DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-11-2018 09:30
SXEU31 DWAV 090800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 09.11.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Sz bzw. SWz (Süd bzw. Südwest zyklonal)

Heute und am Wochenende leicht unbeständig mit zeitweiligen Regenfällen und
mitunter etwas auflebendem Wind, auf einigen Bergen stürmisch. Weiterhin mild.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... sind die Rollen auf der Wetterkarte Europas klar verteilt - hoher
Luftdruck (ZOUHIR) mit Tendenz Muskelaufbau (Druckanstieg) im Osten und
Nordosten, tiefer Luftdruck (ZARMINA) mit Status-Quo-Erhalt (gleichbleibender
Luftdruck) im Westen. Deutschland befindet sich - wieder mal muss man schon
sagen - dazwischen in einer südlichen, mit zunehmender Höhe eher südwestlichen
Strömung, mit der (oh Wunder) vergleichsweise milde Luft aus dem mediterranen
Raum zu uns gesteuert wird. Dass es z.B. heute früh nicht überall mild losgeht
(im äußersten Norden gebietsweise nur wenig über dem Gefrierpunkt) ist weniger
dem Ursprung der Luftmasse als vielmehr einem mixum compositum aus
Bewölkungsarmut, Windschwäche und geringer Tageslänge geschuldet, was in der
Regel zu einer zumindest nächtlichen Abkopplung der Grenzschicht führt.
Ansonsten fällt der Luftdruck aktuell, insbesondere in Norddeutschland, was auf
die Passage eines flachen Bodentroges nach Norden zurückzuführen ist. Auch in
der Höhe schwenkt eine mit dem Bodentrog korrelierende Welle durch, die im
Wesentlich durch WLA getriggert etwas Hebung erzeugt. Das resultierende, als
mesoskalig zu bezeichnende Regengebiet (punktuell heute früh immerhin
Stundenraten bis zu 3 mm) hat große Teile der Norddeutschen Tiefebene passiert
und Nord- und Ostsee erreicht. Es wird das Bundesgebiet spätestens im Laufe des
frühen Nachmittags verlassen. Dahinter hat sich eine weitgehend
niederschlagsfreie (im Süden etwas Nieselregen) Mischung aus unterschiedlich
dichter Bewölkung, Dunst und Nebel gebildet, die unser Tagesbild heute über
weite Strecken prägen werden (was u.a. eine zähe Nebelauflösung impliziert).
Einige Auflockerungen respektive sonnige Abschnitte sind am ehesten im Westen
sowie an den Alpen zu erwarten, aber auch sonst kann man hier und da mal für
einige Minuten Glück haben. Nordöstlich der Elbe allerdings wird es extrem
schwer, den vorhandenen Bewölkungsdeckel zu knacken. Dort stehen mit 8 bis 11°C
auch die niedrigsten Temperaturen auf der Karte, während sonst je nach Bewölkung
und Nebelauflösung 9 bis 15°C, im Westen mit Unterstützung von "Klara"
vielleicht auch etwas mehr angesteuert werden.
Windmäßig tut sich eigentlich nur über der Deutschen Bucht ein bisserl, wo der
Südostwind in Böen Stärke 6 bis 7 Bft erreicht (kleine Warnung für Helgoland).

In der Nacht zum Samstag verändert das umfangreiche Sturmtief ZARMINA über dem
nahen Ostatlantik kaum, wohingegen sich der korrespondierende Höhentrog etwas
nach Süden ausweitet. Auf seiner Vorderseite löst sich ein weiterer, vornehmlich
in 300 hPa sichtbarer Randtrog, der den Vorhersageraum ostwärts überquert. Da er
nur über limitierte Mittel verfügt (etwas PVA auf der Vorderseite bei relativ
schwachem Gradienten), hält sich auch seine Wetterwirksamkeit in Grenzen. Zwar
soll es vor allem nach ICON von Südwesten über die Mitte bis in den Norden hier
und das geringfügig regnen, bei genauerem Hinsehen erkennt man aber, dass dieser
Regen - wenn er denn überhaupt fallen sollte - mitnichten auf der
Trogvorderseite, sondern rückseitig durch schwache WLA induziert wird.
Wichtiger als der potenzielle Regen ist die Tatsache, dass sich durch weiteren
Druckfall der Gradient im äußersten Westen und Nordwesten etwas verschärft.
Folglich erwacht auch der südöstliche Wind aus seiner bis dahin gelebten
Lethargie, was angesichts der stabilen Schichtung aber am ehesten in exponierten
Hochlagen sowie auf der Nordsee zu spüren sein wird. Ob deswegen allerdings
Warnungen herausgegeben werden müssen, ist grenzwertig. Okay, der Brocken als
klassische Windkuppe springt schnell in den Bereich 7-8 Bft, wenn nicht sogar 9
Bft. An der Nordsee heißt Südost ablandig, so dass im Wesentlichen Helgoland
gefährdet ist. Und in exponierten Kamm- und Kuppenlagen der westlichen und
zentralen Mittelgebirge kann man sich angesichts anvisierter 7er-Böen über die
sogenannte Einzelfallentscheidung unterhalten.
Weniger unterhalten muss man sich wahrscheinlich über den Nebel, der sich
besonders in Süddeutschland relativ verbreitet bildet und gebietsweise auch
recht dicht sein wird. In der Mitte ist Nebel eher ein örtliches Phänomen, im
Norden wohl gar keins.

Samstag... wird das hochreichende Sturmtief über dem nahen Ostatlantik leicht
retrograd. Dabei wird es von zwei relativ markanten Sekundärtrögen in der Höhe
umlaufen, von denen sich der eine auf der Rückseite von der Labradorsee kommend
nach Süden orientiert, während der zweite über Frankreich und Benelux Kurs auf
Deutschland nimmt. Dort wird er aber erst in der Nacht zum Sonntag aufschlagen.
Zuvor wandert ein kurzwelliger Rücken (300 hPa) über den Vorhersageraum
ostwärts, was besonders den südlichen und östlichen Landesteilen zugutekommt.
Besonders in und an den Alpen, im Bayerischen Wald sowie im Lee des Erzgebirges
dürften die Löcher in der Wolkendecke so groß und nachhaltig werden, dass sich
die Novembersonne über weite Strecken des Tages der Menschheit zeigen kann.
Ansonsten bedarf es insbesondere im Süden größeren Anstrengungen, Nebel und
Hochnebel zu tilgen, was angesichts eines etwas auflebenden Ost-Südostwindes
zwar schwer und zäh, aber nicht unmöglich ist.
Apropos Wind, trotz leichter Rückzugstendenzen des o.e. Sturmtiefs nimmt der
Gradient bei uns noch etwas zu. Ursache dafür ist der Druckanstieg östlich von
uns, der dem Hoch ZOUHIR über Nordwestrussland zum Tagesende einen Maximaldruck
von etwas über 1045 hPa beschert, was ´ne ordentliche Hausnummer ist. Der
südöstliche Wind legt also zumindest vorübergehend etwas zu, ohne dass daraus
aber eine dolle Warnlage resultiert. Ein paar 7er-Böen in freien bzw. Leelagen
im Westen sowie auf der Nordsee, dazu vereinzelte 8er-Böen auf exponierten
Kuppen (Westen, Mitte) und auf dem Blocksberg als Krönung vielleicht ´ne glatte
"10", vielmehr sollte es nicht geben (okay, Sturmböen auf exponierten
Alpengipfeln hätte der Verfasser fast vergessen). Zwar frischt der Wind auch in
Ostsachsen etwas auf, Stärke 7 Bft dürfte aber nicht erreicht werden.
Am Nachmittag und Abend nimmt der Wind bereits wieder ab, wenn nämlich die
Okklusion des Sturmtiefs auf den Westen übergreift und den Gradienten allmählich
etwas aufweicht. Mit der Front bzw. in dessen Vorfeld greift schon in den
Morgenstunden ein fraktiles Regengebiet auf Westdeutschland über, das sich im
Tagesverlauf etwa bis zu einer Linie Wismarer Bucht-Harz-Schwarzwald
vorarbeitet, wobei das Wort "arbeiten" bewusst gewählt ist. Schließlich haben es
Front und Regen extrem schwer, gegen das blockierende Russlandhoch anzukommen,
so dass sie immer mehr ausgebremst werden nun der Regen zunehmend
auseinanderbröselt. Immerhin können im Westen und Südwesten gebietsweise 5 bis
10 mm, in und um das Saarland herum sogar bis 15 mm innert 12 h fallen.
Mit 10 bis 16°C, in Leelagen mit Sonne etwas darüber, an den lokal Alpen sogar
nahe 20°C wird es einmal mehr "bitterkalt". Kaum auszuhalten ist es in den
Gebieten mit zähem Nebel, wo es schwer wird, die 10°C-Marke zu überschreiten.

In der Nacht zum Sonntag erreicht besagter Sekundärtrog den Vorhersageraum,
allerdings vermag auch er nicht die Okklusion des Sturmtiefs nennenswert nach
Osten voranzuprügeln. Sie bleibt noch weit von Oder und Neiße entfernt,
entsprechend fällt in weiten Teilen Ostdeutschlands ebenso wie im Süden und
Osten des weiß-blauen Freistaats kein oder nur marginaler Regen. Anders die
Situation nach Westen und vor allem Südwesten hin, wo die Front zurückhängt und
in die Warmfronte einer flachen, sich über der Biscaya formierenden Welle
übergeht. ICON reagiert mit einer Intensivierung der Niederschläge, die sich
besonders im Schwarzwald niederschlägt, wo 10 bis 15, lokal bis 20 mm/12 h
fallen sollen. Unterstützung erfährt ICON von EURO4, während IFS kaum über 5 mm
kommt. So oder so, die Mengen bleiben unterhalb der Warnschwelle.
Nebel ist vor allem im Südosten, etwa südlich von Thüringer Wald, Fichtel- und
Erzgebirge ein Thema, Wind/Sturm nur auf exponierten Kamm- und Gipfellagen.


Sonntag... schwenkt o.e. Sekundärtrog ost-nordostwärts hinweg, wodurch die
Höhenströmung mehr und mehr auf Südwest dreht. Dabei interagiert er zumindest
teilweise mit der Bodenfront, die in ihrem Nordteil nun doch bis ins
deutsch-polnische Grenzgebiet gedrückt wird, was angesichts weiteren
Druckanstiegs im Osten (das Hoch plustert sich auf über 1050 hPa auf) eine echte
Leistung ist. Nach Südwesten hin hängt die Front weiterhin zurück, wobei sich
gleich mehrere Wellenbildungen abzeichnen. Die erste zieht von der Biscaya via
Nordfrankreich nordostwärts, die zweite startet über dem Nordwesten Spaniens.
Wettertechnisch bedeutet das für Sonntag unter dem Strich ein recht
unbeständiger Verlauf, in dem sich die Sonne ziemlich rarmacht. Ein paar
Auflockerungen mit orografischer Unterstützung an den Alpen bzw. zwischen
Erzgebirge und Lausitz, ansonsten aber weitgehender Wolkenüberschuss. Dazu fällt
zeitweise teils schauerartig verstärkter Regen, wobei der erste Schub mit der
Okklusion schon im Laufe des Vormittags die östlichen Landesteile erreicht,
bevor später im Westen und Nordwesten neuer Regen Einzug hält (die erste Welle).
In beiden Fällen besteht keinerlei Gefahr, dass Warnschwellen auch nur annähernd
erreicht, geschweige denn überschritten werden.
Anders sieht das beim Wind aus, der sich wirklich Mühe gibt, einen
substanziellen Beitrag zum Sonntagsgeschehen beizusteuern, auch wenn am Ende die
ganz große Nummer ausbleibt. Betroffen sind der Westen, die Mitte (vornehmlich
freie Lagen und das Bergland) sowie die Nordsee (dort vornehmlich die freie See,
weil immer noch ablandiger Wind) mit Böen 7 Bft, in exponierten Hochlagen 8 Bft,
auf dem Brocken bis 10 Bft. Stürmisch bleibt es auch auf einigen Alpengipfeln.

Bei 850-hPa-Temperaturen von 3 (im Norden) bis 10°C (im Süden) und einigermaßen
vorhandener Durchmischung werden in 2m Höhe Werte zwischen 10/11°C in Vorpommern
und bis 17 oder 18°C lokal im Südwesten erreicht.

Am Abend und in der Nacht zum Montag (erste Hälfte) zieht der Trog über den
Norden aus Deutschland raus. Dabei gelangt in den Nordwesten kurzzeitig etwas
höhenkältere Luft (T500 bis zu -25°C), die eine Labilisierung der Luftmasse und
die Produktion konvektiver Umlagerungen bewirkt. Ob dabei auch einzelne kurze
Gewitter herausspringen, wie z.B. von ICON simuliert, bleibt abzuwarten. Der
mittlerweile eigentlich schon eingemottete Konvektionsfavorit zeigt relativ
steile Lapse-Rates und ein gewisses Quantum CAPE (bis etwa 100 J/kg), aber ob
das am Ende reicht?
Ansonsten kommt nach Abzug der ersten Welle über die Nordsee hinweg die
zugehörige Kaltfront von Nordwesten her bis zur Mitte voran, wobei es zu
frontalen, in der Summe weiterhin überschaubaren Regenfällen kommt. Im Süden
bleibt es trocken und es bildet sich das eine oder andere Nebelfeld.

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Groben passt der Anzug, auch im Feinen ist er trotz einiger kleiner Haken
tragbar.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann