DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

31-05-2019 18:01
SXEU31 DWAV 311800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 31.05.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Bienvenue Sommer 2019 - nicht nur auf dem Papier. Erst warm (Samstag), dann heiß
(Sonntag), dann Krawumm (ab Montag).

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... befinden sich weite Teile Deutschlands unter einem Höhenrücken, der
sich von Südwesteuropa bzw. dem Seegebiet westlich davon bis zum östlichen
Mitteleuropa reicht. Er stützt ein umfangreiches Bodenhoch über Mitteleuropa
(PIA), das aber quasi als Brücke agiert und das Azorenhoch mit einem weiteren
Hoch über Russland verbindet. Zusammen sorgen Rücken und Bodenhoch für ein
antizyklonales Umfeld, das weiten Teilen des Vorhersageraums - nach vielfach
wolkigem Nachtstart - eine gering bewölkte oder sogar klare Nacht beschert.
Eine Ausnahme bilden Teile Nord- und Nordostdeutschlands, wo anfangs sogar noch
etwas Konvektion unterwegs ist, die aber bald dem Tagesgang zum Opfer fällt.
Ansonsten sind am Südrand der knapp nördlich verlaufenden, leicht flatternden
Frontalzone noch schwache Hebungsprozesse wirksam, die immer wieder dichtere
Wolken generieren, aus denen es aber kaum regnet. Hinzu kommt noch ein kleines
Teiltief, das sich im Laufe des Nachmittags bei Schottland gebildet hat und nun
in den nächsten Stunden via nördliche Nordsee gen Südnorwegen zieht. Es bringt
über der Nordsee eine leichte Gradientverschärfung, so dass dort sowie an den
Küsten Nord- und Ostfrieslands der Südwestwind auf seine wohlverdiente Nachtruhe
verzichten muss. Für warnrelevante Böen 7 Bft wird es wohl aber weder auf den
Inseln noch auf dem Festland reichen.

Samstag ... begrüßen wir zunächst mal - es handelt sich um einen rein formellen
Akt - den meteorologischen Sommer. Nach einem im Mittel zu kalten Mai, in dem
nicht wenige Orte im Land ohne einen einzigen Sommertag (>= 25°C) auskommen
mussten, scheint sich die Atmosphäre pünktlich zum Sommerstart zu besinnen.
Dabei ändert sich gegenüber heute gar nicht mal so viel an der Großwetterlage.
Brückenhoch und Höhenrücken bleiben ohne große Intensitätsänderung präsent, was
weiterhin Absinken garantiert. Dabei steigt die 850-hPa-Temperatur auf
Abendwerte zwischen 8°C an der deutsch-dänischen Grenze und rund 13°C im Westen
und Südwesten. Einstrahlung und diabatische Erwärmung sorgen für einen
Temperaturanstieg auf 24 bis 29°C, an der See, im küstennahen Binnenland sowie
in höheren Lagen auf 17 bis 23°C.
Vor allem im Nordosten hält sich anfangs noch stärkere Bewölkung, die aber mit
Abzug des o.e. Bodentiefs in Richtung Bottenbusen sowie der allmählichen
Ausweitung des Höhenrückens nach Norden am Nachmittag und Abend peu a peu
auflockert. Ansonsten bilden sich unterhalb der bei rund 800 hPa befindlichen
Absinkinversion einige Quellungen, die aber keinen größeren "Schaden" anrichten.
Lediglich über dem Bayerischen Wald, weniger am östlichen Alpenrand, wo nicht
nur die Inversion schwächer ausgeprägt ist respektive höher liegt, sondern auch
die Luftmasse ausreichend feucht und labil geschichtet ist (=> etwas ML-CAPE),
besteht eine geringe Gewitterneigung (orografische und diabatische Auslöse
möglich). Bei flauer Zuggeschwindigkeit und PPWs um oder etwas über 25 mm ist im
worst case sogar markanter Starkregen möglich, allerdings müssen die Zellen
tatsächlich auch erstmal entstehen.
Noch ein Satz zum Wind, der aus westlichen Richtungen kommen auf der Südflanke
des Bodentiefs im äußersten Norden vorübergehend auffrischt mit Spitzen der
Stärke 7 Bft, Tendenz am Nachmittag und Abend allmählich abnehmend.

In der Nacht zum Sonntag kippt der Höhenrücken im Zuge einer über dem nahen
Ostatlantik fortschreitenden Austrogung etwas gegen den Uhrzeigersinn, so dass
seine Achse in den Morgenstunden südwest-nordostorientiert mitten über
Deutschland liegt. Das korrespondierende Bodenhoch - im "Inneren" immer noch mit
etwas über 1020 hPa ausgestattet - verlagert seinen Schwerpunkt ganz allmählich
in Richtung Osten. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass das gesamte
Setup antizyklonal aufgestellt bleibt. Kurzum, die Nacht wird gering bewölkt
(eher im Norden) oder klar (im Rest der Bundesrepublik), wobei nur hier und da
mal ein flaches Nebelfeld auftritt.

Sonntag ... wird erstmalig in diesem Jahr die 30°C-Marke in Deutschland
geknackt. Die Ursache dafür liegt nicht nur an der andauernd hohen Einstrahlung,
sondern auch an der leichten Progression des gesamten Strömungsmusters. Hoch und
Höhenrücken verlagern sich unter geringfügigem Substanzverlust langsam ostwärts,
dafür rückt der angesprochene atlantische Trog dichter an den europäischen
Kontinent heran. Das korrespondierende Bodentief befindet sich um 12 UTC mit
etwas unter 990 hPa knapp westlich der Hebriden. Zwischen den Systemen stellt
sich bodennah sowie im untersten Teil der Troposphäre eine südliche, darüber
(etwa ab 850 hPa) eine südwestliche Strömung ein, mit der nun auch advektiv
wärmere Luft herangeführt wird. So steigt die Temperatur in 850 hPa auf
landesweite 14 bis 17°C mit den höchsten Werten im Südwesten, was nicht ohne
Folgen für die 2m-Temperatur bleibt. Dort stehen bei Sonne satt - am Start sind
lediglich ein paar Schleierwolken und am Nachmittag über dem Bergland einige
Quellungen - 25 bis 32°C auf der Karte, wobei 30°C und mehr im Westen und
Südwesten sowie in einem breiten, vom westlichen Niedersachsen bis zur Neiße
reichenden Streifen erwartet werden. Etwas frischer bleibt es nur ganz weit oben
(also rein vertikal betrachtet) sowie an Küstenabschnitten, wo sich Seewind
durchsetzen sollte - ein nicht ganz einfaches Unterfangen gegen den
gradient-getriggerten Südwind.
Zurück noch mal zur Luftmasse, die aufgrund der niedertroposphärischen Erwärmung
zwar immer labiler wird (Lapse-Rates verbreitet zwischen -0,65 und -0,7 K/100
m), dafür beim Feuchteeintrag aber noch erhebliche Defizite aufweist. Kurzum, es
wird vor allem nach Süden hin ein gewisses Quantum an CAPE generiert, das aber
soweit gedeckelt ist (schließlich liegt der Höhenkeil immer noch darüber), dass
Gewitter aus heutiger Sicht auch über dem Bergland (ein anderer
Auslösemechanismus kommt ja kaum in Frage) nahezu ausgeschlossen werden können.

In der Nacht zum Montag heißt es zumindest im äußersten Westen und Nordwesten
"Spitz pass auf!", wenn nämlich der Höhentrog näherkommt und die südwestliche
Höhenströmung allmählich zyklonaler wird. Der Luftdruck fällt etwas, so dass
abgesetzt von der Kaltfront - sie verbleibt in der Nacht noch deutlich westlich
von uns - ein Bodentrog und möglicherweise auch schon eine Konvergenz auf den
Westen und Nordwesten übergreifen. Zwar ist die Tageszeit ungünstig, gleichwohl
liegt etwas MU-CAPE vor (etwa 300-400 J/kg). So sollte man sich nicht wundern,
wenn schon die ersten Schauer oder vielleicht sogar Gewitter auftreten, auch
wenn die Sache freilich noch längst nicht in trockenen Tüchern ist.
Im großen Rest des Landes passiert unter sternenklarem Firmament nix.

Montag ... kommt allmählich Schmackes in die Bude. Zunächst kommt der Höhentrog
noch ein kleines Stück nach Osten voran. Auf seiner Vorderseite wird nicht nur
feuchte und heiße Subtropikluft aus Südwesteuropa in weite Teile des Landes
advehiert, mit der südwestlichen, weitgehend zyklonal konturierten Höhenströmung
werden zudem kurze Sekundärtröge nordostwärts gesteuert, mit denen
hebungstechnisch durchaus was anzufangen ist.
Darüber hinaus erreicht der o.e. Bodentrog nebst eingelagerter Konvergenz
(markiert durch einen schönen Windsprung von S-SO auf westliche Richtungen) im
Tagesverlauf die Osthälfte, gleichzeitig rückt uns von Westen her die
schleifende Kaltfront mehr und mehr auf die Pelle. Während die höchste Labilität
von ICON im Bereich der Rinne simuliert wird (LR -0,7 bis -0,75 K/100 m), findet
sich das Feuchtemaximum zwischen Rinne und Kaltfront wider (PPW 30 bis 35 mm,
spez. Feuchte 11 bis 13 g/kg). Es korreliert mit den höchsten CAPE-Werten, die
im most unstable Bereich (MU-CAPE) z.T. über 2000 J/kg betragen. Es verwundert
also nicht, dass die Modelle in diesem Streifen, der etwa von BW und RP/Saarland
bis hoch nach SH bzw. Westmecklenburg reicht, die höchste Gewitteraktivität
simulieren. Bei mäßiger Scherung (LLS bis 10 m/s, DLS bis zu 25 m/s) sind
organisierte Strukturen durchaus möglich, wobei die Hautgefahr von Starkregen
und größerem Hagel ausgeht (Unwettergefahr). Für das Finetuning ist es heute
aber noch etwas zu früh.
Nur so viel noch, auch im Bereich der Rinne, also grob in der Osthälfte sind
einzelne Überentwicklungen nicht ausgeschlossen. Als Hemmnis könnte sich aber
die ziemlich trockene Grundschicht entpuppen (inverses V). Sollte es dort doch
knallen, können auch (schwere) Sturmböen nicht ausgeschlossen werden
(Downbursts).
Im Süden und Osten steigt die Temperatur bei viel Sonnenschein noch mal auf 27
bis 33 Grad, im Westen und Nordwesten hingegen reicht es bei überwiegend starker
Bewölkung nicht mehr für 25°C.



Modellvergleich und -einschätzung
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Man ist sich einig, das erste richtige Sommerwochenende des Jahres steht. An den
Details zur montäglichen Gewitterlage muss noch etwas gefeilt werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann