DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

08-01-2019 11:01
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 08.01.2019 um 10.30 UTC



In den östlichen und südlichen Mittelgebirgen weitere Schneefälle, sonst
nasskalt und wenig winterlich.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 15.01.2019


Zu Beginn des Mittelfristzeitraums am kommenden Freitag liegt Deutschland auf
der Vorderseite einer umfangreichen Antizyklone mit Zentrum über den nahen
Ostatlantik. Diese wird von zahlreichen, meist abgetropften Höhentiefs umlaufen,
die Zirkulation ist also mehr oder weniger stark gestört. Ein kräftiger
Höhentiefkomplex reicht vom westlichen Mittelmeer bis zum Balkan. Ein weiteres
Zentraltief befindet sich über Nordskandinavien. Mitteleuropa liegt somit in
einer nord-nordwestlichen Höhenströmung, die ich in der mittleren Troposphäre
noch weitgehend antizyklonal, mit jedem Kilometer zum Boden hin aber immer
zyklonaler wird. Das liegt an einer eingebetteten Warmfront, die sich ausgehend
vom Sturmtief über Skandinavien (Kerndruck unter 960 hPa!) von Vorpommern bis
zum Niederrhein erstreckt und im Tagesverlauf südostwärts über Deutschland
hinwegschwenkt. Unter Zuhilfenahme der nächtlichen Auskühlung in der
vorgelagerten, gealterten Kaltluft (T850 hPa um -10 Grad im Südosten) fallen die
Niederschläge mit Ausnahme der küstennahen Gebieten und des Nordwestens zunächst
als Schnee. Mit nachlassen der Niederschläge gehen sie im Warmsektor (T850 hPa
Anstieg auf etwa 0 Grad) mit Winddrehung von Südwest auf Nordwest allerdings in
Regen über. Immerhin ist somit südlich einer Linie
Neubrandenburg-Hannover-Aachen vorübergehend die Ausbildung einer dünnen
Schneedecke von 2-3cm wahrscheinlich. Bis die Niederschläge den Süden erreichen,
ist das Warmluftpolster voraussichtlich aufgebraucht, so dass das Tauwetter nach
einem vielfach dauerfrostigen Tag südlich des Mains wohl vorerst noch ausbleibt.
Das liegt zu einem großen Teil auch an der noch fehlenden Durchmischung. Erst
weit postfrontal frischt der Nordwestwind mit einzelnen starken Böen an der
Küste auf, womit es bei einzelnen Auflockerungen und Tageshöchstwerten von 4 bis
8 Grad im Nordwesten weiterhin unwinterlich bleibt.

Am Samstag wird in der nordwestlichen Strömung ein Kurzwellentrog von Island zur
Nordsee und in der Nacht zum Sonntag auch weiter nach Süddeutschland gesteuert.
Im Bodenfeld greift dabei ein neuer Trog über, der an eine Okklusionsfront
gekoppelt ist. Die weitgehend abgehobene Warmluft ändert nichts daran, dass
niedertroposphärisch auch in den Südosten ganz allmählich etwas mildere Luft
vordringt, womit die Schneefallgrenze allmählich auf 400 bis 500 Meter ansteigt.
In den westlichen Mittelgebirgen beschränkt sich die Schneephase ohnehin auf die
absoluten Kammlagen. An der Nordsee und im höheren Bergland weht ein in Böen
starker bis stürmischer westlicher Wind.

Am Sonntag bildet sich im Lee des Norwegischen Gebirges im Raum Oslo (klassisch
und zudem entwicklungsgünstig im linken Jetausgang) eine neue Zyklone, die den
Gradient und die Wetteraktivität über Deutschland weiter anfacht. Aus Nordwesten
wird dabei weiterhin erwärmte, subpolare Meeresluft eingesteuert, in der bei
Temperaturen nur wenig unter 0 Grad bei zunehmend guter Durchmischung nur noch
in Lagen oberhalb rund 800 Metern Schnee fällt. Das dann aber erneut nicht zu
knapp. Den bereits mehrfach gebeutelten Alpen- und Erzgebirgsbewohner stehen
weitere 10 bis 20, in Staulagen um 30 cm ins Haus. Sonnenschein ist weiterhin
Mangelware und allenfalls in sporadischen Portionen den Küstenbewohnern
vorbehalten. Für den großen "Rest" bedeutet das die Fortsetzung des trüben und
zeitweise regnerischen und milden Winterwetters bei durchschnittlich 4 bis 8
Grad Plus. In den Hochlagen der östlichen und südlichen Mittelgebirge um 0 Grad.
Die angesprochene Gradientverschärfung äußert sich in Sturmböen an der Küste und
im Bergland. In exponierten Gipfellagen treten orkanartige Böen auf.

Am Montag und Dienstag geht die wechselhafte Nordwestlage in die Verlängerung.
Während am Montag mit Trogstreifschuss im Osten (T500 hPa vorübergehend mal
unter -30 Grad) Schauerwetter mit absinkender Schneefallgrenze auf rund 400
Meter ansteht, wartet Dienstag voraussichtlich schon der nächste Randtrog von
der Nordsee mit neuerlicher Milderung. Für die Flachlandbewohner bedeutet das
ohnehin nasses und gänzlich unwinterliches Wetter. Für die Hochlagen von
Erzgebirge, Bayerischem Wald und insbesondere der Alpen spitzt sich die
Situation mit erhöhter Lawinen- und Schneebruchgefahr wohl weiter zu.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Vergleichen mit seinen Vorläufen ist der aktuelle EZ 00 UTC Lauf recht
konsistent. Die Grundzüge der nordwestlichen Strömung sind aber gerade zum
Sonntag und Montag hin mit der Zyklogenese über dem Oslofjord deutlich
zyklonaler konturiert. Daraus lässt sich eine erhöhte Niederschlagsaktivität und
Intensität im besagten Zeitraum ableiten. Am bestenfalls nasskalten Wetter im
Flachland bestehen keinerlei Zweifel.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


In den synoptischen Grundzügen sehen auch die übrigen Globalmodelle eine
nasskalte Nordwestlage. Im Gegensatz zum EZ simulieren GFS, GEM und ICON zum
Ende der Mittelfrist den Rücken etwas progressiver Richtung Mitteleuropa, womit
die Strömung auch in mittleren Troposphärenschichten auf West drehen würde. Mit
diesem Szenario würde die Schneefallgrenze auch im Südosten vorübergehend bis
auf über 1000 Meter ansteigen. Gerade unter dem "schützenden Einfluss des
Azorenhochkeils und damit niedrigen Taupunkten würde sich in diesem Falle die
Schmelzprozesse aber gleichwohl in Grenzen halten.

Nachhaltiges Winterwetter auch im Flachland ist selbst in der erweiterten
Mittelfrist in keinem der Globalmodelle zu sehen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Aufgrund der Nähe zur Frontalzone und dem ständigen Wechsel aus polarer und
erwärmter Meeresluft aus Nordwesten sind die Rauchfahnen sinusförmig geschwungen
und spätestens ab Sonntag mit einer größeren Streuung behaftet. Diese spiegelt
aber lediglich das noch unsichere Timing der erneuten Störungen von Nordwesten
wieder und liefert keine nachhaltig winterlichen Optionen.

Auch in den 3 unterschiedenen Clustern im Zeitraum Sonntag bis Dienstag
manifestiert sich die wechselhafte Nordwestwetterlage, wobei ein Kippen der
Höhenströmung auf West (Cluster 1+2 mit insgesamt 35 Membern = ICON und Co.
Lösung, Det. und Cont. in Cluster 3) mit abflachendem Atlantikrücken
wahrscheinlicher ist, als eine Nordströmung (gar nicht vertreten).

In der erweiterten Mittelfrist setzt sich in dem einzig gebildeten Cluster die
eher zyklonal geprägte Nordwestlage fort. In den Alpen kann daher tendenziell
von Entwarnung/Entspannung keine Rede sein, ganz im Gegenteil!
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


SCHNEE/VERWEHUNGEN:
Zunächst nur leichte, zum Wochenende und Wochenwechsel aber wieder länger
andauernde und teils ergiebige Schneefälle in den südlichen und östlichen
Mittelgebirgen. Schneefallgrenze zwischen 400 und 800 Metern schwankend. Daher
insbesondere oberhalb 800 Metern signifikante Neuschneemengen 30 bis 50 cm, in
Staulagen bis 80 cm im gesamten Mittelfristzeitraum wahrscheinlich. Erhöhte
Lawinen- und Schneebruchgefahr! Bei zeitweise stürmischem Wind örtlich
Schneeverwehungen.


Von Sa 06UTC So 06UTC laut 90% Perzentil vom COSMO-LEPS im Oberallgäu lokal 50
cm Neuschnee, EZ-EPS 20 cm, realistisch 30 cm. Verglichen mit der Kurzfrist sind
die Signale des EFI relativ bescheiden. Immerhin werden für den Montag Werte von
etwa 0.6 bei zeitgleich positiver SOT simuliert. Das spricht zunächst erst
einmal eher für ein (ausgereiztes) Ocker-Ereignis, das aber durch die Brisanz
der Vorgeschichte und die tagelange Andauer dennoch unwetterartige Züge annehmen
dürfte.

STURM:
Insbesondere am Sonntag und Montag an der See und im Bergland Sturmböen 8-9 Bft
aus West bis Nordwest wahrscheinlich. Nach COSMO-LEPS an der Nordsee bis zu 70%,
am Harz, Erzgebirge und im südlichen Alpenvorland 30-50% für Böen > 7 Bft. Mit
hoher Wahrscheinlichkeit aber keine ausgewachsene und brisante Sturmlage.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EZ, EZ-EPS, Mos-Mix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen