DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-06-2019 07:01
SXEU31 DWAV 110800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 11.06.2019 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Tr W
Gewitter mit Unwettergefahr im Osten und Südosten. In der Nacht zum Mittwoch
auch auf die Mitte übergreifend einzelne Gewitter, dann im Nordosten Unwetter
nicht auszuschließen. Am Mittwoch heftige Gewitter bis hin zum Unwetter dann vor
allem im Nordosten.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... liegt Deutschland an der Vorderseite eines umfangreichen Höhentiefs
mit Zentrum über der Bretagne, das aus einem zuvor über Westeuropa ausgetropften
Trog hervorging. Dieses Höhentief wird von einem Keil flankiert, der von den
Azoren nach Island gerichtet ist und der ein ausgedehntes Bodenhoch über dem
isländischen Raum und dem Nordmeer stützt. Nach Osten hin schließt sich
ebenfalls ein Keil an, der vom Schwarzmeerraum nach Südskandinavien gerichtet
ist. Dieser Keil vermag vorerst die Konvektion im Südosten und Osten, wo die
Luft am labilsten ist, noch einigermaßen zu unterdrücken. Die Zyklonalität der
südlichen Strömung ist zunächst schwach ausgeprägt, Hebung sollte daher
zuallererst mit Hilfe der Orografie zustande kommen. Im Tagesverlauf ändert sich
jedoch das Bild, die südliche Strömung (an der Vorderseite des Höhentiefs)
beginnt zu flattern, d.h. die Dynamik kommt bei der Auslösung hoch reichender
Konvektion mit ins Spiel. Die Zutaten für unwetterträchtige Konvektion sind wie
am Vortag gegeben, CAPE erreicht 2000 bis über 3000 J/kg (was für größeren Hagel
spricht), der Gehalt an niederschlagbarem Wasser bei mehr als 30 bis über 40 mm,
so dass die Gefahr von Starkregen auch bei zügiger Verlagerung der
Konvektionszellen gegeben ist; hinzu kommt nieder- als auch mitteltroposphärisch
vorhandene Scherung. Die Ausgabe einer entsprechenden Unwetter-Vorabinformation
ist daher unverzichtbar.
Im Nordwesten und Westen, d.h. etwa in einem Bereich von Schleswig-Holstein und
der Nordsee bis zum Hochrhein, ist eine vergleichsweise stabil geschichtete und
gemäßigte Luftmasse wetterwirksam. Zwar liefert das nahe Höhentief dort etwas
mehr Hebung, aber diese äußert sich im Wesentlichen in Form vom mehrschichtiger
Bewölkung und skaligen Niederschlägen. Dies dämpft die Temperaturentwicklung, so
dass nur Maxima zwischen 17 und 23 Grad erreicht werden. Im Osten, d.h. in der
Warmluft, sind 24 bis 29, in einem Streifen von der Uckermark über den Berliner
Raum hinweg bis in die Lausitz bis 32 Grad zu erwarten.
In der Nacht zum Mittwoch kommt etwas mehr Hebung ins Spiel, so dass die
hochreichende Konvektion nicht so recht abklingt und vielmehr sich deren
Schwerpunkt in die nordöstlichen Landesteile verlagert, wobei mehr dann der
heftige Starkregen in den Vordergrund tritt. Einzelne kräftige Gewitter können
dann auch in den mittleren Gebieten ansetzen, wobei dort die Unwettergefahr
geringer ist.

Mittwoch... läuft, ausgehend von dem Höhentief über der Bretagne, ein
kräftigerer Sekundärtrog über Deutschland hinweg nach Norden ab. Hier kommt dann
deutlich mehr Hebung ins Spiel als bisher. Unter den gegebenen und weiter oben
beschriebenen Zutaten dürfte dies für den Nordosten und Norden den Höhepunkt der
Gewitterserie ergeben. Am gefährdetsten ist hierbei der Raum vom Erzgebirge bis
zur Ostsee und zur dänischen Grenze sowie mit Einschränkungen noch der
Bayerischen Wald. Da ist wieder das gesamte Spektrum unwetterträchtiger
Gewittertätigkeit vorstellbar, vom größeren Hagel über heftigen Starkregen bis
hin zu Böen bis in den Orkanbereich hinein. Die Frage ist nur, wann dieser
Sekundärtrog nach Norden schwenkt und wie markant dessen Achse ausgeprägt ist.
Hat dieser Trog die Ostsee erreicht, bevor der Tagesgang so richtig angreifen
kann, sind die Auswirkungen weniger heftig, aber für Unwetter sollte es dennoch
reichen. Lässt sich der Trog Zeit, könnte die Lage durchaus als "Loaded Gun"
bezeichnet werden.
Südwestlich daran angrenzend setzt sich Kaltluftadvektion durch, die Luftmasse
wird stabiler und vor allem deutlich trockener, was nicht nur hochreichende
Konvektion wirksam unterbindet, sondern auch zusehends für Auflockerungen sorgt.
An der Temperaturverteilung wird sich gegenüber heute nicht allzu viel ändern.
In der Nacht zum Donnerstag wird mit einer auf Süd-Südwest drehenden Strömung
die extrem feuchtlabile Luft in Richtung Ostsee und nach Polen abgedrängt,
letzte Gewitter (durchaus auch noch mit Unwettercharakter, vor allem zwischen
Erzgebirge und Vorpommerscher Ostseeküste) sind bis in die zweite Nachthälfte
hinein noch vorstellbar. Danach setzt auch dort wie im weitaus größten Teil
Deutschlands zuvor Entspannung ein.

Donnerstag... verlagert sich der wetterbestimmende Höhentiefkomplex ein wenig
nordwärts, d.h. zu den Britischen Inseln. Nach wie vor bleibt vorderseitig eine
südwestliche Strömung bestehen. Allerdings wird die einfließende Luft nicht mehr
so weit von Süden hergeholt, sondern gelangt aus der Biskaya nach Mitteleuropa,
was einen eher gemäßigteren Charakter ergibt. Dennoch ist es eine südwestliche
Strömung und die ist im Sommer nahezu immer für Gewitter gut. Aber CAPE erreicht
nur noch bis etwa 500 J/kg (und keine 3000 mehr), der Gehalt an
niederschlagbarem Wasser etwa reichlich die Hälfte der Werte der Vortage, so
dass sich zwar Schauer und durchaus auch einzelne Gewitter entwickeln können,
aber die Heftigkeit der konvektiven Umlagerungen bei weitem nicht die Intensität
der Vortage erreicht. Meist dürfte es sich dann um markant zu bewarnende
Gewitter handeln; Unwetter sind wenig wahrscheinlich, aber vor allem im Südosten
und ganz im Osten nicht ganz auszuschließen. Eine Unwetter-Vorabinformation wäre
daher nicht mehr gerechtfertigt.
Abgesehen vom Osten und Südosten, wo sich noch Restbewölkung aus vorheriger
konvektiver Aktivität hält, sind längere sonnige Abschnitte zu erwarten.
Allerdings macht sich im Nordwesten und im Westen ein böiger Südwestwind
bemerkbar, mit tagesgangsbedingter Unterstützung sollte es für warnrelevante
Böen, in hierfür anfälligen Berglagen vielleicht auch für stürmische Böen
reichen.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen deutschlandweit gesehen relativ
ausgeglichen 20 bis 26, im höheren Bergland Werte um 18 Grad.
In der Nacht zum Freitag verlagert sich das o.g. Höhentief ein wenig
südwestwärts und gelangt in das Seegebiet westlich von Schottland und nördlich
von Irland. Über Mitteleuropa hat dies leichten Geopotentialgewinn zur Folge.
Zudem setzt Warmluftadvektion ein, die im Nordwesten und Westen mehrschichtige
Bewölkung und auch etwas Niederschlag aufkommen lässt. Im Osten und Süden lässt
die dort zunehmende Antizyklonalität den Himmel aufklaren. Dort, wo es zuvor
viel geregnet hatte, können sich flache Nebelfelder bilden.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten Unterschiede
ableiten. Die oben beschriebenen Schwerpunktregionen unwetterträchtiger
Konvektion lassen sich auch bei anderen hochauflösenden Modellen finden, wobei
es für mehr detailliertere Prognosen noch zu früh ist.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann