DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-12-2018 17:01
SXEU31 DWAV 291800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 29.12.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Außer im Westen vorübergehend steife bis stürmische Böen, auf den Gipfeln teils
schwere Sturmböen. In den östlichen Mittelgebirgen leichte, an den Alpen vor
allem nach Osten zu kräftige Schneefälle.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland an der Nordostflanke eines recht breit angelegten
Höhenrückens, der sich vom Seegebiet östlich der Biskaya bis in den Raum Island
aufwölbt, unterhalb der von dort aus über Mitteleuropa hinweg südostwärts bis
ins östliche Mittelmeer verlaufende Frontalzone. Ein darin eingebetteter
Kurzwellentrog hat inzwischen den Nordwesten des Vorhersagegebietes erreicht und
verlagert sich rasch ins östliche Mitteleuropa.
Ein mit dem Trog korrespondierendes Bodentief zieht im Laufe der Nacht vom
Skagerrak rasch bis zur polnischen Ostseeküste. Das Frontensystem überquert bis
morgen früh unter fortschreitendem Okklusionsprozess den Großteil des Landes
südostwärts. Vor allem durch WLA induziert, durch PVA aber unterstützt haben auf
den Nordwesten Deutschlands Niederschläge übergegriffen, die sich im Laufe der
Nacht rasch südostwärts ausweiten und in der zweiten Nachthälfte auch den
Alpenraum erfassen, im Norden und Westen mit Passage der Okklusion dann aber
bereits rasch wieder nachlassen.
Im Norden und Osten sowie in weiten Teilen der Mitte ist bodennah weiterhin
recht milde und gut durchmischte Meeresluft wetterbestimmend (T850: 0 bis -3
Grad, bodennah 3 bis 6 Grad), so dass die Niederschläge in flüssiger Form fallen
und auch die gefrierende Phase keine Rolle spielt. Nach Südosten zu hält sich
bodennah aber recht kalte Luft, in der Südhälfte sinkt die Temperatur vielerorts
in den leichten Frostbereich. Somit gehen die Niederschläge bei ihrer
Südostverlagerung mehr und mehr bis in tiefere Lagen in Schnee über, zumal der
Okklusionsprozess weiter voranschreitet und die warmen "Warmsektornasen"
zunehmend weggefressen werden. Die gefrierende Phase kommt am ehesten im
Südwesten, vielleicht noch bis nach Mittelbayern ins Spiel, dort fallen aber nur
noch geringe Mengen (maximal wenige mm in 12 Stunden), so dass im Falle des
Falles wohl markante Warnungen vor Glatteis ausreichen dürften. Das ein oder
andere Modell gibt durchaus entsprechende Signale, die sind aber noch etwas
uneinheitlich, so dass letztendlich nur sehr kurzfristig entschieden werden
kann, welche Regionen im Detail eventuell von gefrierendem Regen betroffen sind.

Vor allem im Osten Bayerns kann es dagegen bis in tiefe Lagen schneien,
allerdings kommen dort maximal nur wenige Zentimeter zusammen. Anders in den
östlichen Mittelgebirgen: Dort liegt die Schneefallgrenze bei etwa 600 m und
kann im Laufe der zweiten Nachthälfte noch etwas absinken (auf 300 bis 400 m).
Im Thüringer Wald sowie in den ostbayerischen Mittelgebirgen fallen bis
Sonntagfrüh oberhalb von 600 bis 800 m meist 5 bis 10 cm Neuschnee, in den
Staulagen des Erzgebirges gebietsweise bis 15 cm, wobei in den Kammlagen der
dort in Böen stürmische Nordwestwind für Verwehungen sorgen kann.
An den Alpen setzen die Schneefälle erst später ein. Westlich des Inns kommen
ebenfalls um oder etwas über 5 cm zusammen, nach Osten zu aber mehr, im Chiemgau
und Berchtesgadener Land fallen bis zum frühen Vormittag bereits 5 bis 15 cm.
Die warntechnisch zweite große Baustelle ist der Wind: Mit Durchzug des Tiefs
verschärft sich der Gradient vorübergehend deutlich. Außer im Südwesten treten
bereits abends und im Laufe der Nacht recht verbreitet steife Böen aus Südwest,
später West bis Nordwest auf, in exponierten Lagen nach Osten zu auch stürmische
Böen. Zunächst an der Nord- und später auch an der Ostseeküste gibt es
kurzzeitig auch stürmische Böen, exponiert Sturmböen, ebenso in den Kamm- und
Gipfellagen der meisten Mittelgebirge und der Alpen. Auf exponierten Gipfeln
kann es schwere Sturm- oder gar orkanartige Böen (Brocken) geben. In der
Westhälfte lässt der Wind im Laufe der zweiten nachthälfte aber bereits wieder
deutlich nach.

Sonntag ... weitet sich der Einflussbereich des westeuropäischen Rückens weiter
Richtung Mitteleuropa aus, die nördliche Höhenströmung nimmt eine zunehmend
antizyklonale Kontur an, wobei mitteltroposphärisch weiterhin WLA dominant
bleibt.
Das Bodentief zieht weiter ins Baltikum und füllt sich allmählich auf, während
sich das Hochdruckgebiet mit Schwerpunkten über der Biskaya und Frankreich nach
Deutschland ausweitet. Insgesamt fächert der Gradient dadurch allmählich auf und
der Wind nimmt weiter ab. In der Osthälfte gibt es anfangs noch steife Böen aus
Nordwest, entlang der vorpommerschen Ostseeküste auch stürmische Böen, in den
Gipfellagen Sturm- anfangs schwere Sturmböen. Nachmittags und abends beschränken
sich die warnrelevanten Böen (Bft 8 bis 9) nur noch auf die Hochlagen des
Erzgebirges, der ostbayerischen Mittelgebirge und auf einige Alpengipfel.
Mit Abzug des Frontensystems lassen auch die Niederschläge im Osten und Südosten
am Vormittag allmählich nach. Nachmittags und abends beschränken sich diese
weitgehend auf den Alpenrand. Die Schneefallgrenze liegt in der Früh bzw.
vormittags in der einströmenden, recht gut durchmischten maritimen Polarluft (-1
bis -4 Grad in 850 hPa) noch bei etwa 300 bis 400 m im Südosten, sie steigt
allmählich auf etwa 600 m, darüber fallen im Erzgebirge und im Bayerischen Wald
nochmals etwa 5 cm, in Staulagen vielleicht etwas mehr. Am Bayerischen Alpenrand
fallen nach Westen zu bis 10 cm, im Chiemgau und Berchtesgadener Land bis 15 cm,
in höher gelegenen Staulagen auch über 20 cm.
Im Westen und Nordwesten kann sich die WLA allmählich auch wieder
niedertroposphärisch durchsetzen, die Temperatur in 850 hPa steigt dort mit
Übergreifen der Warmfront eines Tiefs bei Island wieder auf knapp über 0 Grad.
Mit der Warmfront kann es dort ab dem Nachmittag auch wieder etwas regnen.
Die Sonne bekommt man wohl am ehesten im Norden innerhalb der etwas trockeneren
maritimen Polarluft zu Gesicht, sonst bleibt es meist stark bewölkt bis bedeckt.
Die Temperaturen steigen auf Werte zwischen 1 Grad in Südostbayern bzw. im
östlichen Bergland und 9 Grad Richtung Nordsee. Im ost- und südostdeutschen
Bergland sowie an den Alpen gibt es oberhalb von etwa 600 bis 800 m leichten
Dauerfrost.

In der Nacht zum Montag ändert sich nichts Substanzielles. Die WLA dauert weiter
an, die Warmfront des Tiefs bei Island kommt mit leichten Niederschlägen im
Gepäck weiter nach Osten voran und erreicht morgens etwa eine Linie
Ostvorpommern - Südschwarzwald. Dahinter kann sich auch niedertroposphärisch
mildere Luft mit positiven Werten in 850 hPa durchsetzen.
Insgesamt werden nur wenige mm in 12 Stunden simuliert, ganz im Osten bleibt es
noch meist trocken. Eine Ausnahme bildet der Alpenrand: In 700 hPa ist die Zone
der stärksten Winde genau orthogonal zum Ostalpenrand gerichtet, was für
maximalen Stau spricht, unterstützt noch durch WLA. Die höchsten Mengen fallen
zwar auf österreichischer Seite, dennoch werden von höher aufgelösten Modellen
im Chiemgau und Berchtesgadener Land bis zum Abend durchaus mehr als 15 mm in 12
Stunden simuliert, was in Lagen oberhalb von etwa 600 m (Schneefallgrenze dort
wohl meist um 400 m) im Stau mehr als 20 cm Neuschnee entsprechen dürfte.
Der Wind spielt dagegen warntechnisch keine große Rolle mehr, der Druck steigt
im Nordosten etwas stärker als im Südwesten, wodurch der Gradient weiter
auffächert. Böen Bft 7 bis 9 aus Nordwest bis Nord kann es am ehesten noch auf
exponierten Erzgebirgs- und Alpengipfeln geben. Mit Frost ist wohl lediglich im
Bergland zu rechnen, dort kann in höheren Lagen auch Glätte auftreten.

Montag ... schwenkt - ausgehend von der umfangreichen Höhenantizyklone über der
Biskaya - ein flacher Höhenrücken von Nordwesten her bis zum Abend nach
Norddeutschland. Derweil kommt es über dem Europäischen Nordmeer zu einer
markanten Austrogung, infolgedessen sich das Bodentief bei Island unter
Vertiefung bis zum Abend zur nördlichen Norwegischen See verlagert.
Der Höhenrücken wird weiterhin überlaufen von WLA, im Bodenfeld kommt die
Warmfront des oben genannten Tiefs bis zum Abend ins östliche Mitteleuropa
voran, im breit angelegten Warmsektor kann sich in weiten Teilen des
Vorhersagegebietes auch niedertroposphärisch sehr milde Luft durchsetzen. Bis
zum Abend steigt die Temperatur in 850 hPa auf Werte zwischen -2 Grad im
Südosten und +7 Grad im Nordwesten.
Vor allem im Osten und Süden gibt es weitere, meist aber nur leichte
Niederschläge (1 bis 5 mm, Erzgebirgsstau auch darüber) in Form von Regen oder
Nieselregen bis in höchste Lagen. Lediglich an den Alpen ist nach Osten zu
aufgrund des Staus mit höheren Mengen zu rechnen. ICON-EU simuliert im Chiemgau
und Berchtesgadener Land in Staulagen 15 bis 20 mm, GFS weitet diese Mengen
(punktuell sogar bis über 25 mm) noch etwas weiter nach Westen aus. Lediglich
IFS simuliert im 00 UTC-Lauf geringere Mengen. Die Schneefallgrenze steigt dort
zwar ebenfalls etwas an, oberhalb von etwa 600 bis 800 m ist aber weiterhin mit
markanten Neuschneemengen um 15 cm, in exponierten und höher gelegenen Staulagen
natürlich entsprechend mehr (bis 30 cm) zu rechnen.
Der Wind frischt im Warmsektor mit Vertiefung des Tiefs und der damit
einhergehenden Gradientverschärfung wieder auf, auf dem Brocken und dem
Fichtelberg reicht es eventuell für erste Böen Bft 8 aus West bis Nordwest. An
den Küsten gibt es abends steife Böen (Bft 7) aus West.
Die Sonne macht sich weiterhin rar, dazu wird es am letzten Tag des Jahres noch
etwas milder mit Höchstwerten zwischen 2 Grad am Alpenrand und 10 Grad am
Niederrhein.

In der Neujahrsnacht schwenkt der Höhenrücken über das Vorhersagegebiet hinweg
südwärts, während der Nordmeertrog unter weiterer Verstärkung auf Skandinavien
übergreift.
Das korrespondierende Bodentief fungiert mehr und mehr als Zentraltief und
erreicht morgens den Bottnischen Meerbusen. Dahinter verstärkt sich ein von den
Britischen Inseln bis nach Island reichendes Hochdruckgebiet, so dass die
Strömung über Nordwesteuropa und auch über der Nordsee mehr und mehr auf Nord
dreht und sich die maritime Polarluft auf etwas direkterem Wege Richtung
Mitteleuropa auf den Weg machen kann.
Die Kaltfront des Tiefs erreicht in den Frühstunden den äußersten Norden des
Landes, erweist sich aber mangels Höhenkaltluft und Hebung (sie wird bereits von
KLA überlaufen, die der frontalen Hebung noch entgegenwirkt) als nicht
sonderlich wetteraktiv.
Allerdings kommt es bereits im Vorfeld der Kaltfront zu einer deutlichen
Gradientverschärfung und der Wind frischt im Norden und Osten aus West auf.
Morgens gibt es auch im Binnenland erste steife Böen, an den Küsten recht
verbreitet stürmische Böen und Sturmböen. In den Kamm- und Gipfellagen der
östlichen, ostbayerischen und zentralen Mittelgebirge muss ebenfalls mit Sturm-
exponiert mit schweren Sturmböen gerechnet werden, auf dem Brocken morgens
eventuell mit orkanartigen Böen.
Im Westen und Süden bleibt es dagegen in den Niederungen noch schwachwindig,
hier kann sich innerhalb der feuchten Grundschicht vielerorts Nebel bilden,
diese "Suppe" kann vor allem in Ballungszentren durch die Silvesterknallerei
auch gebietsweise so dicht werden, dass man im wahrsten Sinne des Wortes kaum
die Hand vor Augen sieht.
Niederschläge treten im Warmsektor kaum mehr auf, auch am ostbayerischen
Alpenrand klingen die Schneefälle weiter ab. Auch mit Kaltfrontpassage fällt
ganz im Norden nur wenig schauerartiger Regen.
Im äußersten Süden und Südwesten kann es bei vorübergehendem Aufklaren leichten
Frost und Glätte durch Überfrieren geben.

Dienstag ... am Neujahrstag befindet sich Deutschland dann endgültig im
Einflussbereich des umfangreichen Höhentroges über Nordeuropa, der sein
Drehzentrum allmählich nach Südfinnland verlagert. An dessen Südwestflanke
stellt sich eine sehr kräftige nordwestliche Höhenströmung ein.
Das zentralsteuernde Bodentief verlagert sein Drehzentrum ebenfalls nach
Südfinnland und erreicht den Höhepunkt seiner Entwicklung. Die Kaltfront kommt
bis zum Abend bis in den äußersten Süden des Landes voran. Ihr folgt ein Schwall
maritimer Polarluft (-3 bis -6 Grad in 850 hPa).
Mit Kaltfrontpassage fällt schauerartiger Regen, die große Nummer ist das aber
nicht, zwölfstündig werden meist weniger als 5 mm simuliert, lediglich in
einigen Staulagen vielleicht etwas mehr. Da die kältere Luft erst mit Abklingen
der Niederschläge folgt, spielt die Schneephase auch keine große Rolle.
Lediglich oberhalb von 400 bis 600 m kann es in den zentralen und östlichen
Mittelgebirgen vielleicht noch etwas schneien.
Postfrontal dringt dann nach Nord- und Nordostdeutschland im Tagesverlauf auch
höhenkältere Luft vor (abends bis unter -35 Grad in 500 hPa über
Schleswig-Holstein), so dass sich dort nach kurzer Wetterberuhigung wieder
Schauer entwickeln, eventuell reicht es auch für ein kurzes Graupelgewitter.
Wesentlich spannender gestaltet sich hingegen die Windentwicklung. An der
Südwestflanke des Bodentiefs verschärft sich der Gradient weiter, vor allem am
Nachmittag und Abend mit Annäherung eines Bodentroges an die Küsten. Im gesamten
Norden und Osten gibt es Böen Bft 7 bis 8, in freien Lagen auch Sturmböen Bft 9
aus Nordwest. An den Küsten muss mit Sturm- und schweren Sturmböen gerechnet
werden, zum Abend hin an exponierten Abschnitten kurzzeitig eventuell auch mit
orkanartigen Böen. Ähnliches gilt für die Kamm- und Gipfellagen der
Mittelgebirge (außer im Westen und Südwesten).
Präfrontal können die Wolken an den Alpen noch einmal stärker auflockern, auch
postfrontal setzt sich in Norddeutschland zumindest zeitweise und vorübergehend
die Sonne durch. Ansonsten bleibt es stark bewölkt bis bedeckt. An den
Temperaturen ändert sich zunächst nur wenig, nach Durchzug der Kaltfront gehen
die Werte am Nachmittag und Abend in Norddeutschland aber etwas zurück.


Modellvergleich und -einschätzung
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Alle Modelle simulieren im Kurzfristzeitraum eine sehr ähnliche Wetterlage,
warn- und prognoserelevante Unterschiede gibt es kaum und die wenigen
vorhandenen (in erster Linie die Schneemengen an den Alpen betreffend) wurden
bereits im Text angesprochen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff