DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-11-2018 18:01
SXEU31 DWAV 121800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 12.11.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Bis incl. Dienstag noch zyklonal geprägtes Wetter mit etwas Wind im Norden und
in der Mitte sowie kurzen Gewittern im Norden und Nordosten. Danach Übergang zu
ruhigem Hochdruckwetter bis Sankt Nimmerlein...

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines stark
amplifizierten LW-Troges über dem nahen Ostatlantik, der gerade dabei ist, vor
der marokkanischen Küste abzutropfen. Losgelöst vom Gesamtkonstrukt kann das
nördliche Trogresiduum etwas an Fahrt nach Osten aufnehmen, wodurch es näher an
den Vorhersageraum heranrückt. Gleichwohl verbleiben wir bis Dienstagfrüh auf
seiner Vorderseite unter einer relativ glatt konturierten südwestlichen
Höhenströmung. Mit dieser Höhenströmung wird eine flache Welle im
Bodendruckniveau, die um 15 UTC mit ihrem Scheitel unweit von Hamburg lag,
nordostwärts in Richtung Südschweden gesteuert. Sie soll um 06 UTC -
wahrscheinlich als kleines Wellentief mit abgeschlossener Isobare um 1010 hPa -
knapp westlich der Einfahrt zum Finnischen Meerbusen anlanden.
Derweil hat die zugehörige Kaltfront von Benelux her auf den Westen und
Nordwesten übergegriffen, von wo aus sie zunächst relativ schleppend (man
bedenke die strömungsparallele Exposition der Front sowie eine weitere flache
Welle über Frankreich) südostwärts vorankommt. Erst ab den Frühstunden, wenn das
Trogresiduum dichter an die Front heranrückt, wird sie etwas beschleunigt.
Fakt ist, dass es an der Front respektive auf der kalten Seite (es handelt sich
um eine Anafront) zu Regenfällen kommt, die sich in einem vergleichsweise
schmalen, von Südwest nach Nordost verlaufenden Korridor organisieren. Dabei
regnet es im Südwesten (teils um oder etwas über 10 mm/12 h) stärker als im
Nordosten, wo die 5-mm-Marke meist unerreichbar bleibt. Anfangs sind im
unmittelbaren Vorfeld der Front in der westlichen Mitte sogar noch kurze
Gewitter möglich, ohne dass man in der Analyse aber eine eindeutig von der Front
abgesetzte Konvergenzlinie detektieren konnte. Trotzdem hatte das ganze Muster
heute Nachmittag einen spätsommerlichen Touch, wozu auch die präfrontalen
Temperaturen von örtlich rund 20°C beitrugen.
Im Süden und Südosten, etwa vom Bodensee und dem Alpenrand über Franken bis hoch
zur Lausitz, bleibt es bis zum Morgen weitgehend niederschlagsfrei. Dort bildet
sich bei vielfach gering bewölktem bis klarem Himmel Nebel bzw. vorhandener
Nebel verdichtet sich. Auflockerungen treten auch postfrontal im Nordwesten in
der frisch einfließenden subpolaren Meeresluft auf, in der die
850-hPa-Temperatur auf 2-3°C über null zurückgeht.
Der südliche bis südwestliche Wind, der tagsüber präfrontal an der einen oder
anderen Stelle etwas nachhaltiger aufgebrist ist (Stärke 7 Bft), befindet sich
durch Tagesgang und Gradientauffächerung auf dem Rückzug (ausgenommen einige
exponierte Hochlagen wie z.B. der Brocken). Am frühen Morgen allerdings rafft er
sich vorderseitig eines von Westen heranschwenkenden Bodentrogs über der Nordsee
wieder auf (erste 7er-Böen), die wahrscheinlich aber erst am Vormittag auf das
nordseenahe Festland übergreifen.

Dienstag ... überquert die Kaltfront im Laufe des Vormittags die Südosthälfte,
wobei sich die frontalen Regenfälle allmählich abschwächen. Dahinter fließt
nicht nur ein Schwall subpolarer Meeresluft ein (T850 bei 0°C oder etwas
darüber), es setzt zudem kräftiger Druckanstieg ein (weitgehend KLA-getriggert),
der bis zum Tagesende den Aufbau einer eigenständigen Hochparzelle (> 1030 hPa)
mit Zentrum über Süddeutschland zur Folge hat.
Nicht ganz so flott wie beim Luftdruck läuft es beim Geopotenzial, das etwas
verzögert ansteigt. Zunächst mal erfolgt aber die Passage des o.e. Trogresiduums
von West nach Ost, das wiederum 1:1 mit einem thermischen Trog korreliert ist.
In diesem sinkt die 500-hPa-Temperatur im Norden bis nahe -28°C, was eine
vorübergehende Labilisierung der subpolaren Luftmasse zur Folge hat. Dabei
können sich mit Hilfe des zugegeben nur noch schwachen Tagesgangs ein paar
Schauer entwickeln, vor allem über See, aber auch über der Norddeutschen
Tiefebene. Über der Nordsee sowie im nordostdeutschen Binnenland (dort auf der
Trogvorderseite!) wird sogar etwas CAPE aufgebaut (bis etwa 150 J/kg), so dass
einzelne kurze Gewitter möglich sind, die bei 925-hPa-Winden von 30 bis 40 Kt
mit Böen 7 Bft, vereinzelt 8 Bft einhergehen können.
Darüber hinaus frischt der auf Südwest drehende Wind auf der Nordflanke des sich
über Süddeutschland aufbauenden Hochs gradientbedingt vorübergehend auf, wobei
die Passage eines flachen Bodentroges mithilft. In der Mitte und im Norden
bedeutet das in der Spitze Böen der Stärke 7 Bft - vornehmlich im höheren
Bergland, in Leelagen der betroffenen Mittelgebirge sowie an südwestanfälligen
Flachlandorten. An der Küste sind steife Böen 7 Bft kategorisch (außer in MV, wo
der Wind nur verzögert in die Puschen kommt), auf den Ostfriesischen Inseln, auf
Helgoland sowie an der gesamten schleswig-holsteinischen Nordseeküste reicht es
sogar für stürmische Böen
8 Bft.
Trotz Luftmassenwechsel und nur bedingter Einstrahlung wird es noch mal ziemlich
mild mit Tageshöchstwerten von 10 bis 16°C.

In der Nacht zum Mittwoch dehnt sich nicht nur das Bodenhoch mehr und mehr nach
Norden aus, von Westen her rückt zudem ein sich intensivierender Höhenrücken
über den Vorhersageraum. Damit wird das Setup unweigerlich auf antizyklonal
gestellt und das - hier darf der Verfasser vorgreifen - nicht nur für eine Nacht
und einen Tag.
Tatsache ist, dass die Bewölkung besonders im Süden und in der Mitte auflockert
bzw. ganz verschwindet. Folgerichtig bildet sich gebietsweise Nebel und
Hochnebel, vornehmlich in den prädestinierten süddeutschen Regionen wie z.B. von
den Donauniederungen bis hinunter zum Bodensee. Weiter im Norden verhindern
Wolkenfelder und anfangs noch etwas Wind (an der Küste vor Mitternacht sogar
noch Böen 7-8 Bft) eine nachhaltige Nebelbildung. Dort bleibt die Nacht mit 6
bis 10°C auch noch vergleichsweise mild, während sonst 1 bis 6°C mit der Gefahr
von Bodenfrost auf der Karte stehen.

Mittwoch ... können wir uns drehen und wenden, wie wir wollen, es hilft nichts.
Mitteleuropa respektive Deutschland bekommen es bis auf Weiteres mit einem
potenten Novemberhoch zu tun, das von einem sich noch weiter aufwölbenden
Höhenrücken (als Folge kräftiger WLA vorderseitig einer neuen Austrogung über
dem Ostatlantik) gestützt wird. Der Schwerpunkt des Hochs verlagert sich dabei
geringfügig nach Osten (genau genommen nach Polen), wo es Tuchfühlung zum
Dauerbrennerhoch über Russland aufnimmt. Für Deutschland bedeutet das, dass wir
zunehmend auf die "warme" Westflanke des Hochs gelangen, auf der es teils
advektiv, teils aber auch durch Absinken niedertroposphärisch wärmer wird (um 24
UTC 850-hPa-Werte zwischen 3°C in Vorpommern und bis zu 10°C am Hochrhein). Etwa
zwischen 950 und 850 hPa baut sich eine Inversion auf, die einen schönen Deckel
für die darunter liegende Grundschicht darstellt.
Wettertechnisch bedeutet das unter dem Strich - wenn man mal Teile Nord- und
Nordostdeutschlands rausnimmt, wo einige (teils hohe und mittelhohe)
Wolkenfelder durchrutschen - hopp oder topp. Entweder bleibt es über weite
Strecken des Tages oder sogar ganztägig grau durch Nebel oder Hochnebel oder es
scheint die Sonne. Favorisiert für die freundliche Variante sind die Hochlagen
des süddeutschen Berglands (Alpen, Schwarzwald, bayerischer Wald), das südliche
Alpenvorland sowie allgemein die Leegebiete hinter den aus dem Sektor Ost bis
Süd angeströmten Mittelgebirgen (z.B. weite Teile Westdeutschlands, Thüringer
Becken, Leipziger Tieflandsbucht). Darüber hinaus gibt es bei der von uns
Meteorologen so gerne zitierten Nebellotterie natürlich noch so etwas wie einen
stochastischen Glücksfaktor, der sich in der einen oder anderen, nicht zwingend
kausal erklärbaren Wolkenlücke widerspiegelt. So oder so, trotz Erwärmung in 850
hPa, weiter unten geht es bergab mit der Temperatur. Bei zähem Nebel oder
Hochnebel bedeutet das maximal 5 bis 9°C, sonst 10 bis 14°C.
Windtechnisch ist deutschlandweit weitgehend Flaute angesagt, einzig über der
Deutschen Bucht ist ein mäßiger bis frischer Süd-Südwestwind unterwegs, der den
Helgoländern im schlechtesten Fall eine Bö 7 Bft bringt - was die so was von
überhaupt nicht juckt.

In der Nacht zum Donnerstag ändert sich die Großwetterlage kaum, so dass die
Wetterentwicklung vornehmlich vom Tagesgang geprägt wird. Auf der einen Seite
bedeutet das zurückgehende Temperaturen, und zwar stärker als in den Vornächten.
Vor allem für Teile Bayerns, Thüringens uns Sachsens bedeutet das im Falle
längeren Aufklarens leichten Frost.
Darüber hinaus bilden sich wieder Nebel oder Hochnebel bzw. vom Tage
übriggebliebene Nebelfelder breiten sich aus und verdichten sich.

Donnerstag ... ist die Wetter-Geschichte kurz erzählt. Wir verbleiben unter dem
stabilen, vom zentralen Mittelmeerraum bis nach Südskandinavien reichenden
Höhenrücken, aus dem sich wahrscheinlich genau über dem Vorhersageraum ein
eigenständiges Höhenhoch abspaltet. Rücken und Höhenhoch stützen nach wie vor
einen bis nach Mitteleuropa gerichteten, sich eher noch verstärkenden Keil des
kräftigen Bodenhochs über Russland. Somit stehen die Zeichen hochgradig auf
"antizyklonal", wobei Statistik und Deterministik sehr optimistisch in puncto
"Sonnenschein" sind. Über den Nordosten ziehen anfangs noch einige Wolkenfelder
durch, besonders tapfer muss man aber in den altbekannten Flusstälern und
-niederungen Süd-/Südwestdeutschlands sein (u.a. Donauniederungen bis runter zum
Bodensee, Rheintal), wo sich Nebel und Hochnebel zu dieser Jahreszeit extrem
schwer tun, von der Bildfläche zu verschwinden. Dass es angesichts solch grauer
Rahmenbedingungen auch nicht besonders warm wird, liegt auf der Hand, mehr als 4
bis 8°C sollte man dort nicht erwarten. In den übrigen Regionen steigt die
Temperatur auf 9 bis 13°C.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Entwicklung konsistent und kongruent - was will man
mehr? Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es mit der Verteilung von
Nebel, Hochnebel und Sonnenschein einmal mehr "tricky" wird.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann