DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-06-2019 17:30
SXEU31 DWAV 131800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 13.06.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Trog Westeuropa, nach Zwischenhocheinfluss von Südosten Labilisierung mit
erhöhtem Unwetterpotenzial in der Nacht zum Samstag und am Samstag

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... liegt ein Cut-off-Tief mit seinem Zentrum quaistationär über
Groß-Britannien. Ihm gegenüber steht ein kräftiger Höhenkeil über Osteuropa.
Mitteleuropa liegt vorderseitig des Cut-Off-Tiefs in einer straffen
südwestlichen Höhenströmung. Eine Kaltfront, die gestern Deutschland mit starken
Gewittern überquert hat, liegt derzeit über Polen. Sie hat die feucht-heiße und
labile subtropische Luftmasse, die aus dem östlichen Mittelmeerraum kam und über
dem Osten Deutschlands lag, ausgeräumt und durch eine kühlere Meeresluftmasse
ersetzt (850-hPa-Temperatur ~7°C). Während der am Boden überwiegend
antizyklonale Verhältnisse vorherrschen, zieht in der Höhe ein Randtrog von
Hessen nach Norddeutschland. Zu erkennen ist dieser an einem markanten
IPV-Maximum auf 320 K. Die 12 UTC-Soundings zeigen im Westen und in der Mitte
300 - 500 J/kg MU-CAPE. Der Randtrog hat den teils markante Deckel auf etwa 700
hPa abgebaut, sodass sich bereits einigen Schauer und Gewitter gebildet haben.
Die Scherungsbedingungen sind mit etwa 15 - 20 m/s ziemlich gut. Allerdings
befindet sich oberhalb von 600 hPa eine ziemlich trockene Schicht, die die
Aufwinde deutlich schwächen könnte, sodass die Aufwinde wahrscheinlich nicht
lange genug stabil bleiben um von der guten Scherung längere Zeit zu
profitieren. Sollten sich dennoch einige stärkere Zellen entwickeln, geht die
Hauptgefahr her von lokalen Sturmböen und kleineren Hagel, weniger von
Starkregen aus, denn die Zellen ziehen ziemlich schnell. Allerdings werden die
Gewitter bei weitem nicht die Qualität der vergangenen Tage erreichen. Die
Windböen im Nordwesten sollten in der Nacht nach Zusammenbruch der Grenzschicht
nur noch an Schauer gekoppelt sein.

Freitag ... zieht ein sehr markanter Randtrog von Frankreich kommend über
Benelux nach Dänemark und sorgt besonders in Schleswig-Holstein für
Labilisierung, sodass sich tagsüber bis über 1000 J/kg CAPE aufbauen kann. Für
die ausreichend Scherung mit DLS von über 20 m/s sorgt ein Jet-Streak an der
Ostflanke des Troges. Der Deckel scheint von Bremen bis nach Schleswig-Holstein
am schwächsten zu sein. Dort simulieren Lokalmodelle die stärksten
Entwicklungen. Unter der starken Scherung können sich die Zellen gut
entwickeln, sodass dort das Unwetterpotenzial wieder erhöht ist. Ein isolierte
Downbursts oder auch Hagel sind bei stärkeren Entwicklungen mit eventuell
rotierenden Aufwinden möglich. Limitierend wirken allerdings auch hier die
trockenen Schichten in der oberen Troposphäre.

Ansonsten zieht das Bodenhoch zum Baltikum ab. In der Höhe setzt sich ein
schwacher Rücken durch. An den Alpen verstärkt sich durch die südliche Strömung
der Föhn (Bft 8 -9). Dadurch bildet sich im Alpenvorland ein schwaches Leetief.
Zwischen diesem Tief und dem Hoch über dem Baltikum dreht die Strömung wieder
auf Südost. Dadurch wird wieder die labilere Subtropikluft herangeführt. So
steigt die Feuchte im Bodenniveau deutlich an. Dies führt zum Aufbau von 1,5 -
2,5 kJ/kg CAPE in der Südosthälfte. Durch die massive WLA (850-hPa-Temperatur >
20 °C) und dem Höhenkeil ist die Atmosphäre noch ziemlich gedeckelt, sodass die
Auslösung von Gewittern unwahrscheinlich ist. Am ehesten wird der Deckel noch
Richtung Mitteldeutschland und Sachsen gesprengt. Hochaufgelöste Lokalmodelle
simulieren dort einige Zellen. Diese könnten wieder von der starken Scherung
(DLS ~ 25 m/s) profitieren, die rotierende Aufwinde und somit wieder großen
Hagel ermöglichen.
Über der Mitte Deutschlands erhöhen schwache Kurzwellentröge die Hebungsimpulse.
Durch Aufgleiten an der Grenze zur Warmluft im Osten legt sich von
Baden-Württemberg bis in den Nordosten ein Band dichter mittelhoher Bewölkung
über Deutschland, aus dem leichter stratiformer Regen fällt.
Auch in der Nacht zum Samstag ist die Situation ziemlich komplex. Ein weiterer,
stärkerer Kurzwellentrog greift von Frankreich auf den Südwesten über und zieht
im Lauf der Nacht nordwärts. Dadurch verstärkt sich die Leezyklogenese zunächst.
Im weiteren Verlauf löst sich das Leetief durch den nordwärts schwenkenden Trog
vom Alpenvorland und setzt sich Richtung Norden in Bewegung und liegt am
Samstagfrüh etwa über der Mitte. Durch die steigende Baroklinität wird Hebung
erzeugt, wobei der Deckel recht flächig gesprengt werden sollte. Die Modelle
rechnen mit einem oder mehreren MCS an der Nord- bzw. Nordwestflanke des Tiefs.
Bei der meist abgehobenen Konvektion kann es bezüglich von Starkregen in den
Unwetterbereich gehen. In eventuellen Bogensegmenten besteht die Gefahr von
schweren Sturmböen.


Samstag ... Am Samstag zieht das besagte Tief nach Norddeutschland, wobei im
Süden KLA mit Stabilisierung einsetzt. Im Nordosten hält sich die schwülwarme
Luft mit 850-hPa-Temperaturen von über 15 °C. Bereits am Vormittag sollten sich
dort noch Reste der Konvektion aus der Nacht halten. ICON-Nest simuliert wieder
CAPE-Werte von über 2,5 kJ/kg , bei extrem feuchten Profilen (PWAT ~ 40 mm). Die
Frage ist, inwieweit die Bewölkung auflockert und es Einstrahlung gibt. Auch
wenn die Scherung nicht mehr ganz so stark ist, ist wieder von Unwettern aus zu
gehen. Super-HD rechnet mit verbreiteter Auslösung in der Konvergenz vom
Tiefdruckgebiet. Dort soll sich eine Squall-line bilden, die mit mehreren
Bogensegmenten Richtung Nordosten zieht. An diesen Bogensegmenten werden
Orkanböen berechnet. Allerdings ist es für so eine detaillierte Prognose noch
zu früh, da erst einmal abgewartet werden muss, was die Konvektion in der
vorhergehenden Nacht macht. Es zeigt jedoch, das wieder eine hohes
Unwetterpotenzial herrscht.


Sonntag ... Am Sonntag befindet sich dann ganz Deutschland im Einflussbereich
von kühlerer Meeresluft mit 850-hPa-Temperatur um 10 °C. Die Schichtung ist
recht stabil, sodass kaum noch CAPE gerechnet wird. In der Höhe sorgt ein
schwacher Kurzwellentrog über dem Südosten für einzelne Schauer am Nachmittag,
die nur selten elektrisch werden sollten.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Wetterlage ist insoweit klar. Was im Detail passiert kann wie
immer bei solchen Lagen mit den hochaufgelösten Modellen grob abgeschätzt werden
und dann erst im Nowcasting detailliert bewarnt werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Christian Herold