DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

08-06-2019 17:30
SXEU31 DWAV 081800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 08.06.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Heute Abend abflauender Wind und volle Konzentration auf Baryssau.
Pfingstsonntag eher Ruhe im Karton, ab Montag wieder zunehmend gewittrig, wenn
auch nicht überall.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... ist der "Irre IVAN" (frei nach einem gleichnamigen Tatort aus
Weimar, als die noch gut waren) dabei, die Nordsee in Richtung südnorwegische
Westküste zu verlassen, wo er in den Morgenstunden unweit des berühmten Kap
Svinöy aufschlägt. IVAN? - Jo, so heißt das für sommerliche Verhältnisse äußerst
durchtrainierte Tief, das uns gestern sowie vergangene Nacht zahlreiche Gewitter
und heute weiten Teilen des Landes einen windigen bis stürmischen Tag beschert
hat. Inzwischen hat der gute IVAN gemäß senkrechter Achsstellung zum
korrespondierenden Höhentief seinen Höhepunkt zwar überschritten, hält mit etwas
unter 1005 hPa aber wacker sein Gewicht.
Trotzdem beruhigt sich Lage bei uns zusehends, sorgt doch permamenter
Druckanstieg für die Bildung eines kleinen Zwischenhochs ("volle Granate,
RENATE; ja, ja, die alten Torfrocker), das über den Süden und die Mitte hinweg
relativ zügig gen Tschechien und Polen wandert. Der Gradient zwischen IVAN und
RENATE fächert immer weiter auf, so dass sich der Südwestwind im Binnenland
relativ schnell abschwächt. An der Küste, insbesondere an der Nordsee, bleibt es
noch bis weit in die Nacht hinein stürmisch (8-9 Bft).
Ansonsten gilt es noch zu berichten, dass die konvektiven Umlagerungen im
Nordwesten weniger werden und die Temperatur in der frisch eingeflossenen
erwärmten Meereskaltluft bei klarem oder nur gering bewölktem Himmel vielerorts
(besonders in der Mitte und im Süden) auf Werte zwischen 10 und 5°C, in
geschützten Mittelgebirgstälern lokal auch etwas darunter, zurückgeht.
Spätestens in der zweiten Nachthälfte driften dann von Südwesten her zunehmend
die hohen Wolkenfelder zu uns, die am frühen Nachmittag noch über der Biscaya,
Westfrankreich und Nordwestspanien ihr Dasein fristeten.

Sonntag ... ist der erste der beiden Pfingstfeiertage, den wir alle unter einer
südwestlichen Höhenströmung vorderseitig eines nach wie vor über dem nahen
Ostatlantik positionierten Höhentrogs verbringen werden. Darin eingelagert ist
ein flacher Rücken, der den Vorhersageraums nordostwärts durchwandert und dabei
eine schwache Brücke stützt, die das Azorenhoch mit der inzwischen bei den
Kurischen Nehrungen angekommenen RENATE (12 UTC) sowie einem weiteren Hoch über
Westrussland (QUEENIE) verbindet. Schon früh am Tage beginnt die Brücke in ihrem
Südteil zu bröckeln, was einer flachen Rinne die Gelegenheit gibt, sich von
Frankreich und der Schweiz her bis in den Süden und Südwesten unseres Landes
vorzuarbeiten. Von Osten her fließt dabei nicht nur allmählich wärmere (Anstieg
T850 bis zum Abend auf 13 bis 17°C), sondern auch labilere und feuchtere Luft
ein. Für ein großes Gewitterfeuerwerk wird das aber noch nicht reichen, da das
vor allem am Alpenrand und im südlichen BW generierte CAPE recht stark gedeckelt
ist. Trotzdem, ganz auszuschließen sind vereinzelte Zellen mit elektrischen
Entladungen aus den Alpen heraus nicht, die dann, so sie denn auftreten, schnell
im markanten Bereich landen, vornehmlich wegen Starkregen. Abgesehen davon
arbeiten sich am Nachmittag aus den Alpen heraus sowie von der Schweiz her
schauerartige, nicht besonders intensiv ausfallende Regenfälle langsam nordwärts
und erfassen somit Teile BWs und des südlichen Bayerns.
Im großen Rest der Republik zeigt sich zwar die besagte Hochdruckbrücke auf der
Wetterkarte, allerdings ist nicht alles Gold was glänzt. Mit anderen Worten, der
flache Höhenrücken wird wie so oft in ähnlichen Fällen von WLA überlaufen, die
hohe und mittelhohe Wolken generiert. Diese Wolken werden mit der südwestlichen
Höhenströmung nordostwärts gesteuert, wobei sie sich mal mehr, mal weniger
transparent geben. Etwaige Tropfen, die durchaus mal fallen können, erreichen
häufig nicht die Erde, da sie vorher verdunsten. Vor allem nach Osten hin -
östliches Bayern sowie zwischen Erzgebirge und Ostsee - stehen die Chancen auf
längeren Sonnenschein und tendenziell dünnere Wolken recht gut. Dort steigt die
Temperatur dann auch verbreitet auf 24 bis 28°C, während sonst 20 bis 25°C auf
der Karte stehen (bei auflandigem Wind an der Nordsee sowie in höheren Lagen
etwas darunter). In den Frühstunden gibt es zwischen Elbmündung und Sylt sowie
an und auf der westlichen Ostsee noch ein paar steife Böen 7 Bft, bevor damit
noch im Laufe des Vormittags Schluss ist.

In der Nacht zum Montag verschärft sich der südliche Teil des Höhentrogs über
der Iberischen Halbinsel, was bei uns ein leichtes Rückdrehen der Höhenströmung
zur Folge hat. Dabei verlagert sich das Gebiet mit der stärksten WLA langsam gen
Norden. Gleiches gilt für die Bodenrinne, in die eine Warmfront eingebettet ist.
Unter dem Strich weitet sich der schauerartige Regen aus dem Südwesten unter
Intensivierung nordostwärts aus, wobei die externen Modelle offensiver zur Sache
gehen als ICON, die den Osten und Nordosten weitgehend trocken lassen.
Vereinzelt kann auch ein eingelagertes Gewitter nicht ausgeschlossen werden, die
große Ballerei wird es in der Nacht aber (noch) nicht geben.

Montag ... bekommt die Wetterlage bei uns einen zunehmend unangenehmen Anstrich.
Die immer noch existente Brücke wird - unverständlicherweise - peu a peu zu
unseren nördlichen Nachbarn abgeschoben. Damit bekommt das Bodendruckfeld bei
uns einen indefiniten, sumpfartigen Charakter wenig unter 1015 hPa, was den
meisten Meteorologen (und auch der Numerik) ob der damit verbundenen, nur
bedingt berechenbaren Wetterabläufe nicht besonders schmeckt. Immerhin zeichnen
sich in diesem Tiefdrucksumpf zwei Minima ab, von denen sich das eine
orografisch bedingt (in den Alpen baut sich ein leichter Südföhn auf mit Sturm
auf den höchsten Gipfeln) im Südostzipfel Bayerns bildet, während das andere
Minimum über Westdeutschland seine Zelte aufschlägt.
Fakt ist, dass die Höhenströmung noch etwas weiter aufsteilt auf nahezu glatt
Süd, wobei die Krümmungsstruktur weitgehend indifferent, nach Osten hin leicht
antizyklonal konturiert ist. Gemäß dieser Konstellation baut sich über dem
Vorhersageraum ein veritabler Temperaturgradient von Ost-Südost nach
West-Nordwest auf, der - wahrscheinlich zumindest - zwar keine echte
Luftmassengrenze rechtfertigt (außer einer Warmfront im Norden), mit einem
Delta-T von bis zu 14 Grad in 850 hPa aber nicht von schlechten Eltern ist. So
stehen am Abend im Chiemgau föhnbedingte 23°C!! auf der Karte, während
gleichzeitig zwischen Ems- und Nordfriesland 9°C angezeigt werden. Feucht ist
die Luft eigentlich überall (PPWs meist über 30 mm), labil aber besonders im
Osten und Süden mit Schwerpunkt SO-Bayern (Lapse-Rates z.T. bei -0,8 K/100 m).
Dort werden - rein theoretisch - ML-CAPE-Werte von weit über 3000 J/kg,
punktuell sogar nahe 4000 J/kg vorhergesagt, was mehr als nur ´ne Hausnummer
ist. Allerdings wird das Ganze nicht unerheblich gedeckelt (CIN über -100 J/kg)
und zudem vom Föhn abgetrocknet, weswegen die Modelle auch extrem zurückhaltend
mit der Auslöse von Gewittern sind. Aus der Höhe ist aufgrund der
Antizyklonalität kein Impuls zu erwarten, die Auslösetemperatur ist mit 32-34°C
zu hoch (zumal wenn auch noch Bewölkung am Start ist, was durchaus möglich ist)
und potenzielle konfluente Strukturen im Bodenwindfeld werden recht schwach
simuliert. Bliebe also noch die Orografie als mögliche Zündkerze, wobei aber
mehr als fraglich ist, ob die den Deckel zu sprengen vermag. Wenn doch irgendwo,
dann gute Nacht Marie, denn die hohen CAPE-Werte im Zusammenspiel mit
niedertroposphärisch günstigem Veering (rechtdrehender Hodograph mit von O-SO
via S auf SW drehendem Wind) sprechen für die Bildung von Superzellen mit großem
Hagel (Zitat vom Kollegen: "Hagelmonster") von mehr als 5 cm Durchmesser - wie
gesagt, alles mit geringer Wahrscheinlichkeit und noch viel Konjunktiv).
Nun besteht unser Land ja nicht nur aus Südostbayern, auch wenn das so mancher
gern hätte, auch in den anderen Regionen gibt es ein Pfingstmontagswetter. Dabei
lässt sich zunächst festhalten, dass der Wolkenanteil gegenüber Sonntag
tendenziell zunimmt. Dabei besteht im Osten und der östlichen Mitte sowie
Richtung Schwaben die Gefahr einzelner schwere Gewitter in Form von Superzellen,
die aufgrund langgezogener Hodographen aber zum Splitting neigen. SuperHD und
auch WRF (Modellzentrale) stützen ein solches Szenario, wobei im Fall der Fälle
neben größerem Hagel auch Starkregen und (schwere) Sturmböen (inverses V im
untersten Bereich der Troposphäre) auftreten können (Unwettergefahr).
Im Übergangsbereich von der Warmluft im Südosten zu den gemäßigten Luftmassen
des Westens und Nordwestens kommt es in einem von Südwest nach Nordost
exponierten Korridor zu schauerartigen, im Südwesten gebietsweise auch länger
andauernden Regenfällen, die im Bereich Schwarzwald/Schwäbische Alb durchaus mal
20 bis 30 mm innert 12 h zusammenbringen können. Noch weiter west-nordwestlich,
wo die Luft zwar kühler ist, man aber näher am Höhentrog über UK/Irland ist,
können sich bei leidlich ausgeprägter Labilität Schauer und einzelne Gewitter
entwickeln, die aufgrund limitierter Verlagerungsgeschwindigkeit bei
gleichzeitig hohem PPW um 30 mm starkregengefährdet sind, ohne wohl aber in den
Unwetterbereich zu rutschen.
Der Wind spielt im größten Teil des Landes abseits der Gewitter keine Rolle,
einzig an der Küste macht er aus NO kommend immer mal wieder auf sich aufmerksam
mit einzelnen steifen Böen 7 Bft. Ach ja, Temperaturen gibt es auch noch, die
liegen im Osten und Südosten bei 25 bis 31°C, sonst zwischen 19 und 24°C.

In der Nacht zum Dienstag kommt es zu weiteren, schauerartig verstärkten und
teils gewittrigen Regenfällen, die vornehmlich in einem von Südwest nach Nordost
gerichteten Streifen auftreten. Wo genau die Schwerpunkte liegen, ob dabei z.B.
auch irgendwo nicht-gewittriger Starkregen auftritt und welche Nachtresistenz
anfangs möglicherweise noch lebende Schwergewitter aufbringen, ist derzeit
schwer zu beantworten.

Dienstag ... etabliert sich innerhalb des o.e. Höhentroges ein abgeschlossenes
Höhentief, dessen Drehzentrum am Mittag über der Bretagne liegt. Wir befinden
uns auf seiner Vorderseite unter einer leicht diffluenten südlichen
Höhenströmung. Das Bodendruckfeld präsentiert sich fast klassisch möchte man
sagen amorph, wobei sich im Südosten Bayerns mit Föhnunterstützung abermals ein
flaches (Hitze)Tief bilden soll (T850 um 19°C). Nach Westen und Südwesten hin,
wo sich stabilere und kühlere Luft (T850 4 bis 8°C) durchsetzt, deuten sich
schauerartig verstärke Regenfälle an, die sich langsam nordwärts ausbreiten.
Dagegen können sich in der labileren und feuchteren Subtropikluft im Osten
wieder kräftige Gewitter mit Unwetterpotenzial entwickeln. Wo und wie genau das
Ganze abläuft, kann heute noch nicht abschließend beantwortet werden, hier gilt
es auf die hochauflösenden Modelle zu setzen. Auf alle Fälle signalisieren die
meisten Modelle im Südosten Bayerns (etwas weniger Labilität und CAPE bei
weiterhin guter Scherung als am Sonntag) erneut ein konvektives "Föhnloch".
Die Temperatur steigt in der Osthälfte mit Ausnahme der Küste (dort nördliche
Winde) auf 24 bis 31°C, sonst auf 18 bis 24°C.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumigen Strukturen werden sehr ähnlich simuliert, die Auswirkungen
insbesondere hinsichtlich Gewitter/Niederschlag nur bedingt, was bei zunehmend
gradientschwacher Lage kein Wunder ist. Es gibt einfachere und schönere
Wetterlagen als TM (Tief Mitteleuropa).


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann