DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-06-2019 17:30
SXEU31 DWAV 101800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 10.06.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Bis auf Weiteres gewitterträchtige Lage mit Unwettergefahr im Süden und Osten.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland auf der Vorderseite eines quasistationären
Höhentiefs über Westfrankreich unter einer leicht diffluenten südlichen
Höhenströmung. Daran wird sich auch in den nächsten Stunden, sprich, bis morgen
früh nicht viel ändern.
Interessanter als dieser Sachverhalt ist ohnehin die Tatsache, dass sich bei
flacher Druckverteilung um 1010 hPa verschiedene konvektive Zellen gebildet
haben: im Westen und Nordwesten in gemäßigter, aber feuchter Luftmasse markante
Einzelzellen mit Schwerpunkt "Starkregen", weiter östlich und südöstlich in
energiereicher Warmluft Gewitter mit besserem Organisationsgrad und erhöhter
Unwettergefahr (großer Hagel, Starkregen, Sturm/Orkan), wobei wir genau genommen
von einer einzigen Zelle sprechen. Eine echte Superzelle, die es in sich hat und
ihren Ursprung am Nachmittag im Allgäu hatte, von wo aus sie sich unter
Intensivierung auf den Weg nach München gemacht hat - nicht ohne Folgen, wie
zahlreiche Schadensmeldungen in allen möglichen Medien eindrucksvoll
untermauern. Inzwischen hat sich die Zelle auf ihrem Weg nach O-NO gesplittet,
weist aber weiterhin "gefährliche" Radarstrukturen auf, so dass auch weiterhin
von (extremen) Unwettern ausgegangen werden muss, die Zug um Zug mit
angemessener Vorlaufzeit bewarnt werden müssen. Dass dieses Gewitter aus der
Zone der Vorabinfo rausgelaufen ist, ist ärgerlich, aber Niederlagen gehören zum
Leben dazu, vor allem in der Vorhersagemeteorologie. Leider ist COSMO-D2 erst im
12-UTC-Lauf auf diese Lösung umgesprungen, was aber trotzdem an dieser Stelle
gelobt werden soll.
Während die Gewitter im W und NW sich in den nächsten Stunden auf ihrem Weg nach
Norden mehr und mehr abschwächen, braut sich weiter östlich wahrscheinlich noch
was zusammen. Abgesehen von der erwähnten "Münchner Zelle" gilt es nun den Blick
auf Oberfranken, das Vogtland, Ostthüringen und den Erzgebirgsraum zu richten,
wo sich bereits jetzt im Radar was andeutet. Diese sollen sich zu einem etwas
größeren System vereinigen, das über die östlichen Landesteile nordwärts zieht.
Dabei besteht Unwettergefahr, auch wenn die Wahrscheinlichkeit größeren Hagels
auf Kosten der Starkregenkomponente sinkt.
Ansonsten sei noch erwähnt, dass es im Südwesten zu weiteren, schauerartig
verstärkten und mit einzelnen Gewittern durchsetzten Regenfällen kommt. Dabei
können stellenweise mehr als 20 mm innert weniger Stunden zusammenkommen
(Starkregen), eine genaue räumliche Zuordnung und damit ein Warnmanagement mit
Vorlauf erübrigt sich aber nicht zuletzt aufgrund heterogener Modellergebnisse.


Dienstag ... verbleibt das Höhentief über Westfrankreich, wo sich inzwischen
aber auch ein korrespondierendes Bodentief (KLAUS) gebildet hat. Bei uns bleibt
die Druckverteilung flach, wobei das rinnenartige Tief JÖRN in der Osthälfte mit
Hilfe der Orografie (Überströmungseffekte) und thermischer Unterstützung
wiederbelebt wird. Nach wie vor befindet sich im Osten und Südosten die labilste
und energiereichste (latent und fühlbar) Luftmasse mit PPW-Werten bis rund 40 mm
und ML-CAPE, das lokal über 2000 J/kg beträgt - allerdings vielfach gedeckelt.
Trotzdem wird der Deckel auch morgen wieder gesprengt werden (Orografie,
Konvergenz, KW-Tröge), die große Frage ist nur wo. Scannt man die bisher
vorliegenden hochaufgelösten Modelle ab, werden einem einmal mehr
unterschiedliche Szenarien angeboten. EURO4 von 06 UTC sieht die Geburtsstätte
am Abend in Mittelfranken, COSMO-D2 (12 UTC) schon am Nachmittag in bayerischen
Schwaben und am Abend in Oberfranken sowie im Erzgebirge, SuperHD wiederum am
Abend im Osten und und und. Genau so gut könnte man im Quelle-Katalog (wenn es
ihn denn noch gäbe) blättern und sich die schönsten Sachen raussuchen, kurzum,
auch für morgen wird es wieder sehr schwer, die genaue Entstehungsgeschichte der
Gewitter und ihre räumliche Zuordnung auf ein prognostisch belastbare Ebene zu
hieven.
Es deutet sich an, dass sich die Zellen wohl erst relativ spät bilden (später
Nachmittag/früher Abend). Dazu weiß man, dass die Unwettergefahr wieder sehr
groß ist (großer Hagel, (extremer) Starkregen, Sturm- oder Orkanböen). Außerdem
spricht Einiges dafür, dass sich die ursprünglich (super)zellulären Gewitter zu
einem größeren, wie auch immer genau gearteten System organisieren, das dann in
der Nacht zum Mittwoch über den Osten oder über die Mitte (je nach dem, wie die
Entstehungsgeschichte aussieht) nord-nordwestwärts zieht. So wird man sich auch
am Dienstagmorgen in der Frühkonferenz wieder über die Ausgabe eine Vorabinfo
unterhalten müssen, in der Hoffnung, dass sich die Modellwelt mit ihren Lösungen
etwas angenähert hat - sehr undankbar die Wetterlage (vor allem für konkrete
Prognosen mit Vorlaufzeit), aber auch sehr interessant.
Auch nach Westen hin ist die Wetterlage nicht koscher. Zwar ist die Luftmasse
kühler und auch weniger labil, trotzdem sind auch morgen vereinzelte Gewitter
nicht ausgeschlossen, wenn auch mit geringerer Wahrscheinlichkeit als heute.
Wenn ein Gewitter auftritt, besteht die Gefahr von Starkregen (markant). Darüber
hinaus muss mit schauerartigen Regenfällen gerechnet werden.
Die Temperatur erreicht im westlichen Drittel 15 bis 20°C, im mittleren Drittel
18 bis 24°C und nach Osten 26 bis 32°C. An en Alpen bleibt es leicht föhnig,
auch wenn die Erwartungen der Numerik bisher nicht erfüllt wurden.

In der Nacht zum Mittwoch erreichen die wahrscheinlich bis dahin verclusterten
Gewitter (MCS?) den Norden des Landes, wo sie sich mit zunehmender Nachtlänge
abschwächen. Anfangs besteht aber durchaus noch Unwettergefahr. Nach Westen hin
kommt es zu weiteren schauerartigen, meist nicht-gewittrigen Regenfällen.

Mittwoch ... bleibt das Höhentief zwar an Ort und Stelle (Westfrankreich),
trotzdem tut sich ein bisschen was bei uns. Das flache Bodentief JÖRN zieht
allmählich nach Polen, gefolgt von der wellenden Kaltfront, die dem Tief KLAUS
über Westeuropa angegliedert ist. Entsprechend wird auch die sehr feuchte und
potenziell instabil geschichtete Subtropikluft mehr und mehr aus dem Norden und
Osten herausgedrängt, nicht aber ohne vorher noch mal für ordentlich Bambule zu
sorgen. Gut ausgeprägte DLS (teils über 20 m/s), dazu im Osten vorherige
Einstrahlung (=> Tmax bis zu 33 oder 34°C) begünstigen die Entstehung schwerer
Gewitter mit allen Schikanen, auch wenn die Details freilich noch nicht
eingetütet sind.
Ansonsten setzen sich von Südwesten her zunehmend trockenere Luftmassen durch,
die unter leichten Zwischenhocheinfluss kommen. Damit nimmt auch die
Regenwahrscheinlichkeit mehr und mehr ab.

In der Nacht zum Donnerstag weitet sich der Zwischenhocheinfluss nordostwärts
aus, trotzdem dauert die Gewitterei im Nordosten noch über längere Zeit an. Im
großen Rest des Landes passiert nicht viel, hier und da bildet sich ein
Nebelfeld.

Donnerstag ... wandert das Zwischenhoch langsam nach Osten durch. Es hat nur
wenig bis gar keine Unterstützung aus der Höhe, im Gegenteil, es wird von einer
zyklonalen S-SW-Strömung überlagert. Unter dem Strich bedeutet das gemischtes
Wetter mit ein paar Schauern, aber nur einer geringen Gewitterneigung. Die
Temperatur erreicht Höchstwerte von 20 bis 28°C.


Modellvergleich und -einschätzung
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Wie das heutige Beispiel eindrucksvoll beweist, helfen einem die Modelle zwar
bis zu einem gewissen Grad. Trotzdem bleiben gerade bei konvektiven Lagen
Unwägbarkeiten, die erst relativ kurzfristig gelöst werden können. Das wird
wahrscheinlich auch morgen und am Mittwoch so sein.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann