DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-06-2019 17:01
SXEU31 DWAV 011800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 01.06.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Sonntag meist sonnig, dazu sehr warm bis heiß. Ab Montag zunehmend gewittrig
mit lokaler Unwettergefahr, im Osten und Süden aber noch vielfach trocken und
teils über 30°C heiß.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... gibt es nicht besonders viel zu erzählen zum hiesigen Wetter. Zwar
schlafft das wetterbestimmende Bodenhoch PIA etwas ab, die Macht des
korrespondierenden, von Südwest- bis nach Mitteleuropa gerichteten Höhenrückens
ist aber derart ausgeprägt, dass hinten raus nichts anbrennt. Im Gegenteil, der
Rücken weitet sich sogar noch etwas nach Norden aus, so dass die über dem
äußersten Norden schleifende Front nur wenig auszurichten vermag. Ein paar
WLA-getriggerte hohe oder mittelhohe Wolkenfelder, das war´s dann aber auch
schon. Im großen Rest des Landes wird die Nacht überwiegend sternenklar.

Sonntag ... wird es noch etwas wärmer bzw. heißer als am heutigen Samstag.
Ursächlich dafür ist nicht nur die andauernd hohe Einstrahlung, sondern zudem
die leichte Progression des großräumigen Strömungsmusters. So verlagern sich
Hoch und Höhenrücken unter geringfügigem Substanzverlust langsam ostwärts,
gleichzeitig rückt ein Trog über dem nahen Ostatlantik etwas dichter an den
europäischen Kontinent heran. Das korrespondierende Bodentief FRANK befindet
sich um 12 UTC mit einem Kerndruck nahe 990 hPa knapp westlich der Hebriden, von
wo aus es unter leichter Intensivierung nur behäbig ost-nordostwärts zieht.
Dabei überquert die zugehörige Kaltfront UK in Richtung Nordsee, während die
Warmfront den Norden Norddeutschlands via Jütland und westliche Ostsee
allmählich verlässt. Somit gelangt der Vorhersageraum in einen breiten, zunächst
noch antizyklonal aufgestellten Warmsektor, in dem sich die Zufuhr sehr warmer
bis heißer Subtropikluft von Süden bzw. Südwesten verstärkt. Dabei steigt die
Temperatur in 850 hPa bis zum Abend landesweit auf Werte um 15°C, was für die
Menschen Schwitzen pur bedeutet. Bei Sonne satt - am Start sind lediglich ein
paar Schleierwolken und am Nachmittag über dem Bergland einige Quellungen -
stehen verbreitet 26 bis 32°C auf der Karte, wobei die 30°C-Marke vor allem im
Westen und Südwesten sowie in einem breiten, vom westlichen Niedersachsen bis
nach Sachsen und BB reichenden Streifen überschritten wird. Etwas frischer
bleibt es nur ganz weit oben (also rein vertikal betrachtet) sowie an den
Küstenabschnitten, wo sich Seewind durchsetzen sollte - ein nicht ganz einfaches
Unterfangen gegen den gradient-getriggerten südlichen Wind (an der Ostsee
wahrscheinlicher als an der Nordsee).
Zurück noch mal zur subtropischen Luftmasse, die aufgrund der
niedertroposphärischen Erwärmung zwar immer labiler wird (Lapse-Rates verbreitet
zwischen -0,65 und -0,7 K/100 m), dafür aber bei der Anfeuchtung noch erhebliche
Probleme hat. Kurzum, es wird zwar gebietsweise ein gewisses Quantum an CAPE
generiert, das aber soweit gedeckelt ist (schließlich liegt der Höhenkeil immer
noch darüber, außerdem befindet sich bei rund 800 hPa eine schwache Inversion
respektive Isothermie), dass Gewitter auch über dem Bergland (ein anderer
Auslösemechanismus kommt ja kaum in Frage) nahezu ausgeschlossen werden können.

In der Nacht zum Montag gilt es den geschulten Blick auf den äußersten Westen
und Nordwesten zu richten, wenn nämlich der o.e. Höhentrog näherkommt und die
südwestliche Höhenströmung allmählich zyklonale Konturen annimmt. Der Luftdruck
fällt weiter, so dass abgesetzt von der Kaltfront - sie klopft wohl erst am
frühen Morgen an der Grenze zu den Niederlanden und Belgien an - ein positiv
geneigter Bodentrog mit eingelagerter Konvergenz auf den Norden und Westen
übergreift. Zwar ist die Tageszeit ungünstig, gleichwohl liegen zwischen
Bodentrog und Kaltfront einige hundert J/kg MU-CAPE vor, aus denen man etwas
machen könnte. Fraglich ist, ob der nötige Hebungsimpuls vorhanden respektive
ausreichend ist. Da die abgehobene Mischungsschicht etwa zwischen 800 und 600
hPa liegt, braucht es einen Trigger aus der Höhe, am besten einen nordostwärts
ablaufenden Sekundärtrog, der aber noch nicht sicher gewährleistet ist. Denkbar
sind aber auch Konvektionsreste, die mit der Südwestströmung von Benelux
herangespült und gegen Morgen reaktiviert werden. Ob es am Ende nur für erste
Schauer reicht oder schon die ersten Gewitter in der Startbox stehen, muss
abgewartet werden.
Fakt ist, dass im großen Rest des Landes unter sternenklarem Firmament bis zum
Morgen nix passiert.

Montag ... tut sich allmählich was in der Atmosphäre. Zunächst kommt der
Höhentrog noch ein kleines Stück nach Osten voran, wobei sich in seinem Westteil
eine Regeneration abzeichnet. Auf seiner Vorderseite wird nun nicht nur merklich
feuchtere Subtropikluft aus Südwesteuropa in weite Teile des Landes advehiert.
Mit der südwestlichen, weitgehend zyklonal konturierten Höhenströmung werden
zudem kurze, in den Potenzialfeldern mit dem bloßen Auge nicht zwingend
erkennbare Sekundärtröge nordostwärts gesteuert, die hebungstechnisch durchaus
in der Lage sind, gewisse Beiträge zu leisten.
Darüber hinaus erreicht der o.e. Bodentrog, der sich mehr und mehr zu einer
klassischen präfrontalen Rinne mausert, nebst eingelagerter Konvergenz (markiert
durch einen scharfen Windsprung von S-SO auf W-NW) im Tagesverlauf die Osthälfte
und am Abend bereits die Grenze zu Polen und Tschechien (etwas progressiver
simuliert als gestern). Gleichzeitig überquert die schleifende Kaltfront den
Westen und Nordwesten des Vorhersageraums, was dort einen Rückgang von T850 auf
10 bis 6°C und eine Stabilisierung der Schichtung bedingt. Die höchste Labilität
wird im Bereich der Rinne gerechnet (LR -0,7 bis -0,75 K/100 m), die sich aber
nicht mit dem Feuchtemaximum deckt. Das befindet zwischen Rinne und Kaltfront
(PPW 30 bis 35 mm, spez. Feuchte 11 bis 13 g/kg), wo auch die höchsten
CAPE-Werte generiert werden (ML bis 1500 J/kg, vereinzelt mehr, MU teils über
2000 J/kg). Es verwundert also nicht, dass die Modelle genau in diesem Streifen
die höchste Gewitteraktivität simulieren. Das Grundmuster bleibt dabei von Lauf
zu Lauf konstant, allerdings gibt es - auch im Modellvergleich - immer wieder
leichte Veränderungen hinsichtlich der genauen Positionierung der beteiligten
Systeme (Rinne/Konvergenz, Kaltfront etc.). ICON hat sich dabei in den letzten
Läufen nicht nur immer etwas weiter nach Osten vorgearbeitet, sondern auch die
Niederschlagsintensität etwas herabgestuft, was aber überhaupt nichts heißen
muss.
Bei aller noch gegebenen Unschärfe kristallisiert sich doch ein Streifen heraus,
der etwa von BW über die Mitte bis hoch zur westlichen Ostsee reicht, in dem die
meisten konvektiven Umlagerungen zu erwarten sind. Dabei ist die Scherung im
Norden ausgeprägter als im Süden (LLS bis 10 m/s, DLS bis zu 25 m/s), was dort
die Bildung von Super- oder Multizellen wahrscheinlich macht. Die Hautgefahr
geht dabei von Starkregen und größerem Hagel aus (Unwetter), allerdings können
auch Sturmböen nicht ausgeschlossen werden.
Während es an der Kaltfront und auf der Rückseite aus starker Bewölkung
zeitweise nicht gewittrig regnet (unmittelbar an der Front sind allerdings
einzelne Gewitter möglich), wird es im Bereich der Rinne, also in weiten Teilen
Ost- und Süddeutschlands, von wenigen Ausnahmen abgesehen niederschlags- und
gewitterfrei bleiben. Zwar sind einzelne Überentwicklungen nicht ausgeschlossen,
als Hemmnis könnte sich aber die sehr trockene Grundschicht (inverses V) sowie
das Ansaugen trockener Luftmassen von Südosten her entpuppen. Sollte es dort
doch mal knallen, können auch (schwere) Sturmböen nicht ausgeschlossen werden
(Downbursts).
Im Süden und Osten steigt die Temperatur bei viel Sonnenschein noch mal auf 27
bis 33°C, dagegen reicht es zwischen Kölner Bucht und Angeln kaum mehr für 25°C.


In der Nacht zum Dienstag setzt sich die Regeneration des Höhentroges über dem
nahen Ostatlantik fort. Das hat zur Folge, dass die südwestliche Höhenströmung
über Deutschland etwas aufsteilt und das gesamte synoptische Konstrukt bestehend
aus Rinne, Konvergenz und nachfolgender Kaltfront weitgehend zum Stillstand
kommt. Aufgrund des Tagesgangs sowie mangelnder dynamischer Unterstützung aus
der Höhe beruhigt sich das Wettergeschehen zusehends, was aber weitere Gewitter
vornehmlich in der ersten Nachthälfte nicht ausschließt. Dort, wo es am Tage
oder am Abend ordentlich geschifft hat und danach für längere Zeit aufreißt,
bilden sich einige Nebelfelder.

Dienstag ... vergrößert der Trog über dem nahen Ostatlantik seine Amplitude noch
etwas, wodurch die Höhenströmung über Deutschland noch etwas rückdreht.
Grundsätzlich sind die Höhenwinde ziemlich schwach, da der trogvorderseitige Ast
mit etwas Bewegung gerade mal den Nordwesten streift. Doch nicht nur in der Höhe
sind die Strömungsverhältnisse flau, auch bodennah tummeln sich nicht allzu
viele Isobaren im Vorhersageraum. Stattdessen bildet sich über Frankreich und
Belgien eine neue Tiefdruckrinne aus, in die die o.e. schleifende Kaltfront und
die vorlaufende Konvergenz "zurückspringen".
Bei uns bleibt das Geschehen eher unorganisiert, wobei sich die feuchte und
potenziell instabile Subtropikluft auf weite Teile des Landes ausbreitet. In ihr
entwickeln sich mit dem Tagesgang Schauer und teils kräftige Gewitter mit
örtlicher Unwettergefahr. Wie das Ganze im Detail abläuft, muss man sehen, wenn
morgen die hochaufgelösten Kürzestfristmodelle auf den Markt kommen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Grundsätzlich sind sich die Modelle einig. Die Unschärfen, die Gewitterlagen
immer wieder mit sich bringen, sind obligatorisch und können in der Regel erst
kurz vor knapp eliminiert werden. Es ist gut möglich, dass am Sonntag die
Ausgabe einer Vorabinformation Unwetter (schwere Gewitter) für Montag
beschlossen wird.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann