DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-11-2018 09:01
SXEU31 DWAV 270800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 27.11.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNz (Hoch Nordmeer zyklonal), Übergang zu Sa (Süd antizyklonal)

Heute im Süden nachlassender Schneefall. Kommende Nacht verbreitet leichter bis
mäßiger Frost.
Am Mittwoch und Donnerstag von Westen aufkommender Regen, dabei stellenweise
Gefahr von Glatteis.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... weist die Potenzialverteilung über Mitteleuropa und Umgebung ein
leicht bizarres Muster auf, das ein bisschen an ein weit geöffnetes Maul
erinnert. Während im nördlichen Teil (Norddeutschland bis zum Europäischen
Nordmeer) ein Höhenrücken den Ton angibt, schließt sich unmittelbar daran ein
Trog an, der bis in den zentralen Mittelmeerraum reicht. Darin eingelagert sind
verschiedene kleine Drehzentren, von denen eins (Benelux) kurz vor dem
Karriereende steht und ein zweites den Alpenraum in Richtung nördliche Adria
verlässt. Folgerichtig steigt das Potenzial über Deutschland langsam aber sicher
an, was durch einen weiteren, von Frankreich in den Vorhersageraum vorstoßenden
Rücken markiert wird. Da auch der Luftdruck leicht, aber kontinuierlich steigt -
das mit Schwerpunkt über Südskandinavien liegende Hoch DOMINIK dehnt seinen Keil
peu a peu nach Süden aus - stehen die Zeichen heute weitgehend auf antizyklonal.

So setzt im Laufe des Tages die im Osten und Nordosten bereits begonnene
Abtrocknung (gemessene Taupunkte heute früh häufig -2 bis -5°C) allmählich
weiter nach Westen durch, so dass es in der Nordhälfte einige Auflockerungen zu
bestaunen gibt. Richtung Ostsee könnte sich die Sonne sogar für längere Zeit in
Szene setzen, und im zentralen Mittelgebirgsraum dürfte die Ceiling so weit
angehoben werden, dass signifikante Sichtbehinderungen (durch aufliegende
Wolken) ebenso passe sind wie die daraus heute früh noch immer vereinzelt
beobachteten leichten Niederschläge (teils als gefrierender Nieselregen).
Dass weiter oben von "weitgehend antizyklonal" gesprochen wurde, ist der
Tatsache geschuldet, dass die im Süden aktuell noch auftretenden Hebungsvorgänge
nicht ad hoc beendet werden. Zwar ist die gestern noch gut funktionierende
Gegenstromlage inzwischen kaputtgegangen, gleichwohl kommt es - teils
staubedingt - noch zu leichten Niederschlägen, die sich unter Abschwächung aber
mehr und mehr an den Alpenrand respektive in die Alpen zurückziehen. Besonders
im südlichen Alpenvorland können noch mal 1 bis 3 cm, unmittelbar am Alpenrand
örtlich 5 cm Neuschnee zusammenkommen, allerdings wird das Liegenbleiben des
Schnees durch einsetzendes leichtes Tauwetter (Gegenstrahlung => Erwärmung auf
zarte Plusgrade, abgesehen von höheren Lagen) zusehends erschwert.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 0 bis 5°C, im Westen lokal etwas
darüber.

In der Nacht zum Mittwoch gelangt Deutschland genau unter die Achse des o.e.
Höhenrückens, während sich das Zentrum des korrespondierenden Bodenhochs unter
Verstärkung (etwas über 1030 hPa) zur südöstlichen Ostsee verlagert.
Gleichzeitig formiert sich westlich von Irland ein veritables Sturmtief (HALKA,
Kerndruck knapp unter 970 hPa), so dass sich besonders über Westeuropa ein
üppiger Gradient aufbaut, der ganz am Rande auch den Vorhersageraum tangiert.
Genauer gesagt ist zunächst die Nordsee davon betroffen, wo der auf Südost
rechtdrehende Wind merklich aufdreht und auf den Inseln die ersten 7er-, auf
Helgoland 8er-Böen bringt.
Im Binnenland verläuft die Nacht windtechnisch noch ziemlich ruhig (etwas
auflebender Südost im Nordwesten), wobei sich der tagsüber begonnene
Abtrocknungsprozess weiter fortsetzt. Die Folge sind weitere
Wolkenauflockerungen und entsprechend zurückgehende Temperaturen, die sich
morgen früh mit Ausnahme einiger tiefer Lagen West- und Südwestdeutschlands (vor
allem Rheintal plus Nebentäler) im leichten, nach Osten hin gebietsweise sogar
im mäßigen Frostbereich wiederfinden. Sollte es dort, wo sich tagsüber Schnee
oder zumindest Reste davon gehalten haben, längere Zeit aufklaren, ist sogar
strenger Frost um -10°C nicht ausgeschlossen. Insbesondere im Süden, wo es
tagsüber leicht taut und die Straßen häufig in feuchtem Zustand in die Nacht
gehen, muss mit gefrierender Nässe gerechnet werden. Hinzu kommt im Süden und
Westen das eine oder andere Nebelfeld.

Mittwoch... formiert sich über dem nahen Ostatlantik ein LW-Trog, dessen
Drehzentrum am Ende des Tages südlich von Island liegt. Vorderseitig schwenkt
ein Sekundärtrog nordostwärts, der vorübergehend mit dem o.e. Sturmtief
interagiert, sprich, das Tief noch etwas auspumpt. Um 12 UTC liegt es mit unter
965 hPa über dem Seegebiet westlich der Hebriden. Während sich also über dem
nahen Ostatlantik im wahrsten Sinne des Wortes was zusammenbraut, begibt sich
Hoch DOMINIK zu den baltischen Staaten bzw. später nach Weißrussland, wobei
weiter an Muskelmasse auf über 1040 hPa zugelegt wird. Kräftige WLA auf der
Vorderseite des Sturmtiefs respektive des sich formierenden Troges sorgen dafür,
dass sich der Höhenrücken über Mitteleuropa von Westen her regeneriert.
Somit steht die Ampel morgen in weiten Teilen des Landes auf antizyklonal, was
besonders in der Osthälfte der Sonne erhebliche Entfaltungsmöglichkeiten
garantiert. Problematisch dürfte es allerdings an und um die Donau herum werden,
wo sich Nebel oder Hochnebel in der noch immer feuchten Grundschicht mangels
ausreichend Durchmischung nur schwerlich oder sogar überhaupt nicht auflösen.
Nach Westen hin machen sich zunehmend die stetige WLA bzw. die Annäherung des
okkludierenden Frontensystems von Sturmtief HALKA bemerkbar, indem sich erst
mehrschichtige Bewölkung ein Stelldichein gibt und es dann (wahrscheinlich noch
im Laufe des Vormittags) anfängt, leicht zu regnen oder nieseln. Während die
deutsche Modellkette nebst EURO4 bis zum Abend einen Streifen vom Schwarzwald
bis zum Niederrhein mit etwas Regen versieht, favorisieren IFS und GFS einen
Korridor, der vom Saarland und der Pfalz bis zur Nordsee reicht. Damit setzten
sich selbst 24 bis 36 Stunden vor dem Ereignis die schon seit Tagen beobachteten
Modellunsicherheiten fort. Offensichtlich bereitet die bevorstehende, in
mehreren Schritten ablaufende Umstellung der Großwetterlagen der Numerik
erhebliche Schwierigkeiten. Wie auch immer, die Gefahr potenziellen Glatteis ist
tagsüber sehr gering, weil es schon aus der Nacht heraus vielfach frostfrei
bleibt und weil zudem Gegenstrahlung, andauernde WLA und allmählich in Gang
kommenden Durchmischung ein sehr starkes Argument dagegen sind.
Apropos Durchmischung, der südöstliche Wind nimmt im Tagesverlauf Fahrt auf. An
der See stehen Böen 7 Bft, an und auf der Nordsee, der westlichen Ostsee sowie
auf dem Brocken 8-9 Bft auf der Karte. Auch im westlichen Bergland bzw. im Lee
dessen wird es für die eine oder andere 7er-Böe reichen.
Temperaturmäßig stehen die östlichen Mittelgebirge sowie allgemein die Hochlagen
vor einem Eistag, und auch im Donautal wird es schwer, die Gefrierpunktmarke zu
überschreiten. Ansonsten liegen die Höchstwerte bei 0 bis 5°C, im Westen
(insbesondere an den Nordrändern der Mittelgebirge) geht es hoch bis zu 8°C.

In der Nacht zum Donnerstag kommt die Okklusion in ihrem Nordteil ostwärts
voran, während sie im Süden durch eine Welle über der nördlichen Biscaya (00
UTC) zurückgehalten hat bzw. in eine Warmfront übergeht. Fakt ist, dass die
niedertroposphärische Erwärmung weitere Fortschritte macht, die 0°C-Isotherme in
850 hPa wird ostwärts aus dem Vorhersageraum herausgedrückt. Damit ist klar,
dass die sich ostwärts ausbreitenden Niederschläge als Regen fallen. Die Frage
ist nun, ob dieser Regen irgendwo gefriert? Am größten ist die
Wahrscheinlichkeit im zentralen Mittelgebirgsraum und im Harz, wo sich in
einigen Mulden- und Tallagen frostige Kaltluftseen halten können. Schwer zu
beurteilen ist die Lage in nicht orografisch gegliedertem Gelände, wo die
bodennahe Kaltluftzufuhr von Südosten her gegen Durchmischung und Gegenstrahlung
ankämpft, was sich freilich auf den detaillierten Temperaturverlauf - und genau
um den geht es - auswirkt. Die weitere Frage wird auch sein, wie weit sich der
Niederschlag tatsächlich gegen das blockierende Hoch nach Osten hin ausweiten
kann. ICON ist mit einer gedachten Linie
Mecklenburg-Westthüringen-Main-Tauber-Kreis etwas progressiver als die externen
Modelle.
Unabhängig vom Niederschlag lässt sich konstatieren, dass es in der Osthälfte
wieder leichten bis mäßigen (im Bayerischen Wald und an den Alpen über Schnee
auch strengen) Frost gibt. Außerdem bleibt der Gradient prominent aufgestellt,
wobei der Südostwind nun auch nach Osten hin etwas flotter wird (Stichwort
Böhmischer Wind). Die Küste gibt sich stürmisch (8-9 Bft), der Brocken sehr
stürmisch (10 Bft), sonst stehen im Bergland steife Böen 7 Bft auf dem Programm.


Donnerstag... wandert der Höhenrücken ganz allmählich ost-südostwärts, so dass
Deutschland mehr und mehr auf die Vorderseite des atlantischen Troges unter eine
südwestliche Höhenströmung gelangt. Das Sturmtief nistest sich mit einem
Kerndruck von unter 955 hPa südlich von Island ein, während die o.e. Welle am
Mittag bereist die westliche Nordsee erreicht. Die zugehörige Warmfront schwenkt
über den Norden nordostwärts, bevor am Nachmittag und Abend die thermisch nur
schwach ausgeprägte Kaltfront auf den Westen und Nordwesten übergreift. Nach wie
vor sind die Modelle uneins, wie stark die von den genannten Fronten ausgehenden
Regenfälle (bei deutlich im Plus liegenden niedertroposphärischen
Temperaturwerten fällt durchweg Regen) ausfallen und welche räumliche Ausdehnung
sie einnehmen. ICON agiert einmal mehr am offensivsten (Vorderkante
Westvorpommern-Oberfranken), während IFS und GFS den kompletten Osten und Süden
sowie große Teile der Mitte trocken lassen. Anfangs besteht lokal auf alle Fälle
noch die Gefahr gefrierenden Regens mit Glatteis (vor allem im zentralen
Mittelgebirgsraum und im Harz), Details lassen sich heute aber noch nicht
belastbar herausarbeiten.
Besser gelingt das Ganze beim Wind, der weiterhin aus dem Sektor Ost bis Süd
kommt und am nachhaltigsten an der Küste und im Bergland (außer Süden) auf sich
aufmerksam macht 7-9 Bft, Brocken 10 Bft). Der Böhmische Wind legt im und am
Erzgebirge sowie im Elbtal noch etwas zu mit häufigen Böen 8 Bft, vereinzelt
vielleicht sogar 9 Bft. Während es nach Osten und Südosten relativ kalt bleibt
(unter 5°C, in den Mittelgebirgen sogar Dauerfrost), geht es im Westen
gebietsweise hoch auf etwas über 10°C.


Modellvergleich und -einschätzung
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Auch wenn die grundsätzliche Ausrichtung steht, bleiben doch noch einige Fragen
offen, wie im Text erwähnt. Vor allem das Thema "Niederschlag/gefrierender
Regen" wird uns noch etwas beschäftigen und möglicherweise zu einem
Nowcastproblem mutieren.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann