DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-11-2018 18:01
SXEU31 DWAV 281800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 28.11.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Norden und über der Mitte örtlich Glatteis, Unwetter unwahrscheinlich. An der
See und im Bergland teils stürmische Böen. Aufkommender Böhmischer Wind. Auch am
Freitag im SE Glatteisgefahr, dann auch Unwetter etwas wahrscheinlicher.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Mitteleuropa inklusive Deutschland zwischen einem
blockierenden Hoch über Osteuropa und einem umfangreichen Sturmtief über dem
Nordostatlantik. Bedingt durch Warmluftadvektion vor dem Sturmtief wölbt sich
ein markanter Rücken von der Iberischen Halbinseln nach Nordosten auf und reicht
über Mitteleuropa bis in den Nordwesten Russlands. An seiner Westflanke streift
uns zunächst eine abschwächende Okklusion, deren meist leichte Regenfälle bis
zum Morgen auf eine Linie Westmecklenburg-Oberrhein vorankommen. Die
Warmluftadvektion wird zunächst durch einen Kurzwellentrog gestützt, der aber im
Laufe der Nacht nach Südskandinavien abzieht, so dass der Regen gerade im
Südwesten nur anfangs ein Thema ist und im Laufe der Nacht wieder abklingt.

Aus dem Hoch fließt bodennah kalte, aber auch relativ trockene Festlandsluft
aus, die im Osten und Südosten eine kalte und trockene Nacht bringt mit
leichtem, teilweise mäßigem Frost. Im Westen und Nordwesten bleibt es unter
starker Bewölkung dagegen frostfrei. An der Vordergrenze des Regens ist auch
gefrierender Regen möglich. Unsicher ist allerdings in welchem Ausmaß.
Bei südöstlichem Wind wird nachts zunächst Kaltluft advehiert und anfängliche
Auflockerungen dürften eher für die gefrierende Phase sprechen. Allerdings nimmt
die Bewölkung rasch zu, die Gegenstrahlung führt zu leichter Erwärmung der
Bodenoberfläche und durch den auffrischenden Wind ist die Luftmasse auch
einigermaßen durchmischt, was eher für mildere Bedingungen spricht. Die
trockenere Luft dürfte auch zu einem gewissen "zerbröseln" der
Niederschlagsgebiete nach Osten führen, so dass fraglich ist, wie viel nach
Osten zu noch ankommt.
Die ICON/Cosmo D2 Wetterinterpretation geht bezüglich der Glatteisgefahr
aggressiv zu Werke. Von Schleswig-Holstein und Mecklenburg bis nach Hessen und
Thüringen werden verbreitet "Schlangenlinien" angeboten. Allerdings sind daran
Zweifel angebracht. Glatteisregen wird sogar im Nordwesten gebracht, wo es
aktuell bei +4 Grad erste Tropfen gibt.
Auch scheint die Temperatur im ICON zu niedrig zu sein, abgesehen davon, dass
teilweise die Prognosetemps nicht stimmig sind mit der Wetterinterpretation.
Externe Modelle sehen die Glatteisgefahr deutlich geringer, was auch
realistischer sein dürfte.

Im Südosten verdichtet sich der Nebel und Hochnebel gebietsweise wieder und der
Südost- bis Südwind weht vor allem an den Küsten lebhaft mit starken bis
stürmischen Böen. Auch im Westen sind leebedingt in NRW gebietsweise Windböen
aus SE zu erwarten. Im höheren Bergland legt er zwar ebefnalls etwas zu, wird
aber zunächst nur auf dem Brocken warnrelevant mit Sturmböen, vielleicht auch
schweren Sturmböen ausgangs der Nacht. Im ostsächsischen Bergland und im Elbtal
kommt Böhmischer Wind auf (echter sogar, da im Böhmischen Becken Kaltluft
lagert) und bringt in den anfälligen Regionen erste Böen Bft 7.


Donnerstag ... verhält sich die Strömungskonfiguration leicht progessiv. Will
heißen: der Rücken verlagert sich langsam nach Osten und wir damit peu a peu auf
die Trogvorderseite, so dass wir unter eine südwestliche Höhenströmung gelangen,
in der durch Warmluftadvektion und kurzwellige Tröge Hebung generiert wird.
Das Hoch östlich von uns kräftigt sich noch auf mehr als 1045 hPa im Kern, zieht
sich aber in den Westen Russlands zurück, während sich im Tiefkomplex eine
Richtung Färöer ziehende Welle nur leicht entwickelt. Deren Kaltfront steht aber
zum Abend im Nordwesten ante portas.

Die Niederschläge im Norden lassen zunächst langsam nach, wobei vor allem
anfangs örtlich gefrierender Regen einkalkuliert werden muss. Im Tagesverlauf
sollte es nicht mehr zu Glätte reichen, auch wenn C D2 weiter Andeutungen in
diese Richtung macht.
Im Nordwesten und Westen kommen dann im Vorfeld der Kaltfront wieder Regenfälle
auf. Der Osten und Südosten befinden sich dagegen weiter eher in der Peripherie
des Hochs im Zustrom kalter Luft von Südosten her. Die Temperaturen steigen dort
bei zeitweiligem Sonnenschein auf 0 bis 4 Grad, im östlichen Mittelgebirgsraum
liegen die Maxima nur um 0 Grad.

In den westlichen Landesteilen setzt sich die mildere Luft dagegen bei guter
Durchmischung schon voll in Szene, dort liegen die Maxima bei 8 bis 13 Grad.
Apropos Durchmischung. Der Wind dreht etwas nach Südwest und exponiert sind im
Westen auch im Tiefland starke Böen zu erwarten, im Bergland und an der Nordsee
stürmische Böen, auf dem Brocken sind Sturmböen zu erwarten. Die Simulation des
C D2 mit Low Level Jet fürs höhere Bergland schießt mit orkanartigen Böen in
Kammlagen wohl übers Ziel hinaus. Der Böhmische Wind nimmt bei noch etwas
zunehmendem Gradienten an Stärke zu mit starken bis stürmischen Böen.
In der Nacht zum Freitag greift die Kaltfront der inzwischen über dem
Nordmeer angekommenen Welle auf den Norden und Westen über, wo es zu weiteren
Regenfällen kommt (wahrscheinlich unter 5 mm/12 h). Ob es an der Vorderkante
irgendwo zu gefrierendem Regen reicht, ist fraglich.

Fraglich ist auch der von ICON für den Südosten simulierte, deutlich von der
Kaltfront abgesetzte gefrierende Regen. Zwar findet man in den Diagnosekarten
etwas WLA, die in der südwestlichen Höhenströmung initiiert wird, und in den
Prognosetemps ein Feuchtemaximum zwischen 750 und 600 hPa, aber so richtig
überzeugt das Ganze nicht.
Auf alle Fälle bringt die Nacht dem Osten und Südosten leichten, in den
Mittelgebirgen mäßigen Frost. Außerdem beginnt sich der Wind im Westen sowie an
der Nordsee mit Kaltfrontpassage und auffächerndem Gradienten abzuschwächen,
während der Böhmische Wind wahrscheinlich sein Maximum erreicht (Böen 9 Bft auch
in den Tälern).

Freitag ... erreicht der Höhentrog den Vorhersageraum, wobei er unter weiterer
Verkürzung der Wellenlänge und leichter Abschwächung nach Osten vorankommt. Das
immer noch existente Sturmtief beginnt sich auf seinem Weg in Richtung
Norwegische See langsam aufzufüllen, gleichzeitig zieht sich das blockierende
Hoch über Russland zögernd weiter nach Osten zurück. Als Konsequenz kommt die
Kaltfront nebst Regen nach Osten voran.

Erneut stellt sich die Frage nach gefrierendem Regen respektive Glatteis im
Osten und Südosten. Die Vorgeschichte jedenfalls passt besser als in der Nacht
zum Donnerstag, bleibt doch diese Region bis dahin in der trockenen Kaltluft mit
leichten bis mäßigen Nachtfrösten und teilweise auch tagsüber Frost (vor allem
in den Mittelgebirgen), so dass die Böden zumindest gebietsweise gefroren sind.

Dazu kommt, dass die Prognosetemps die berühmte "warme Nase" (Warmluft über
kalter Grundschicht) zeigen. Vom Terrain her summa summarum also keine
schlechten Voraussetzungen für eine Glatteislage, wenn, ja wenn genug
Niederschlag ankommt, was nach ICON, aber nicht nach allen Modellen
gewährleistet ist.
Auch die Tageserwärmung spielt natürlich eine Rolle, was die Lage besonders im
ostdeutschen Flachland entspannen dürfte. Bei aller Unsicherheit, die
Wahrscheinlichkeit für eine Glatteislage ist besonders in Südostbayern sowie den
östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen (Erzgebirge bis hinunter zum
Bayerischen Wald) allemal gegeben, wobei auch regional mal Unwetter in Betracht
kommt.
Der Gradient weicht unterdessen weiter auf und der Wind lässt nach. Vor allem an
der Ostsee reicht es noch ein paar Stunden für Böen 7 bis 8 Bft aus Süd-Südost.
Während der Osten und Südosten immer noch recht kalt bleiben (nur wenige
Plusgrade, teils sogar Dauerfrost), steigt die Temperatur im Westen und
Nordwesten einen Tag vor Beginn des meteorologischen Winters auf 10 bis 13°C.
In der Nacht zum Samstag überquert uns der immer flacher werdende Trog ostwärts,
die Kaltfront schwächt sich ab und wird im Laufe der Nacht ostwärts nach Polen
und Tschechien rausgedrängt. Der Regen im Osten und Südosten lässt nach, wird
aber bis zum Morgen noch nicht ganz vorbei sein. Da mangels Gradienten kein
wirklicher Luftmassenwechsel dort stattfindet und Reste der Kaltluft liegen
bleiben, besteht weiter die Gefahr von örtlichem Glatteisregen. Die Temperaturen
liegen dort weiter um den Gefrierpunkt oder etwas darunter. Vor allem
Südostbayern und der östlichen Mittelgebirgsraum dürften von dem lokalen
Glatteis betroffen sein. Ansonsten kommt es postfrontal in der einströmenden,
niedertroposphärisch zwar etwas kälteren, bodennah aber eher feucht-milden
Luftmasse nur vorübergehend zu Auflockerungen. Es bleibt meist frostfrei.


Samstag ... wird der Einfluss des Hochs nach Osten zurückgedrängt. Die
Höhenströmung zonalisiert deutlich und von dem vorgenannten Kurzwellentrog ist
kaum noch etwas zu sehen. Vor einem über den Norden Englands in die westliche
Nordsee ziehenden Tief dreht die Strömung am Boden auf südwestliche Richtungen
und es setzt im Tagesverlauf von Westen vor deren Ausläufern kräftige
Warmluftadvektion ein, die nochmal einen flachen Rücken zu uns hereinziehen
lässt, der allerdings auch nicht wirklich wetterwirksam wird.
Damit verdichten sich die Wolken von Westen her wieder und in den westlichen
Landesteilen setzt nachmittags Regen ein. Gleichzeitig führt die Gradientzunahme
zu einem Auffrischen des Windes, der vor allem im Bergland und an der Nordsee
Bft 7, vereinzelt 8 aus S bis SW erreicht.
Auch im Südosten kann sich nun die mildere Luft durchsetzen und die Temperaturen
steigen auch dort deutlich über den Gefrierpunkt, um 6 Grad in den Niederungen
und 1 bis 5 Grad im östlichen Bergland. Im Westen und Südwesten wird es von den
Temperaturen her wieder zweistellig-mild.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Unsicherheiten bezüglich des Glatteises in der Nacht zum Donnerstag sind im
Text beschrieben. Wahrscheinlich reichen markante Warnungen mit beginnendem
Regen nach Osten zu. Die Glatteisproblematik bleibt es uns zunächst aber
erhalten, da im Südosten kein Luftmassenwechsel stattfindet. Auch der nächste
Anlauf der milden Luft mit Regen zum Freitag hin, trifft dort auf bodennah kalte
Luft. Die Bedingungen sind sogar noch besser als vorher (siehe Text), weshalb
dann auch gebietsweise Unwetter auf dem Programm steht, bzw. etwas
wahrscheinlicher ist. Am Samstag sollte die Milderung dann überall greifen.
Ansonsten steht der grobe Fahrplan für die nächsten Tage, die Unsicherheiten
sind im Text erwähnt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner