DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-06-2016 09:00
SXEU31 DWAV 150800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 15.06.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
T M
Erneut Schauer und Gewitter, örtlich eng begrenzt mit unwetterartigem
Starkregen. Ab Donnerstagabend von Südwesten auf den Nordosten und Teile der
Mitte übergreifend Unwetter durch ergiebigen Dauerregen bzw. Starkregen;
außerdem vor allem im Bergland Gefahr von Sturmböen.


Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... liegt Deutschland an der Vorderseite eines Langwellentroges, dessen
Hauptachse über Westeuropa verbleibt. Aus diesem Trog läuft ein kurzwelliger
Anteil heraus, der Deutschland nach Nordosten schwenkend überquert und bis zum
Abend etwa den Mittelgebirgsraum erreicht. Die flache Tiefdruckrinne, in welcher
sich gestern die maximale konvektive Aktivität abspielte, wird allmählich nach
Nordosten gedrückt, so dass sich der Schwerpunkt der Konvektion in diese Region
verschieben sollte. Dort ist mit einem Gehalt an niederschlagbarem Wasser die
Luftmasse auch am feuchtesten.
In den anderen Gebieten ist die Luftmasse zwar weniger wasserhaltig, aber dafür
nicht weniger labil; zudem kommt über dem Westen und dem Mittelgebirgsraum sowie
etwas südlich davon auch noch die Dynamik ins Spiel. Als Ergebnis wird auch in
diesen Regionen hochreichende Konvektion ausgelöst.
Die heftigsten Entwicklungen zeichnen sich für den Norden und Nordosten
Deutschlands ab. Da aber Starkniederschläge bis hin zum Unwetter nur kleinräumig
auftreten, wäre die Ausgabe einer Unwettervorabinformation nicht gerechtfertigt,
zumal dies für den gesamten Norden und Nordosten erfolgen müsste.
Auflockerungen sind im Süden noch am wahrscheinlichsten. Durch die Überströmung
der Alpen ergibt sich dort ein leicht föhniger Einfluss. Die
Tageshöchsttemperaturen erreichen je nach Sonnenscheindauer 17 bis 23 Grad.
In der Nacht zum Donnerstag erreicht der kurzwellige Anteil des westeuropäischen
Troges den äußersten Norden und Nordosten, wodurch die Tiefdruckrinne sich
ebenfalls in diese Regionen verlagert. Vor allem im Bereich einer Konvergenz,
die in diese Tiefdruckrinne eingelagert ist, kann es weiterhin zu
Starkniederschlägen bis hin zum Unwetter kommen. Am wahrscheinlichsten sind
derartige Entwicklungen im Ostseeküstenbereich.
In den anderen Gebieten setzt sich vorübergehend leicht antizyklonaler Einfluss
durch. Allerdings lässt Warmluftadvektion ausgangs der Nacht im Südwesten erneut
Niederschläge aufkommen.

Donnerstag... schwenkt der o.g. Langwellentrog in seinem Südteil etwas nach
Osten, wobei erneut die Ablösung eines Anteils ansetzt. Dieser saugt Warmluft
von Nordafrika an, die über dem westlichen Mittelmeer mit Feuchte angereichert
wird und nach Südeuropa gelangt. Dieser Prozess geht mit einer Aufsteilung der
Strömung und deren Verschärfung einher, wodurch sich an den Alpen und dort vor
allem zum östlichen Alpenrand hin eine Föhnlage einstellt. Auspumpen führt dann
auf der Alpennordseite zu Luftdruckfall. Dabei sollte dort die föhnbedingte
Austrocknung wirksam werden. Ein geringerer Wassergehalt dürfte dann auch im
Nordosten die Konvektion etwas im Zaume halten. Dort ist zwar die Schichtung
auch labil, aber die Labilität ist gedeckelt.
In den anderen Gebieten, d.h. im Norden, Nordwesten, Westen und Südwesten sowie
zum Teil auch in den mittleren Regionen kommt, gestützt durch den Tagesgang und
die ohnehin noch aus vorherigen Niederschlagsereignissen vorhandene Feuchte
sowie mit Hilfe der Orografie erneut hochreichende Konvektion in Form von
Schauern und Gewittern bis hin zum Unwetter in Gang. Das Ganze wird durch die
zunehmende hochreichende Scherung noch begünstigt, was die Entwicklung
längerlebiger Strukturen fördert. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 18 bis
24 Grad.
In der Nacht zum Freitag schwenkt ein kurzwelliger Anteil des Troges über die
Alpen hinweg nordwärts und induziert eine Zyklogenese. Das resultierende
Bodentief wird nach Nordosten gesteuert und erreicht ausgangs der Nacht
Westpolen. Insgesamt wird dieses Tief schwächer simuliert als noch von den
Vorläufen. Dennoch sind an der Westflanke Niederschlagssummen von mehr als 50 mm
innerhalb von 12 Stunden zu erwarten, die sicherlich in deutlich kürzeren
Zeiträumen fallen.
Die westlichen Regionen Deutschlands sollten von dieser Entwicklung nicht
betroffen sein.

Freitag... gelangt Deutschland zusehends in den Bereich des o.g.
Langwellentroges. Das zuvor genannte Bodentief wird vom Nordwesten Polens bis in
die Ostsee vor Südschweden gesteuert. Folglich verlagern sich die
Starkniederschläge (mit Summen bis etwa 50 mm innerhalb weniger als 12 Stunden)
in den Nordosten Deutschlands. Da die Schichtung dort hinreichend labil ist
(CAPE erreicht mehr als 1000 J/kg) dürfte es sich im wesentlichen um
Starkniederschläge handeln, wobei die genannten Niederschlagssummen in deutlich
kürzerer Zeit zustande kommen.
Aber auch in den anderen Gebieten wird die Konvektion, gestützt durch den
Tagesgang, wieder aufleben, wobei erneut Entwicklungen bis hin zum Unwetter
vorstellbar sind.
Auflockerungen sind im Süden noch am wahrscheinlichsten. Dennoch sollten,
bedingt durch das Übergreifen des Troges, die Temperaturen etwas zurückgehen.
Als Maxima sind 16 bis 22 Grad zu erwarten.
In der Nacht zum Samstag weitet sich der Trog, dessen Achse nunmehr unmittelbar
westlich von Deutschland liegt, eher nach Süden aus als dass er nach Osten
vorankommt. Kaltluftadvektion sorgt für einen leichten Druckanstieg. In
Verbindung mit dem Tagesgang sollte dann die Konvektion weitgehend zum Erliegen
kommen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Entwicklung wird von den Modellen ähnlich simuliert, hier
ergeben sich keine prognoserelevanten Unterschiede.
Problematisch sind nach wie vor die Vorhersagen bzgl. des auf Vb-ähnlicher
Zugbahn vom östlichen Alpenrand nordostwärts ziehenden Tiefs. Die Ergebnisse
einiger Modelle sind gegenüber weiter zurückliegenden Läufen nicht
wiederzuerkennen. So ist bei COSMO-EU dieses Tief nahezu komplett verschwunden.
ICON zeigt einen um 10, später um etwa 5 hPa höheren Kerndruck und lässt dieses
Tief zudem um ca. 200 km weiter östlich nach Nordosten ziehen. Die Aussagen
bzgl. des zu erwartenden Niederschlags sind an ICON angelehnt.
GFS zeigt eine Verlagerung von Niederbayern über die Lausitz hinweg zum
Oderhaff, aber erst dort wird der Kerndruck der Prognosen weiter zurückliegender
Modellläufe erreicht. In den östlichen Mittelgebirgen sowie entlang der Zugbahn
dieses Tiefs wären dann auch Böen bis Sturmstärke vorstellbar. In einem Streifen
von Nordsachsen bis nach Vorpommern werden Niederschlagssummen zwischen 40 und
80 mm innerhalb von 6 Stunden simuliert, was bei einem derartigen Szenario
durchaus realistisch wäre.
Nach APREGE, dem französischen Regionalmodell, würden aufgrund der weiter
östlich liegenden Verlagerung nur in der Lausitz bis etwa 50 mm innerhalb von 6
Stunden zusammenkommen. HIRLAM stützt dagegen die Version des GFS. Eine ähnliche
Version hat das Modell des kanadischen Wetterdienstes zu bieten.
EU4 hatte zumindest bei seinem 18 UTC-Lauf eine kräftige Entwicklung noch im
Programm. Auch der EZMW-Lauf von gestern, 12 UTC, zeigte weiterhin Verlagerung
entsprechend der an den Vortagen gezeigten Zugbahn über den Nordosten
Deutschlands hinweg nordwärts, also etwas weiter westlich noch als GFS. Der
aktuellste Lauf des EZMW ist gegenüber dem 12 UTC-Lauf sehr konsistent, d.h.
EZMW zeigt damit das schadensträchtigste Szenario mit Niederschlagssummen bis
etwa 80 mm (wobei nicht vergessen werden darf, dass von EZMW
Starkniederschlagsereignisse eher etwas zurückhaltend behandelt werden. Dies
lässt sich auch aus den von COSMO-LEPS prognostizierten Niederschlagssummen
ableiten. Demnach wären bis etwa 60 mm Niederschlag innerhalb von 6 Stunden
möglich.
Mit anderen Worten ausgedrückt - die Verlagerung des Tiefs und dessen Intensität
sind noch sehr unsicher, was in den entsprechenden Bulletins auch zum Ausdruck
gebracht werden sollte. Keinesfalls sollte dieses Tief bereits abgeschrieben
werden; hier sind mit den folgenden Modellläufen sowohl zur einen als auch zur
anderen Seite hin noch Überraschungen möglich.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann