DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

30-12-2018 12:01
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 30.12.2018 um 10.30 UTC



Nord- bis Nordwestlage mit winterlichen Zügen. Niederschlag vorübergehend bis in
tiefe Lagen als Schnee, in den Alpen z.T. ergiebiger Schneefall.
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 06.01.2019


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Mittwoch, dem
zweiten Tag des neuen Jahres, scheint der Winter ein Einsehen mit seinen Fans in
Deutschland zu haben. Zwischen einem kräftigen, von einem breiten Höhenrücken
über dem nahen Ostatlantik gestützten Hoch mit Schwerpunkt über UK (fast 1045
hPa im Zentrum) und einem sich nur langsam vom Baltikum in Richtung Weißrussland
entfernenden Tief (zu Tagesbeginn unter 985 hPa) gelangt mit einer flotten
hochreichenden nördlichen Strömung straightforward Polarluft arktischen
Ursprungs in den Vorhersageraum. Bis zum Abend sinkt die 850-hPa-Temperatur auf
Werte zwischen -13°C im Osten und rund -8°C an der Grenze zu Frankreich und
Benelux - wow! Die anfänglich im Süden und Südosten noch auftretenden
Schneefälle ziehen sich mehr und mehr an und in die Alpen zurück, wo akkumuliert
rund 10 cm, in Staulagen sogar bis 20 cm Neuschnee zusammenkommen können. Vor
allem in der Osthälfte sowie an der Küste weht der Nordwest- bis Nordwind
lebhaft und in Böen stürmisch, was in freien Lagen des Berglands die Gefahr von
Schneeverwehungen birgt.

Am Donnerstag zieht das o.e. Tief unter Abschwächung weiter nach Russland,
wodurch sich das Hoch (ohne dass es seinen "Hintern" nennenswert verschieben
muss) etwas nach Osten ausdehnen kann. Trotzdem gestaltet sich der Wetterablauf
bei merklich nachlassendem Wind eher unbeständig. Im Stau von Alpen und
Erzgebirge fällt noch etwas Schnee und auch im Westen bleibt es nicht ganz
niederschlagsfrei. Grund dafür ist ein flacher Trog, der sich nur am Boden und
in der unteren Troposphäre abbildet und am Ostrand des Hochs von der Nordsee her
ins Landesinnere vorstößt. Mit dem Trog gelangt niedertroposphärisch etwas
weniger kalte Luft in die westlichen Landesteile (-2 bis -6°C), so dass der
Niederschlag nordwestlich der Mittelgebirge teilweise in die flüssige Phase
übergehen kann. Im Bergland und weiter südlich fällt Schnee, wobei man
grundsätzlich sagen muss, dass die apostrophierten Mengen gering sind (0,5 bis 2
mm, nur vereinzelt 3 oder 4 mm innert 12 h).

Am Freitag und Samstag wird das ganze Geschehen wieder zyklonaler, wenn sich das
Hoch unter leichtem Gewichtsverlust im Zentrumsbereich (am Samstag verschwindet
wahrscheinlich die 1040-hPa-Isobare) wieder etwas nach Westen zurückzieht.
Solche Anzeichen von Schwäche - und sollten sie noch so gering ausfallen -
werden in der Atmosphäre sofort bestraft. In diesem Fall meldet ein Tief
Ansprüche an, das selbst zwar einen weiten Bogen um Deutschland macht (die
Zugbahn lautet bis Sonntag früh etwa Spitzbergen-Finnland-Weißrussland), das
aber durch das zugehörige Frontensystem prominent vertreten ist. Zwar sind die
Details dazu noch ziemlich unscharf (genaue Lage der Fronten, Timing etc.),
trotzdem kann man konstatieren, dass es wiederholt zu Niederschlägen kommt (am
Freitag schwerpunktmäßig in der Osthälfte, am Samstag in der Mitte und im
Süden). Gleichzeitig wird mit dem erneut auffrischenden, etwas rückdrehenden
Wind mildere Luft von der Nordsee advehiert (T850 im Norden und Westen bis
Samstag sogar in den leicht positiven Bereich), die sich bei guter Durchmischung
auch bis in bodennahe Schichten durchsetzen kann. Somit geht der Niederschlag in
tiefen Lagen mehr und mehr in Regen über (was anfänglichen Schneefall ebenso
wenig ausschließt wie vorübergehend irgendwo auch mal die gefrierende Phase).
Auch im Bergland steigt die Schneefallgrenze an, pendelt sich im Osten und Süden
(wo sich etwas kältere Luft als im offenen Nordwesten hält) grob gesprochen aber
zwischen 400 und 800 m ein. Dort dürfen vor allem die Nordweststaulagen der
Alpen, etwas abgeschwächt auch das Erzgebirge mit sattem Neuschneezuwachs
rechnen, der in den Alpen (besonders nach Osten hin) durchaus einige Dezimeter
betragen kann.

Von Sonntag bis in die erweiterte Mittelfrist setzt sich die unbeständige und
tiefen Lagen nasskalte Nordwestlage fort. Ob zum Ende hin von Norden her wieder
kältere Luft einströmt, bleibt abzuwarten.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Nach Sichtung des neuesten IFS-Modelllaufs von heute 00 UTC scheint es
unstrittig, dass sich die im alten Jahr begonnene Nordwest- bis Nordlage auch im
neuen Jahr bis auf Weiteres fortsetzt. Als Konstante erweist sich dabei das Hoch
bei UK/Irland (derzeit IGNATIUS), das sich als echter Royalist und Anhänger der
britischen Monarchie outet (vielleicht mag der IGNATIUS aber auch die May),
bleibt es doch den gesamten Prognosezeitraum über mit seinem Schwerpunkt in
unmittelbarer Nähe des Vereinigten Königreichs.
Trotz dieser (scheinbaren) Konsistenz offenbart das Modell von Lauf zu Lauf z.T.
nicht unerhebliche Unterschiede beim Wetter in Deutschland, was zu einem
Großteil der streuenden Prognose der Tiefdrucktätigkeit auf der anderen Seite
(Nord-, östliches Mittel-, nahes Osteuropa) geschuldet ist. So zeigt z.B. der
Vergleich mit dem gestrigen 00-UTC-Lauf am kommenden Donnerstag einen
antizyklonaleren Einschlag und entsprechend weniger Schneefälle. Am Freitag und
Samstag schlägt das Pendel um, es wird zyklonaler, windiger, milder und
niederschlagsreicher (im Bergland Schnee, im Tiefland tendenziell eher Regen)
als gestern noch simuliert.
FAZIT: Nachdem am Mittwoch/Donnerstag Polarluft arktischen Ursprungs auf kurzem
Weg Deutschland erreicht, deutet sich danach mit rückdrehendem Wind nasskaltes
und unbeständiges Nordwestwetter (im Bergland Winter, im Tiefland eher
schmuddelig) an.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Diese Aussage wird durch den Vergleich der einschlägigen Globalmodelle
bekräftigt, weder ICON und GFS noch GEM und UKMO haben grundsätzlich eine andere
Idee als IFS. Ähnlich wie bei der Konsistenzbetrachtung ergeben sich aber auch
hier Unschärfen in der Vorhersage, die sich insbesondere auf die
Niederschlagsentwicklung (Phase, Intensität und räumliche Verteilung) auswirken
können. Tendenziell simulieren ICON und bedingt GEM die Lage am Freitag/Samstag
etwas milder, GFS hingegen etwas kälter.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen bis etwa Freitag
einen relativ homogegen Verlauf. Dabei ist ganz deutlich das auch vom Hauptlauf
simulierte Temperatur- und Potenzialminimum am kommenden Mittwoch zu erkennen,
bevor es - vor allem bei der Temperatur mit leicht unterschiedlicher
Steigungsrate - wieder bergauf geht. Ab Samstag nimmt die Streuung zunächst bei
T850, etwas später auch bei Pot500 zu, wobei sich tendenziell eher wieder ein
zarter Abwärtstrend herauslesen lässt. Die meisten Ensemblemitglieder pendeln
sich je nach Region etwa zwischen -3 und -7°C in 850 hPa ein.
Die GFS-EPS-Rauchfahnen ähneln ihren Kollegen aus Reading, allerdings mit einem
nicht ganz unwichtigen Unterschied. So ist das Temperaturminimum um einen Tag
nach hinten auf Donnerstag verschoben. Beiden Kurvenscharen gemein ist übrigens
der Niederschlagspeak am Freitag/Samstag, der ja auch in den deterministischen
Läufen zum Ausdruck kommt (bei IFS stärker als bei GFS).
Noch ein Blick auf die Clusterung von IFS-EPS, die für den ersten Zeitabschnitt
T+72...96h (Mittwoch zu Donnerstag) zwar drei Cluster anbietet, in denen der
Verfasser trotz allergrößter Mühe und Nutzung einer Megalupe für den
Vorhersageraum keine Diskrepanzen ausmachen kann. Das ändert sich ab Freitag
(T+120...168h), wenn sich die Zahl der Cluster auf sechs verdoppelt (12 Fälle, 11,
9, 8 + HL/KL, 7, 4). Allerdings fällt auch hier erst mal eine große
Gemeinsamkeit ins Auge, nämlich der markante Höhenrücken und das
korrespondierende Bodenhoch über Westeuropa respektive dem nahen Ostatlantik.
Jeweils etwas unterschiedlich wird die Ausdehnung des antizyklonalen Blocks nach
Osten hin und somit auch bis in unseren Raum gerechnet, wobei sich rein aus der
Clusterung kein eindeutiger Trend (im Sinne von vermehrt zyklonal oder
antizyklonal) ableiten lässt.
Im Zeitraum T+192...240h (Montag bis Mittwoch) verringert sich die Zahl der
Cluster zwar auf fünf (13 Fälle, 12 + HL/KL, 12, 10, 4), die Unterschiede in den
Mustern nehmen aber zu. Vereinfacht ergeben sich drei Schubladen: Nr.1 mit CL 1
und 3 verfrachten den Rücken und das Hoch nach Mitteleuropa (=> antizyklonal mit
kalter Grundschicht). Nr. 2 mit CL 2 und 4 lassen Rücken und Hoch im Westen (=>
zyklonale Nordwest- bis Nordlage). Nr. 3 mit CL 5 tendiert mit etwas Fantasie in
Richtung Ws (südliche Westlage), auch wenn das übergestülpte Klimaregime bei
"Blocking" bleibt.

FAZIT: Der weiter oben schon mal artikulierte Trend, wonach es nach dem Minimum
Mittwoch/Donnerstag in Richtung "nasskalt und Bergwinter" geht, lässt sich auch
aus den Ensembles ableiten. Offen ist allerdings noch die Entwicklung in der
erweiterten Mittelfrist.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Bei der Betrachtung signifikanter Wettererscheinungen stehen zwei Parameter im
Vordergrund: Niederschlag und Wind.
Nachdem der NW-N-Wind am Mittwoch insbesondere in der Osthälfte anfangs noch
aufmuckt (Ostsee und Hochlagen in Böen stürmisch, darunter nur noch geringe
Wahrscheinlichkeiten für Böen 8 Bft), stellt sich zum Donnerstag hin eine
Ruhephase ein. Ab Freitag ist dann wieder eine Zunahme des Windes zu erwarten,
nach einer Sturmlage sieht es derzeit aber nicht aus (höheres Bergland 8-9 Bft,
vielleicht an der Küste 8 Bft).
Markanter als der Wind erscheint die Entwicklung des Niederschlags. Zwar wird es
jetzt schon im Bulletin "Wochenvorhersage Wettergefahren" erwähnt und wenn es
soweit ist, auch entsprechend abgewarnt werden, für einige (oder auch einige
mehr) ist es aber eine gute Nachricht, dass es im Laufe der Jahreswechselwoche
immer mal wieder schneit. Zwischendurch fällt der Schnee sogar mal bis ganz
runter, und im Bergland z.T. sogar ergiebig. Die besten Karten in puncto
Neuschnee haben der Alpenrand und dann mit etwas Abstand das Erzgebirge (beide
Nord-Nordweststaulagen). Besonders am östlichen Alpenrand könnten bis nächstes
Wochenende durchaus 50 bis 100 cm Neuschnee fallen, was die dortigen
Wintersportorte prinzipiell gerne hören dürften. Allerdings nimmt die
Lawinengefahr deutlich zu, wobei sich der starke bis stürmische Wind noch
verschärfend auswirkt (erhebliche Schneeverfrachtungen).
Dass es im Laufe der Woche besonders im Süden und Südosten tagsüber mal
Dauerfrost und nachts stellenweise strengen Frost gibt - ja mei, wen juckt´s,
ist halt Winter.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und allgemeinem Modellmix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann