DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-06-2019 17:30
SXEU31 DWAV 021800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 02.06.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Montag vornehmlich in einem von SW nach NO gerichteten Streifen erhöhte
konvektive Aktivität mit der Gefahr von Unwettern.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... hat sich in Deutschland sehr warme bis heiße Subtropikluft
durchgesetzt, in der vielerorts - erstmalig in diesem Jahr - die 30°C-Marke
geknackt wurde. Über dem Erzgebirge und dem Bayerischen Wald wurde aus der an
und für sich recht trockenen Luftmasse sämtliche Feuchtigkeit
"herausgequetscht", so dass es dort für ein paar Überentwicklungen in Form von
einzelnen Schauern und Gewittern reichte. Ansonsten schien aber verbreitet die
Sonne von einem nur locker bewölkten oder gar wolkenlosen Himmel.
Kommen wir zur Nacht auf Montag, wo sich das bis dato wetterbestimmende Hoch PIA
nebst stützendem Höhenrücken peu a peu gen Osten verabschiedet. Dadurch wird der
Weg frei für einen recht breiten und nur mäßig amplifizierten Höhentrog, der den
größten Teil des Sonntags über dem nahen Ostatlantik verbracht hat, sich nun
aber gemüßigt fühlt, UK und Irland zu überqueren und sich dem europäischen
Festland zu nähern. Deutschland gelangt dabei zumindest partiell auf seine
Vorderseite unter eine südwestliche Höhenströmung, die zunehmend indifferent bis
leicht zyklonal konturiert ist. Partiell deshalb, weil es vor allem der Westen
und Nordwesten ist, der davon profitiert, während nach Süden und Südosten hin
die Potenzialgegensätze bleiben.
Wie auch immer, nicht nur die Potenzialgebilde zeigen sich leicht progressiv,
auch die bodennahen Systeme weisen einen leichten Trend nach Osten auf. Das Heft
des Handelns nimmt dabei in zunehmenden Maße das Tief FRANK in die Hand, das
ausgestattet mit etwas unter 990 hPa Kerndruck von den Hebriden zum Seegebiet
nördlich Schottlands zieht. Die zugehörige Kaltfront erreicht die Niederlande
und Belgien, während bei uns ein vorgelagerter Bodentrog mit gut ausgeprägtem
Windsprung (von Süd auf westliche Richtungen) den Nordwesten passiert und in den
Morgenstunden bereits des Westen Mecklenburgs erreicht. Zwischen dem Bodentrog
und der Kaltfront ist die Luftmasse im Westen und Nordwesten mit einer
entkoppelten Mischungsschicht ausgestattet, die aber nicht besonders mächtig ist
(800 bis 700, vielleicht 650 hPa) und auch nicht überbordend viel MU-CAPE
aufweist (100 bis 250 J/kg). Von unten lässt sich da nicht viel ausrichten
(Konvergenz ist durch, Einstrahlung noch nicht vorhanden, Outflow-boundary
unwahrscheinlich), so dass der potenzielle Hebungsimpuls aus der Höhe erfolgen
müsste (Sekundärtrog). Kurz und gut, in der zweiten Nachthälfte sowie in den
Morgenstunden könnte es in den genannten Gebieten - grob zwischen Eifel und
Nordsee - für erste Schauer und evtl. auch vereinzelte Gewitter reichen, die
maximal mit ocker abzuwarnen wären (Starkregen um 15 mm/h).
Im großen Rest des Landes passiert bei vielfach sternenklarem Himmel trotz des
abnehmenden Hochdruckeinflusses nüscht.

Montag ... schwenkt der vordere Teil des Höhentrogs allmählich über die
Nordwesthälfte des Vorhersageraums nordostwärts. Gleichzeitig läuft in den
hinteren Teil ein neuer KW-Trog, der den Gesamttrog unter Verkürzung seiner
Wellenlänge scheinbar retrograd werden lässt. Egal wie, Deutschland verbleibt
auf seiner Vorderseite, auf der nun aber merklich feuchtere Subtropikluft als
noch am Sonntag aus Südwesteuropa insbesondere in den Norden und Westen des
Landes advehiert wird. Mit der südwestlichen, inzwischen zyklonal konturierten
Höhenströmung werden kurze, in den Potenzialfeldern mit dem bloßen Auge nicht
unbedingt erkennbare Sekundärtröge nordostwärts gesteuert, die durchaus
dynamische Hebungsimpulse induzieren können.
Der o.e. Bodentrog, der sich durch weiteren Druckfall nach Süden ausweitet und
sich somit mehr und mehr zu einer klassischen präfrontalen Rinne mausert,
erreicht incl. eingelagerter Konvergenz (markiert durch einen scharfen
Windsprung von S-SO auf W-NW) bis zum Abend Vorpommern und BB sowie den Osten
des weiß-blauen Freistaats. Gleichzeitig überquert die schleifende Kaltfront mit
Mühe (es fehlen die Antriebe) den Westen und Nordwesten des Vorhersageraums, was
dort einen Rückgang von T850 auf 10 bis 6°C und eine Stabilisierung der
Schichtung zur Folge hat.
Die höchste Labilität wird im Bereich der Rinne gerechnet (LR -0,7 bis -0,75
K/100 m), die sich aber nicht mit dem Feuchtemaximum deckt. Das befindet
zwischen Rinne und Kaltfront (PPW 30 bis 37 mm, spez. Feuchte 11 bis 13 g/kg),
wo auch die höchsten CAPE-Werte generiert werden (ML bis 1500 J/kg, vereinzelt
mehr, MU teils über 2000 J/kg). Es ist also logische Konsequenz (und wird durch
die Konsistenz der vergangenen Modellläufe auch gestützt), dass die Modelle
genau in diesem Korridor im Tagesverlauf die höchste Gewitteraktivität
simulieren, wobei als auslösende Momente neben der schon erwähnten Sekundärtröge
das Bergland, die Einstrahlung und bei bereits in Gang gekommener Konvektion
zunehmend auch Outflow-boundaries in Frage kommen.
Bleibt "nur" noch zu klären, wo genau dieser Korridor denn morgen liegen wird.
Grob gesprochen sprechen wir hier über einen von Südwest (BW, RP, Saarland) nach
Nordost (bis zur Ostsee) reichenden Streifen, in dem sich das Groß der
konvektiven Umlagerungen abspielen. Dabei sind sowohl Höhenwinde als auch
Scherung im Norden ausgeprägter als im Süden (LLS bis 10 m/s, DLS inzwischen bis
zu 30 m/s), was dort die Bildung von einzelnen Super- oder (teils verclusterter)
Multizellen wahrscheinlich macht. Die Hautgefahr geht dabei von größerem Hagel
(um 3 cm) und trotz Verlagerung von Starkregen aus (Unwetter), allerdings können
auch (schwere) Sturmböen nicht ausgeschlossen werden. Nach Südwesten hin sind
die Zellen tendenziell langsamer unterwegs, was den Starkregen etwas stärker in
den Vordergrund rücken lässt. Aber auch Hagel sollte man trotz deutlich
geringerem Organisationsgrad als im Norden nicht ganz außer acht lassen.
Während es an der Kaltfront und auf der Rückseite aus starker Bewölkung
zeitweise nicht gewittrig regnet (unmittelbar an der Front sind allerdings
einzelne Gewitter möglich), wird es im Bereich der Rinne, also in weiten Teilen
Ost- und Süddeutschlands, von wenigen Ausnahmen abgesehen niederschlags- und
gewitterfrei bleiben. Zwar sind einzelne Überentwicklungen nicht ausgeschlossen,
als Hemmnis könnte sich aber die sehr trockene Grundschicht (inverses V), eine
leichte Sperrschicht bei 800 hPa sowie die relativ trockene mittlere Troposphäre
entpuppen. Sollte es dort doch mal knallen, können (schwere) Sturmböen nicht
ausgeschlossen werden (Downbursts).
Im Süden und Osten steigt die Temperatur bei viel Sonnenschein noch mal auf 27
bis 34°C, dagegen reicht es zwischen Eifel und Angeln (SH) nicht mehr für 25°C.

In der Nacht zum Dienstag setzt sich die Regeneration des Höhentroges über dem
nahen Ostatlantik unter Verkürzung seiner Wellenlänge fort. Das hat zur Folge,
dass die südwestliche Höhenströmung über Deutschland etwas aufsteilt und das
gesamte synoptische Konstrukt bestehend aus Rinne, Konvergenz und nachfolgender
Kaltfront weitgehend zum Stillstand respektive kaum noch nach Osten vorankommt.
Die Rinne beginnt sich sogar aufzufüllen und die Kaltfront meldet sich mit
leicht retrograden Ambitionen.
Wie auch immer, aufgrund des Tagesgangs sowie mangelnder dynamischer
Unterstützung aus der Höhe beruhigt sich das Wettergeschehen zusehends, was aber
weitere Gewitter vornehmlich in der ersten Nachthälfte nicht ausschließt. Dort,
wo es tagsüber oder am Abend ordentlich geregnet hat (=> feuchte Grundschicht)
und danach für längere Zeit aufreißt, bilden sich einige Nebelfelder.

Dienstag ... weitet sich der Trog über dem nahen Ostatlantik noch etwas nach
Süden aus, was bei uns ein weiteres leichtes Rückdrehen der Höhenströmung zur
Folge hat. Sowohl in der Höhe als auch am Boden stellen sich zumindest
vorübergehend gradientschwache Verhältnisse ein. Die ehemals schleifende
Kaltfront zieht sich - als Warmfront einer sich über Frankreich neu bildenden
Tiefdruckrinne - in den deutschen Küstenbereich zurück. Dort steigt die
850-hPa-Temperatur bis zum Abend auf rund 12°C, während im äußersten Südwesten
tatsächlich die "Zwanzig" zumindest punktuell auftaucht. Somit seht ein
weiterer, sehr warmer bis heißer Frühsommertag ins Haus, an dem die durchaus
prominent vertretene Sonne die Luft mit Ausnahme des äußersten Nordens auf 26
bis 32°C erwärmt.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass sich die Luftmasse im Norden
stabilisiert und zudem in den Bereich eines schwachen Keils (ausgehend von einem
Hoch über Westrussland) gelangt, was die Bereitschaft der Atmosphäre, konvektiv
aktiv zu werden, erheblich dämpft. Zur Mitte hin, vor allem aber im Süden
präsentiert sich die Warmluft deutlich labiler und es wird auch reichlich CAPE
simuliert, trotzdem halten sich fast alle Modelle mit der Simulation konvektiver
Umlagerungen auffallend zurück. Zum einen lässt sich in den Prognosesoundings
ein gewisser Trockeneinschub (Grundschicht, aber auch mittlere Troposphäre)
nicht leugnen, zum anderen mangelt es an substanziellen Auslösemechanismen.
Trotzdem wird es im Tagesverlauf aus der Luftmasse heraus das eine oder andere,
überwiegend von der Orografie angestoßene Gewitter geben (Mittelgebirge, bedingt
auch Alpen), lokale Unwetter durch Starkregen, teils auch durch Hagel respektive
größere Hagelansammlungen inclusive (pulsierende Konvektion mit langsam
ziehenden Zellen).
Richtig interessant könnte es in den Abendstunden im äußersten Westen und
Nordwesten werden, wenn nicht nur ein Sekundärtrog in der Höhe durchschwenkt (=>
dynamische Hebung), sondern sich von Benelux her ein Bodentrog respektive
flaches Tief nähert. Dabei wird von Süden bzw. Südosten her wieder feuchtere und
labilere Luft angesaugt, außerdem schnellen die Scherungswerte besonders im
unteren Bereich deutlich in die Höhe (LLS bis zu 20 m/s!!, DLS nur geringfügig
darüber). Kurzum, die Wahrscheinlichkeit, dass organisierte Konvektion Teile
NRWs und das westliche Niedersachsens traktiert, nimmt deutlich zu, auch wenn
das letzte Wort hinsichtlich der genauen Positionierung noch nicht gesprochen
ist (ICON z.B. favorisiert eine westliche Variante, die sich nur rudimentär auf
deutschem Hoheitsgebiet abspielt). Schaut man sich die Pseudoreflektivitäten von
SuperHD (Kachelmann) an, fallen einem gleich mehrere bogenförmige Segmente ins
Auge, die nicht nur auf hohe Windgeschwindigkeiten (Sturmböen 8-10 Bft), sondern
auch auf ein gewisses Tornadopotenzial hindeuten. Dafür spricht auch das
deutliche Absinken des HKNs auf 800 bis 400 m sowie markante SRH-Werte von über
m²/s².

In der Nacht zum Mittwoch überquert das angesprochene konvektive System - so es
denn den Vorhersageraum tatsächlich trifft - den Nordwesten und Norden unter
Abschwächung nordostwärts. Im großen Rest des Landes brechen anfänglich noch
vorhandene Gewitter alsbald zusammen, hier und da bilden sich Dunst oder auch
mal ein flaches Nebelfeld.

Mittwoch ... verbleibt Deutschland auf der Vorderseite des wenig mobilen
Höhentrogs über dem nahen Ostatlantik. Bei geringen Luftdruckgegensätzen nähert
sich von Westen her abermals eine schleifende, in eine Tiefdruckrinne
eingebettete Kaltfront, in deren unmittelbaren Vorfeld (Westen/Nordwesten)
Schauer und einzelne, teils kräftige Gewitter ausgelöst werden. Details gilt es
später zu klären.
Im großen Rest des Landes ist zwar weiterhin potenziell instabile und heiße
Subtropikluft präsent, in der sich Stand heute konvektionell aber nur wenig
abspielt. Dafür steigt die Temperatur auf satte 29 bis 34°C, MOS-Mix bietet bei
Berlin sogar ´ne 35°C an - mal sehen...


Modellvergleich und -einschätzung
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Bezüglich der Basisfelder liegen die Modelle in ihren Simulationen dicht
beisammen. Für Montagfrüh die die Ausgabe einer Vorabinformation Unwetter
"Schwere Gewitter" geplant. Die zugehörigen Basispolygone stehen, können im
Detail aber noch angepasst werden.
Unsicher ist derzeit noch die Entwicklung organisierter Gewitter am
Dienstagabend im Nordwesten, aber es könnte interessant werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann