DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-05-2019 17:01
SXEU31 DWAV 231800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 23.05.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nach ruhiger Nacht am Freitag im Westen und Südwesten leicht zunehmende
Gewitterneigung (nur vereinzelte Zellen). Am Samstag dann im Süden das eine oder
andere Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... ist nicht viel los auf der Gass. Zwar fällt der Luftdruck über
Deutschland ganz leicht, trotzdem bleibt der schwache Hochdruckeinfluss -
gestützt durch einen sich nur sehr schleppend gen Osten verlagernden Höhenrücken
- auch in der Nacht zum Freitag Trumpf. Die eingeflossene mäßig warme Luftmasse
(T850 4-8°C) kühlt sich entsprechend ab, teilweise gedämpft durch hohe oder
mittelhohe Wolkenfelder. In der Lausitz, den östlichen Mittelgebirgen sowie
südlich von Schwäbischer Alb und Donau kann es vereinzelt leichten Frost in
Bodennähe geben. Nur ganz lokal bildet sich Nebel.

Freitag ... greift dann das hochreichende, über Südskandinavien ostwärts
ziehende Tief BERNHARD (ANGER) etwas stärker ins Geschehen ein. Der Höhenrücken
wird peu a peu nach Osten "weggedrückt", was einem Trog die Chance gibt, etwas
dichter an den Vorhersageraum heranzurücken. Bei diesem Exemplar handelt es sich
um den positiv nach Südwesten geneigten Fortsatz des angesprochenen Höhentiefs
über Südskandinavien. Um Missverständnissen vorzubeugen, die Potenzialgradienten
über Mitteleuropa sind derart gering, dass die Höhenwinde extrem mau sind und
somit - trotz Trogvorderseite - kaum oder sogar überhaupt keine dynamischen
Prozesse im Sinne der quasigeostrophischen Diagnostik zu erwarten sind.
Widmen wir uns also der unteren Troposphäre, wo im Tagesverlauf über
Norddeutschland ein flacher Bodentrog ostwärts schwenkt, der ein Appendix des
guten BERNHARD darstellt. In erster Näherung könnte man vor allem wegen der
stark gekrümmten Isobarenführung auf die Idee kommen, eine Kaltfront in den Trog
zu legen. Schaut man aber etwas genauer hin, erkennt man, dass der erforderliche
thermische Gradient (sowohl ThetaÄ als auch T850) nicht am vermeintlichen
Frontenknick ansetzt, sondern abgesetzt weiter nordwestlich (um 12 UTC an der
Nordseeküste) liegt. Würde man dorthin die Front legen, liefe sie fast mittemang
durch den sich hinter dem Trog flach aufwölbenden Hochkeil, was nicht nur unter
den Ästheten synoptischer Analysen nicht gut ankommen würde. Dass am Ende
trotzdem eine Kaltfront auf den Vorhersagekarten von heute 12 UTC auftaucht, ist
einem zweiten, weiter nördlich über der Nordsee positionierten thermischen
Gradienten zu verdanken. Die Front passt nicht nur besser ins Druckfeld, sie
korreliert auch sehr gut mit einem Feuchteband in der Höhe. Ausgehend von dem
Tief über Südnorwegen reicht die (schwache) Kaltfront zur Mittagszeit über
Jütland und den Grenzbereich Fisher/Deutsche Bucht hinweg bis ins Seegebiet
Forties.
Lange Rede, kurzer Sinn, auch ohne Front kommt es auf der Vorderseite des
Bodentrogs sowohl zu einer leichten Labilisierung als auch zu einer schwachen
Feuchteflusskonvergenz, die sich in einer geringfügigen Erhöhung des PPWs (von
etwas unter auf etwas über 20 mm) widerspiegelt, während die spezifische Feuchte
im unteren Bereich (Referenz 200 m) eher etwas abnimmt. Auf alle Fälle wird in
einem von Westdeutschland bis in den Nordosten reichenden Korridor durch
vorherigen Strahlungsinput etwas ML-CAPE aufgebaut (maximal 200 J/kg, nach dem
neuesten Lauf eher weniger), was am Nachmittag und Abend vermehrte
Quellwolkenbildung und - ausgelöst durch konfluente Bodenwinde, diabatische
Effekte (Auslösetemperatur etwas über 20°C) oder die Orografie - die Entwicklung
einzelner Schauer und nach Westen hin vielleicht auch Gewitter zur Folge hat.
Die Gewitter dürften, so sie denn überhaupt auftreten, in der gelben Kategorie
bleiben und nur im worst case durch das Erfüllen des niedrig angesetzten
Starkregenkriteriums (15 mm/h) auf "ocker" aufsteigen. Man sollte aber nicht
unerwähnt lassen, dass Ende Mai in der Vergangenheit schon ganz andere Geschütze
am Himmel aufgezogen sind.
Bliebe noch der große Rest des Landes, der sich vielerorts heiter bis wolkig und
trocken präsentiert. Einzig über dem Südschwarzwald sowie der Südwestalb könnte
am Nachmittag was hochschießen, während inneralpine Gewitter wohl nicht den
deutschen Alpenrand erreichen werden.
Noch mal zurück in den hohen Norden, wo am Nachmittag und Abend mit Annäherung
besagter Kaltfront von der Nordsee und Dänemark her nicht nur etwas kühlere
Luft, sondern zudem tiefe Bewölkung anlandet, aus der aber kein Regen fällt.
Die Temperatur erreicht im äußersten Norden und Nordwesten sowie im höheren
Bergland Höchstwerte von 13 bis 19°C, sonst 20 bis 25°C. Der Wind spielt nur
eine untergeordnete Rolle. Lediglich an der Nordsee sowie im nordwestlichen
Binnenland frischt er mit Trogdurchgang und einhergehender Winddrehung auf
Nordwest böig auf, wobei vielleicht auch mal ´ne steife Böe 7 Bft aufpoppt. Für
Warnungen dürfte das aber nicht ausreichen.

In der Nacht zum Samstag kommt die kühlere (T850 Rückgang auf 5 bis 3°C) und
wolkenreiche Nordseeluft noch ein ganzes Stück landeinwärts voran, so dass quasi
der gesamte Norden und noch Teile Westdeutschlands davon geflutet werden.
Gebietsweise fällt etwas Regen, die Mengen bleiben aber gering (unter oder um 1
mm innert 12 h).
Im nach wie vor gradientschwachen Süden lockert die Wolkendecke vielerorts auf,
Nebel bildet sich aber nur vereinzelt.

Samstag ... tropft der Höhentrog über Frankreich ab und der Resttrog schwenkt
über den Norden und Osten ostwärts hinweg. Die Höhenströmung bleibt schwach, so
dass keine großen dynamischen Sprünge zu erwarten sind. Auch im Bodendruckfeld
zeigt sich der Gradient weiterhin dürftig. Trotzdem breitet sich auf der
Südwestflanke des gen Finnland ziehenden Tiefs BERNHARD die kühlere und
wolkenreiche, stabil geschichtete Nordseeluft (klassischer Nordseestratocumulus
unterhalb einer zwischen 800 und 850 hPa befindlichen Inversion; T850 2 bis 5°C)
bis in die mittleren Landesteile aus. Dort trifft sie dann auf zahlreiche
orografische Hindernisse, die einer weiteren Ausbreitung nach Süden im Wege
stehen. Nördlich der Mittelgebirge jedenfalls bekommt die Sonne trotz eines von
Westen vorstoßenden Hochkeils nur sporadische bis gar keine Auftritte, auf der
anderen Seite wird es aber auch nicht viel regnen bzw. nieseln. Mit 14 bis 18°C
maximal gibt sich die Temperatur wenig spendabel, ja sogar leicht verschnupft.
Vom Norden in die Südhälfte, wo inzwischen der o.e. Korridor mit der erhöhten
Feuchte und Labilität angelandet ist. Mit Hilfe anfänglich noch vorhandener
Einstrahlung wird ML-CAPE generiert, das insgesamt höhere Werte als tags zuvor
aufweist (flächig 100 bis 300 J/kg, lokal Spitzen bei 500 J/kg). Damit sind die
notwenigen Voraussetzungen für konvektive Umlagerungen mit Schwerpunkt zweite
Tageshälfte gegeben. Mit den gleichen Auslösemechanismen wie am Freitag
entwickeln etwa in einem von BW und der Südpfalz bis ins südliche Sachsen bzw.
nach Oberfranken reichenden Streifen sowie an und in den Alpen Schauer und
einzelne Gewitter. Mangels ausreichend Scherung ist von unorganisierter,
pulsierender Konvektion mit langsam ziehenden Zellen auszugehen. Bei PPWs über
20 mm (vereinzelt sogar etwas über 25 mm) sollte markanter Starkregen (> 15 mm
innert kurzer Zeit) einmal mehr der beherrschende Begleitparameter sein,
allerdings ist auch kleinerer Hagel nicht ausgeschlossen. Die Unwettergefahr ist
nicht zuletzt aufgrund des limitierten Energiegehalts der Luftmasse (keine
klassische Subtropikluft) sehr gering. Mit 18 bis 23°C, in Niederbayern lokal
bis zu 25°C wird es auf alle Fälle wärmer als im Norden.

In der Nacht zum Sonntag setzt sich im Süden leichter Druckanstieg durch, der
mit Unterstützung des Tagesgangs für ein Abklingen der Schauer- und
Gewitteraktivität sorgt. Am längsten halten sich schauerartiger Regen und
anfängliche Gewitter am Alpenrand. Bei auflockernder Bewölkung bildet sich
besonders dort, wo es tagsüber geregnet hat, das eine oder andere meist flache
Nebelfeld.
Im Norden nimmt der südwestliche Wind im Zuge eines von Mittelnorwegen nach
Südschweden ziehenden Tiefs etwas zu, was zwar keine Warnerregung auslöst
(vielleicht ein paar steife Böen 7 Bft an der See), dafür aber zur allmählichen
Auflösung des Nordsee-SC beiträgt. Allerdings trifft das nicht auf den äußersten
Norden (Küstenregion, nördliches SH) zu, wo es stattdessen sogar etwas regnet.

Sonntag ... stellt sich - vereinfacht gesagt - eine Zweiteilung in unserem Land
ein. Auf den Norden greift die relativ glatte, mit nur flachen Wellen versehene
Frontalzone über, die für etwas mehr Dynamik und Hebung sorgt (PVA, teils WLA).
Entsprechend gestaltet sich der Tag nicht nur wolkenreich, sondern auch
regnerisch, wobei die Modelle noch etwas uneins sind, wie viel bis zum Abend in
die Töpfe fällt. ICON bietet im Nordseeumfeld 5 bis 10 mm innert 12 h an,
während die externen Modelle deutlich defensiver aufgestellt sind. Auf alle
Fälle frischt der südwestliche bis westliche Wind auf der Südflanke des gen
Finnland abziehenden Bodentiefs sowie eines weiteren Tiefs knapp westlich
Schottlands (12 UTC) zeitweise stark böig auf mit der einen oder anderen steifen
Böe 7 Bft.
Gemächlicher geht es weiter südlich auf der Südseite der Frontalzone zu, wo die
Höhenwinde merklich schwächer sind und kaum Dynamik wirksam ist. Vor allem im
Süden herrscht sogar leichtes Absinken vor, was etwa südlich der Mainlinie im
Bereich eines Azorenhochkeils aufgelockerte Bewölkung und z.T. sogar längere
sonnige Phasen zur Folge hat. Reste labilerer und feuchterer Luft halten sich
nur noch unmittelbar an den Alpen, wo vielleicht noch mal ein Schauer oder
Gewitter hochschießt. Die Luft erwärmt sich auf 18 bis 23°C, vereinzelt auch
etwas darüber. Sommertage (>= 25°C) dürfte es aber kaum geben.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die synoptische Entwicklung als solche ist unstrittig. Leichte Unschärfen zeigen
sich im Hinblick auf die bevorstehende Konvektion im Speziellen sowie den
Niederschlag allgemein.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann