DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-05-2019 18:01
SXEU31 DWAV 261800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 26.05.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Ab Montagnachmittag im äußersten Süden und Südosten aufkommender, teils bis
Donnerstag andauernder Regen (50 bis 80 mm), am Alpenrand Unwetter (im Stau um
100 mm).

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Südflanke eines umfangreichen
Tiefkomplexes, der vom Seegebiet südlich Kap Farvels bis nach Fennoskandien, ja
sogar bis hinüber in den Westen Russlands reicht. Innerhalb des Komplexes sind
Heerscharen mehr oder weniger kleiner Einzeltiefs angestellt, die sich teils
perlenkettenartig von West nach Ost angeordnet haben. Als Antagonist zu so viel
Tiefdruckeinfluss tritt das traditionelle und allseits bekannte Azorenhoch an,
dessen Schwerpunkt z.Zt. tatsächlich unweit der gleichnamigen Inselgruppe liegt,
von wo aus ein zonal exponierter Keil bis nach Süddeutschland bzw. zu den Alpen
gerichtet ist. Kontinuierlicher Druckfall arbeitet derzeit am Abbau des Keils
und zeigt gleichzeitig an, dass etwas im Busche ist.
Der Grund des Druckfalls liegt u.a. an der langsamen Annäherung der relativ
glatt konturierten, nur wenig flatternden Frontalzone von Norden her sowie dem
kleinen Tief CLAUDIUS (eines aus der o.e. Heerschar), das heute Mittag 12 UTC
mit etwas unter 1000 hPa nahe der Hebriden analysiert werden konnte. Es zieht
nur äußerst langsam weiter nach Osten, wobei sich an der zugehörigen Okklusion
klitzekleine Teiltiefs entwickeln können. Wichtiger für die Entwicklung vor Ort
ist aber die Tatsache, dass die zonal orientierte, leicht wellende Warmfront des
Tiefs (heute Mittag über der Nordsee gelegen für den Regen/Nieselregen im
äußersten Norden verantwortlich) noch etwas weiter nach Osten ausgreift und dann
die Kaltfront im Laufe der Nacht von der Nordsee und den Niederlanden her
deutsches Hoheitsgebiet betritt - natürlich zollfrei am Tag der Europawahl. Sie
arbeitet sich bis zum Morgen etwa bis zu einer Linie Selfkant-Usedom voran,
wobei die frontalen Regenfälle weite Teile Nord- und Westdeutschlands erfassen.
Allerdings hört es in der zweiten Nachthälfte in der postfrontal einfließenden
subpolaren Meeresluft (T850 etwas unter 5°C) vom Blanken Hans her bereits wieder
auf zu regnen. Zuvor kommen - akkumuliert über 12 h - gebietsweise 5 bis 10 mm
zusammen, im äußersten Norden punktuell sogar noch etwas mehr. Der anfänglich im
Norden noch recht flotte SW-Wind büßt etwas an Power ein, so dass Warnungen
abgesehen vom Brocken nicht mehr nötig sind respektive auslaufen können.
Noch ein kurzer Trip in den Süden und Südosten des Landes sowie die östliche
Mitte, wo die Nacht trotz des schwächelnden Azorenhochkeils ruhig verläuft mit
einigen Restwolken vom Tage, sonst häufig aber geringer Bewölkung und nur
wenigen flachen Nebelfeldern.

Montag ... bekommt die Kaltfront auf ihrem Weg weiter nach Südosten erhebliche
Atemprobleme, was mehrere Gründe hat. Erstmal kommt es im Zuge einer über
Westeuropa ansetzenden Austrogung zu einem leichten Rückdrehen der
Höhenströmung, was wiederum die Abnahme der für die Verlagerung essenziellen
frontsenkrechten Komponente zur Folge hat. Auch in bodennahen Luftschichten ist
aufgrund schwacher Luftdruckgegensätze mit "Frontsenkrechte" nicht viel los - im
Gegenteil, das Tief über dem Tyrrhenischen Meer, von dem später noch die Rede
sein wird, hält die Front - bezogen auf die Alpen - auf Distanz. Hinzu kommen
auch noch eher schlechte als rechte thermische Gegensätze zwischen vor und
hinter der Front, die sich tagsüber nicht bessern. Kurzum, die Kaltfront kommt
von ihrer morgendlichen Position nur noch wenig nach Südosten voran und die
frontalen Regenfälle - etwa von RP und dem südlichen NRW bis nach BB und
Vorpommern auftretend - werden sukzessive schwächer bzw. nehmen zusehends
Schauercharakter an. Die Wahrscheinlichkeit, dass im Frontbereich, aber auch
präfrontal ein Gewitter auftritt, ist relativ gering. Zwar lässt sich in den
Prognosesoundings eine gewisse Labilität unterhalb etwa 600 bis 650 hPa
konstatieren, die sogar mit einer Feuchtemaximierung einhergeht (PPW um oder
sogar etwas über 25 mm, spez. Feuchte z.T. um 9 g/kg => CAPE bis zu 200 J/kg),
trotzdem dürfte das bei einer apostrophierten Wolkenobergrenzentemperatur von
gerade mal -10°C oder weniger schwer werden mit Blitz und Donner.
Im postfrontal gelegenen Norden und Nordweste, wo die Zufuhr subpolarer, relativ
trockener Meeresluft andauert, stellt sich ein geschmeidiges mixum compositum
aus Sonne und Quellwolken ein, die maximal bis 750 hPa aufsteigen und somit kaum
in der Lage sein dürften, einen Schauer zustande zu bringen. Immerhin lebt der
West-Südwestwind südlich der kleinen, von Schottland bis hinüber nach
Südskandinavien reichenden Zyklonenfamilie (alle aus dem Geschlecht CLAUDIUS)
wieder etwas auf, was insbesondere im Norden SHs einzelne 7er-Böen auf den Plan
rufen kann. Dagegen nimmt der Wind auf dem Brocken allmählich ab.
Kommen wir abschließend noch zu der Region, die in den nächsten Tagen erneut im
Blickpunkt des meteorologischen Geschehens stehen wird. Ausgangspunkt ist das
bereits angesprochene Tief über dem Tyrrhenischen Meer, das sich zwar im Laufe
des Montags mehr und mehr auffüllt, dafür aber einen Ableger über Oberitalien
respektive der nördlichen Adria installiert. Auf dessen Nordflanke werden, u.a.
durch westwärts ablaufende Randtröge, Hebungsprozesse in Gang gesetzt, die über
die Alpen hinweg nach Norden ausgreifen und somit auch den Vorhersageraum
traktieren. Die daraus resultierenden Regenfälle greifen noch am Nachmittag,
spätestens aber am Abend (noch leichte Meinungsverschiedenheiten unter den
Modellen) auf den äußersten Süden und Südosten Bayerns über und leiten damit
binnen einer guten Woche eine zweite Dauerregenlage ein. Sie wird zwar im
überwiegenden Teil der betroffenen Gebiete (Alpenrand, große Teile Ober- und
östliche Teile Niederbayerns) nicht so intensiv ausfallen wie beim letzten Mal,
gleichwohl sind die bis zum Donnerstag erwarteten Mengen von 50 bis 70 mm, in
Staulagen punktuell 90 bis 120 mm (=> Unwetter) alles andere als ein Pappenstiel
- zumal die Böden noch recht gut gesättigt sind und aus höheren Lagen
Schmelzwasser dazukommt.
Die Temperatur erreicht postfrontal Höchstwerte bis 16 bis 21°C, sonst stehen -
abgesehen vom höheren Bergland - 18 bis 24°C auf der Karte.

In der Nacht zum Dienstag breiten sich die Regenfälle aus dem äußersten Südosten
weiter nach Westen (BW) und Norden (bis nach Sachsen, evtl. BB) aus, wo sie mit
den Resten der frontalen Schauer verschmelzen. Der Schwerpunkt liegt am
Alpenrand und im südlichen Alpenvorland sowie im Osten Niederbayerns, wo 10 bis
25 mm, in Staulagen der Alpen punktuell um 30 mm Regen innert 12 h fallen soll.
Die Schneefallgrenze dürfte sich bei etwas über 2000 m einpendeln.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die verantwortlichen
Hebungsvorgänge immer weniger auf das erwähnte Tief südlich der Alpen, sondern
zunehmend auf das Konto des sich westlich von uns amplifizierenden, langsam zu
uns schwenkenden Höhentrogs gehen. Da sich gleichzeitig etwa im Grenzbereich von
Ober- zu Niederösterreich ein flaches Tief bildet, was auf Vb-ähnlichem Kurs via
Tschechien gen Polen zieht, baut sich im Südosten ganz allmählich eine
Gegenstromsituation auf, die sich tagsüber noch verstärkt. Außerdem sorgt der
auf Nordwest drehende Wind für eine leichte Staukomponente am Osterzgebirge
sowie am Zittauer Gebirge, zunächst aber ohne große Auswirkungen.
Noch mal in den Westen und Nordwesten, wo mit der Annäherung des o.e. Höhentrogs
peu a peu höhenkältere Luft herangespült wird, die eine Labilisierung der
subpolaren Meeresluft und die Entwicklung von Schauern zur Folge hat.

Dienstag ... verschärft sich der Höhentrog unter Verkürzung seiner Wellenlänge
noch etwas bei gleichzeitiger Progression nach Osten. Am Abend reicht seine
Achse (Referenz 500 hPa) von Südnorwegen über Westdeutschland bis zum Löwengolf.
Das flache Tief über Polen zieht weiter in Richtung baltische Staaten,
gleichzeitig robbt sich das Azorenhoch etwas dichter an den europäischen
Kontinent heran. Daraus ergibt sich eine schwache bis mäßige Grundströmung aus
dem Nordwestquadranten, die im Südosten bis etwa 600 hPa reicht, bevor weiter
oben die Drehung auf südliche Richtungen erfolgt (=> Gegenstrom). Dort kommt es
zu weiteren, skalig motivierten Regenfällen mit den höchsten Mengen vom
Alpenrand über das südliche Vorland bis hoch nach Niederbayern, wo weitere 10
bis 20 mm, lokal um 25 mm zusammenkommen. Eine warnwürdige Dauerregenlage im
Stau von Erz- und Zittauer Gebirge zeichnet sich nach heutigem Stand nicht ab.
Nicht nur im Südosten regnet es, auch nach Westen hin sowie in der Mitte muss im
Zuge der angesprochenen Trogannäherung mit schauerartigem Regen und einzelnen
ziehenden Gewittern gerechnet werden (kleiner Hagel, Böen 7-8 Bft, lokaler
Starkregen). Auffallend in den Simulationen ist ein Niederschlagsminimum im
Norden BWs und Umgebung, was offensichtlich so etwas wie kompensatorischem
Absinken zwischen der Schauerzone im Westen und dem Dauerregen im Südosten
geschuldet ist.
Ein zweites Minimum zeigen zumindest ICON und IFS (von 00 UTC) über
Norddeutschland, wo eine schwache, von der Nordsee landeinwärts eindringende
Kaltfront einen Schwall trockenerer und stabil geschichteter maritimer Polarluft
heranführt (T850 etwas unter 0°C), was vor allem im Küstenbereich mit sonnigen
Abschnitten quittiert wird. Im Gegenzug frischt der Nordwestwind mitunter böig
auf, an der Küste mit einzelnen Spitzen der Stärke 7 Bft.
Temperaturmäßig geht es am viertletzten Tag des Monats Mai eindeutig bergab.
Mehr als 14 bis 19°C stehen nicht auf er Karte. An der Nordsee, in höheren Lagen
sowie bei Dauerregen im Süden und Südosten wird es sogar schwer, die untere
Schwelle der genannten Spanne zu erreichen.

In der Nacht zum Mittwoch tropft der Höhentrog im Bereich Oberitalien/Golf von
Genua ab. Über Norddeutschland bleibt das schwache Residuum übrig, was wenig
gegen die dunkle Tageszeit auszurichten vermag (wenige Schauer). Auch im Westen
und in der Mitte fallen die Schauer weitgehend zusammen. Im Süden und Südosten
kommt es hingegen zu weiteren Regenfällen mit den bereits mehrfach genannten
Schwerpunkten (10 bis 25 mm/12 h).
Im Nordwesten sowie in den westlichen Mittelgebirgen geht die Temperatur bei
längerem Aufklaren auf etwas unter 5°C zurück. Leichter Frost in Bodennähe
sollte aber die absolute Ausnahme bleiben.

Mittwoch ... in aller Kürze und ausnahmsweise mal stichpunktartig: im Norden
weitgehend unwirksames Trogresiduum, südlich der Alpen Cut-Off-Tief. Dazwischen
schwache Potenzialbrücke über Deutschland, im Südosten abschwächende
Gegenstromlage und sich allmählich zu den Alpen zurückziehender Regen (dort aber
noch mal 10 bis 20 mm). Ansonsten Zwischenhocheinfluss, heiter bis wolkig,
weitgehend trocken, kühl (dürftige 11 bis 18°C, bei Dauerregen darunter).


Modellvergleich und -einschätzung
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Die geschilderte Entwicklung wird zum Großteil von den externen Modellen
gestützt. Das Fundament für die Ausgabe der Dauerregenwarnungen im Süden und
Südosten war somit mit Unterstützung probabilistischer Vorhersagen ausreichend
breit aufgestellt. Am Montag kommt wahrscheinlich noch ein kleiner Appendix im
südöstlichen BW dazu.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann