DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-03-2019 18:30
SXEU31 DWAV 161800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 16.03.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Sonntag von Nordwesten Kaltfrontpassage, dabei zeitweise windig, teils
stürmisch. Am Montag wechselhaftes Schauerwetter mit etwas Schnee in den Bergen,
danach allmähliche Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der warmen Seite der Frontalzone, die
stark ins Schlingern geraten ist und nach Südskandinavien abgelenkt wurde. Sie
markiert den nördlichen Rand eines breiten Höhenrückens, der weite Teile
Mitteleuropas überdeckt. Der nachfolgende Trog über dem nahen Ostatlantik hat
sich mittlerweile weiter amplifiziert unter Verkürzung der Wellenlänge, was dem
gesamten Potenzialgebilde eine progressive Note verleiht. Und so kommt es, wie
es kommen muss, der Rücken verlagert seine Achse bis Sonntag früh zum östlichen
Mitteleuropa, während der Trog unbenommen der währenden Brexit-Diskussionen
UK/Irland okkupiert. Der Vorhersageraum gelangt dadurch unter eine diffluente
südwestliche Höhenströmung, in der in nicht unerheblichem Maße zyklonale
Vorticity advehiert wird (PVA). Auf der anderen Seite ist die Trogvorderseite
durch kräftige KLA gekennzeichnet, was kompensatorisch wirkt und den dynamischen
Hebungsterm erheblich limitiert.
Dass in der Nacht trotzdem "Wetter" auftritt, haben wir - und jetzt sind wir im
Bodenniveau angekommen - einer mustergültigen Kaltfront zu verdanken, die ihren
Namen wirklich mehr als verdient hat. Sie ist Bestandteil eines Frontensystems,
das wiederum Bestandteil eines kleinen Sturmtiefs namens IGOR ist. Es wurde
heute Mittag mit einem Kerndruck nahe 982 hPa über der Irischen See analysiert,
von wo aus es unter weiterer Intensivierung (entwicklungsgünstige Exposition zum
o.e. Höhentrog) auf unter 965 hPa!! bis vor die norwegische Südküste zieht. Die
zugehörige Warmfront verlässt mit seinem stratiformen Regengebiet das
Bundesgebiet im Laufe der ersten Nachthälfte nordostwärts, bevor es im
Nordwesten von der Nordsee her vor der heranschwenkenden Kaltfront zu regnen
beginnt. Viel ist es nicht, was die Front auf´s Parkett bringt, so dass man sich
warntechnisch keine Gedanken machen muss.
Das sieht beim Thema "Wind" freilich ganz anders aus. Zwar lässt der tagsüber
besonders im Warmsektor auf sich aufmerksam machende Südwestwind am Abend und in
der Nacht durch Gradientauffächerung und Tagesgang von Süden her nach (abzüglich
der Hochlagen, wo je nach Exposition weiterhin Böen 8-10 Bft auf dem Zettel
stehen), mit Annäherung der Kaltfront bleibt im Nordwesten eine spürbare Pause
aus, so dass dort weiterhin Böen 7 Bft, vereinzelt 8 Bft, an der Nordsee bis 9
Bft auftreten. An der Ostsee geht es nicht ganz so dynamisch zur Sache, dort
bringt es der südliche Wind lediglich zu einigen steifen Böen 7 Bft.
In Bayern (besonders nach Südosten zu) geht die Temperatur bei klarem Himmel
trotz eingeflossener Warmluft (T850 südlich der Donau 10 bis 12°C) stellenweise
auf 0°C oder geringfügig darunter zurück. Dort, wo noch etwas Restnässe vom Tag
gegeben ist, kann es auch mal glatt werden, meist sollte es aber abgetrocknet
sein.

Sonntag ... bohrt sich das Sturmtief immer weiter in die mittlere Troposphäre,
wobei sich seine Vertikalachse zunehmend senkrecht ausrichtet. Damit ist der
gute IGOR am Höhepunkt seiner Karriere angekommen und es setzt der natürliche
Alterungsprozess ein, den wir allem früher oder später über uns ergehen lassen
müssen (oder dürfen). Am Ende Tages, nur wenige Stunden nach Thiel und Börne,
erreicht das Tief Südschweden, wobei es sich auf fast 980 hPa aufgefüllt hat.
Inzwischen schwenkt die zugehörige Kaltfront - angetrieben durch eine moderat
bis gut ausgeprägte frontsenkrechte Windkomponente (Winddrehung auf westliche
Richtungen) - über das Bundesgebiet hinweg südostwärts und erreicht in den
Abendstunden Reit im Winkl und Berchtesgaden. Auf seiner Rückseite gelangt auf
zusehends kürzerem Weg hochreichende Polarluft maritimer Art in den
Vorhersageraum, die die präfrontale Subtropikluft austauscht. Bis zum Abend geht
die 850-hPa-Temperatur (am Morgen im Südosten noch bei 10°C oder etwas mehr
gelegen) auf 0 bis -5°C zurück. Auch im 500-hPa-Niveau rutscht die Temperatur
mit Übergreifen des Potenzialtroges in den Keller. So werden am Abend im Norden
und Westen Werte unter -30°C anvisiert, gebietsweise sogar unter -35°C.
Wettertechnisch läuft der Sonntag so ab, dass sich das frontale, vergleichsweise
schmale Regenband ebenfalls südostwärts verlagert und in den Abendstunden
Nieder- und Oberbayern erreicht. Die apostrophierten 12h-Regenmengen liegen
meist unter 10 mm und nicht selten sogar unter 5 mm. Trotzdem kann es im
unmittelbaren Frontbereich bei offensichtlich gut ausgeprägter Querzirkulation
(eng gebündeltes Maximum bei der Pseudoradarreflexion) kurzzeitig mal kräftiger
regnen. Für Gewitter wird es an der Front wahrscheinlich aber nicht reichen, da
die Luftmasse zu stabil geschichtet ist (geringe Lapse-Rates über der Front).
Präfrontal scheint zunächst noch für einige Zeit die Sonne in die Warmluft, was
die Temperatur etwa südöstlich einer Linie Lausitz-Nordschwarzwald auf 14 bis
19°C, in Oberbayern (wo die Sonne am längsten scheint) lokal vielleicht auf rund
20 Grad steigt. Später nimmt die Bewölkung von Nordwesten her zu und es beginnt
zu regnen. Für konvektive "Schweinereien" sommerlicher Art dürfte es trotz
vorhandener Labilität wohl nicht reichen, dazu ist die Luftmasse zu trocken, und
auch sonst ist das Setup nicht optimal.
Postfrontal entwickeln sich im Norden und Westen, später auch in der Mitte in
der einfließenden Polarluft Schauer und kurze Gewitter, die mit Graupel und Böen
7-8 Bft einhergehen können. Die Schneefallgrenze sinkt bis zum Abend auf 600 bis
400 m (an den Alpen wohl erst in der Nacht zum Montag bis zum Talgrund), viel
Schnee wird wohl aber noch nicht liegen bleiben (am ehesten etwas in den
westlichen Mittelgebirgen und im Oberharz).
Seine eigenen Geschichte schreibt morgen einmal mehr der Wind, der mit
Frontpassage nicht nur auf westliche Richtungen dreht, sondern dabei auch
vorübergehend auffrischt mit Böen 7-8 Bft. Im höheren Bergland erreichen die
Böen Stärke 8-9, in exponierten Kammlagen 10 Bft, auf dem Brocken bis 12 Bft. An
den Alpen stellt sich vorübergehend eine leichte Föhnsituation ein
(Druckdifferenz Bozen-Innsbruck bis zu 7 hPa), die auf den Bergen Böen 8-10 Bft,
in den Tälern di eine oder andere 7er-Böe induziert. Mit Annäherung der
Kaltfront verstärkt sich zudem der Leitplankeneffekt im Alpenvorland (Böen bis 8
Bft).
Und auch postfrontal gibt der Wind nach nun inzwischen etwa zweiwöchigem
Dauergebläse noch nicht auf. Nach einer kurzen Pause unmittelbar hinter der
Front nimmt der Westwind im Westen und Nordwesten wieder Fahrt auf, wobei die
konvektive Komponente in der labilen Höhenkaltluft nicht unerheblich beteiligt
ist. So dürften besonders bei Schauern und kurzen Gewittern vermehrt 8er-, an
der Nordsee sowie im nördlichen SH sogar 9er-Böen am Start sein.
Abschließend noch ein Wort zur Temperatur, die abseits der o.e. warmen Gebiete
nur noch Höchstwerte von 8 bis 14°C erreicht, wobei der Rückgang der Temperatur
z.T. schon tagsüber und nicht - wie gewohnt - in der Nacht vonstattengeht.

In der Nacht zum Montag erfassen der Höhentrog und die höhenkalte Luft mit T500
unter -30°C den gesamten Vorhersageraum. Gleichzeitig füllt sich das Bodentief
über Südschweden weiter auf. Zwischen ihm und einem von Westen zu den Alpen
vorstoßenden Bodenkeil fächert der Gradient auf, was dem größten Teil des Landes
eine Windabnahme beschert. Eine Ausnahme bilden die Hochlagen (7-9 Bft) sowie
die Küsten und das angrenzende Binnenland, wo ebenfalls Böen der Stärke 7-8 Bft,
vereinzelt 9 Bft aus SW bis W zu erwarten sind.
Darüber hinaus entwickeln sich trotz ungünstiger Tageszeit noch einige Schauer
(und anfangs auch noch kurze Gewitter), die meisten davin im Nordwesten und bis
400-200 m herab als Schnee. Nennenswerte Neuschneehöhen deuten sich derzeit zwar
nicht an, trotzdem kann es besonders in den Mittelgebirgen streckenweise glatt
werden. An den Alpen sinkt die Schneefallgrenze bis in die Täler, wobei der
frontale Niederschlag auch in Schauerform übergeht, da sich nicht wirklich eine
Staulage einstellt. In höheren Lagen könnte es für 5 bis 10 cm Neuschnee
reichen.
Leichter Frost incl. Glätte (nicht nur durch Schnee oder Matsch, teils auch
durch gefrierende Nässe) steht vor allem in den Mittelgebirgen und später auch
am Alpenrand auf der Karte.

Montag ... geht das Bodentief auf Seereise, wo es sich bis Tagesende an den
Westeingang des Finnischen Meerbusens heranmogelt. Dabei steigt der Luftdruck
weiter an auf nahe 1000 hPa. Doch nicht nur dort steigt der Luftdruck, auch
zeigt das Barometer nach "rechts", da sich der o.e., zu den Alpen bzw. bis nach
Süddeutschland gerichtete Bodenkeil auf über 1025 hPa am späten Abend kräftigt.
Unter dem Strich bleibt dabei ein leidlicher, im Norden sogar recht gut
ausgeprägter Gradient übrig, der vor allem tagsüber den westlichen Wind am Leben
hält. Richtig abschlaffen tut er nur im Süden, wo keine Warnungen mehr nötig
sein werden. Ansonsten erreicht er in der Mitte in Böen Stärke 7 Bft (höheres
Bergland 8-9 Bft), im Norden 7-8 Bft, Küste 9 Bft, Brocken 10 Bft.
Ansonsten schwenkt der Höhentrog nebst höhenkalter Luft langsam ostwärts, wobei
er uns einen wechselhaften und kühlen Wochenstart mit zahlreichen Schauern und
vereinzelten kurzen (Graupel-)Gewittern beschert. Die Schneefallgrenze schwankt
bei T850-Werten zwischen -3 und -6°C und guter Durchmischung je nach Intensität
zwischen 700 und 200 m, was in den Mittelgebirgen sowie Richtung Alpen eine
dünne Schneedecke zur Folge haben kann.
Thermisch betrachtet gibt es besonders für den Südosten des Landes ordentlich
einen auf die "Glocke", erreichen doch die Temperaturen nur noch Höchstwerte von
5 bis 10°C, im Bergland 1 bis 5°C und ganz oben unter 0°C.

In der Nacht zum Dienstag fächert der Gradient von Süden her deutlich auf, weil
sich der Keil des leicht nach Osten verschobenen Azorenhochs immer weiter nach
Norden ausdehnt. Der Höhentrog macht weiter Boden nach Osten hin gut (in der
Höhe Boden gutmachen, auch nicht schlecht), hängt allerdings nach Südwesten
etwas zurück, wo er wahrscheinlich im Bereich des Ligurischen Meeres irgendwo
abtropft.
Wie auch immer, die Schaueraktivität wird deutlich eingedämmt. An den Alpen
sowie in den Mittelgebirgen fallen noch ein paar Schneeschauer, viel bringen
wird es aber nicht. Bei nun häufiger auflockernder Bewölkung und einschlafendem
Wind geht die Temperatur besonders in der Mitte und im Süden in den leichten, im
Bergland vereinzelt sogar in den mäßigen Frostbereich zurück. In Norddeutschland
ist Frost aufgrund des vorhandenen Restwindes und überwiegender Anströmung von
der See her weniger wahrscheinlich. Dort, wo es Frost oder zumindest Bodenfrost
gibt, besteht Glättegefahr durch gefrierende Nässe.

Dienstag ... gelangt Deutschland in den Übergangsbereich zwischen dem sich
weiter entfernenden Höhentrog und einem sich vom nahen Ostatlantik bis hoch nach
Norwegen respektive zur Norwegischen See aufwölbenden Höhenrücken. Letzterer
stützt einen (zweiten) Bodenkeil, der sich von der Nordsee bis nach Skandinavien
erstreckt. Klingt stark nach antizyklonal, trotzdem will sich das Wetter noch
nicht ganz daran halten. Zwar kommt die eingeflossene Polarluft mehr und mehr
zur Ruhe und durch leichtes Absinken bildet sich auch eine Inversion zwischen
700 und 800 hPa. Gleichwohl bleibt der Wettercharakter ein wolkiger bis stark
bewölkter, die Chancen auf sonnige Abschnitte sind am ehesten an der Nordsee und
in SH gegeben. Ansonsten kann es an den Alpen und in den östlichen
Mittelegebirgen noch ein paar "low-topped" Schneeschauer geben, und auch sonst
sind aus der breitlaufenden Bewölkung hier und da ein paar Tropfen möglich.
Das Temperaturniveau bleibt verhalten mit 4 bis 10°C, allenfalls am Oberrhein
vereinzelt ´nen Grad drüber.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Entwicklung sehr ähnlich.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann