DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-06-2016 09:00
SXEU31 DWAV 160800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 16.06.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TM Übergang zu TrM (Tief Mitteleuropa zu Trog Mitteleuropa)

Weitere Schauer und Gewitter, im Südosten einzelne schwere Gewitter (Unwetter)
möglich. In der Nacht und am Freitag von Süd nach Nordost Durchzug eines Tiefs
mit Stark-/Dauerregen. Auch im weiteren Verlauf unbeständig.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines dipolaren
LW-Troges über Westeuropa unter einer leicht antizyklonal konturierten
südwestlichen Höhenströmung. Ausgehend vom nördlichen Teil des LW-Troges
erstreckt sich ein weiterer Trog zonal nach Osten. Seine Achse verläuft derzeit
entlang des deutschen Küstenraums, wird sich im Laufe des Tages aber allmählich
nach Norden verlagern. Korrespondieren dazu findet man im Bodenniveau die Reste
der uns seit Tagen auf Trab haltenden Tiefdruckrinne, wobei die Windkonvergenz
die 12-Meilen-Zone bereits verlassen hat, so dass sich auch im äußersten Norden
südwestliche Wind durchgesetzt haben. Somit und mit Verlagerung des o.e. Troges
gehen dem Norden zwar zwei wesentliche Trigger für Hebung verloren, trotzdem
können sich in der dort befindlichen feuchten (PPW bis knapp 25 mm) und leicht
labil geschichteten (CAPE lokal bis knapp 500 J/kg) Luftmasse vor allem am
Vormittag einzelne Schauer oder Gewitter entwickeln. Dabei sind Starkregen und
auch kleinkörniger Hagel möglich, die Unwettergefahr ist aber sehr gering.
Ansonsten verlagert sich der südliche Teil des dipolaren Troges ostwärts bis
nach Frankreich, wodurch sich die vorderseitige Höhenströmung nicht nur
aufsteilt, sondern auch an Geschwindigkeit zulegt. So bildet sich in 300 hPa ein
Jet aus, der am Abend über den äußersten Westen bogenförmig bis in den Nordosten
reicht. Am Boden bleibt die Angelegenheit gradientschwach, wobei sich
vorübergehend sogar leichter Zwischenhocheinfluss durchgesetzt hat. Gerade in
den mittleren Landeteilen hat sich zudem trockenere Luft durchgesetzt (Td <
10°C, PPW < 20°C), was uns einen ruhigen Vormittag bescheren sollte. Erst im
weiteren Verlauf des Tages setzt sich von Süden her allmählich wieder feuchtere
Luft durch, zudem deutet sich von Westen her die Ausbildung einer neuen Rinne
an, die aber nur schwach ausgeprägt ist. Wie auch immer, zum Nachmittag hin muss
- trotz teilweise starker Bewölkung - im Westen und in Teilen der Mitte mit
konvektiven Umlagerungen gerechnet werden, die meist markant abgewarnt werden
können (Starkregen, kleiner Hagel, stürmische Böen). Ganz ausgeschlossen sind
vereinzelte Unwetter (vor allem durch SR) nicht, da durch die zunehmende
Scherung (vor allem deep layer) organisierte Konvektion und damit eine etwas
längere Lebensdauer etwaiger Zellen ermöglicht. Letztlich bewegen wir uns damit
aber auf dem mehr oder weniger dünnen Eis konzeptioneller Überlegungen, die
manchmal von der Natur regelrecht pulverisiert werden und uns Meteorologen dumm
aus der Wäsche gucken lassen. Kurzum, abgerechnet sprich abgewarnt wird
letztlich in situ auf Basis der aktuellen Entwicklung.
Womit wir im restlichen, bisher noch nicht erwähnten Teilen Deutschlands wären -
dem Süden und dem Osten. Dort setzt mit der zunehmenden Höhenströmung Südföhn in
den Alpen ein, der dort tagsüber auf den Gipfeln Böen bis Stärke 10 Bft bringt
und in einigen Täler - so der Föhn durchbricht - Böen 7 Bft, vielleicht 8 Bft
(eher nach Osten hin). Ein Stück weit handelt es sich bei dem Föhn um eine Art
Dimmerföhn, der - unterstützt durch leichte WLA - recht viel stratiforme
Bewölkung und sogar skalige, sich noch etwas nordwärts verlagernde Regenfälle in
den süddeutschen Raum gebracht hat bzw. bringt, während nach Osten hin
verbreitet die Sonne scheint. Auch am Alpenrand und im Vorland lockert die
Wolkendecke auf, trotzdem scheinen weite Teile des Südens auch tagsüber mit
reichlich Bewölkung zu kämpfen zu haben, was nicht ohne Wirkung auf die Qualität
der dort liegenden Luftmasse bleibt. Die trocknet vor allem in der unteren
Troposphäre zwar ab, der Aufbau größerer ML-CAPE-Werte bleibt aber aufgrund des
fehlenden oder nur reduzierten Energieinputs aus. So zumindest die Lesart von
C-EU im Konvektionsfavoriten, wo lediglich zwischen östlichem Alpenrand und
Bayerischem Wald etwas höherer Labilität (ML-CAPE allerdings unter 1000 J/kg)
aufgebaut wird, die zudem gedeckelt ist. Nun ist - wie gesagt - das Modell ein
Modell und die Atmosphäre sehr selbstständig, will heißen, wir müssen die
Tagesentwicklung abwarten und da scheint die jetzt gerade im SO einsetzende
Entwicklung (Einstrahlung, Druckfall, Advektion von Subtropikluft) nicht ganz
koscher. Immerhin soll die Temperatur in SO-Bayern auf über 25°C steigen,
wodurch auch die Baroklinität zunimmt und möglicherweise eine thermisch direkte
Querzirkulation zwischen der Warmluft und der kühleren Atlantikluft weiter
westlich generiert wird. Kurzum, ab dem Nachmittag ist im südöstlichen Bayern,
zum Abend hin evtl. auch Richtung Erzgebirge ausgreifend mit einzelnen schweren
Gewittern zu rechnen, die aufgrund der hohen Scherungswerte (vor allem deep
layer, zunehmend aber auch low level) recht langlebig sein können (Superzellen).
Es besteht dann auf alle Fälle Unwettergefahr durch Starkregen (> 25mm/h), Hagel
um 3 cm Durchmesser und schwere Sturmböen, sogar die Ausbildung von Tornados
scheint möglich (siehe auch hohes SRH).
Mittlerweile hat sich am östlichen Alpenrand ein kleines Leetief gebildet, das
am Abend und in der Nacht unter Intensivierung via Bayer-/Böhmerwald, Tschechien
und Erzgebirge nord-nordostwärts zieht. Ob es ein Menetekel für das heute Abend
stattfindende EM-Match zwischen D und PL ist, dass das Tief in der 2.
Nachthälfte wahrscheinlich knapp östlich der deutsch-polnischen Grenze zieht,
sei mal dahingestellt.

Tatsache ist, dass es in der Nacht zum Freitag in Verbindung mit der
Tiefverlagerung zu teils kräftigen und gewittrigen Regenfällen kommt. Am
prädestiniertesten dafür ist ein Korridor, der vom westlichen Alpenrand, dem
Hochrhein und dem Bodensee über Teile BWs und Bayerns bis in die östlichen
Landesteile (außer MV, nördliches BB) reicht. Dabei ist gebietsweise Starkregen
von 20 bis 35 mm/6h möglich, lokal auch mehr (Unwetter). Teilweise wird auch das
12h-Dauerregenkriterium von 25 bis 40 mm innert 12h gerissen (für den SW wurde
aufgrund dort bereits angekommenen Regenfälle eine 24h-Dauerregenwarnung
ausgegeben). Im äußersten O und S - quasi auf der warmen Seite Kaltfront -
besteht zunächst noch die Gefahr unwetterartiger Gewitter, während die
Starkregenfälle weiter westlich zwar konvektiv verstärkt sein können, sonst
primär aber Aufgleitprozessen geschuldet sind (günstige Scherung). Nach Abzug
des Tiefs bricht der Föhn in den Alpen zusammen, die darauffolgende Druckwelle
könnte an den Alpen aber noch mal eine kurzzeitige Windauffrischung mit Drehung
auf West bringen.
Nicht außeracht lassen darf man die westlichen und nordwestlichen Landesteile,
wo sich die tagsüber begonnenen konvektiven Prozesse fortsetzen, ja
möglicherweise sogar noch verstärken. Ausgehend vom östlichen Bodentief
erstreckt sich ein Trog weit nach Westen, in dem sich evtl. sogar ein kleines
eigenständiges Sekundärtief bildet. Zwar divergieren die Modellaussagen noch
etwas, es gibt aber durchaus Signale, dass in Verbindung mit den auftretenden
Gewittern und schauerartigen Regenfällen das Unwetterkriterium für Starkregen
(1- oder 6-stündig) überschritten wird - oh what a night...


Freitag... erreicht das Tief bis Mittag unter weiterer Intensivierung den
NW-Zipfel Polens (ICON) mit einem Kerndruck von etwas unter 995 hPa.
Mittlerweile bildet sich das Tief auch zunehmend in der mittleren Troposphäre
ab, so dass am Abend zwei Drehzentren vorliegen - einer über der mittleren
Ostsee und ein zweiter (aus dem o.e. Trog) über der Nordsee. Südlich der beiden
Zentren schwächt sich die zyklonal konturierte Höhenströmung über dem
Vorhersageraum deutlich ab und vollzieht dabei eine Rechtsdrehung auf W-SW.
Auf der W-NW-Flanke des Bodentiefs kommt es im NO zu schauerartig verstärkten
und teils gewittrigen Regenfällen, die lokal das das 6- oder 12-stündige
Stark-/Dauerregenkriterium reißen können, am Nachmittag mit Verlagerung des
Tiefs in Richtung Baltikum aber nachlassen. Ansonsten entwickeln sich in der
mäßig warmen und weiterhin potenziell instabil geschichteten Luftmasse in weiten
Teilen des Landes erneut Gewitter mit der Gefahr von Starkregen, kleinkörnigem
Hagel und stürmischen Böen, lokale Unwetter durch Starkregen nicht
ausgeschlossen.
Bedingt durch die inzwischen von allen Modellen bestätigte eher östlich Zugbahn
des Tiefs bleiben wir sehr wahrscheinlich von der gradientbedingten Starkwind-
respektive Sturmentwicklung weitgehend verschont, hier wird sich der Schwerpunkt
über Polen einstellen. Gleichwohl sind im äußersten O und NO einzelne Sturmböen
nicht völlig auszuschließen, sonst bleibt es bei einigen 7er-Böen (im Bergland
8er-Böen) um W insbesondere im Süden und in der Mitte.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 16 bis 22°C.

Samstag... rückt der Höhentrog von Westen her dichter an unseren Raum heran.
Gleichzeitig strömt auf der Südflanke eines umfangreichen Tiefkomplexes über
Nordeuropa etwas kühlere und stabilere Nordseeluft in den Norden und Nordwesten.
Ansonsten aber haben wir es weiterhin mit mäßig warmer, feuchter und potenziell
instabiler Luft zu tun, die zusammen mit dem Trog bei uns für unbeständiges, von
Schauern und Gewittern geprägtes Wetter sorgt. Aufgrund der etwas abnehmenden
gesamttroposphärischen Feuchte (PPW meist unter 25 mm) sowie etwas Höhenwind (=>
ziehende Zellen) nimmt die lokale Unwettergefahr ab, für markante Gewitter
reicht es aber allemal (Starkregen, kl. Hagel, stürmische Böen).

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Entwicklung wird von den Modellen mittlerweile sehr ähnlich gesehen, vor
allem auch was die Zugbahn des Tiefs angeht. Unterschiede sind nach wie vor bei
den Regenfällen und Gewittern zu erkennen, allerdings scheint eine gewisse
Abmilderung erkennbar (Regenmengen), die sich auch in der Probabilsitik
widerspiegelt. Schwierig dabei auch die Frage, ob man im Warnmanagement mit
Stark- oder Dauerregenwarnungen operiert.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann