DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-12-2018 17:30
SXEU31 DWAV 271800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 27.12.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
In der Nacht zum Freitag im Süden lokal gefrierender Regen mit Glatteis nicht
ausgeschlossen. Am Wochenende mit Tief- und Frontpassage etwas mehr Schmackes
als bisher.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland hinter einem ostwärts abwandernden und vor
einem neuen, sich über dem nahen Ostatlantik aufwölbenden Höhenrücken. Das
unweigerliche Resultat dieser Konstellation ist eine nordwestliche
Höhenströmung, die anfangs noch vergleichsweise antizyklonal konturiert ist, im
Laufe der Nacht aber zunehmend zyklonale Züge bekommt und damit auch für einen
weiteren Abbau des über Süddeutschland positionierten Hoch HUGO sorgt. Ursache
sind gleich zwei Randtröge in der Höhe, von denen der eine aktuell dabei ist,
von Südskandinavien her über die Ostsee gen Polen zu rutschen, während sich der
zweite derzeit noch über Westfrankreich respektive dem Ärmelkanal und der
südwestlichen Nordsee aufhält. Letzterer wird in den nächsten Stunden via
Zentralfrankreich und Benelux auf West- bzw. Südwestdeutschland zusteuern und
vorderseitig etwas Hebung generieren. Als Folge davon ziehen - wie bereits jetzt
schon zu beobachten - hohe und mittelhohe Wolkenfelder insbesondere über die
Mitte und den Süden süd-südostwärts. Die Wolkenuntergrenze dieser Bewölkung soll
laut Numerik von anfangs über 600 hPa auf rund 700 hPa sinken. Darunter befindet
sich eine relativ trockene und warme untere Troposphäre, was nicht nur anhand
der Mittagsaufstiege (siehe z.B. Stuttgart oder Idar-Oberstein) gut zu
verifizieren ist, sondern auch an der beobachteten Temperaturverteilung.
Beispiel Schwarzwald, dort wurden heute Mittag oberhalb etwa 800 m satte 8 bis
10°C plus gemessen, während sich am Bodensee, der unteren Donau sowie an Hoch-
und Oberrhein vielerorts leichter Dauerfrost hielt. Grund für die niedrigen
Temperaturen ist eine entkoppelte und ziemlich dünne bodennahe Kaltluftschicht,
in der das Absinken nicht greift und die zudem noch von zähem Hochnebel
gedeckelt wird.
Lange Rede, kurzer Sinn, warum erzählt der Hoffmann uns das alles? - Nun, weil
einige Modelle wie z.B. die gesamte deutsche Modellkette und IFS, in
abgeschwächter Form auch SuperHD, stellenweise leichten Niederschlag für Süd-
und Südwestdeutschland simulieren, während GFS und auch EURO4 die Füße
stillhalten. ICON und COSMO-D2 setzen dabei vornehmlich auf "rote Schlangen",
sprich, gefrierenden Regen oder Nieselregen. Dieser könnte, so er denn
tatsächlich auftritt, eigentlich nur aus dem Hochnebel fallen, der aber nicht
besonders mächtig ist (was gegen Niederschlag spricht). Zwar können auch aus der
mittelhohen Bewölkung Eiskeime fallen, allerdings haben diese einen recht weiten
Weg durch die trockene untere Troposphäre, so dass sie wahrscheinlich weitgehend
sublimieren (ist aktuell schon sehr gut über den mittleren Landesteilen zu
beobachten. Sollten einige wider Erwarten doch die feuchte Hochnebelschicht
erreichen, könnten sie als Gefrierkerne fungieren (Seeder-Feeder-Effekt) und
dabei etwas Schneegriesel induzieren. Zugegeben, viel Theorie, viel Konjunktiv,
aber man möchte ja einigermaßen verstehen, was die Modelle sich da so
zusammensimulieren. Unter dem Strich kann man - Stand jetzt - konstatieren, dass
die Simulation von ICON und COSMO-D2 mit ihrem regelrechten
"Rote-Schlangen-Teppich" übertrieben scheint, zumal der gefrierende Regen auch
in Zonen ohne tiefe Bewölkung gerechnet wird, was unrealistisch ist. Gleichwohl
kann es vereinzelt etwas nieseln mit der Gefahr von Glätte, wobei die Art der
möglichen! Warnungen in situ gewählt werden muss (bei Stundenraten von 0,0 mm
reicht "gelb", bei mehr müsste ggf. "ocker" her).
Und was macht der nördliche Trog? - Nicht viel lautet die Antwort. Dynamische
Hebung ist kaum am Start (vorderseitige PVA schwach, rückseitige WLA von NVA
kompensiert), so dass es zwar weitgehend bedeckt bleibt, Niederschlag aber so
gut wie gar nicht fällt. Immerhin wird mit leichter Rechtsdrehung des
W-NW-Windes (der an der Ostsee mäßig bis frisch, aber nicht warnwürdig unterwegs
bleibt) niedertroposphärisch etwas kältere Luft in den Nordosten gespült (T850
bis zum Morgen runter auf 0 bis -3°C), was auf die 2m-Temperatur aber keinen
nachhaltigen Einfluss hat (sie bleibt deutlich im Plus).
Bliebe abschließend noch zu sagen, dass die Südhälfte sowie Teile der Mitte und
Westdeutschlands einmal mehr leichten, vereinzelt auch mäßigen Nachtfrost
abbekommen (Ausnahme sind einige Hochlagen oberhalb oder in der Inversion).
Darüber hinaus kann sich im Süden stellenweise Nebel bilden, auch wenn die hohe
und mittelhohe Bewölkung diesbezüglich eher kontraproduktiv wirkt.

Freitag ... rückt der Nordteil des westlichen Höhenrückens dichter an den
Vorhersageraum heran, wodurch die weiterhin aus Nordwest kommende Höhenströmung
wieder deutlich antizyklonaler gekrümmt wird. Die beiden Randtröge verabschieden
sich, der eine von Polen gen Weißrussland, der andere von Südwestdeutschland
über die Alpen gen Oberitalien, wo er sich etwas verschärft und sogar eine
schwache Zyklogenese in Gang bringt. Derweil bleibt vom Hoch HUGO nicht mehr
viel übrig (rudimentäre Reste südlich der Alpen), dafür baut sich über
Westeuropa ein neues veritables Hoch auf (IGNATIUS, Schwerpunkt um 12 UTC im
Bereich nördliche Biscaya/Westeingang des Kanals mit etwas über 1030 hPa).
Trotz der genannten Änderungen, der Wetterablauf gestaltet sich ähnlich wie am
heutigen Donnerstag. So dauert die Zufuhr wolkenreicher Nordseeluft am Rande des
Hochs in den Norden und Osten an. Aufhellungen oder gar Lücken sind Glückssache
und wenn, dann am ehesten in Schleswig-Holstein anzutreffen. Auf der anderen
Seite fällt aber auch nicht allzu viel Niederschlag; hier und da ein paar
Tropfen Regen oder Nieselregen, in den Hochlagen des Erzgebirges bei T850 um
-3°C ein paar Schneeflocken, das war´s.
In den übrigen Landesteilen werden die hohen und mittelhohen Wolkenfelder im
Laufe des Tages nach Süden weggedrückt und es zeigt sich zunehmend die Sonne.
Allerdings halten sich in einigen Flussniederungen zähe Hochnebelfelder, in
denen die Temperatur einmal mehr nicht richtig aus dem Quark kommt (um 0°C). Da
die Inversionslage andauert, wird es in Lagen oberhalb etwa 600 bis 800 m auch
wieder am wärmsten mit bis zu 8/9°C - Werte, die übrigens auch unter den dichten
Wolken Norddeutschlands angetroffen werden. Vor allem am Morgen und am Vormittag
kann es im Süden anfangs noch stellenweise leichten Niederschlag mit Glätte
geben (über die Unsicherheiten dazu siehe oben), bevor es am Nachmittag sehr
wahrscheinlich trocken bleibt.
Da der Luftdruck im Norden und Osten stärker steigt als weiter westlich und
südlich, fächert der Gradient etwas auf, so dass der W-NW-Wind im Nordosten zwar
noch mäßig auftritt, Böen der Stärke 6 oder gar 7 Bft aber nicht mehr zur
Disposition stehen. Dass der Brocken und der Fichtelberg eine Ausnahme bilden
(7-8 Bft), sollte ausnahmsweise mal nicht überbetont werden.

In der Nacht zum Samstag verbleibt Deutschland am Rande des Höhenrückens über
Westeuropa respektive dem nahen Ostatlantik. Das korrespondierende Bodenhoch
IGNATIUS verstärkt sich wieder etwas auf knapp über 1035 hPa, wobei sich der
Schwerpunkt über West- und Zentralfrankreich etabliert. Der Norden und Osten des
Landes wird insofern etwas "gestört", als dass ein flacher KW-Trog von
Südskandinavien südostwärts schwenkt. Er interagiert mit einer schwachen Front -
es handelt sich um eine Okklusion mit Warmfrontcharakter (Anstieg T850 im Norden
von etwas unter 0°C am Abend auf 1 bis 5°C am Morgen) -, die zu einem Tief bei
den Lofoten gehört und die ebenfalls den Norden und Osten südostwärts passiert.
Dabei werden schwache Niederschläge ausgelöst, die bei deutlich positiven
2m-Temperaturen meist als Regen oder Nieselregen fallen. Lediglich im
Erzgebirge, wo die niedertroposphärische Milderung erst später ankommt bzw.
schwächer ausfällt (T850 am Morgen bei -2°C), fällt etwas Schnee, ohne dass aber
das ganz große Winterfeeling ausbricht. Der westliche Wind nimmt im Norden,
besonders an der Küste wieder zu, Warnschwellen werden dabei aber nicht
gerissen.
In der Südhälfte stellt sich bei schwachem Gradienten in gealteter Luftmasse ein
Nebeneinander von klarem Himmel und Nebel/Hochnebel ein. Dabei geht die
Temperatur in den leichten, stellenweise auch in den mäßigen Frostbereich
zurück.

Samstag ... schwenkt der nach Osten gerichtete Keil des o.e. Höhenrückens von
Nord nach Süd über Deutschland hinweg. Ihm folgt vom Seegebiet nördlich
Schottlands ein sich kontinuierlich verschärfender KW-Trog, der am Nachmittag
weite Teile der Nordsee überquert und am frühen Abend Jütland erreicht. Dieser
KW-Trog bringt etwas Schwung in die Bude, korrespondiert er doch mit einem
kleinen aber feinen Wellentief, das bei nahezu gleichbleibender Intensität
(etwas unter 1010 hPa) und gleicher Zugbahn wie der KW-Trog am Abend ebenfalls
in Nordjütland aufschlägt. Das zugehörige okkludierende Frontensystem nimmt Kurs
auf den Vorhersageraum, wobei die Warmfront etwa in den Mittagsstunden die
Nordseeküste erreicht. Im Vorfeld fällt zunächst nur wenig (Niesel)Regen (im
höheren Bergland geringfügig Schnee), bevor es am Nachmittag von der Nordsee her
zu einer Intensivierung kommt. Bis zum Abend breitet sich der Regen über die
Norddeutsche Tiefebene bis in die östlichen Bundesländer aus, erreichen
Thüringer Wald und Erzgebirge aber noch nicht (GFS und IFS sind etwas defensiver
als ICON). Die Regenraten liegen meist unter 5 mm innert 12 h.
Darüber hinaus frischt der südwestliche Wind zunächst an der Nordsee (schon im
Laufe des Vormittags), später auch an der Ostsee und dem gesamten norddeutschen
Tiefland auf. An der Nordsee muss dabei mit Böen 7-8 Bft, an der Ostsee (vor
allem im Westen), im nordseenahen Binnenland sowie in nördlichen SH Böen 7 Bft
gerechnet werden. Auch der Brocken und der Fichtelberg lassen sich nicht lange
lumpen, dort geht es hoch auf Windstärke 8-9 Bft, auf dem Blocksberg vielleicht
sogar 10 Bft. Mit dem Wind wird milde Meeresluft herangeführt (T850 1 bis 6°C),
in der die Temperatur aufgrund der guten Durchmischung auf 6 bis 10°C steigt.

Während in der Nordhälfte also mal etwas im drögen Einheitsbrei herumgerührt
wird (ohne dass das Wetter wirklich besser wird), tut sich im Süden zunächst
noch wenig. Im Bereich des von Frankreich bis nach Süddeutschland gerichteten
Bodenkeils zieht sich das Areal potenziellen Sonnenscheins zwar Richtung Alpen,
das Vorland und den Hochschwarzwald zurück, in puncto Wind und Niederschlag tut
sich bei Tageshöchstwerten von -1 bis +5°C hingegen nichts.

In der Nacht zum Sonntag schwenkt der KW-Trog über den Osten und Nordosten
hinweg in Richtung Südpolen/Slowakei. Das Bodentief zieht ein Stück über die
Ostsee ost-südostwärts, macht in Nordpolen nach Mitternacht "landfall", um sich
von dort weiter gen Weißrussland zu bewegen. Dabei füllt sich das Tief
allmählich auf. Das weiter okkludierende Frontensystem erreicht im Laufe der
Nacht den Süden des Vorhersageraums, wobei es besonders nach Osten hin zu
weiteren Niederschlägen kommt. Dabei sind alle Phasen von flüssig über
gefrierend bis fest möglich, auch wenn es für Details noch zu früh ist.
Aus heutiger Sicht besteht Glatteisgefahr besonders im äußersten Süden, wo es
bei anfangs geringer Bewölkung noch mal bis in den Frostbereich abkühlen kann
(oder es im Falle zähen Hochnebels frostig bleibt) und in einigen Regionen durch
den Dauerfrost der Vortage der Boden einigermaßen tief gefroren ist. Man wird
aber abwarten müssen, wo und wie viel Niederschlag letztlich im Süden ankommt
und in welches thermische Milieu er fallen wird. Denkbar ist gefrierender Regen
auch im östlichen und südöstlichen Mittelgebirgsraum, allerdings fließt dort
alsbald niedertroposphärisch etwas kältere Luft ein, so dass der Niederschlag
oberhalb 700 bis 1000 m in Schnee übergeht.
Zweites Thema ist der Wind, der auf der Südwest- und Westflanke des ostwärts
ziehenden Tiefs am stärksten auffrischt, wobei er von Südwest über West auf
Nordwest dreht. Grob gesprochen muss in der Nordosthälfte dabei mit Böen 7-8
Bft, an der Küste sowie im Bergland 9 Bft, in exponierten Kamm- und Gipfellagen
sogar 10 bis 11 Bft gerechnet werden, Tendenz im Laufe der Nacht von Nordwesten
her wieder nachlassend.

Sonntag ... regeneriert sich der Höhenrücken über Westeuropa bzw. dem nahen
Ostatlantik, wobei sich sogar ein eigenständiges Höhenhoch abzeichnet. An der
Ostabdachung steilt die nordwestliche Höhenströmung über Deutschland auf, wobei
mit dem Auge kaum wahrnehmbare, in den Diagnosekarten aber auftauchende sehr
flache Trog-Keil-Strukturen süd-südostwärts gesteuert werden. Darüber hinaus
wird der Rücken respektive das Höhenhoch einmal mehr von WLA überlaufen, so dass
leichte Hebungsprozesse gegenüber möglichem Absinken überwiegen. Trotzdem zeigen
die Prognosetemps eine schwache bis mäßige Inversion zwischen 800 und 900 hPa,
die eine feuchte Grundschicht von trockenerer Luft direkt darüber trennt. Vor
allem nach Westen hin kommt im Tagesverlauf vermehrt mittelhohe Bewölkung aus,
aus der es hier und da etwas regnen kann (auch wenn GFS derzeit noch anderer
Meinung ist). Etwas Niederschlags fällt teils staubedingt auch im östlichen und
südöstlichen Bergland sowie an den Alpen, wobei sich die Schneefallgrenze
zwischen 700 und 1000 m einpendeln sollte. Ob anfangs irgendwo auch noch
gefrierender Regen am Start ist, lässt sich heute noch nicht beantworten.
Ansonsten gelangt um das mit seinem Zentrum über Frankreich liegende Hoch
deutlich erwärmte Meereskaltluft aus (südlichen) subpolaren Breiten zu uns, in
der die Temperatur auf 3 bis 10°C steigt. Ein paar Aufhellungen oder
Auflockerungen stellen sich am ehesten im Nordosten ein, wo sich leichter
Skandinavienföhn durchsetzen könnte. Der Nordwestwind weht im Osten und Südosten
anfangs noch mäßig bis frisch mit Böen 7 Bft, im Bergland 8-10 Bft, Tendenz
später abnehmend.


Modellvergleich und -einschätzung
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Auch wenn der Generalkurs von allen Modellen weitgehend mitgetragen wird,
bleiben wie so oft noch ein paar Teilfragen offen. Diese wurden im Text
allerdings schon ausreichend erörtert, auch wenn noch nicht alle Antworten
gefunden wurden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann