DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-11-2018 08:30
SXEU31 DWAV 290800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 29.11.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SWa, allmählich Übergang zu SWz bzw. WW
Kommende Nacht in der Osthälfte örtlich Glatteis, am Freitag im Südosten mit
Unwetterpotenzial. Lebhafter Süd- bis Südostwind, auf den Bergen und entlang
auflandiger Küstenabschnitte stürmische Böen.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland zunächst noch im Einflussbereich eines
Höhenrückens, dessen Achse sich aktuell von den Balearen über Südostfrankreich
und Südwestdeutschland bis zur südlichen Ostsee erstreckt. Aktuell überlaufen
wird er in seinem Nordteil über Norddeutschland von einem flachen
Kurzwellentrog, der in den kommenden Stunden rasch nordostwärts abzieht. In
dessen Einflussbereich gibt es aufgrund WLA-induzierter Hebungsprozesse leichte
Niederschläge in überwiegend flüssiger Phase, die im Nordosten gebietsweise noch
zu Glatteis führen. Im Laufe des Vormittags sollte sich aber auch dort die
Situation rasch entspannen.
Bis zum Abend wird der Höhenrücken allmählich südostwärts abgedrängt und das
Vorhersagegebiet gelangt auf die Vorderseite eines kräftigen und umfangreichen
Langwellentroges mit Drehzentrum südlich von Island. Vorderseitig eines scharf
konturierten kurzwelligen Randtroges, der sich bis zum Abend rasch vom Seegebiet
südlich Irlands über Schottland zu den Färöer verlagert, wird aufgrund kräftiger
PVA (mit Unterstützung der WLA) markante Hebung in Gang gesetzt, die sich auch
im Bodenfeld anhand eines Wellentiefs bemerkbar macht, das sich bis zum Abend
ebenfalls Richtung Färöer-Inseln verlagert. Bei genauerem Hinsehen sind im
Satellitenbild auch schon Sting Jet-artige Strukturen auszumachen und die ersten
Stationen (Scilly Island sowie Pointe de Toulinguet) melden bereits Orkanböen.
Die kräftig ausgeprägte Warmfront des Tiefs verlagert sich bis zum Abends über
die Nordsee hinweg nordostwärts, die Kaltfront erreicht gegen Abend die Deutsche
Bucht. Vor allem über dem Nordwesten des Landes fällt somit heute verbreitet
Regen, da sich die stärksten Hebungsprozesse aber recht weit nordwestlich von
uns abspielen, werden kaum mehr als 5 mm in 12 Stunden simuliert. Nachmittags
klingen die Regenfälle von Süden her auch allmählich wieder ab.
Nachdem sich die vormittägliche Glatteissituation (meist bis zum Mittag)
entspannt hat, gerät der Wind zunehmend in den Fokus der Warntätigkeit. Zwischen
dem zentralsteuernden Bodentief über dem Nordatlantik südlich von Island mit
einem Kerndruck von zeitweise unter 960 hPa und dem kräftigen Hochdruckgebiet
über Osteuropa (1045 hPa Kernisobare) hat sich ein veritabler Druckgradient
aufgebaut, der sich im Tagesverlauf im Zuge der oben angesprochenen
Wellentiefentwicklung vorübergehend noch verschärft. Vor allem in den Kamm- und
Gipfellagen der östlichen (und eventuell auch zentralen) Mittelgebirge, aber
auch entlang auflandiger Abschnitte der Ostseeküste bzw. auf den Nordseeinseln
gibt es stürmische Böen, entlang der restlichen Küstenabschnitte, aber auch in
freien, im Lee der Mittelgebirge gelegenen Regionen im Binnenland steife Böen
aus Süd bis Südost. Vor allem im Osterzgebirge und im Zittauer Gebirge schlägt
der Böhmische Wind zu mit stürmischen Böen bis "ganz unten", bevorzugt in den
Regionen kann es aufgrund regionaler Low Level Jets an der markanten Inversion
(in etwa 950 bis 850 hPa) eventuell auch mal Sturmböen geben.
Apropos Inversion: Im Warmsektor setzt kräftige niedertroposphärische WLA ein,
die diese noch verschärft. In 850 hPa oder knapp darüber (in der Lausitz
befindet sich dort in etwa die Inversionsobergrenze, im Westen ist sie deutlich
flacher) steigt die Temperatur auf etwa 5 bis 9 Grad. Vor allem im Westen und
Nordwesten wird die milde Luft auch recht weit heruntergemischt, so dass dort
zweistellige Höchstwerte (etwa 10 bis 14 Grad) zu erwarten sind. In die gesamten
Osthälfte wird dagegen bodennah von Südosten her weiterhin recht kalte
Festlandsluft advehiert, so dass kaum 5 Grad erreicht werden, in einigen
Regionen, bevorzugt im östlichen und im ostbayerischen Bergland, stellenweise
aber auch in der Oberpfalz, in Nieder- und im östlichen Oberbayern, gibt es
sogar leichten Dauerfrost. In den Regionen dazwischen bildet sich gebietsweise
Advektions- bzw. Mischungsnebel, der vor allem in den Kammlagen einiger
Mittelgebirge für schlechte Sichtbedingungen sorgt. Ansonsten kann sich im
Einflussbereich der noch recht trockenen Festlandsluft im Südosten auch mal
länger die Sonne durchsetzen.

In der Nacht zum Freitag wird der Rücken endgültig nach Osten abgedrängt und das
ganze Land gerät unterhalb der recht glatt konturierten südwestlichen
Höhenströmung. Vor allem im Osten und Südosten ist dabei weiterhin schwache WLA
wirksam, ansonsten sind nur diffus Hebungsantriebe (wohl aufgrund von schwacher
PVA vorderseitig kaum auszumachender kurzwelliger Troganteile) auszumachen. Die
inzwischen teilokkludierte Kaltfront greift von Westen her auf das
Vorhersagegebiet über und erreicht morgens in etwa eine Linie Mosel -
Ostvorpommern. Mangels dynamischer Hebung (und auch die frontale
Hebungskomponente fällt schwach aus, da der Kaltfront mit etwa +2 Grad in 850
hPa noch immer recht milde Meeresluft subpolaren Ursprungs folgt, was nicht
grade förderlich wirkt) fällt im Frontbereich nach wie vor wenig Regen (meist
weniger als 5 mm in 12 Stunden). Mit der Ostverlagerung der Kaltfront kommt
allerdings mehr und mehr die Glatteiskomponente ins Spiel. In der gesamten Ost-
und Südosthälfte gibt es erneut leichten, in Südostbayern auch mäßigen Frost.
Vor allem vom C-D2 werden bereits weit im Vorfeld der Kaltfront Niederschläge
simuliert, nämlich in Ostbayern und in Sachsen, und zwar mit für die
Glatteisbildung nicht unerheblichen Mengen bis 3 mm in 12 Stunden. Diese Mengen
würden durchaus eine Glatteis-Unwetterlage nach sich ziehen. Die meisten Modelle
simulieren zwar ebenfalls Niederschläge im Vorfeld der Front, allerdings nur
wenige Zehntel mm, EURO4 lässt es sogar komplett trocken. Eine wirkliche
Erklärung für die relativ hohen RR-Mengen des C-D2 lässt sich aus den
synoptischen Basisfeldern nicht ableiten. Dennoch könnte die vorhandene schwache
dynamische Hebungskomponente vielleicht durch Aufgleiten über der im Südosten
besonders kalten "Unterlage" noch etwas verstärkt werden. Eine markante
Glatteiswarnung für diese Region sollte auf jeden Fall in Betracht gezogen
werden, selbiges gilt natürlich auch für die Regionen mit leichtem Frost und im
direkten Vorfeld der Kaltfront.
Der Wind schwächt sich mit Abzug des Wellentiefs und Auffächerung des Gradienten
zwar etwas ab, bleibt aber dennoch vor allem im östlichen Mittelgebirgsraum und
an den Küsten warnrelevant, zumal im östlichen Bergland die Tendenz zu
regionalen Low Level Jets an der kräftigen Inversion erhalten bleibt.

Freitag... greift der Höhentrog mit seiner Achse auf Benelux und Frankreich
über, wobei über dem westlichen Mittelmeer ein Cut-Off-Prozess eingeleitet wird.
Vor allem über dem Südosten des Vorhersagegebietes verstärken sich im Zuge
dieses Prozesses aufgrund von PVA die Hebungsprozesse im Vorfeld der Bodenfront
etwas. Die weitgehend okkludierte Kaltfront kommt aufgrund der beginnenden
Zyklogenese im westlichen Mittelmeerraum und der Blockadewirkung durch das sich
zwar etwas nach Osten zurückziehende, aber unverändert kräftige osteuropäische
Hochdruckgebiet kaum mehr ostwärts voran und verläuft auch abends noch quer über
dem Osten und Süden Deutschlands (etwa von der Lausitz bis nach Südbaden). Im
Vorfeld der Front setzt somit über dem Südosten des Landes verbreitet leichter
Regen ein. Nach wie vor kann sich präfrontal unterhalb der recht scharf
ausgeprägten Inversion die milde Luft nicht bodennah durchsetzen, so dass es vor
allem entlang bzw. im Vorland der östlichen Mittelgebirge sowie in Teilen
Ostbayerns frostig bleibt. Zwar wird die in den Prognosesoundings gut
ausgeprägte "warme Nase" mit Einsetzen des Niederschlags ein wenig
"angeknabbert", dennoch reicht es wohl nicht oder nur vereinzelt für einen
Übergang der Niederschläge in Schnee (am ehesten vielleicht in Ostsachsen, wo
das Kaltluftpolster ziemlich weit hochreicht). Damit steht eine ausgewachsene
Glatteisregenlage ins Haus, die nach Lesart der meisten Modelle wohl auch
unwetterartig ausfallen dürfte. Gebietsweise, am ehesten in Südostbayern, werden
nach Lesart fast aller vorliegenden Modelle mehr als 5 mm in 12 Stunden
simuliert. Genau regionalisieren lassen sich die betroffenen Gebiete zwar noch
nicht, dennoch kann durchaus eine entsprechende Vorabinformation in Betracht
gezogen werden, zumindest nach Sichtung der Mittagsläufe (sprich: Nach der
abendlichen Telefonkonferenz).
Postfrontal lassen die leichten schauerartigen Regenfälle im Norden und Westen
sowie in den mittleren Landesteilen rasch nach und die Wolken lockern etwas auf.
Mit Winddrehung auf Süd bis Südwest kann sich dort die milde Meeresluft (1 bis 3
Grad in 850 hPa) auch bodennah durchsetzen und es werden Höchstwerte zwischen 8
und 13 Grad erreicht.
Der Wind schwächt sich weiter ab, an den Küsten reicht es aber noch für steife
Böen aus Süd bis Südwest, in den Kamm- und Gipfellagen der östlichen
Mittelgebirge auch für stürmische Böen, in Ostsachsen bleibt im Vorfeld der
Front der Böhmische Wind noch warnrelevant.

In der Nacht zum Samstag greift der Trog unter weiterem Konturverlust mit seiner
Achse auf Deutschland über. Die vorgelagerte Okklusion kommt nun allmählich
ostwärts voran und befindet sich morgens endgültig östlich des
Vorhersagegebietes. Im Frontbereich kommt es zu weiteren Niederschlägen, die im
höheren Bergland (Bayerwald, Alpen) oberhalb von etwa 1000 m in Schnee
übergehen, darunter aber als Regen fallen, womit die Unwetter-Glatteislage
zumindest in Teilen Ost- und Südostbayerns zunächst noch andauert. Bis zum
Morgen werden nochmals 1 bis 5 mm simuliert. In Sachsen sollte sich die Lage
dagegen von Westen her allmählich entspannen.
Im übrigen Land bleibt es im Einflussbereich der einströmenden erwärmten
Polarluft (-2 bis +2 Grad in 850 hPa) weitgehend trocken, lediglich im
Nordseeumfeld reicht es im Einflussbereich etwas höhenkälterer Luftmassen (unter
-25 Grad in 500 hPa) für einzelne Schauer. Der Wind nimmt insgesamt weiter ab,
warnrelevante Böen gibt es später wohl kaum mehr.
Leichten Frost gibt es vor allem im Südosten sowie in Teilen der Lausitz und im
östlichen Bergland, wo es Glätte durch überfrorene Nässe geben kann. Ansonsten
bleibt es überwiegend frostfrei.

Samstag... verlagert sich der nur noch flach ausgeprägte Höhentrog weiter ins
östliche Mitteleuropa. Dahinter stellt sich eine relativ glatt konturierte
westliche Höhenströmung ein, wobei ein flacher Rücken im Tagesverlauf über das
Vorhersagegebiet hinweg ostwärts schwenkt. Abends erreicht ein flacher
kurzwelliger Anteil die westliche Nordsee, auf dessen Vorderseite erneut
kräftige WLA und entsprechend auch Hebung in Gang kommen.
Somit klingen die Niederschläge am Vormittag mit Abzug des Frontensystems auch
im Südosten Bayerns endgültig ab und bis zum Mittag sollte sich die
Glatteissituation entspannen. Ansonsten setzen sich nur kurzzeitig
Zwischenhocheinfluss und Absinken durch. Ein mit dem Kurzwellentrog
korrespondierendes Bodentief zieht im Tagesverlauf von Irland über Schottland
zur nördlichen Nordsee, das Frontensystem greift in den Abendstunden bzw. in der
Nacht zum Sonntag auch auf das Vorhersagegebiet über. Somit setzen ab dem späten
Nachmittag im Westen erneut Niederschläge ein, die aber nicht allzu ergiebig
ausfallen.
Mit Annäherung des Frontensystems geht naturgemäß eine Gradientverschärfung
einher und somit frischt der Südwind ab den Nachmittagsstunden von Westen her
wieder auf. Im Nordseeumfeld sowie in begünstigten Leelagen im Westen des Landes
gibt es Böen Bft 7, auf exponierten Mittelgebirgsgipfeln abends und nachts auch
Sturmböen (Bft 9, Brocken nachts eventuell Bft 10).
Ansonsten verläuft der Tag wettertechnisch ruhig. Allerdings "taut" der Südosten
nur langsam auf, eventuell gibt es dort in einigen Regionen (Oberpfälzer Senke,
untere Donau) sogar nochmals leichten Dauerfrost. Ansonsten werden Höchstwerte
zwischen 2 Grad im Südosten und 12 Grad entlang des Rheins erreicht.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Wetterentwicklung wird im Kurzfristzeitraum von allen Modellen
sehr ähnlich simuliert. Differenzen gibt es bzgl. der Glatteisregensituation,
vor allem, was die kommende Nacht in Südostbayern betrifft. Die RR-Summen des
C-D2 erscheinen etwas zu hoch. Für den morgigen Freitag haben dagegen alle
Modelle ein ähnliches Szenario auf der Karte, wobei es kleinräumig bzgl. der
Niederschlagsphase noch Unsicherheiten gibt. Meist fällt Regen, dort, wo das
Kaltluftpolster aber relativ hoch reicht (z.B. in Ostsachsen) ist aber auch ein
Übergang der Niederschläge in Schnee denkbar, was regional die Glatteislage
deutlich entspannen würde. Räumlich eingrenzen lässt sich das Ganze aber noch
nicht, deshalb kann eine eventuelle (und vom Verfasser dieser Übersicht auch
empfohlene) Vorabinformation ruhig etwas großzügiger ausfallen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff