschland-Junirekord bedeuten würden)
sind wohl zu erwarten, ob irgendwo tatsächlich die 40 Grad "geknackt" werden,
die z.B. vom MOSMIX simuliert, steht noch in den Sternen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Alle vorliegenden Modelle simulieren im Kurzfristzeitraum ein ähnliches
Szenario. Konvektive Aktivität ist bis Mittwoch in keinem Modell auszumachen,
dennoch sollten angesichts des Potenzial, das diese Luftmasse bietet,
Gedankenspiele in diese Richtung nicht vollständig "ad acta" gelegt werden.
Wie weit sich die kühlere Luft am Mittwoch (und auch mittelfristig, vor allem am
Donnerstag und Freitag) noch nach Süden durchsetzen kann, ist noch nicht ganz
klar. In weiten Teilen Deutschlands verläuft jedenfalls auch der Mittwoch noch
rekordverdächtig heiß, darin sind sich die Modelle einig.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff