DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-12-2018 09:01
SXEU31 DWAV 070800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 07.12.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL. Allmählicher Übergang von Wz (West zyklonal) auf NWz (Nordwest zyklonal)

Heute und am Wochenende sehr windig, zeitweise stürmisch, dazu wiederholt
Niederschlag, meist als Regen, vereinzelt kurze Gewitter. Mild.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Freitag... wird die großräumige Strömungskonfiguration von einer mäandrierenden
Frontalzone geprägt, die sich quasi vom mittleren Nordatlantik bis nach
Südosteuropa erstreckt. Momentan ist für Deutschland noch ein Höhenrücken
verantwortlich, der gemächlich ostwärts wandert und in der kommenden Nacht - so
läuft das in progressiven mäandrierenden Frontalzonen - von dem nachfolgenden
Höhentrog ersetzt wird.
Interessant gestaltet sich auch der Blick auf die Bodendruckverteilung, die von
einem gut ausgeprägten mehrkernigen Tiefdrucksystem über Nord- und
Nordwesteuropa geprägt ist. Das Heft des Handelns - zumindest was den
Vorhersageraum angeht - übernimmt MARIELOU, ein knackiges Sturmtief, das heute
früh mit einem Kerndruck nahe 970 hPa zwischen Hebriden und Färöer-Inseln
analysiert werden konnte. Zwar verlagert sich das Tief nur sehr pomadig ostwärts
((um Mitternacht liegt Schottland mit Mühe achteraus), trotzdem macht es
ordentlich Wind, initiiert es doch auf seiner Südflanke eine lebhafte westliche
Strömung, von der auch Deutschland "profitiert". Dabei verbleiben wir über weite
Strecken des heutigen Freitags im breit aufgespannten Warmsektor des Tiefs, in
dem milde bis sehr milde Atlantikluft (T850 punktuell bis zu 8°C) herangeführt
wird. Schon der Blick auf die synoptischen Frühdaten zeigt, welcher Qualität
diese Luftmasse ist, pisswarm mit bis zu 13°C und feucht mit verbreitet leichtem
Regen oder Nieselregen.
Daran wird sich zunächst auch nicht viel ändern bis auf die Tatsache, dass es
trotz fehlender Einstrahlung aufgrund guter Durchmischung eher noch etwas wärmer
wird (am Oberrhein örtlich um 15°C). Sonst garantiert den Rücken überlaufende
WLA den Fortbestand des grauen und regnerischen Novemberwetters (ach nee, sind
ja schon im Dezember, ändert aber nix), wobei die Regenmengen in der Fläche
meist gering bleiben (unter 5 mm innert 12 h, in einigen Staulagen etwas mehr).
Am wenigsten regnet oder nieselt es im Süden, Richtung Alpen bleibt es sogar
weitgehend trocken mit der Chance auf einige Auflockerungen und etwas Sonne
(leichte Leewirkung der Alpen).
Aus warntechnischer Perspektive steht zunächst mal der südwestliche Wind im
Fokus, der von Westen her kontinuierlich zunimmt, heute früh aufgrund der
stabilen Schichtung aber nur auf den Bergen und in freien Lagen erst mal so
richtigen Zugriff bekommt (Böen 7-8 Bft, exponiert 9 Bft). Im Tagesverlauf
ändert sich das aber, dann werden der Westen und zunehmend auch die Mitte von
steifen Böen 7 Bft, freie Lagen auch von stürmischen Böen 8 Bft traktiert. Im
höheren Bergland geht es allgemein hoch auf 9 Bft, in exponierten Kamm-, Kuppen-
und Gipfellagen auf schwere Sturmböen oder orkanartige Böen 10 bis 11 Bft.
Noch interessanter wird es ab dem späten Nachmittag, wenn die bisher vom
Verfasser verschwiegene Kaltfront unserer MARIELOU von unseren westlichen
EU-Nachbarn den Vorhersageraum erreicht. Damit verbunden ist eine nochmalige
Windzunahme, wahrscheinlich organisiert in Form einer definierten Böenlinie
(zeigen viele Modelle) und mit Durchgang einem merklichen Windsprung auf W-NW.
Angesichts von Höhenwinden bis 45 Kt in 925 hPa und bis zu 60 Kt in 850 Kt kann
es trotz nicht allzu labiler Schichtungsverhältnisse (Kaltfront und
nachfolgender Höhentrog halten einen gewissen Sicherheitsabstand ein) als
wahrscheinlich angesehen werden, dass es bis ganz unten zu 9er-Böen kommt. Und
man sollte sich nicht wundern, wenn vereinzelt sogar mal die "zehn" angekratzt
wird. Im höheren Bergland ist das natürlich wahrscheinlicher, dort reicht es
exponiert sogar mal für eine glatte Orkanböe 12 Bft, vor allem auf dem Brocken.
Ansonsten gilt noch zu konstatieren, dass Gewitter an der Front aufgrund der
o.e. limitierten Labilität eher unwahrscheinlich, aber nicht ganz ausgeschlossen
sind. Vielleicht reicht es postfrontal mal für einen kurzen Blitz und Donner,
wenn der Höhentrog eine vorübergehende deutliche Labilisierung bringt.
Mit Annäherung der Kaltfront sowie im Frontbereich selbst nimmt die Intensität
der Regenfälle zu, was im Wesentlichen der frontalen Querzirkulation und
veritabler trogvorderseitiger PVA geschuldet ist, während die den Trog
überlaufende KLA eher dämpfend wirkt. Dieser frontale Regen für sich allein
betrachtet löst noch keine Warnerregung aus, vor dem Hintergrund weiterer
Regenfälle am Wochenende muss man sich aber ein paar Gedanken über eine mögliche
länger andauernde Regenwarnung machen. Nach Sichtung verschiedener
Vorhersagetools und Herumjonglieren mit unterschiedlichen Zeiträumen
(Schwerpunkt 48-stündig) ergeben sich ein paar Hot-Spots, für die man eine
markante Dauerregenwarnung entweder von heute Abend oder von morgen früh bis
Sonntagabend herausgeben könnte, aber nicht in allen Fällen zwingend muss.
Betroffen sind die Weststaulagen der Mittelgebirge und des Allgäus, in denen
durchaus 40 bis 60 mm, lokal auch etwas mehr Niederschlag zusammenkommen können.
Es gilt aber zu bedenken, dass die Schneefallgrenze vorübergehend sinkt, dass es
Pausen zwischen den einzelnen Ereignissen gibt und die Schwellen z.T. nur
punktuell überschritten werden.

In der Nacht zum Samstag schwenkt die Kaltfront mit dem Windmaximum ostwärts
über Deutschland hinweg. Dahinter überschwemmt ein Schwall erwärmter subpolarer
Meeresluft (T850 -1 bis -4°C) den Vorhersageraum, und auch in der mittleren
Troposphäre kommt es mit Übergriff des Höhentroges zu einer vorübergehenden
Abkühlung auf unter -30°C in 500 hPa, bevor später von Westen her bereits wieder
WLA einsetzt.
Fakt ist, dass sich das Windmaximum (Böen 8-9 Bft, worst case 10 Bft) mit der
Front nach Osten verlagert (wobei man sehen muss, wie gut die Organisation
bleibt). Richtung Alpen greift der Leitplankeneffekt, der dem höheren
Alpenvorland durchaus Böen bis 10 Bft bescheren könnte. Postfrontal bleibt eine
lebhafte Südwestströmung erhalten, die trotz ungünstiger Tageszeit, aber
vorhandener Labilität vielerorts Böen 7 Bft, im Bergland je nach Exposition 8
bis 10 (vereinzelt 11-12) Bft garantiert. An der Küste stehen ebenfalls Böen 7-8
Bft, an der Nordsee 9 Bft auf der Karte.
Darüber hinaus entwickeln sich noch einzelne Schauer, die im höheren Bergland
als Schnee oder mit Schnee vermischt fallen. Über eine Schneefallwarnung muss
man wohl aber nicht nachdenken (Glätte sollte genügen), einzig in den Alpen
(oberhalb etwa 800-1000 m) könnte es für eine dünne Schneedecke reichen.

Samstag... verabschiedet sich der Höhentrog im Laufe des Tages nach Osten und es
folgt - nein, kein neuer Rücken - eine Zonalisierung der Höhenströmung, die bei
uns einen westlichen Höhenwind mit leichtem Nordwesteinschlag bringt. Bodennah
verbringen wir den Samstag auf der Südflanke von MARIELOU, deren Progression
weiterhin eher behäbig vonstattengeht. So erreicht das Sturmtief am Mittag mit
Mühe gerade mal die Südspitze Norwegens, von wo aus es weiter in Richtung
Skagerrak geht. Da der Kerndruck nach wie vor niedrig ist (konstant etwas unter
975 hPa), bleibt auch der Gradient über dem Vorhersageraum ziemlich scharf.
Entsprechend weht ein lebhafter, komplett auf Südwest rückdrehender Wind mit
Böen 7-8 Bft, Küste 8-9 Bft, Nordsee Bft. Die Hochlagen der Berge stechen einmal
mehr heraus mit Böen 10 bis 12 Bft.
Aber nicht nur windig respektive stürmisch wird der Samstag, auch sonst steht
wettertechnisch nicht gerade eine Offenbarung an. Satter Wolkenüberschuss, im
Wesentlichen getriggert durch WLA, sorgt für wiederholte, teils schauerartige
Niederschläge, die in höheren Lagen als Schnee fallen. Meist liegen die
12h-Summen unter 5 mm, in einigen Staulagen um oder auch mal über 10 mm. Im
Norden ist im Zuge einer Randtrogpassage ein kurzes Gewitter nicht
ausgeschlossen.
Temperaturmäßig stehen 6 bis 12°C auf dem Programm mit den etwas höheren Werten
im Westen.

In der Nacht zum Sonntag erreicht MARIELOU frisch und vital wie eh und je
(weiterhin unter 975 hPa Kerndruck) Südschweden, wodurch es für den
Vorhersageraum in Schlagweite bleibt. Auf der Südflanke wird eine flache Welle
mit Frontensystem rasch nach Osten durchgewunken, gefolgt von einem flachen
Höhentrog und etwas Höhenkaltluft (bis -30°C in 500 hPa). Dabei kommt es sowohl
zu einer Intensivierung der Niederschläge (incl. einzelner kurzer Gewitter) als
auch zu einer Windverschärfung. Außer im nord- und nordostdeutschen Binnenland,
wo der Wellenscheitel durchziehen soll, muss mit Böen bis Stärke 9 Bft, im
höheren Bergland je nach Exposition bis 12 Bft gerechnet werden.

Sonntag... beginnt die bis dato vergleichsweise glatt gebügelte Frontalzone
stärker zu mäandrieren. Impulsgeber ist eine Austrogung über dem westlichen
Nordatlantik infolge eines Kaltluftausbruchs vom nordamerikanischen Festland,
der ein Downstream Development in Gang bringt. So wölbt sich über dem
Ostatlantik ein breiter Rücken auf, der das mit Schwerpunkt knapp westlich
liegende Bodenhoch stützt. Noch weiter stromab trogt es über dem Westteil des
europäischen Kontinents sukzessive aus, so dass am Ende (also zu Beginn der
neuen Woche) eine veritable Rosby-Welle auf der Wetterkarte (und natürlich auch
in der Atmosphäre) zu finden ist.
Rosby hin, Welle her, am Boden hält weiterhin MARIELOU die Zügel in der Hand,
auch wenn sich die Gute auf ihrem Weg vom schwedischen Festland raus zur Ostsee
beginnt aufzufüllen - langsam. Auf alle Fälle rücken wir zunehmend auf ihre
Südwestflanke, wo graduell erwärmte maritime Polarluft arktischen Ursprungs
herangeführt wird. Tagsüber muss die Luftmasse noch einen recht großen Bogen um
das Tief schlagen, so dass sich die Abkühlung in Grenzen hält (T850 bei 0 oder
-1°C). Ab Sonntagabend wird der Weg dann aber immer direkter, was bis zum frühen
Montagmorgen eine Abkühlung auf Werte um -4°C zur Folge hat.
Wettermäßig dürfte der 2. Advent unter dem Oberbegriff "lausig" durchgehen, was
den zahlreichen Weihnachtsmärkten im Land nicht sonderlich zuträglich sein, denn
klassisch deutschen Weihnachtsmarktouristen aber auch nicht sonderlich von einem
Besuch abhalten dürfte. Auf alle Fälle kommt es wiederholt zu schauerartig
verstärkten, mit vereinzelten kurzen Gewittern durchsetzten Niederschlägen, die
in der Südhälfte zahlreicher und intensiver ausfallen als weiter nördlich. Die
Schneefallgrenze liegt tagsüber bei rund 1000 m, wird aber ab den Abendstunden
von Norden her kontinuierlich sinken bis in mittlere Lagen der Mittelgebirge und
in die Alpentäler.
Der südwestliche, später mehr auf West bis Nordwest drehende Wind bleibt
prominent unterwegs mit Böen 7-8 Bft, Bergland 8-9 Bft, exponierte Hochlagen 10
b is 12 Bft, wobei der Wind im Süden grundsätzlich stärker weht als im Norden
(außer der Küste).
Die Temperatur ändert sich gegenüber dem Samstag noch nicht wesentlich.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die grundsätzliche Entwicklung wird von allen Modellen unisono gerechnet,
Unschärfen treten bei den daraus resultierenden Wettererscheinungen (vor allem
Wind und Niederschlag) auf. So sollte z.B. die ab heute Nachmittag bevorstehende
Kaltfrontpassage mit dem (teils konvektiven) Böenmaximum zeitnah und
staffelartig von West nach Ost-Südost abgewarnt werden (auf die Grundwarnung
"draufgesattelt").
Beim Dauerregen bietet sich an, die Entscheidung für das süddeutsche Bergland
noch etwas zu vertagen (heute Abend oder Samstag früh) und die Kaltfrontpassage
nicht zu berücksichtigen. Bezogen auf das Bergischen Land und das Rothaargebirge
sollte man heute Mittag nach Sichtung der 06-UTC-Läufe (incl. Probabilistik)
entscheiden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann