DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

30-10-2018 17:01
SXEU31 DWAV 301800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 30.10.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nachts vor allem im Norden noch stürmisch mit schweren Sturmböen an der Nordsee.
An den Alpen ab Mittwochnachmittag vorübergehend wieder auflebender Föhn. Sonst
verhältnismäßig ruhiges Wetter und mild.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland im Einflussbereich eines kleinräumigen,
aber hochreichenden Tiefdruckgebietes über der südwestlichen Nordsee, das sich
im Laufe der Nacht nach Südnorwegen verlagert und dabei sowohl in der Höhe an
Kontur verliert (es wird praktisch von einem Trog südlich von Island eingefangen
und als Randtrog weitergeführt) als auch im Bodenfeld allmählich auffüllt.
Während die Kaltfront das Vorhersagebiet inzwischen nordostwärts überquert hat,
wird in der mittleren Troposphäre von der Grundschicht abgekoppelt Warmluft um
den Kern des Tiefs herum an dessen Südflanke geführt, die dort auf die
niedertroposphärisch nach Westdeutschland und zunehmend auch in die Mitte
advehierte subpolare Meeresluft (vorübergehend bis -4 Grad in 850 hPa,
inzwischen hat sich die Erwärmung auch in diesem Niveau durchgesetzt und die
Temperatur ist dort auf etwa 0 Grad gestiegen) aufgleitet. Die Folge waren
Schneefälle meist leichter, vorübergehend auch mäßiger Intensität, westlich des
Rheins sogar bis in Lagen um oder knapp unter 300 m herab, inzwischen ist die
Schneefallgrenze aber wieder am Ansteigen und mit Abzug des Tiefs klingen die
Niederschläge nun von Süden her ab, am ehesten kann es noch im Oberharz etwas
schneien.
Im Fokus der Warntätigkeit steht somit weiterhin der Wind. Unterstützt durch das
Aufgleiten hat sich an der (bisher markanten, allerdings nun rasch schwächer
werdenden) Inversion in etwa 900 bis 800 hPa an der Südflanke des Tiefs ein
markanter Low Level Jet (60 bis 70 kn) ausgebildet, der sich im Laufe der Nacht
über den Westen des Landes hinweg nordwärts verlagert, sich dann später aber
ebenfalls abschwächt. Aufgrund der recht stabilen Schichtung können diese
Geschwindigkeiten zunächst nicht bis nach unten runtergemischt werden, dennoch
reicht es zunächst vor allem im Westen und in der Mitte des Landes noch
verbreitet für steife, vereinzelt stürmische Böen, exponiert für Sturmböen, auf
exponierten Gipfeln schwere Sturmböen, auf dem Brocken und dem
Feldberg/Schwarzwald anfangs eventuell sogar noch für Orkanböen. Im Laufe der
Nacht wird das Sturmfeld nach Norddeutschland geführt, wobei sich aufgrund des
etwas markanteren Druckanstiegs in Süddeutschland (der mehr und mehr in den
Einflussbereich eines von Süden her nähernden Höhenrückens gelangt) der Gradient
dort noch etwas verschärft und zudem die Schichtung nicht mehr so stabil ist,
die Windgeschwindigkeiten des sich allerdings abschwächenden Low Level Jets
besser runtergemischt werden können. Die Folge sind etwa ab Mitternacht im
Nordseeumfeld Sturmböen, exponiert schwere Sturmböen. Icon_EU hatte in den 00
und 06 UTC-Läufen auch orkanartige Böen auf der Agenda, diese wurden im
aktuellen Lauf aber deutlich zurückgenommen. . An der Ostsee reicht es meist nur
für Sturmböen, im angrenzenden Binnenland für steife bis stürmische Böen. Mit
Abzug des Tiefs lässt dann allerdings ab den Frühstunden der Wind von Süden her
weiter nach. In der Mitte und im Süden spielt der Wind spätestens ab Mitternacht
keine große Rolle mehr, lediglich auf exponierten Berggipfeln kann es noch
stürmische Böen geben.
Ansonsten lockern die Wolken im Süden und in der Mitte, später auch im Norden
rasch auf, lediglich Richtung Küsten bleibt es bis morgens meist stark bewölkt,
wobei dann aber auch dort die meist leichten Regenfälle nachlassen. Im Westen
und Südwesten macht sich bald schon wieder WLA, die den Rücken überläuft, anhand
hoher und mittelhoher Wolkenfelder bemerkbar. Vor allem im Süden und in den
Mittelgebirgen kann es bei längerem Aufklaren leichten Frost und in den höheren
Mittelgebirgslagen Westdeutschland auch Glätte geben.

Mittwoch ... schwenkt der oben erwähnte, sich aufgrund von WLA vorderseitig
eines aus dem westeuropäischen Langwellentrog über der Iberischen Halbinsel
austropfenden Höhentiefs vorübergehend sogar noch etwas verstärkende Höhenrücken
über Frankreich und den Alpenraum hinweg nordwärts, beginnt aber bereits am
Nachmittag und Abend wieder abzuflachen, wobei sich die südliche Überströmung
der Alpen dann erneut verstärken kann.
Im Bodenfeld schwenkt ein Keil des kräftigen osteuropäischen Hochdruckgebietes
ebenfalls über das Vorhersagegebiet nordwärts, ehe später an den Alpen mit
wieder auflebendem Föhn erneut Druckfall einsetzt.
Mit Annäherung des Hochkeils fächert auch im äußersten Norden der Gradient
weiter auf und der Wind lässt am Vormittag rasch nach. Dann steht ein
warntechnisch ruhiger Tag ins Haus. Lediglich auf exponierten Gipfeln einiger
Mittelgebirge und der Alpen kann es noch steife bis stürmische Böen aus Süd bis
Südost geben. Nachmittags und abends legt dann der Föhn an den Alpen wieder zu
und es gibt dort auf den Gipfeln Sturmböen, abends in föhnanfälligen Tälern
eventuell auch steife Böen.
Vor allem über die Westhälfte ziehen zeitweise recht dichte mittelhohe
Wolkenfelder, die der WLA geschuldet sind und mit der Warmfront eines von
Katalonien zur Biskaya ziehenden Tiefs in Zusammenhang stehen. Eventuell fällt
dort auch gebietsweise etwas Regen. Nach Osten zu scheint dagegen häufig die
Sonne. Auch niedertroposphärisch verstärkt sich die WLA, in 850 hPa steigen die
Temperaturen bis zum Abend auf 1 Grad ganz im Norden und 10 Grad im
Alpenvorland, was Höchstwerte zwischen 9 Grad im äußersten Westen und knapp 17
Grad in der Lausitz sowie stellenweise am Alpenrand zur Folge hat.

In der Nacht zum Donnerstag ist der Höhenrücken als solcher zwar kaum mehr
auszumachen, die südliche Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet bleibt aber
leicht antizyklonal konturiert. Das abgetropfte Höhentief zieht allmählich zu
den Pyrenäen, das korrespondierende Bodentief nach Südwestengland, wodurch sich
im westlichen Mitteleuropa der Druckfall weiter verstärkt, morgens erstreckt
sich eine Tiefdruckrinne von der westlichen Nordsee bis zur französischen
Biskayaküste. Infolgedessen legt auch der Föhn an den Alpen noch etwas zu, was
in schweren Sturmböen aus Süd auf exponierten Gipfeln und einzelnen steifen bis
stürmischen Böen aus Südost in föhnanfälligen Tälern mündet. Ansonsten reicht es
wohl lediglich in exponierten Lamm- und Gipfellagen einiger Mittelgebirge für
steife bis stürmische Böen, meist aus Südost.
In der Westhälfte bleibt es aufgrund anhaltender WLA und in der Nähe zur
Tiefdruckrinne meist stark bewölkt und gebietsweise fällt auch etwas Regen. Nach
Osten zu zeigt sich der Himmel teilweise noch gering bewölkt. Dort kann sich
stellenweise Nebel bilden. Die Frostgefahr ist allgemein gering und beschränkt
sich wohl auf Mulden und Senken der östlichen und südöstlichen Mittelgebirge
sowie auf einige Alpentäler.

Donnerstag ... wird das Höhentief wieder vom westeuropäischen Langwellentrog
eingefangen und als Randtrog bis zum Abend nach Ostfrankreich geführt. Die
Tiefdruckrinne über dem westlichen Mitteleuropa rückt uns somit etwas näher auf
die Pelle, bleibt mit ihrer Achse aber weiterhin westlich des
Vorhersagegebietes. An den Alpen dauert der Föhn zunächst noch an. Mit
Annäherung des Randtroges wird das Lee-Tief allerdings am Nachmittag oder Abend
nach Norden geführt und der Föhn bricht von Westen her zusammen. Vorher kann es
auf den Bergen noch schwere Sturmböen und in einigen Tälern stürmische Böen
geben. Auch in den ostbayerischen und östlichen Mittelgebirgen lebt der Wind aus
Ost bis Südost etwas auf und es kann ebenfalls Böen Bft 7 bis 8 geben.
Die restliche "Wettergeschichte" ist rasch erzählt: Im Westen und Südwesten
fällt in der Nähe zur Rinne bzw. rückseitig des Lee-Tiefs aus meist dichten
mittelhohen Wolken zeitweise leichter Regen (wenige mm in 12 Stunden), sonst
bleibt es trocken, wobei die Wolken auch in der Osthälfte allmählich häufiger
und etwas dichter werden. Dennoch scheint dort noch häufiger die Sonne, ebenso
an den Alpen. Die niedertroposphärische WLA schwächt sich mit Annäherung der
Rinne ab, die Temperatur in 850 hPa bewegt sich abends zwischen 3 Grad an der
Mosel und noch knapp 12 Grad in Südostbayern. Entsprechend werden Höchstwerte
zwischen 10 und 16 Grad erwartet, in der Oberlausitz und an den Alpen mit
Föhnunterstützung gebietsweise auch bis 18 Grad oder gar knapp darüber.

In der Nacht zum Freitag zieht der kurzwellige Randtrog von Ostfrankreich nach
Nordwestdeutschland, die Achse des Haupttroges greift derweil auf
Kontinentaleuropa über und erstreckt sich morgens vom Europäischen Nordmeer über
die Nordsee, Benelux und Frankreich bis zur algerischen Mittelmeerküste.
Die dem Trog vorgelagerte Tiefdruckrinne bzw. die dort eingelagerte Kaltfront
erreichen morgens die Deutsche Bucht und Benelux, im Vorfeld fällt im Westen und
Südwesten, zunehmend auch im Nordwesten weiterhin zeitweise Regen, der sich noch
etwas verstärkt, ICON-EU simuliert gebietsweise mehr als 5 mm.
Der Wind frischt wieder etwas aus Südwest auf, für warnrelevante Böen reicht es
aber wohl nur auf exponierten Mittelgebirgsgipfeln und mit Frontpassage in den
Frühstunden eventuell auch an der Nordsee.
Im Süden und Osten verläuft die Nacht noch teils aufgelockert bewölkt, vor allem
im Osten simulieren GFS und IFS (allerdings von 00 UTC) auch leichten Regen. Die
Nebel- und Frostgefahr bleibt somit gering.

Freitag ... greift der Trog auf den Westen/Nordwesten des Vorhersagegebietes
über, wird aber durch den markanten Rücken über Osteuropa blockiert und beginnt
erneut, über dem westlichen Mittelmeer auszutropfen.
Im Bodenfeld kommt die Kaltfront des sich mittlerweile über dem mittleren
Skandinavien etablierten Bodentiefs somit nur zögernd südostwärts voran und
erreicht abends in etwa eine Linie Eifel-Vorpommern. Rückseitig schiebt sich
bereits wieder ein Hochkeil zur Nordsee und nach Benelux vor, so dass die Front
von recht kräftigem Druckanstieg überlagert wird und sich deren
Wetterwirksamkeit auf nur leichte Niederschläge im Westen und Norden des Landes
beschränkt (meist weniger als 5 mm in 12 Stunden). Auch der Gradient fächert
zusehends auf, lediglich an den Küsten reicht es anfangs noch für einzelne Böen
Bft 7 aus Südwest, nach Frontpassage Nordwest, auf Brocken und Fichtelberg
eventuell auch für Bft 8 bis 9.
Im Süden und Osten dominiert weiterhin Hochdruckeinfluss, so dass sich zwar auch
dort zeitweise dichtere Wolkenfelder breit machen, zwischendurch aber immer
wieder die Sonne scheint und es trocken bleibt.
Postfrontal gelangt ein Schwall erwärmter maritimer Polarluft nach
Nordwestdeutschland, die Temperatur in 850 hPa sinkt auf -1 bis -4 Grad, während
sie sich sonst zwischen 1 und 4 Grad bewegt. Entsprechend liegen die Höchstwerte
zwischen 8 und 14 Grad, in der Lausitz vielleicht auch knapp darüber.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Kurzfristzeitraum zeigen alle Modelle eine sehr ähnliche Wetterentwicklung.
Kleinere Differenzen ergeben sich noch bei der Windentwicklung. ICON-EU ist
dabei von der "Extremlösung" im Nordseeumfeld (verbreitet Bft 11) abgerückt und
hat sich somit IFS und GFS etwas angeglichen, hat aber noch immer die höchsten
Windgeschwindigkeiten auf der Karte.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff