DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

23-11-2018 11:01
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 23.11.2018 um 10.30 UTC



Anfangs ruhiges Spätherbstwetter mit Niederschlägen im Süden. Ab Wochenmitte
tendenziell unbeständiger.
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 30.11.2018


Zu Beginn des mittelfristigen Vorhersagezeitraums am kommenden Montag befindet
sich Deutschland auf der kalten Seite der recht weit südlich verlaufenden
Frontalzone. Sie korreliert in weiten Teilen Südeuropas mit tiefem Luftdruck,
der mehrere Aktionszentren aufweist. Als Konterpart fungiert eine hochreichende
Antizyklone über dem Europäischen Nordmeer, die ihren Schwerpunkt nur langsam
ostwärts verlagert.
Auf der Südflanke des Hochs wird eine östliche Grundströmung generiert, mit der
relativ kalte (T850 -1 bis -7°C) Mischluft zu uns gelangt. Auch wenn die Sonne
Schwierigkeiten bekommen dürfte, sich nachhaltig in dieser Luftmasse gegen tiefe
Bewölkung, Nebel und Hochnebel durchzusetzen, wird auf der anderen Seite auch
nicht allzu viel Niederschlag erwartet - mit einer Ausnahme. Süddeutschland,
also Teile Bayerns und Baden-Württembergs, werden von den zyklonalen
Geschehnissen südlich der Alpen vereinnahmt, was von Montag bis Dienstag länger
andauernden Niederschlag zur Folge hat. Zwar steht das genaue thermische Milieu
noch nicht endgültig fest, es spricht aber Einiges dafür, dass der Niederschlag
bis in tiefe Lagen als Schnee oder Schneeregen fällt.
Am Mittwoch schiebt sich von Südwesteuropa her ein Höhenrücken bis zu uns vor,
wobei dieser Verbindung mit dem nordeuropäischen Hoch aufnimmt. Der daraus
resultierende Hochdruckeinfluss ist wohl aber nur von kurzer Dauer, da sich
zeitgleich über dem nahen Ostatlantik ein fettes Sturmtief der Marke
"Acrylschallplatte" aufbaut (Kerndruck am Mittwoch, 24 UTC knapp unter 965 hPa).
Die leichte Progression des gesamten Strömungsmusters führt dazu, dass das
okkludierende Frontensystem des Sturmtiefs am späten Mittwochabend bzw. in der
Nacht zum Donnerstag von Westen her auf Deutschland übergreift und bis
spätestens Freitagfrüh den gesamten Vorhersageraum passiert. Dabei kommt es zu
Niederschlägen, die zwar überwiegend in flüssiger Form fallen, anfangs aber auch
als Schnee oder gefrierender Regen auftreten können.
Tatsache ist, dass mit auflebendem (Küste und Bergland Gefahr von Sturm), auf
Südost bis Südwest drehendem Wind mildere Luftmassen advehiert werden, in der
die 850-hPa-Temperatur vorübergehend deutlich ins Plus dreht (am Donnerstag
gebietsweise um +5°C). Am Freitag sinkt sie mit Übergreifen des nachfolgenden,
sich abschwächenden Höhentrogs wieder auf Werte um 0°C, was natürlich auch nicht
wirklich kalt ist, vor allem bei gegebener Durchmischung.
In der erweiterten Mittelfrist von Samstag bis Montag deutet sich für den Anfang
leichter Hochdruckeinfluss an (schwache Brücke zwischen dem inzwischen über dem
nahen Osteuropa angekommenen Hoch vom Nordmeer (über 1040 hPa) und einem
Luschenhoch über Südwesteuropa). Bereits im Laufe des Sonntags soll dann aber
schon das nächste atlantische Frontensystem mit Regen von Nordwesten her
übergreifen und sich - möglicherweise schleifend - südostwärts ausbreiten. Dabei
werden erneut milde Luftmassen maritimen Ursprungs in den Vorhersageraum
gesteuert.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der aktuelle IFS-Modelllauf (ECMF) von heute 00 UTC zeigt im Vergleich zu seinen
jüngsten Vorgängern sehr ähnliche Strukturen. Allerdings nehmen die Unschärfen
zur Mitte der nächsten Woche zu. Offensichtlich hat IFS größere Probleme damit,
den richtigen Stundenplan für den zunächst über den Vorhersageraum
hinwegwandernden Höhenrücken sowie das nachfolgende Übergreifen atlantischer
Störungen incl. Höhentrog zu schreiben. War der gestrige 00-UTC-Lauf
diesbezüglich noch sehr defensiv aufgestellt (erster Regen in der Nacht zum
Freitag), beschleunigte die nachfolgende 12-UTC-Version deutlich (erster Regen
am frühen Mittwochmorgen). Inzwischen liegt der dritte Vorschlag auf dem Tisch,
der sich salomonisch gibt und den Beginn des Regens auf die Nacht zum Donnerstag
fixiert.
Kurz und gut, das grundlegende Vorhersagekonzept muss nicht wesentlich verändert
werden, auch wenn die Prognose nach hinten raus unsicherer wird.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die Aussagen aus dem vorherigen Abschnitt lassen sich auch auf den
Modellvergleich projizieren. In den Basisfeldern ähneln sich die verschiedenen
Globalmodelle, während Timing und Intensität der in der kommenden Woche
übergreifenden atlantischen Störungen unterschiedlich simuliert werden. Während
ICON und UKMO noch etwas schneller als das heutige IFS sind, liegt z.B. das
kanadische GEM auf Kurs des gestrigen, sehr defensiven 00-UTC-Laufs von IFS.
In der erweiterten Mittelfrist laufen die Phasen der "Big Three" (IFS, GFS, GEM)
auseinander, wobei IFS tendenziell eher zyklonal, GFS hingegen antizyklonal
aufgestellt ist. GEM wiederum liegt dazwischen (erst zyklonal, dann
antizyklonal).
FAZIT: Der Generalkurs steht, die Feinheiten (insbesondere ab Wochenmitte) noch
nicht.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen (und im Großen und Ganzen auch die "Kollegen" von GFS)
verschiedener deutscher Städte zeigen anfangs einen eng gebündelten Verlauf,
bevor sie am Dienstag/Mittwoch beginnen zu divergieren. Tendenziell streben die
meisten Lösungen aber ein vergleichsweise mildes (T850 um 0°C) Szenario mit
wiederholten Niederschlagssignalen an. Nur wenige Ensembles setzen auf "kalt"
mit 850-hPa-Temperaturen unter -5°C. Interessant am Rande: ein paar
Ensemblemitglieder lassen die süddeutschen Niederschläge zu Wochenbeginn bis in
die Mitte (Beispiel Kassel) ausgreifen.
Gleich fünf Cluster werden in Klasse 1 angeboten (T+72...96h, Montag auf
Dienstag), die sich bezogen auf den Vorhersageraum aber nur marginal
unterscheiden (gleiches Grundmuster, das aber infinitesimal anmutende
Verschiebungen aufweist). In Klasse 2 (T+120...168h, Mittwoch bis Freitag)
verringert sich die Anzahl der Cluster auf zwei (29 Fälle + HL/KL, 22). CL 2 ist
nicht nur etwas schneller mit dem Übergreifen atlantischer Tiefausläufer, es
lässt auch das eigentliche Tief nach Mitteleuropa reinziehen. Beide Cluster
zeigen in der Konsequenz eine zyklonale Ausrichtung.
Das kann man von Klasse 3 (T+192...240h, Samstag bis Montag) nicht so ohne
Weiteres behaupten. Die Zahl der Cluster erhöht sich wieder auf fünf (14 + KL,
13, 10, 7, 7 + HL), die durchaus unterschiedliche Interessen verfolgen. CL 1 und
2 tendieren ziemlich eindeutig in Richtung Zonalisierung (positiver NAO). Die
anderen drei Cluster bieten mäandrierende Muster mit unterschiedlichen
Phasen(-geschwindigkeiten) an.
FAZIT: Die Probabilistik forciert die Unsicherheit ab Mitte der kommenden Woche
eher noch als dass sie Klarheit reinbringt. Unsicher gibt sich auch die
erweiterte Mittelfrist, ein wirklich kaltes Szenario ist aber relativ
unwahrscheinlich. Vielleicht wird die großräumige Strömung aber nicht gleich
wieder gestört sondern zeigt mal so etwas wie zonalen Charakter.

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Nach einem vergleichsweise ruhigen Start am kommenden Wochenende deuten sich für
den Beginn der neuen Woche in Süddeutschland Niederschläge an, die bis in tiefe
Lagen als Schnee fallen können. Das ist - mit Verlaub - für Ende November nichts
Besonderes und es wäre ganz schön (sorry, liebe Autofahrer), wenn es denn auch
tatsächlich so käme, damit uns gezeigt wird, dass die Atmosphäre "Winter" nicht
völlig verlernt hat (immerhin beginnt übernächsten Samstag der meteorologische
Winter). Mit geringer Wahrscheinlichkeit können im östlichen Teil der Alpen
sowie in den südostdeutschen Mittelgebirgen mal mehr als 10 cm Neuschnee innert
12 h zusammenkommen, ansonsten dürften sich die Mengen im Großen und Ganzen in
Grenzen halten.
Mit dem Übergreifen atlantischer Systeme ab Wochenmitte werden zwar weitere
Niederschläge apostrophiert, die aber im Wesentlichen als Regen fallen sollen.
Warnwürdige Mengen deuten sich aus heutiger Sicht - leider, muss man ehrlich
sagen - zwar nicht an, dafür kann in der Anfangsphase der Niederschläge in
Abhängigkeit vom genauen Timing auch mal Schnee oder gefrierender Regen am Start
sein.
Darüber hinaus gibt es Signale, dass der Wind ab Mittwoch mit Drehung auf Südost
bis Südwest zumindest soweit zulegt, dass im Bergland sowie zunächst an der
Nordsee, am Donnerstag dann auch an der Ostsee stürmische Böen oder Sturmböen
8-9 Bft, in exponierten Kamm- und Gipfellagen vielleicht auch schwere Sturmböen
10 Bft auftreten.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann