DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-11-2018 08:30
SXEU31 DWAV 190800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 19.11.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HNFz, zu Wochenmitte SEa
Recht kalt, am Dienstag in der Mitte (Bergland) gebietsweise markante
Schneefälle. An den Küsten in Böen stürmischer östlicher Wind, auf einigen
Berggipfeln Sturmböen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... könnte der Blick auf die Potenzialverteilung in 500 hPa bei dem ein
oder anderen ein leichtes Erstaunen und bei den Winterfreaks auch ein wenig
Entzückung auslösen, handelt es sich doch um eine klassische "High over
Low"-Konstellation. Einer umfangreichen und hochreichenden Antizyklone über dem
Nordmeer bzw. Skandinavien steht ein Höhentief gegenüber, das sich mit seinem
Drehzentrum aktuell in etwa über Bayern befindet und sich bis Dienstag, 00 UTC
Richtung Nordfrankreich verlagert. Im Bodenfeld ist dagegen von diesem Gebilde
nichts zu sehen, befindet sich der Vorhersagebereich doch nach wie vor am
Südrand des oben genannten Hochs innerhalb einer recht kräftigen östlichen
Grundströmung. Per definitionem handelt es sich also um einen Kaltlufttropfen.
Klassischerweise gelangt an dessen West- und Nordflanke sowohl mittel- als auch
niedertroposphärisch recht kalte Luft nach Mitteleuropa (bis nahe -8 Grad in 850
hPa über der Mitte Deutschlands, in 500 hPa unter -30 Grad ü). Zwar ist die
Luftmasse nicht allzu labil geschichtet, dennoch reicht es im Zusammenspiel mit
etwas PVA-induziertem Hebungsantrieb für leichte schauerartige Niederschläge,
die oberhalb von etwa 200 bis 400 m, gebietsweise - in erster Linie in den
mittleren Landesteilen - aber auch bis nach "ganz unten" als Schnee fallen.
Simuliert werden fast überall weniger als 5 mm in 12 Stunden (Ausnahme:
Staulagen des Harzes), so dass sich die Neuschneemengen auch in höheren
Mittelgebirgslagen (unterhalb von 500 m reicht es, wenn überhaupt, wohl nur für
etwas Schneematsch) in überschaubaren (im Warnjargon: gelben) Grenzen halten.
Erwähnenswert am Rande ist noch der Lake Effekt im Bereich der Ostseeküste
Schleswig-Holsteins. Dort hat sich über dem warmen Ostseewasser eine kräftigere
Schauerstraße ausgebildet, die von der Lübecker Bucht bzw. Fehmarn bis in die
Region rund um Norderstedt reicht. Dort fallen bis heute Vormittag ebenfalls
gebietsweise mehr als 5 mm, punktuell sogar um oder knapp über 10 mm, die auch
von den hochauflösenden Modellen nur unzureichend erfasst werden (von SuperHD
allerdings noch am besten), für den Warnmeteorologen aber glücklicherweise wohl
überwiegend als Regen, da sich die kälteste Luftmasse weiter südlich befindet.
Mittags und nachmittags klingen die Niederschläge mit Abzug der höhenkältesten
Luftmasse dort aber schon wieder ab.
Anzusprechen bleibt noch der Wind: An der Südflanke des Hochs hat sich ein
veritabler Gradient aufgebaut, der sich im Tagesverlauf sogar noch ein wenig
verschärft. Die Folge ist ein lebhafter Ostwind, wobei es an den Küsten
verbreitet für steife, im Bereich der Ostsee mit auflandigem Wind, aber auch
über der offenen Nordsee für stürmische Böen reicht. Auch auf den Bergen gibt es
stürmische Böen, exponiert Sturmböen aus Ost bis Nordost.
Die Temperatur macht in dieser Luftmasse natürlich keine allzu großen Sprünge.
Oberhalb von etwa 600 m (also in den Mittelgebirgen, aber auch im höheren
Alpenvorland) kommt sie kaum über 0 Grad hinaus, während im Nordwesten und
Westen bis zu 7 Grad, an der Nordsee vielleicht sogar 8 Grad erreicht werden.

In der Nacht zum Dienstag erreicht der Kaltlufttropfen in etwa den Großraum
Paris, das Höhenhoch verlagert seinen Schwerpunkt, ähnlich wie auch dessen
Pendant im Bodenfeld, etwas nach Nordwesten, zum Europäischen Nordmeer, knapp
östlich von Island. Ein Keil bleibt aber nach wie vor über Mittelskandinavien
hinweg bis ins Baltikum gerichtet.
Nun an der Ostflanke des Kaltlufttropfens gelegen kommt über dem
Vorhersagegebiet von Südosten her kräftige WLA in Gang, die sich zunächst
mitteltroposphärisch, im Süden später auch niedertroposphärisch bemerkbar macht.
Morgens erreicht die Temperatur in 850 hPa über dem Süden Bayerns bereits Werte
um oder knapp über 0 Grad, während sie über der Mitte und dem Norden des Landes
meist zwischen -4 und -7 Grad verharrt. Hebung wird zunächst aber kaum
generiert, so dass die sowieso nur leichten Niederschläge im Laufe der Nacht
weiter nachlassen und es keinen nennenswerten Neuschneezuwachs mehr gibt.
Lediglich in den zentralen und westlichen Mittelgebirgen sowie im Harz können in
den Oststaulagen vielleicht noch 1 bis 3 cm zusammenkommen. Ansonsten bleibt es
- mal abgesehen von einzelnen Schauern an der Ostseeküste und über der Nordsee,
die noch dem weiter nachlassenden Lake Effekt geschuldet sind, aber kaum
nennenswerte Mengen bringen, dazu noch als Regen fallen - vielerorts auch
trocken.
Im Norden bleibt es überwiegend frostfrei, ansonsten muss aber vielerorts mit
leichtem, im südlichen Alpenvorland bei Aufklaren auch mit mäßigem Frost und mit
Glätte durch Überfrieren gerechnet werden.
Warntechnisch von Relevanz bleibt natürlich auch der Wind. Der legt vor allem im
Norden und Osten sogar noch etwas zu, während er im Südwesten (Schwarzwald)
nachlässt. An den Küsten treten häufiger stürmische Böen aus Ost auf, exponiert
über der Nordsee (Helgoland) auch Sturmböen. Auf den Berggipfeln gibt es
ebenfalls stürmische Böen, exponiert Sturmböen, eventuell reicht es auf dem Gr.
Arber im Bayerwald auch mal für eine schwere Sturmböe.

Dienstag... kommt der KLT zunächst nur sehr langsam nordwestwärts voran und
erreicht abends grade so die Normandie. Die WLA an dessen Ostflanke kann sich
vor allem vormittags sogar noch etwas verstärken und somit kommen über Teilen
des Vorhersagegebietes durchaus markante Hebungs- und Aufgleitprozesse in Gang.
Im Gegensatz zu den Vorläufen fahren die Modelle jetzt auch eine etwas
einheitlichere Linie als an den Vortagen, zumindest, was die räumliche
Verteilung der Niederschläge betrifft. Vom östlichen Mittelgebirgsraum aus
weiten sich in den Früh- und Vormittagsstunden über weite Teile Thüringens,
Sachsen-Anhalts und Hessens hinweg rasch Niederschläge westnordwestwärts aus und
erreichen am frühen Nachmittag den Westen Nordrhein-Westfalens sowie weite Teile
Niedersachsens. Die niedertroposphärische Advektion wärmerer Luftmasse macht
hingegen aufgrund der geringen Verlagerungsgeschwindigkeit des KLT nur wenig
Fortschritte, bis zum Abend steigt die Temperatur in der Südhälfte zwar bereits
auf 0 bis 4 Grad, in der Mitte und im Norden verharrt sie hingegen zwischen -2
und -6 Grad. Somit dürften die Niederschläge dort (Ausnahme vielleicht tiefe
Lagen ganz im Westen (Rhein), soweit die Niederschläge dort überhaupt noch
hinkommen) allgemein als Schnee fallen. Naturgemäß ist die Intensität der
Niederschläge aber noch mit leichten Unsicherheiten behaftet. Am meisten
Neuschnee dürfte es in den Oststaulagen der Mittelgebirge geben, welche genau
betroffen sind, ist noch ein wenig unklar. ICON-EU und auch C-D2 legen den
Schwerpunkt eher Richtung Thüringer Wald und Rothaargebirge, später dann vor
allem Harz, wo es durchaus auch Mengen geben sollte, die die markanten
Warnkriterien erfüllen (über 5 cm in 6 bzw. über 10 cm in 12 Stunden). Genau
genommen könnten in exponierten Staulagen sogar Unwetterkriterien (mehr als 10
cm in 6 Stunden) erreicht werden, das spiegelt aber nur die extremsten
Modellösungen wieder und auch die probabilistischen Verfahren geben keinerlei
Hinweise darauf. Nach Lesart des SuperHD wäre das Rothaargebirge eher weniger
betroffen, IFS simuliert generell weniger als 5 mm in 12 Stunden. In den
Niederungen fallen dagegen meist weniger als 5 cm in 6 bzw. 10 cm in 12 Stunden,
zumal die Niederschläge tagsüber auftreten und somit der Bodenwärmestrom und
auch die diffuse Strahlung noch ein Wörtchen mitzureden haben. Dennoch ergebt
sich für einige Regionen auch außerhalb des Mittelgebirgsraumes (Norddeutsche
Tiefebene) zumindest vorübergehend ein durchaus winterlicher Eindruck.
Im Nordosten bleibt es meist trocken, ebenso wie im Süden, wo eventuelle
Niederschläge sowieso als Regen fallen würden.
Der Wind legt - außer in Süddeutschland - sogar noch etwas zu, da sich
vorderseitig des KLT eine flache Tiefdruckrinne über Süddeutschland etabliert,
an den Alpen wird es sogar leicht föhnig. Somit kann es im Norden und Osten auch
in den Niederungen steife Böen aus Ost geben, an den Küsten neben stürmischen
Böen auch einige Sturmböen (Helgoland evtl. sogar Bft 10). Auch auf den
Mittelgebirgsgipfeln (Ausnahme: Schwarzwald und Alpengipfel) gibt es Böen Bft 8
bis 9, exponiert 10.
Die Sonne wird man wohl am ehesten noch im Süden zu Gesicht bekommen, vor allem
an den Alpen, eventuell gibt es auch im Nordosten mal Wolkenlücken. Die
Temperaturen steigen meist auf 0 bis 5 Grad, an den Küsten sowie ganz im Süden
örtlich auch etwas darüber.

In der Nacht zum Mittwoch wandert das Höhentief weiter nach England und die
Hebungs- bzw. Aufgleitprozesse über dem Vorhersagegebiet kommen rasch zum
Erliegen. Das Hochdruckgebiet über dem Nordmeer verlagert seinen Schwerpunkt
wieder ein wenig nach Osten, Richtung Norwegische See. Nach wie vor bleibt ein
Keil bis ins Baltikum gerichtet, der sich sogar noch etwas verstärkt.
Im Bodenfeld füllt sich die flache Tiefdruckrinne über Süddeutschland etwas auf,
so dass der Wind wieder nachlässt. An den Küsten und auf exponierten Berggipfeln
muss aber bis in die Frühstunden noch mit stürmischen Böen aus Südost bis Ost
gerechnet werden.
Die Niedertroposphärische WLA macht jetzt auch über Norddeutschland Fortschritte
und die Niederschläge ziehen nordwestwärts ab. Lediglich im Nordwesten und
Norden werden noch wenige mm simuliert, die wohl teilweise auch in Regen
übergehen. Ansonsten lockern die Wolken von Südosten her gebietsweise auf,
vielerorts bleibt es aber trüb durch Nebel und Hochnebel. Außer ganz im
Norden/Nordwesten gibt es verbreitet (Ausnahme vielleicht auch die
Ballungszentren im Westen/Südwesten) leichten Frost und somit besteht auch
Glättegefahr durch Überfrieren.

Mittwoch... hat das Höhentief seine Eigenschaften als Kaltlufttropfen endgültig
verloren und zieht weiter nach Irland. Die Höhenantizyklone verlagert ihren
Schwerpunkt bis zum Abend etwa zur Haltenbank, so dass auch im Vorhersagegebiet
das Geopotenzialfeld eine zunehmend antizyklonale Kontur annimmt.
Das Bodenhoch befindet sich mit seinem Schwerpunkt abends in etwa über
Südskandinavien und auch im Vorhersagegebiet steigt der Luftdruckweiter. An
dessen Südflanke weht nach wie vor spürbarer Südostwind, an den Küsten von Nord-
und Ostsee kann es noch steife bis stürmische Böen geben, ebenso auf einigen
exponierten Gipfeln.
Die Advektion niedertroposphärisch milder Luftmassen dauert weiter an, in 850
hPa bewegen sich die Temperaturen meist zwischen 0 und 5 Grad. Niederschläge
werden dabei keine mehr simuliert. Vielerorts hält sich angesichts der stabilen
Schichtung (Inversion in etwa 900 hPa) aber eine zähe Wolken- bzw.
Hochnebeldecke. Sonne gibt es natürlich darüber, also in höheren
Mittelgebirgslagen und an den Alpen, aber auch im Lee einiger Mittelgebirge, am
ehesten in Nordrhein-Westfalen.
Die Advektion der milden Luft kann sich natürlich nicht bis in Bodennähe
fortsetzen, somit könnten die Temperaturprognosen einiger Modelle etwas zu hoch
ausfallen. Mehr als 0 bis 4 Grad dürfte es kaum geben, eventuell reicht es in
einigen Nebellöchern Süddeutschlands sogar für leichten Dauerfrost. Etwas milder
bleibt es nur an den Küsten sowie mit Sonne ganz im Westen und an den Alpen.

In der Nacht zum Mittwoch ändert sich an der Verteilung der Geopotenzialgebilde
in 500 hPa nur wenig, auch im Bodenfeld ändert sich kaum etwas, der Gradient
fächert sogar noch ein wenig auf. Der Südostwind lässt somit weiter nach, auch
an den Küsten und auf den Mittelgebirgsgipfeln (Ausnahme: Brocken, Fichtelberg)
reicht es maximal noch für Bft 7.
Ansonsten stehen Nebel, Frost und vor allem im Bergland eventuell noch Glätte
auf der Warnkarte.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen zeigen alle vorliegenden Modelle eine sehr ähnliche
Wetterentwicklung im Kurzfristzeitraum. Die (im Vergleich zu den Vorläufen)
geringer gewordenen Unsicherheiten, die räumliche Verteilung und Intensität der
Schneefälle am morgigen Dienstag betreffend, wurden im Text angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff