DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-10-2018 18:01
SXEU31 DWAV 291800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 29.10.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Tiefpassage auf ungewöhnlicher Zugbahn; über Westdeutschland nach Norden.
Föhnsturm in Alpen und Erzgebirge, Sturmböen an der See. Dienstag Sturmfeld vom
Westen über die Mitte nach Nordosten.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... liegen wir in einer südlichen Höhenströmung auf der Vorderseite
eines Troges über Westeuropa. Dabei schwenkt ein markanter Randtrog von
Südfrankreich nordwärts nach Benelux. Dabei schafft das Bodentief den Sprung
über die Westalpen in den SW Deutschland und zieht zum Morgen mit Kern Richtung
Belgien.
Diverse hochauflösende Modelle deuten weiter östlich einen zweiten Kern an, der
sich über den Süden des Vorhersageraums zur Mitte verlagern soll.

Mit dem Randtrog steht nachts der Höhepunkt des Föhnorkans in den Alpen an und
es treten auf einigen Gipfeln extreme Orkanböen um 150 km/h auf.

Unabhängig vom genauen Aussehen des Bodendruckfeldes verschärft sich der
Gradient auf der Ostflanke des Haupttiefs in der Südhälfte und der Wind dreht
auf Südost. Darüber entsteht ein Low-Level-Jet, der mit 60 bis 70kt in 850 hPa
von Tschechien über den Erzgebirgskamm hinwegfegt.
Böen dieser Stärke werden bei stabiler Schichtung nicht nach unten gemischt, in
Kammlagen reicht es dennoch für Böen 10 Bft, evtl. sogar 11 Bft und im Lee bzw.
in den Tälern für Sturmböen 8-9 Bft, vereinzelt 10 Bft.

Ansonsten frischt der südöstliche Wind im Süden auf mit Böen 7-8 Bft, exponiert
9 Bft. Auf den Berggipfeln werden vermehrt 10er-Böen, vereinzelt 11er-Böen
(Bayerischer Wald), in den Alpen (extreme) Orkanböen 12 Bft (bis 180 km/h oder
sogar mehr) erreicht.
In den Föhntälern stehen (schwere) Sturmböen 8-10 Bft auf der Karte, selbst eine
orkanartige Böen 11 Bft kann nicht ausgeschlossen werden.
Stürmisch bleibt es auch an der See mit Böen 8-9 Bft um Ost, wobei an der Ostsee
tendenziell eher eine Abnahme, an der Nordsee hingegen noch eine leichte Zunahme
erkennbar ist.
Mit dem auffrischenden, auf Südost bis Süd drehenden Wind erfolgt in der Nacht -
entgegen "normaler" Gepflogenheiten - in weiten Teilen des Landes eine
Erwärmung. Die kalte Grundschicht wird ausgeräumt und es kommt zu ungewöhnlichen
Temperaturverläufen, besonders im Osten und Südosten. Von abendlich einstelligen
Werten, geht es bis Dienstag früh rauf auf zweistellige Werte von bis zu 15°C
oder mehr. Auch nahe 20 Grad sind am Morgen im Lee des Erzgebirges wohl nicht
völlig ausgeschlossen.

Im Westen und Südwesten dagegen fließt hinter der zum Tief gehörigen Kaltfront
subpolare Meeresluft ein (T850 leicht negativ, im Osten dagegen
stellenweise um 15°C), die sogar leicht labil geschichtet ist. Dabei kommen
schauerartige Niederschläge auf, die in Lagen oberhalb 400-600 m als Schnee oder
Schneeregen fallen und besonders in höheren Lagen zu Glätte führen können. Auch
ein kurzes Gewitter kann nicht ganz ausgeschlossen werden (Höhenkaltluft mit
Passage des Höhentiefs).

Dienstag ... verlagert sich das Höhentief bis zum Abend in die süöstliche
Nordsee, während das zugehörige Bodentief mit rund 985 hPa Kerndruck westlicher
positioniert sein dürfte. Die zugehörige, wettermäßig limitierte Kaltfront
passiert den Vorhersageraum rasch ostwärts, so dass am Ende lediglich im
äußersten Südosten sowie im Nordosten noch Reste der warmen (Föhn)Luft zu finden
sind (T850 aber auch nur noch 7-9°C). Ansonsten stößt auf der Südflanke des sich
entfernenden Tiefs subpolare Meeresluft vor (T850 0 bis -4°C). Der allerdings
rasch um das Tief herumgeholte Warmluft in den Südwesten und Westen folgt (T850
um 0°C), die dort zu skaligen
Niederschlägen führt. Je nach Tageszeit und Intensität könnte es zumindest
vorübergehend mal bis 400 m hinab schneien, bevor die Schneefallgrenze durch den
Tagesgang, andauernde WLA bzw. sich abschwächende Niederschläge ansteigt.
Im Focus bleibt aber der Wind. Zwar bricht der Föhn von Westen im Laufe des
Morgens bzw. des Vormittags nach KF-Passage und mit Durchgang einer
Druckwelle zusammen (beginnend in der zweiten Nachthälfte), auf den Bergen
bleibt es aber stürmisch. Dafür kommt es an der Süd- und Südostflanke des Tiefs
zu einer starken Gradientzunahme.
Los geht es im Südwesten und Westen mit Böen 7-8 Bft, in höheren Lagen teils 9
Bft aus Süd bis Südwest, Tendenz mit Tagesgang und dem Übergreifen eines
Low-Level-Jets unmittelbar auf der Südflanke des Tiefs zunehmend. Im
Tagesverlauf breitet sich das Starkwind- bzw.- Sturmfeld langsam über die Mitte
nach Norden aus. ICON hat sich in seiner 12 UTC Lösung der 00 UTC Variante des
IFS angenähert. C D2 legt weiter die forscheste Gangart an den Tag.
Während man in der Westhälfte sonnentechnisch in die Röhre schaut, sieht es nach
Osten hin diesbezüglich besser aus. Dabei steigt die Temperatur im Laufe des
Vormittags weiter an, bis spätestens am Mittag teilweise die 20°C-Marke geknackt
wird. Danach geht es mit der einfließenden Subpolarluft wieder bergab. Im Westen
und Südwesten liegen die Temperaturen im einstelligen Bereich.

In der Nacht zum Mittwoch entfernt sich das Sturmtief langsam von der westlichen
Nordsee in Richtung Norden und füllt sich auf. Dabei verlagert sich auch das
Sturmfeld mehr und mehr in den Norden. Dort muss dann verbreitet mit Böen 8 Bft,
vereinzelt 9 Bft aus Südwesten gerechnet werden. An und über der Nordsee droht
sogar ein schwerer Südweststurm mit Böen 10 Bft, exponiert vielleicht sogar 11
Bft. Der Brocken bietet vorübergehend sogar Orkanböen an, was dort aber jetzt
nichts so Besonderes ist.
Ansonsten beruhigt sich die Windsituation von Süden her deutlich, zudem
verlagert sich der Niederschlag bei steigender Schneefallgrenze nordwärts. Im
Süden lockert die Wolkendecke teilweise auf, örtlich bildet sich Nebel. Außerdem
muss dort an der einen oder anderen Stelle mit leichtem Frost gerechnet werden.

Mittwoch ... wird die südliche Höhenströmung wieder deutlich antizyklonaler mit
Übergreifen eines flachen Höhenrückens von Süden her. Auch am Boden baut sich
ein von Ost nach West gerichteter Keil auf, der vom Hoch über Osteuropa ausgeht.


Im Zusammenspiel mit von Osten bzw. Süden einfließender milder und teils
trockener Luft lockert die Wolkendecke besonders in der Osthälfte häufiger und
auch nachhaltig auf, wobei dort die Temperatur auf 13 bis 16°C steigt. Ansonsten
bleibt es mehr oder weniger bewölkt durch Warmluftadvektion, die den Rücken
überläuft mit ein paar Tropfen im Westen bei 9 bis 14°C.

Der anfänglich im Küstenraum noch auftretende Sturm legt sich bis spätestens zum
frühen Nachmittag, dafür stellt sich in den Alpen erneut Föhn ein (Gipfel 8-9
Bft, Zugspitze vielleicht 10 Bft).
In der Nacht zum Donnerstag ändert sich nichts Substantielles. Eine Bodenrinne
weitet sich von Frankreich zur Nordsee hin aus und verursacht ganz im Westen
vielleicht kompaktere Bewölkung und vereinzelt geringen Regen. Sonst bildet sich
bei stark aufgefächertem Druckgradienten stellenweise Nebel. Nur an der See sind
anfangs noch stärkere Böen Bft 7 möglich, während der Föhn in den Alpen sogar
noch leicht zulegen kann mit Bft 10 bis 11 auf einigen Gipfeln.

Donnerstag ... nähert sich der Trog von Westeuropa etwas an, allerdings unter
Verkürzung seiner Wellenlänge und bei langsamer Abschwächung. Vorderseitig fällt
der Bodendruck langsam weiter und von Westen her nähert sich eine Tiefdruckrinne
mit eingelagerter Okklusion. Diese bleibt aber außen vor, was aber nicht
bedeutet, dass es nicht über dem Westen aus starker Bewölkung doch zu leichtem
Regen reicht, der ausgelöst wird von positiver Vorticityadvektion schwacher,
kurzer Wellen.

Nach Überströmen der Alpen gelangt von Süden insgesamt recht trockene Luft in
die größten Landesteile. Es werden aber auch verbreitet hohe Wolken simuliert,
durch die die Sonne dann aber hindurchscheint.
Die Föhnlage in den Alpen dauert dabei an, vor allem in Hochlagen sind Sturmböen
und schwere Sturmböen wahrscheinlich, ob es in Föhntälern zu starken bis
stürmischen Böen reicht, darf noch abgewartet werden.
Auch im Westen bis hin zur Nordsee frischt der südliche Wind etwas auf,
wahrscheinlich wird er aber nicht warnrelevant.
Es bleibt für einen 1.November sehr mild mit 12 bis 17 Grad, wobei die höheren
Werte im Osten erwartet werden.


Modellvergleich und -einschätzung
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Trotz der komplexen Lage, gerade anfangs, geben die Modelle zumindest im groben
Maßstab ein recht einheitliches Bild ab. Die Unsicherheiten liegen im Detail und
betreffen zum Einen die Frage wie weit die Sturmböen kommende Nacht nach unten
gemischt werden. Das aktuelle Warnmanagement stellt einen Kompromiss der
verschiedenen Möglichkeiten dar. Einige hochauflösende Modelle zeigen fast
flächendeckend im Süden stürmische Böen und Sturmböen, was aber etwas
übertrieben sein dürfte. Auch hinter der morgen früh nach Osten ablaufenden
Druckwelle verbleiben Fragezeichen.
Zum Anderen bleibt abzuwarten, wie weit es morgen Vormittag im Westen runter
schneit. Bei teilweise -3 bis -4 Grad in 850 hPa wäre auch 400m als Basis für
Glätte und Schnee eine Option.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner