DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-12-2018 18:01
SXEU31 DWAV 281800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 28.12.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
In der Nacht zum Samstag lokal Glätte, im Süden und in der Mitte Frost. Von
Samstag zu Sonntag Passage eines kleinen Tiefs mit Frontensystem und
kurzwelligem Höhentrog, dabei zeitweise etwas stärkerer Niederschlag und
auffrischender Wind.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... offenbart der Blick aus dem Fenster im 6. Stock des
Wetterdienstgebäudes in Offenbach alles andere als einen Hochgenuss. Konturloses
Grau in Grau, die Silhouetten der frankfurter Hochgebäude gar nicht oder nur
schemenhaft zu erkennen, dazu kein Wind und Temperaturen um den Gefrierpunkt -
widerlich, braucht kein Mensch. Da tröstet es auch relativ wenig, dass der
Verfasser und seine KollegInnen heute Nachmittag nicht allein mit dieser trüben
Aussicht waren, sah es doch so oder so ähnlich in weiten Teilen des Landes aus.
Bis auf ganz wenige Ausnahmen (z.B. am Mittag über Nordrügen) lagen der gesamte
Norden und Osten unter geschlossenem Nordseestratus respektive -stratocumulus,
und in den restlichen Landesteilen entpuppten sich - zumindest gebietsweise -
einmal mehr zäher Nebel und Hochnebel als destruktive Spielverderber.
Allerdings, das soll nicht verschwiegen werden, gab es in der Mitte und im Süden
auch ´ne ganze Menge Privilegierter, die sich über reichlich Sonnenschein und
Temperaturen bis zu 8°C freuen konnten (wobei man an dieser Stelle einwenden
muss, dass echte Winterliebhaber sich Ende Dezember sehr wahrscheinlich nicht
über Sonne und 8°C plus freuen, womit wir wieder bei der Objektivität und
Subjektivität von Wetter wären).

Weg von den Gefühlen, hin zu den Tatsachen. NWa (Nordwest antizyklonal) lautet
die Großwetterlage, der wir das ganze Dilemma zu verdanken haben und die
mindestens noch bis zum Jahreswechsel andauern soll. Dabei befindet sich
Deutschland auf der Ost-Nordostabdachung eines Höhenrückens über Westeuropa und
dem nahen Ostatlantik. Er stützt ein umfangreiches Bodenhoch (IGNATIUS) mit
Zentrum über der Biscaya (um 1035 hPa) und einem signifikanten Keil, der bis zu
den Alpen bzw. zum nördlichen Balkan reicht. Wie nicht anders zu erwarten
bekommen die atlantischen Tiefdruckgebiete aufgrund der Blockierung des Hochs
keinen vernünftigen Zugriff auf Mitteleuropa. Stattdessen müssen sie einen Bogen
über das Europäische Nordmeer und Fennoskandien schlagen, bevor sie Südostkurs
aufnehmen können. Nun darf man in der synoptischen Meteorologie im Allgemeinen
und der Wettervorhersage im Speziellen einen Fehler nicht machen, nämlich
bestimmte Großwetterlagen zu schematisch zu behandeln und folglich mit
Schubladendenken abzuarbeiten. Zwar weisen alle Großwetterlagen, die einem
bestimmten Muster zugeordnet werden können, zahlreiche Ähnlichkeiten und
Parallelen auf, trotzdem hat jeder Fall etwas Spezielles und ist entsprechend
individuell zu behandeln, wie wir im Folgenden sehen werden.

In der Nacht zum Samstag wird besagter Höhenrücken von einem KW-Trog umlaufen,
der von der Nordsee her auf den Vorhersageraum übergreift und bis zum Morgen den
Südosten des Landes erreicht. Der Trog interagiert leidlich mit einem stark
okkludierenden Frontensystem, das ebenfalls von der Nordsee her den Weg nach
Deutschland findet, wo es langsam ost-südostwärts schwenkt. Die Okklusion (mit
Warmfrontcharakter) gehört zu einem Tief über dem Nordmeer (XYNTHIA), das in der
Nacht unweit der Lofoten in Richtung Nordkap zieht. Front und KW-Trog induzieren
etwas Hebung und auch leichten Niederschlag, der vor allem nordöstlich der Elbe
in Form von Regen oder Nieselregen fällt und nur in seltenen Fällen mehr als 0,5
bis 2,0 mm innert 12 h bringt. Kritisch in puncto Glätte wird es nur, wenn der
(Niesel)Regen das Erzgebirge erreicht, wo es gerade in höheren Lagen noch ein
paar Kältelöcher mit leicht negativen Temperaturen gibt (lokale Glatteisgefahr).
Schnee ist eher unwahrscheinlich, da es oberhalb der bei 800 hPa liegenden
Inversion zu trocken ist, um die nötigen Eiskeime ins Spiel zu bringen. Fraglich
ist, ob es auch weiter westlich - etwa im Bereich Nordhessen, nördliches RP,
Bergland NRWs - stellenweise Glatteis durch gefrierenden Nieselregen gibt. Die
Temperatur liegt in den Tälern meist im Frostbereich (teils Dauerfrost im
Nebel/Hochnebel, teils abendlicher Temperaturrückgang), allerdings ist unsicher,
ob auch tatsächlich Niederschlag fällt. Die deutsche Modellkette und auch IFS
sind diesbezüglich eher offensiv, GFS und EURO4 eher defensiv aufgestellt. Es
ist gut möglich, dass Nebel und Hochnebel leicht gehoben werden und dabei etwas
Nieselregen erzeugt wird, der auf gefrorenen Boden fällt. In diesem Fall müsste
in situ eine Glättewarnung herausgegeben werden (bei Stundenraten von 0,0 mm
reicht "gelb", bei 0,1 mm oder mehr müsste man mit "ocker" agieren).
Bliebe abschließend noch zu sagen, dass es im Süden und in weiten Teilen der
Mitte leichten, lokal mäßigen Nachtfrost gibt und dass in den gleichen Gebieten
mit Nebel (sei es durch Neubildung, sei es durch Verdichtung vorhandener
Nebelfelder) gerechnet werden muss.

Samstag ... zieht der o.e. KW-Trog rasch nach Süden ab. Dahinter steigt das
Potenzial über dem Vorhersageraum noch mal kurz an, was sich in einem flachen
Höhenrücken widerspiegelt. Der nächste KW-Trog steht aber bereits ante portas.
Von Schottland kommend erreicht er unter kontinuierlicher Verschärfung bereits
am Mittag die Deutsche Bucht, am Abend überdeckt er dann die gesamte Nordhälfte.
Der Trog, deutlich schärfer ausgeprägt als das Vorgängermodell und mit gut
situierter Vorderseite ausgestattet (kräftige PVA), bringt endlich etwas Leben
in die tranfunzelmäßigen Abläufe der Atmosphäre. So korrespondiert er mit einem
kleinen aber feinen Bodentief (YVETTE), das mit nahezu gleichbleibender
Intensität (etwas unter 1010 hPa) ebenfalls von Schottland zur Nordsee zieht und
in den Abendstunden Nordjütland passiert. Das zugehörige okkludierende
Frontensystem greift am Nachmittag auf den Vorhersageraum über, doch schon ab
Mittag setzt von der Nordsee her Regen ein, der sich bis zum Abend über
Norddeutschland bis in die östlichen Bundesländer ausbreitet. Die Regenraten
liegen meist unter, im Nordwesten um 5 mm innert 12 h. Fraglich ist, ob sich
auch Gewitter entwickeln, wie es vor allem die deutsche Modellkette auf der
Karte hat. Hebung, Labilität und auch Scherung sind durchaus vorhanden, laut
ICON wird auch etwas MU-CAPE generiert (etwa bis 150 J/kg), allerdings könnte
die vergleichsweise geringe Feuchte der entscheidende Hemmschuh bei der ganzen
Geschichte sein, was auch die meisten anderen Modelle offensichtlich so sehen.
Verbrieft hingegen ist die Tatsache, dass der südwestliche Wind zunächst an der
Nordsee (schon im Laufe des Vormittags), später auch im gesamten
nordwestdeutschen Tiefland auffrischt. An der Nordsee muss dabei mit Böen 7-8
Bft, sonst mit 7 Bft gerechnet werden. Auch der Brocken und der Fichtelberg
lassen sich nicht lange bitten, dort geht es hoch auf Windstärke 8-9 Bft, auf
dem Blocksberg sogar auf 10-11 Bft. Am Abend nimmt der Wind noch etwas zu. Trotz
Bewölkung und Niederschlag steigt die Temperatur in der einfließenden erwärmten
subpolaren Meeresluft aufgrund guter Durchmischung auf 6 bis 10°C.
Während in der Nordhälfte also mal etwas Fett auf die Kette kommt, tut sich im
Süden zunächst noch nicht allzu viel. Hier stemmt sich der von Frankreich und
der Biscaya bis nach Süddeutschland gerichtete Bodenkeil gegen das herannahende
Frontensystem, was tagsüber auch erfolgreich gelingt. Allerdings kann er nicht
verhindern, dass sich das Areal potenziellen Sonnenscheins Richtung Alpen und
den Hochschwarzwald zurückzieht. Ansonsten bleibt es bedeckt oder neblig trüb,
hier und da nieselt es etwas (ebenso wie übrigens anfangs in der Mitte und im
Osten, wo am Morgen zudem noch Glättegefahr gegeben ist). Die Tageshöchstwerte
liegen zwischen -1 und +5°C.

In der Nacht zum Sonntag verlässt uns der KW-Trog bereits wieder in Richtung
Osten. Das Bodentief erreicht in der zweiten Nachthälfte den äußersten
Nordwesten Polens, wo es den "landfall" macht und sich beginnt aufzufüllen. Das
inzwischen vollständig okkludierte Frontensystem erreicht im Laufe der Nacht die
Alpen (wahrscheinlich gegen Mitternacht), wobei es besonders nach Osten hin zu
weiteren Niederschlägen kommt. Diese fallen überwiegend als flüssiger Regen,
auch wenn die gefrierende Phase im Süden nicht ganz ausgeschlossen ist.
Gegenstrahlung und zunehmende Durchmischung könnten dafür sorgen, dass die
bodennahe Kaltluft zu einem Großteil ausgeräumt wird, eine endgültige Antwort
auf diese Fragestellung muss aber noch offen bleiben.
In der einfließenden subpolaren Meeresluft (T850 -1 bis -4°C) sinkt die
Schneefallgrenze in den östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen sowie am
Alpenrand (dort im Osten mehr Niederschlag als im Westen) auf 1000 bis 600 m. In
Staulagen können bis zu 5 cm, im höheren Erzgebirge bis zu 10 cm Neuschnee
zusammenkommen (dort auch Gefahr von Verwehungen).
Darüber hinaus breitet sich das Starkwindfeld vom Nordwesten über die Mitte bis
in den Osten und Südosten aus, wobei der Wind von Südwest über West auf Nordwest
dreht. Es muss dabei mit Böen 7-8 Bft, an der Nordsee (anfangs) sowie im
Bergland 9 Bft, in exponierten Kamm- und Gipfellagen sogar 10 bis 11 Bft
gerechnet werden, Tendenz im Laufe der Nacht von Nordwesten her wieder
nachlassend.

Sonntag ... regeneriert sich der Höhenrücken über Westeuropa bzw. dem nahen
Ostatlantik, wobei sich sogar ein eigenständiges Höhenhoch mit Schwerpunkt über
der westlichen Biscaya etabliert. Es stützt weiterhin das kräftige Bodenhoch mit
Zentrum über dem Westeingang des Kanals, von wo aus sich ein Keil zum
wiederholten Male bis nach Süddeutschland ausweitet. An der Ostabdachung des
Rückens steilt die Höhenströmung über Deutschland merklich auf (fast auf glatt
Nord). Dabei werden mit dem Auge kaum wahrnehmbare, sich in den Diagnosekarten
durch kleinräumige PVA-/NVA-Felder aber abzeichnende sehr flache
Trog-Keil-Strukturen süd-südostwärts gesteuert. Darüber hinaus wird der Rücken
respektive das Höhenhoch einmal mehr von WLA überlaufen, so dass leichte
Hebungsprozesse gegenüber möglichem Absinken überwiegen. Trotzdem zeigen die
Prognosetemps eine schwache bis mäßige Inversion zwischen 800 und 900 hPa, die
eine feuchte Grundschicht von trockenerer Luft direkt darüber trennt. Im Westen
allerdings kommt im Vorfeld einer Warmfront, die zu einem Tief bei Island
gehört, im Tagesverlauf vermehrt mittelhohe Bewölkung auf, aus der es am
Nachmittag an der Grenze zu Benelux etwas regnen kann.
Etwas Niederschlags fällt teils staubedingt auch noch im östlichen und
südöstlichen Bergland sowie an den Alpen, wobei sich die Schneefallgrenze
zwischen 500 und 900 m einpendeln dürfte.
Ansonsten gelangt um das Hoch deutlich erwärmte Meereskaltluft aus (südlichen)
subpolaren Breiten zu uns, in der die Temperatur auf 3 bis 10°C steigt (T850 +1
bis -5°C). Ein paar Aufhellungen oder Auflockerungen stellen sich am ehesten im
äußersten Norden und Nordosten ein, wo leichter Skandinavienföhn eine
Abtrocknung der Luftmasse bewirkt. Der Nordwestwind weht im Osten und Südosten
anfangs noch mäßig bis frisch mit Böen 7 Bft, im Bergland 8-10 Bft, Tendenz am
Nachmittag und Abend abnehmend.

In der Nacht zum Montag kommt die Warmfront aufgrund ihrer
höhenströmungsparallelen Exposition nur schleppend nach Osten voran.
Gebietsweise fällt im Westen und später auch in der Mitte etwas (Niesel)Regen.
Ansonsten fällt in den östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen sowie am
östlichen Alpenrand oberhalb etwa 500 bis 900 m etwas Schnee, wobei Intensität
noch größeren Schwankungen unterworfen ist (Modellvergleich und Konsistenz).
Frost gibt es eigentlich nur im höheren Bergland (außer im Westen) sowie an den
Alpen. Auch windmäßig sind nur die Bergspitzen zu erwähnen (außer Westen und
Südwesten) mit Böen 7-8 Bft.

Montag ... kommt die Warmfront nach Osten voran, was bei ICON am schnellsten und
nachhaltigsten vonstattengeht. Während IFS und GFS vergleichsweise wenig
Niederschlag simulieren, setzt ICON im Osten und Süden veritable Akzente mit der
Krönung am östlichen Alpenrand, wo über 20mm/12h Niederschlag fallen sollen -
bei steigender Schneefallgrenze. Hier liegen also ein paar dicke Fragzeichen
vor, die noch ein paar Modellläufe brauchen, um getilgt zu werden.
Relativ fest steht, dass der letzte Tag des Jahres 2018 wenig Sonne bringt, dass
der SW-Wind an der Küste zulegt, wahrscheinlich aber nicht stürmisch wird und
dass sich das Temperaturniveau tagsüber zwischen 3-4°C im Süden bzw. Südosten
und bis zu 10°C im Westen einstellt. Mehr zur Nacht der Nächte in den
Folgebulletins.


Modellvergleich und -einschätzung
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Auch wenn die Basisfelder innerhalb des Modellpools recht gut harmonieren,
bleiben gewisse Prognoseunsicherheiten. Diese betreffen insbesondere die
Niederschlagsentwicklung (Phase, Intensität), was im Text auch zum Ausdruck
gebracht wurde. Am Silvestertag (Montag) nehmen die Diskrepanzen deutlich zu.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann