DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

19-12-2018 12:01
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 19.12.2018 um 10.30 UTC



Anfangs milde Westlage mit Regen und Wind/Sturm, im Laufe der nächsten Woche
Beruhigung und etwas kälter aber nicht wirklich kalt.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 26.12.2018


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums gestaltet sich die
Großwetterlage so, wie man es kurz vor Weihnachten für Mitteleuropa erwartet:
Westdrift mit gut ausgeprägter, weitgehend zonal konturierter Frontalzone, dazu
Wind und relativ milde Atlantikluft - von wegen "Dreamin´ of a white christmas"
oder "Let it snow" und wie die Gassenhauer alle heißen. Da nutzt es auch wenig,
dass rückseitig eines nach Weißrussland abgezogenen Tiefs zumindest auf dem
Papier etwas Meereskaltluft eingeflossen ist (T850 etwas unter 0°C in der
Nordhälfte). In der Praxis kommt sie a) aus sehr weit südlich liegenden
subpolaren Gefilden und b) ist sie sehr gut durchmischt, so dass die Hoffnung
auf die feste Phase bei den auftretenden schauerartigen Niederschlägen selbst im
höheren Bergland stark limitiert ist.
Nun kann man an dieser Stelle - nicht ganz zu Unrecht - freilich einwerfen, ob
der Hoffmann (in diesem Fall der Verfasser) denn den Kalender nicht lesen kann,
es ist doch noch gar nicht Weihnachten, sondern erst der 22. Richtig, liebe
Freunde der Wettervorhersage, richtig, aber es wird ja nicht besser.
Allein schon der Blick auf den Sonntag, seines Zeichens der vierte Advent, lässt
alle Anhänger atmosphärisch-winterlicher Komponenten erschaudern. Nach rascher
Passage eines kleinen Zwischenhochs mit flachem Höhenrücken droht vom nahen
Atlantik der nächste Warmluftvorstoß. Absender ist ein großräumiges, über
diverse Kerne verfügendes Tiefdrucksystem, das sich quasi von der Nordsee über
UK/Irland bis zum Seegebiet südwestlich der Azoren erstreckt. Die zugehörige
Warmfront nähert sich mit Siebenmeilenstiefeln dem Vorhersageraum, wobei die im
Vorfeld auftretende starke WLA nicht nur teils länger andauernde Regenfälle
induziert, sondern zudem auch noch die 0°C-Isotherme in 850 hPa (zugegeben, ein
ohnehin nur extrem schwacher Hoffnungsträger in puncto Winter) aus Deutschland
rausdrückt. Am Tagesende reicht die Spanne von +1°C auf Rügen bis zu +7°C im
Rhein-Neckar-Raum.
Aus dem Tiefkomplex löst sich ein kleines Einzeltief, dass via Nordsee und
Jütland (dort etwas am Montag, 00 UTC) gen Nordpolen zieht, womit wie beim 24.
Dezember wären, der gemeinhin mit Heiligabend zusammenfällt. Aufmerksame und
geschulte Leser könnten jetzt ins Feld werfen, dass doch jetzt - rückseitig des
Tiefs - die Kaltfront kommen müsste, da könnte doch vielleicht was gehen? - Ja
und nein, lautet die zunächst nebulöse Antwort. Ja, weil die Kaltfront
tatsächlich ins Spiel kommt und nein, weil sie am Montag (zumindest tagsüber)
weder durchgeht noch sonderlich stark ausgeprägt ist. Aufgrund ihrer
höhenströmungsparallelen Exposition sowie eines weiteren kleinen Tiefs, das von
UK kommend über die Nordsee in Richtung Benelux und Westdeutschland zieht,
gelangt die Kaltfront etwa über der Mitte ins Schleifen, was weiten Teilen des
Landes einen regenreichen, windigen und milden Tag bescheren würde - na was für
eine schöne Bescherung.
An den beiden darauffolgenden Weihnachtstagen (25./26.) tut sich dann aber doch
noch etwas an der Wetterlage. Schon im Laufe des Montags steigen Luftdruck und
Geopotenzial über dem nahen Ostatlantik stetig und veritabel an. Endprodukt ist
ein hochreichendes, meridional ausgerichtetes Hoch, an dessen Ostabdachung
bereits in der Nacht zum Dienstag ein scharfer Kurzwellentrog südwärts schwenkt
und dabei die Kaltfront vor sich her "prügelt". Dahinter schafft es dann doch
ein Schwall erwärmter Meereskaltluft polaren Ursprungs den Vorhersageraum zu
fluten. Die 850-hPa-Temperatur geht bis Dienstagabend auf rund -2°C im Westen
und bis zu -8°C (lokal) im äußersten Osten und Südosten zurück. Allerdings geht
mit der Abkühlung von Norden auch eine vorübergehende Abtrocknung der
einströmenden Luftmasse einher, so dass der schauerartig verstärkte frontale
Niederschlag ebenfalls relativ zügig nach Süden durchgereicht wird. An den Alpen
stellt sich vorübergehend eine Staulage ein, bei der die Schneefallgrenze bis in
die Täler sinkt, und auch die südlichen Mittelgebirge sowie am Vormittag das
Erzgebirge kann bis in mittlere Lagen hinunter etwas Schnee fallen - geht doch,
möchte man fast sagen, wenn es denn tatsächlich so kommt wie beschrieben.
Noch ein Satz zum 2. Weihnachtsfeiertag, wo besagtes Hoch etwas nach Osten
vorrückt und einen Keil bis zu den Alpen aussendet. Auf der Nordostflanke
rutscht eine WLA-getriggerte Störung durch, die dem Osten, der Mitte und auch
Bayern Niederschlag bringen würde, teils als Schnee, teils als Regen (bei
tendenziell allerdings steigender Schneefallgrenze).
Zwischen den Jahren (erweiterte Mittelfrist) deutet sich dann zunehmender
Hochdruckeinfluss an mit viel Grau (feuchte Grundschicht) und etwas Regen oder
Nieselregen im Norden (Hochrandlage) bei durchweg positiven Tagestemperaturen
an. Man könnte auch etwas provozierend sagen: Wetter, was kein Mensch braucht...


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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Bis einschließlich kommenden Sonntag weisen der aktuelle 00-UTC-Lauf von IFS
(ECMF) und seine jüngsten Vorgängerversionen eine hohe Kongruenz auf. Danach,
also pünktlich zu den Weihnachtsfeiertagen, nehmen die Unterschiede zu, was vor
allem an der Konfiguration des am Montag über Norddeutschland hinwegziehenden
Tiefs und dessen Frontensystem liegt. Der heutige Lauf simuliert das Tief
langsamer, geometrisch breiter (fast rinnenartig und mit zusätzlichem Kern) und
nicht ganz so intensiv, was etwas weniger Wind, dafür mehr Regen (vor allem in
der Mitte) und ein etwas verzögertes Durchschwenken der Kaltfront nach Süden zur
Folge hätte. Noch anderer Meinung war übrigens die gestrige 12-UTC-Version, die
die Kaltfront quasi über alle drei Feiertage schleifend über Südwestdeutschland
gesehen hat, was aber wohl eher eine Außenseiterlösung darstellte.
Lange Rede, kurzer Sinn, trotz der zunehmenden Unschärfen ergibt sich daraus
nicht unmittelbar ein gänzlich anderes Vorhersagekonzept. Zwar muss man an der
einen oder anderen Stellschraube (z.B. Timing) etwas drehen, der Grundcharakter
bleibt im Großen und Ganzen aber erhalten.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Der Vergleich der etablierten Globalmodelle fällt leider nicht ganz so aus, wie
man es sich vielleicht wünschen würde - obwohl doch Wünsche kurz vor Weihnachten
hoch im Kurs stehen. Während sich das kanadische GEM zumindest leidlich dem
Szenario von IFS anpasst, weichen ICON und GFS zeitweise stärker ab. Vor allem
am Sonntag und Montag offenbaren sich größere Unterschiede, was im Wesentlichen
zwei Gründe hat. Zum einen wölben ICON und GFS den Rücken über dem nahen
Ostatlantik schon früher auf, zum anderen hat das o.e. Bodentief eine andere
Konfiguration bzw. ist z.T. gar nicht vorhanden. Daraus ergeben sich andere
Abläufe, Beispiel Montag: während GFS nur wenig Niederschlag simuliert, lässt
ICON Teile Süd- und Südwestdeutschlands "absaufen" (Stau am Schwarzwald und an
den Alpen plus Warmfrontwelle bei recht hohem Temperaturniveau).
Bis Mittwoch nähern sich die Modelle wieder an (Hochrandlage mit schmuddeliger
Nordwestströmung).
FAZIT: Der genaue Ablauf ist auf Basis der deterministischen Vorhersagen noch
mit einigen Unsicherheiten behaftet.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Der obligatorische Blick auf die Ensembles schürt die zuletzt getroffene
Aussage, indem die IFS-EPS-Rauchfahnen spätestens am Montag, im Falle
Norddeutschlands sogar schon am Sonntag beginnen zu divergieren. Dabei fällt
auf, dass mehr als die Hälfte der Lösungen einen früheren Temperatur- und
Potenzialrückgang simulieren als der Haupt- und Kontrolllauf, was gegen einen
langen Schleifprozess spricht (und somit eher in Richtung GFS tendiert). Ein
paar wenige Ensembles wiederum rechnen überhaupt keine Abkühlung respektive
Trogpassage.
Nach einem Minimum am Dienstag zeigen T850 und Pot500 mit großer Mehrheit wieder
nach oben, wobei der Spread beim Potenzial erstaunlich gering ist. Bei
gleichzeitig abnehmender Niederschlagssignaldichte deutet das auf "milden" und
überwiegend trockenen Hochdruckeinfluss mit wahrscheinlich feuchter Grundschicht
(=> Nebel/Hochnebel) hin.
Zu GFS-EPS ist nur zu sagen, dass die Rauchfahnen ab Sonntag/Montag ziemlich
diffus und ohne klaren Trend auseinanderlaufen, wobei die Niederschlagssignale
im Laufe der Woche auch hier abnehmen.
Die Tatsache, dass für den Zeitraum T+72...96h (Samstag auf Sonntag) nur ein
einziger Cluster angeboten wird, passt zu der Tatsache, dass die Kurven bis
dahin sehr gutmütig (also eng gebündelt) verlaufen sind. Ab Montag (T+120...168h)
erhöht sich die Anzahl der Cluster auf drei (19 Fälle + KL, 18 + HL, 14).
Während CL 1 und 2 sich vor allem in der Ausprägung des über Jütland ziehenden
Tiefs unterscheiden (in CL 1 kräftiger und damit die KF-Passage auch etwas
schneller), deutet CL 3 keinen oder nur einem abgeschwächten Frontdurchgang an
(leichter Hochdruckeinfluss).
Auf drei Cluster kommt auch der erweiterte Mittelfristzeitraum von Donnerstag
bis Samstag (T+192...240h), die allesamt auf Hochdruckeinfluss bei uns getrimmt
sind (CL 3 mit 10 Ensembles mit Schwachstellen im Norden und Nordosten).
FAZIT: Besonders im Hinblick auf die Tief- und Kaltfrontpassage am
Sonntag/Montag helfen auch die Ensembles nur bedingt weiter. Allerdings lassen
sich durchaus genügend Hinweise finden, die gegen einen so langen Schleifprozess
wie vom Hauptlauf propagiert sprechen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Nachdem der große Regen sehr wahrscheinlich am Freitag und somit im
Kurzfristzeitraum fällt, fokussiert sich das Warnmanagement für den Zeitraum
danach im Wesentlichen auf den Wind. Dabei ist aufgrund der Zugbahn der oder des
Tiefs weniger die Küste als vielmehr das Bergland anfällig (westliche
Richtungen, 8-9 Bft). Am Samstag wird es wahrscheinlich am windigsten, wenn in
der Mitte und im Süden Böen 8 Bft bis ganz runter und Böen 10 bis 11 Bft ganz
oben (exponiert) auftreten können. Spätestens ab Dienstag ist von einer
Windabnahme auszugehen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
Eine Mischung aus ECMF-MOS und -EPS mit ein bisschen Bauchgefühl.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann