DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

21-12-2018 18:30
SXEU31 DWAV 211800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 21.12.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Wochenende viel Wind und viel Regen, Westwetterlage halt. Montag
(Heiligabend) noch mit größeren Unsicherheiten.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... Sollte die eine oder der andere im Laufe des heutigen Tages - rein
zufällig und unverbindlich natürlich - einen Blick auf den wahrscheinlich mit
herrlich verschneiter Winterlandschaft colorierten Wandkalender riskiert haben,
ist der-/diejenige wahrscheinlich über das kleine Wörtchen "Winteranfang"
gestolpert. Nun, genau genommen befinden wir uns noch im Herbst, beginnt der
kalendarische Winter offiziell erst um 23:22 MEZ, also nach Ausgabe dieses
abendlichen Bulletins. Aber um solche Feinheiten geht es hier gar nicht, nein,
es ist das Wetter, das heute (und auch am bevorstehenden vierten
Adventswochenende) mit Winter mal so was von gar nichts zu tun hat und hatte,
dass man durchaus auf den Gedanken kommen könnte, von einem atmosphärischen
Anachronismus zu sprechen. Einzig in den Hochlagen der östlich gelegenen
Mittelgebirge sorgte vorübergehender Schneefall noch für etwas Winterfeeling.
Ansonsten häufig mit Wind/Sturm gepaarter Regen/Nieselregen, dazu Tauwetter
(natürlich nur dort, wo es was zu tauen gab) und steigende Temperaturen, die im
Westen kackfrech und problemlos die 10°C-Marke knackten. Nun ist es freilich
nicht das erste Mal, dass sich das Wetter nicht mal ansatzweise an kalendarische
Vorgaben hält, und man muss - nolens volens - (leider) sagen, dass ein solches
Wetter für Mitteleuropa zu dieser Jahreszeit überhaupt nicht ungewöhnlich ist
(was es auf der anderen Seite aber auch nicht besser macht). Im Gegenteil, es
handelt sich dabei um eine gut belegte, überdurchschnittlich häufig auftretende
Singularität, die unter dem Begriff "Weihnachtstauwetter" berühmt und bei
Winterfans berüchtigt ist (siehe dazu auch das Thema des Tages vom 17.12.2018
auf www.dwd.de). Wie auch immer, jammern nützt nix, vielmehr gilt es, sich den
Herausforderungen (und davon gibt es eine ganze Menge) dieser Wetterlage zu
stellen, was im Folgenden passieren soll.

Die Ausgangslage zeigt Deutschland unter einer gut definierten, weitgehend glatt
konturierten Frontalzone, die vom mittleren Nordatlantik bis nach Südost- bzw.
zum nahen Osteuropa reicht, wo sie beginnt zu divergieren und sich schließlich
in einem Höhentrog verliert. Während sich auf der kalten Seite der Frontalzone
eine umfangreiche, mit mehreren Kernen gespickte Tiefdruckzone befindet, liegt
über Süd- und Südwesteuropa hoher Luftdruck (teils über 1030 hPa), was klassisch
für eine zyklonale Westwetterlage (Wz) ist. Protagonistin für das aktuelle und
zukünftige (kommende Nacht) Deutschlandwetter ist das östlichste der vielen
Bodentiefs, das auf den Namen STINA hört (so es denn hören könnte) und aktuell
mit knapp über 990 hPa über der Deutschen Bucht liegt, von wo aus es bei nur
geringer Intensitätsänderung über SH und die deutsche Ostseeküste entlang
ostwärts zieht. Auf seiner Südflanke wird mit lebhafter westlicher Strömung
weiterhin ziemlich milde Atlantikluft advehiert, auch wenn wir formell auf die
Rückseite der zugehörigen Kaltfront (hat ihren Namen wirklich nicht verdient)
gelangen (T850 um -1°C im Norden, sonst +1 bis +5°C). Die Kaltfront dümpelt
schleifend und etwas uninspiriert über Süddeutschland herum, bevor sie sich in
den Frühstunden, spätestens am Vormittag Richtung Alpen verdünnisiert.

Bevor es soweit ist, bleiben vor allem zwei Parameter im Blickpunkt des
(Warn)Geschehens: Wind/Sturm und Regen. Zunächst zum Regen, der in der Nacht im
Süden im Bereich der schleifenden Front (plus Höhendivergenz über dem linken
Ausgang eines über Frankreich liegenden Jets) zeitweise mäßig ausfällt.
Gebietsweise stehen 10 bis 15 mm/12 h auf der Karte, in Staulagen auch mehr, so
dass die markanten Dauerregenwarnungen (und die Tauwetterwarnung im Allgäu) im
Süden aufrechterhalten bleiben können. Etwas skaligen Regen gibt es auch im
Norden und Nordosten quasi im Schlepptau des abziehenden Tiefs (an der
Okklusion), die Mengen fallen aber unkritisch aus. Dazwischen befindet sich eine
breite Zone, in der die Labilität der einfließenden Meeresluft etwas zunimmt
(Lapse-Rates bis zu -0,7 K/100 m, etwas MU-CAPE), was der Entwicklung einzelner
Schauer, gegen Morgen im Westen und Südwesten vielleicht sogar kurzer Gewitter
(ocker wegen Böen 8 Bft) zuträglich ist.

Punkt 2 betrifft die Wind- und Sturmentwicklung. Der westliche Wind bleibt in
weiten Teilen des Landes flüssig unterwegs mit Böen 7 Bft, in der Mitte und im
Süden besonders im Bergland sowie in exponierten Lagen 8 bis 9 Bft. In einigen
Kamm-, Kuppen- und Gipfellagen reicht es sogar für schwere Sturmböen oder
Orkanböen (10 bis 12 Bft). Windmäßig am dürftigsten kommen die Ostseeküste und
das nördliche SH weg, was freilich der Zugbahn des Tiefs geschuldet ist. Im
Laufe der zweiten Nachthälfte fächert der Gradient dann im Nordwesten und Norden
kontinuierlich auf, was dort ein nachhaltiges Abnehmen (Abnehmen gelingt nicht
vielen so kurz vor Weihnachten) des Windes zur Folge hat.

Samstag ... wölbt sich über dem nahen Ostatlantik ein flacher Höhenrücken auf,
der stromab bei uns für eine west-nordwestliche Höhenströmung sorgt. Diese ist
auf den ersten Blick ziemlich glatt konturiert, allerdings lassen sich aus den
Diagnosekarten kurzwellige Troganteile ableiten, die zumindest für zeitweilige
dynamische Hebungsimpulse mehr als gut sind. Derweil lässt sich Tief STINA auf
ihrem Weg gen Osten nicht aufhalten und zieht von Nordostpolen her weiter nach
Belorussland. Auf seiner Rückseite wird weiterhin erwärmte Meereskaltluft
subpolaren Ursprungs in den Vorhersageraum gesteuert, in der die
850-hPa-Temperatur bis zum Abend im Nordosten immerhin bis zu -4°C zurückgeht,
während sie im Süden und Südwesten leicht positiv temperiert bleibt.
Wie auch immer, auch am morgigen Samstag wird die Farbe Grau am Himmel
überwiegen, etwaige Aufhellungen oder gar Auflockerungen sind eher selten.
Stattdessen kommt es zu weiteren, vielfach schauerartig verstärkten und im
Süden/Südwesten noch mit einzelnen kurzen Gewittern durchsetzten Regenfällen,
die im Flächenmittel etwa 2 bis 10 mm, in einigen Staulagen um 15 mm innert 12 h
bringen. Weniger fällt im Lee der Gebirge sowie strichweise auch im Nordosten,
wo vorübergehend etwas trockenere Luft aus dem südskandinavischen Raum angezapft
wird (Taupunkte unter 5°C).
Darüber hinaus gilt es zu konstatieren, dass sich der westliche Wind in der
Mitte und im Süden zunächst noch ziemlich umtriebig gibt mit Böen 7 bis 8 Bft,
exponiert (z.B. im Alpenvorland) 9 Bft, in einigen Kamm-, Kuppen- und
Gipfellagen 10 bis 11 Bft. Am Nachmittag und Abend, wenn der Luftdruck von
Westen her weiter ansteigt und die Annäherung eines flachen Zwischenhochs
ankündigt, schwächt sich der Wind von Westen her ab, auf den Bergen bleibt es
aber stürmisch (wenn auch nicht mehr mit den ganz fetten Böen).
Noch ein Wort zu den Temperaturen, die im Norden und Osten auf 5 bis 10°C, in
den übrigen Landesteilen mit Ausnahme des höheren Berglands auf 9 bis 14°C, am
Oberrhein lokal vielleicht bis 15°C steigt.

In der Nacht zum Sonntag (dem vierten Advent) zeigt das großräumige
Strömungsmuster keine nennenswerte Verlagerungstendenz. Der flache Höhenrücken
verharrt über dem nahen Ostatlantik, wobei er von WLA überlaufen wird, die
zunächst aber noch westlich des Vorhersageraums bleibt. Im Gegensatz zu seinem
Pendant in der Höhe kommt das bodennahe Zwischenhoch sehr wohl nach Osten voran,
wobei es im Laufe der Nacht Deutschland erreicht. Es ist weiterhin sehr flach
konfiguriert, so dass ein gewisser Restgradient erhalten bleibt, der dem höheren
Bergland Böen 7-8 Bft, exponiert 9 Bft aus Westen beschert. Im Tiefland hingegen
liegt der Wind weit unterhalb der Warnschwellen.
Ansonsten kommt es vornehmlich im Norden und Osten sowie südlich der Donau zu
zeitweiligen, teils schauerartig verstärkten Regenfällen, die nur in höchsten
Lagen mit Schnee vermischt sein können.

Sonntag ... beginnt der flache Rücken über dem nahen Ostatlantik sich
aufzuwölben. Gleichzeitig taucht im Tagesverlauf über der Nordsee und dem Norden
UKs ein recht scharf geschnittener KW-Trog auf, der entlang der Ostabdachung des
Rückens am Abend und in der Nacht zum Montag südwärts in Richtung Alpen
schwenkt. Bevor es allerdings soweit ist, greift wahrscheinlich am Nachmittag
ein flaches Wellentief von Belgien her auf Westdeutschland über, von wo aus es
über die südliche Mitte in Richtung Ober- bzw. Niederösterreich zieht. Mit wenig
unter 1015 hPa ist das Tief nicht besonders stark ausgeprägt, gleichwohl
erreicht es zumindest in Teilen des Landes eine hohe Wirkung, wobei einmal mehr
Wind und Regen auf der Agenda stehen.
So greift auf der Vorderseite des Wellentiefs bzw. dessen Warmfront kräftige WLA
auf den Vorhersageraum über, die im Zusammenspiel mit kurzwelligen Troganteilen
(PVA) in der nach wie vor vorhandenen west-nordwestlichen Höhenströmung für
reichlich Hebung sorgt, deren Endprodukt länger andauernder und z.T. ergiebiger
Regen ist. Der meiste davon fällt im mittleren und südlichen Drittel, wobei das
südliche Drittel mit den sich darin befindlichen orografischen Hindernissen (=>
Staueffekte) den eigentlichen Vogel abschießt. Zwar ist ICON von 12 UTC
gegenüber den Vorläufen etwas zurückgerudert, trotzdem kommen - akkumuliert über
24 h bis Montagfrüh - vielfach 15 bis 30 mm, im Schwarzwald, auf der Alb, an den
Alpen sowie im Südteil des Bayerischen Waldes 30 bis 70 mm (im Allgäu sogar bis
90 mm) Niederschlag zusammen.
Das Wort Niederschlag ist an dieser Stelle mit Bedacht gewählt, weil die
Schneefallgrenze bei dem ganzen Prozedere eine nicht ganz unwichtige Rolle
einnehmen könnte. Bei aller Unsicherheit, die diese Prognose noch mit sich
bringt, könnte es nämlich in den höchsten Lagen des Erzgebirges, der fränkischen
Mittelgebirge sowie des Bayerischen Waldes durchaus länger andauernd schneien.
Allerdings darf das Wellentief dafür nicht weiter im Norden durchgehen als von
ICON simuliert. In den Alpen deutet sich zunächst eine hohe Schneefallgrenze
zwischen 1500 und 2000 m an, bevor sich in der Nacht zum Montag die Kaltfront
der Welle nähert und die Schneefallgrenze deutlich absinken lässt, im
günstigsten Fall sogar bis in die Täler am frühen Morgen (T850 bis zu -3°C).
Zuvor sollte aber im Laufe des Samstags - wenn hoffentlich etwas mehr Konsens
zwischen den verschiedenen Modellen herrscht - eine Dauerregenwarnung für die
o.e. Bergregionen herausgegeben werden, für das Allgäu und den Schwarzwald evtl.
sogar als Unwetter (> 50mm/24h).
Weiter im Norden und Nordosten, die mit jedem Kilometer Richtung Küste zunehmend
außerhalb des Wirkungsradius des Wellentiefs liegen, fällt deutlich weniger
Niederschlag. Dort hält sich tagsüber noch eine Tiefdruckrinne, die mit Passage
des o.e. KW-Troges aber ab den Abendstunden ostwärts abgedrängt wird. Dahinter
dreht der Wind auf NW bis N, wodurch ein Schwall kälterer Skandinavienluft
angezapft wird (T850 bis zu -6°C). Sollten dann noch Schauer auftreten (die
Skandiluft ist vergleichsweise trocken, muss aber über die Ostsee rüber), können
diese im Nordosten - horch, horch - durchaus als Schnee oder Schneeregen
auftreten. Und selbst wenn nicht, besteht bei Nachttemperaturen um den
Gefrierpunkt hier und da Glättegefahr durch gefrierende Nässe.
Thema Wind, der frischt aus Südwest bis West kommend im Warmsektor des
Wellentiefs (also vornehmlich in Bayern und BW, vielleicht noch in der Südpfalz)
merklich auf mit Böen 7-8 Bft, exponiert 9 Bft, in Hochlagen sogar 10 bis 12
Bft. Mit Passage der Kaltfront in der Nacht zum Montag dreht der Wind zackig auf
Nordwest, nimmt dabei aber auch rasch ab.
Die Tageshöchsttemperatur auf deutschen Weihnachtsmärkten liegt zwischen 6°C in
Vorpommern (Glühwein light) und bis zu 14°C im südlichen Oberrheingraben (Cola
light).

Montag ... zieht sich Kaltfront rasch in die Alpen zurück bzw. überquert diese
in Richtung Südeuropa, wobei sie sich mehr und mehr abschwächt. Ein Grund dafür
liegt in dem bis dato begleitenden KW-Trog in der Höhe, der sich für einen Kurs
Richtung Balkan entschließt und sich somit von der Kaltfront zunehmend entfernt.
Bei uns dreht die Höhenströmung am Rande des sich weiter aufsteilenden
Höhenrückens über dem nahen Ostatlantik auf Nordwest. Auch am Boden dreht der
Wind landesweit auf Nordwest, wobei sich an den Alpen nur kurz eine Staulage
einstellt. Zum einen schiebt sich bald ein Keil des sich über UK verstärkenden
Bodenhochs bis zu den Alpen vor, zum anderen trocknet die einfließende subpolare
Luftmasse rasch ab. Für ein paar Schneeschauer am Alpenrand sowie im Bayerischen
Wald dürfte es aber noch reichen.
Ansonsten fallen nur noch wenige Schauer, vor allem im Umfeld der östlichen
Mittelgebirge sowie im Nordosten (von der Ostsee her), bei T850 um -5°C teils
als Schnee, teils als Regen. Obwohl der Wind hin und wieder etwas aufmuckt,
warntechnisch spielt er keine große Rolle mehr.
Die Temperatur erreicht im Norden und Osten häufig nur Maxima von 2 bis 6°C,
sonst liegen sie zwischen 5 und 11°C.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die geschilderte Entwicklung basiert auf der Simulation von ICON. Vor allem
hinsichtlich der Passage des Wellentiefs am Sonntag sowie der nachgeordneten
Abkühlung offenbaren die Modelle aber noch größere Unsicherheiten. ICON ist
eindeutig am progressivsten mit dem Tief und der Abkühlung, GFS am langsamsten
und am wärmsten. Mal sehen, was morgen so kommt (bzw. nachher, wenn der
12-UTC-Lauf von IFS veröffentlicht wird).


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann