DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-10-2018 17:30
SXEU31 DWAV 271800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 27.10.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
In der Nacht zum Sonntag weiterer Dauerniederschlag im Süden, dabei sinkende
Schneefallgrenze teils auf 600 bis 400 m.
Ab Montag von Süden her Annäherung eines Tiefs (sozusagen Vb-West-Version),
dabei in den Alpen Föhnorkan.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines veritablen, mit
positiver Achsstellung versehenen Höhentrogs, der in der Nacht zum Sonntag
(Achtung, Umstellung von Sommer- auf Winterzeit) über der Iberischen Halbinsel
abtropft. Dabei wird über dem westlichen Mittelmeer weiterhin Druckfall
generiert, was eine Intensivierung dort positionierten Bodentiefs VAIA zur Folge
hat. Das Druckminimum etabliert sich etwa im Bereich der Balearen, wo der
Kerndruck auf etwas unter 995 hPa sinken soll. Flächenmäßig überdeckt das Tief
quasi ganz Südwesteuropa bis hinunter zum Maghreb. Dabei ist es mit dem
inzwischen kurz vor Karelien stehenden Tief UTA durch einen extrem langen
Frontenzug verbunden. Dieser kommt als Warmfront nur sehr langsam
nord-nordwestwärts voran, so dass er weiterhin südlich der Alpen verbleibt. Dort
kommt es auf der Südseite zu weiteren, zum Teil sehr ergiebigen
Stauniederschlägen.
Nördlich des Alpenhauptkamms geht es deutlich entspannter zur Sache, zumindest
was die Intensität der Niederschläge angeht. Dafür kommt eine andere
hochinteressante Komponente ins Spiel, die Schneefallgrenze. Zunächst mal
breiten sich die Regenfälle aus dem Süden mit fast infinitesimalen Schritten
nordwärts etwa bis zum Main aus (vielleicht geringfügig darüber hinaus, sprich
Südthüringen, Vogtland). Zum Teil regnet es mit mäßiger Intensität in die
niedertroposphärisch von Nordosten einfließende Kaltluft, die in 850-hPa bis
-2°C temperiert ist. Das reicht mit Unterstützung von Hebungs- und
Verdunstungsabkühlung sowie stabiler Schichtung (teilweise wird von den
Modellaufstiegen vor allem in geschützten Tal-und Muldenlagen eine
Quasi-Isothermie simuliert, was synoptisch durchaus nachvollziehbar ist), die
Schneefallgrenze bis in die Frühstunden auf mittlere Lagen (in Bayern spricht
man da schon von tiefen Lagen) von etwa 600 bis 400 m sinken zu lassen, wobei
der Schnee aufgrund des hohen Bodenwärmestroms freilich nicht überall liegen
bleibt. Eventuell muss man aber die aktuelle Warnstrategie (oberhalb 800 m eine
gelbe Schneefallwarnung mit 5-10 cm, im Stau bis 15 cm, oberhalb 600 m eine
Glättewarnung) kurzfristig vielleicht noch etwas nach unten anpassen (Schnee >
600 m, Glätte > 400 m).
Je weiter man in den Süden schaut, desto höher liegt bzw. steigt die
Schneefallgrenze. An den Alpen geht sie auf über 2000 m an, wobei der
Niederschlag dort mit langsam einsetzendem Südföhn sowieso nachlässt oder sogar
ganz zum Erliegen kommt.
Im Norden beschränkt sich das Niederschlagsgeschehen auf einige Schauer über See
bzw. an der Küste. Mit dem allmählich abnehmenden Nord-Nordostwind wird noch
etwas kältere (T850 bis zu -6°C) und trockenere Luft advehiert, so dass im
Binnenland (vor allem von SH bis hinunter zum Hamburger Speckgürtel) bei
längerem Aufklaren leichter Luftfrost auftreten kann.
Apropos Wind, der legt aus Nordosten kommend vor allem in exponierten Kamm- und
Gipfellagen mit Böen 7-9 Bft, auf dem Feldberg im Schwarzwald sogar bis 10 Bft.
Auf den Alpengipfeln sind Sturmböen aus Süden zu erwarten.

Sonntag ... verbleibt das abgetropfte Höhentief über der Iberischen Halbinsel,
driftet aber dichter an die spanische Ostküste heran. Das Bodentief zieht
zunächst etwas nach Norden in Richtung südfranzösische Küste, wird dann in der
Nacht zum Montag aber wieder retrograd, was zeigt, dass die "Kernkompetenz" im
Bereich der großräumigen Tiefdruckzone nicht klar geregelt ist (soll heißen, es
liegt kein eindeutiger Kern vor, der eine einfach Translation von A nach B
vollzieht). Fakt ist, dass auf der Vorderseite des Höhentiefs ein gewaltiger
Südfetch erzeugt wird, der im Süden Saharaluft anzapft. Diese wird über das noch
warme Mittelmeer geführt führt, wo ordentlich Feuchtigkeit aufgeladen werden
kann, um letztlich gegen die Alpen zu stoßen, wo die Staulage mit ergiebigen
Niederschlägen weiter andauert.
Zwischen dem Höhentief und dem nördlichen Trogresiduum über der Nordsee schiebt
sich von Osten her ein flacher Rücken bis über den Vorhersageraum vor, der mehr
verspricht als er letztlich halten kann. Lediglich im Nordwesten sorgt Absinken
für Auflockerungen oder gar sonnige Abschnitte, insbesondere von Ems- und
Ostfriesland bis hoch nach Sylt respektive zur deutsch-dänischen Grenze.
Ansonsten wird zwischen dem Mittelmeertief und weiter steigendem Druck über
Nordeuropa (herzlich willkommen YOGI) eine High-over-Low-Situation ein, die
landesweit für eine mäßige bis frische nordöstliche Grundströmung sorgt. Dabei
wird Kaltluft advehiert, was sich in 850-hPa-Temperaturen von 0 bis -5°C, im
äußersten Norden bis zu -7°C ausdrückt. Einzig im Südosten Bayerns, wo sich der
weiter auf dem Vormarsch befindliche Südföhn bemerkbar macht, steigen die Werte
in den Plusbereich (gestern bis zum Abend noch lokal bis zu 10°C simuliert,
heute nur noch bis zu 5°C).
Die Kaltluft und Wind (im Bergland, an der See und in exponierten Lagen Böen 7-8
Bft, in einigen Kamm- und Gipfellagen 9-10 Bft) sind das eine, Bewölkung und
Niederschlag das andere. Die Warmfront des Mittelmeertiefs macht - wenn auch nur
sehr schleppend - weiter Boden nach Norden bzw. Nordwesten gut, wodurch sich
auch die Niederschläge bei uns, wenn auch unter Abschwächung, nordwärts
ausbreiten. Das ist vor allem im Osten der Fall, wo der Niederschlag Teile BBs
und Sachsen-Anhalts erreicht, während er im Südwesten wie zuvor schon an den
Alpen immer weiter nachlässt bzw. ganz aufhört. Trotzdem können in Teilen
Süddeutschlands (BW, Schwaben, Franken) gebietsweise 5 bis 10 mm/12 h
zusammenkommen (ICON, IFS, EURO4; GFS defensiver), was aber weniger ist als
gestern noch angenommen. Auf alle Fälle fällt anfangs bis in mittlere Lagen von
600 bis 400 m weiterhin Schnee (besonders vom Schwarzwald über die Schwäbische
Alb bis in die fränkischen Mittelgebirge), bevor die Schneefallgrenze, vor allem
aber auch die Schneegrenze (also das Höhenniveau, ab dem der Schnee auch liegen
bleibt) durch die zunehmende diffuse Strahlung sowie die nachlassende Intensität
allmählich ansteigt.
Die Temperaturspanne reicht nur noch von 3 bis 9°C, im höheren Bergland etwas
darunter.

In der Nacht zum Montag steigt der Luftdruck über Skandinavien weiter an, was
besonders im Norden des Vorhersageraums eine Gradientverschärfung zur Folge hat.
Als Konsequenz legt der Ost-Nordostwind insbesondere an der Küste und im nahen
Binnenland noch etwas zu mit Böen Stärke 7 bis 8, exponiert 9 Bft. Ansonsten
beschränken sich warnwürdige Böen (7-9 Bft) auf das höhere Bergland sowie freie
Lagen.
Unsicher ist derzeit noch die nächtliche Niederschlagsentwicklung. Zwar herrscht
weitgehende Einigkeit hinsichtlich einer zunehmenden Schauerneigung an den
Küsten, die auf eine Labilisierung der dortigen Luftmasse zurückzuführen ist
(leichte Erwärmung in der unteren Troposphäre, oben gleichbleibend). Für den
großen Rest des Landes offerieren die Modelle ab unterschiedliche Lösungen. ICON
(06 UTC) bringt die anfänglichen Restniederschläge in der Mitte zum Erliegen,
was ähnlich auch für GFS (06 UTC) gilt. Bei IFS (00 UTC) erfassen neue
Regenfälle (im Bergland anfangs Schnee) von Frankreich her die westlichen
Landesteile, während EURO4 (06 UTC) im Süden neuen Regen aufkommen und diesen
sich in den Osten verlagern lässt. Im neuen ICON-Lauf von 12 UTC wird nun auch
die Möglichkeit leichter Niederschläge im Westen in Erwägung gezogen.

Montag ... löst sich aus dem iberischen Cut-Off-Tief ein scharfer Randtrog, der
nordwärts in Richtung Westalpen schwenkt. Auf seiner Vorderseite
entwicklungsgünstig gelegen wird das Bodentief ordentlich ausgepumpt auf nahe
980 hPa am Abend, wobei es in Richtung französisches Festland zieht
(Provence-Alpes-Cote d´Azur). Ihm gegenüber steht ein nicht minder potentes Hoch
mit Schwerpunkt von etwas über 1035 hPa über Finnland. Dazwischen bleibt der
Gradient prominent aufgestellt, d.h. die neue Woche startet vielerorts mit einem
kalten und ruppigen Nordostwind, der an der Küste und in höheren Lagen stürmisch
daherkommt (Böen bis 9, exponiert 10 Bft, auf einigen Alpengipfeln mit
Föhnverstärkung bis zu 12 Bft). Im Tiefland sind einige 7er-Böen am Start,
insbesondere in für Nordostwind anfälligen Lagen, aber auch bei Föhndurchbruch
an den Alpen.
Starke positive Schichtdickenadvektion 1000/500, gemeinhin auch WLA genannt,
sorgt für kontinuierliche, wenn auch nicht allzu stark ausgeprägte Hebung, die
sich in verbreitet kompakter Bewölkung widerspiegelt. Gebietsweise fällt etwas
Regen oder Nieselregen, wobei sich die Modelle hinsichtlich der genauen
räumlichen Verteilung noch etwas unterscheiden (was aber nicht warnrelevant
ist). Die teils kräftigen Schauer über See respektive über dem küstennahen
Binnenland haben eigentlich alle Modelle auf der Karte.
Interessant ist die Temperaturentwicklung, die allgemein nach oben zeigt, im
Südosten föhnbedingt ab den gewaltigsten Anstieg zu verzeichnen hat. Auf bis zu
17°C!! steigt die Temperatur in Teilen Bayerns bis zum Abend - in 850 hPa
wohlbemerkt. Mit Hilfe recht weit nach Norden ausgreifender föhniger
Aufheiterungen respektive Föhndurchbruch bis unten erwärmt sich die Luft im
südöstlichen Bayern auf 15°C oder sogar noch etwas darüber (zum Vergleich, heute
dümpelt man dort bei 5 bis 8°C rum). Im großen Rest des Landes hingegen muss
man sich mit für diese Jahreszeit gar nicht so ungewöhnlichen 5 bis 10°C (im
Bergland etwas darunter) begnügen.

In der Nacht zum Dienstag schwenkt der scharfe Randtrog über die Westalpen
nordwärts, wobei sich ein neues Höhentief entwickelt, das in der Frühe dicht bei
Luxemburg liegt. Noch weiter hat es bis dahin das Bodentief gebracht, das
ebenfalls die Alpen überquert (genau genommen ist es keine reine Translation des
Tiefs, sondern eine orografisch unterstützte Neubildung) und sich am
Montagmorgen bereits über der niederländischen Rheinregion wiederfindet (bei
ICON um 985 hPa, bei GFS um 980 hPa). Im Westen verstärken sich die
Niederschläge, wobei nach jetzigem Stand überwiegend Regen fällt, weil die für
Schnee erforderliche Kaltluft etwas zu weit westlich liegt.
In und an den Alpen legt der Föhn noch an Stärke zu, was die
Sturmwahrscheinlichkeit (bis 10 Bft) in anfälligen Föhntälern erhöht. Auf den
Gipfeln stehen nach wie vor Orkanböen auf der Karte. Stürmisch (bis zu 10 Bft)
bleibt es auch an der See sowie in höheren Lagen, hinzu kommt (zumindest nach
ICON) eine vorübergehende Gradientverschärfung im Südosten (vor allem in Bayern)
mit Böen 7-8 Bft (noch unsicher).

Dienstag ... ziehen das "neue" Höhentief und das Bodentief zur Nordsee, wobei
das Bodentief seinem "Höhenpendant" etwas vorauseilt. Bilanziert man mal die
bisherige Zugbahn des Tiefs (Balearen-Rheinmündung-westliche Nordsee) im Kontext
zur Potenzialverteilung, so kommt man auf die Idee einer um rund 1000 km nach
Westen verschobenen Vb-Bahn, die nicht gerade alltäglich, um nicht zu sagen sehr
selten ist. So verwundert es auch nicht, dass man auf der legendären
Zyklonenzugbahngrafik vom altehrwürdigen Jakob van Bebber vergeblich nach einem
solchen Kurs Ausschau hält (man könnte ja ein 8d-Tief nach Hoffmann draus machen
).
Zugbahn hin, van Bebber her, die Lage verspricht Brisanz, greift doch von Westen
her nicht nur die zugehörige Kaltfront mit Regenfällen (im Bergland Schnee) auf
Deutschland über (Rückgang in 850 hPa auf Werte um 0°C), sondern frischt auch
der Wind in einigen Regionen stürmisch auf. Besonders auf der Süd- bzw.
Südostflanke des Tiefs (möglicherweise Shapiro-Keyser-ähnlich) könnte es
ordentlich zur Sache gehen (Südwesten, Westen, Mitte, später auch Norden) mit
schweren Sturmböen 10 Bft bis ganz nach unten (vor allem GFS simuliert einen
substanziellen Low-Level-Jet mit Böen bis zu 60 Kt in 925 hPa und bis zu 70 Kt
in 850 hPa auf der S-SO-Flanke des Tiefs). Allerdings gilt es noch einige
Unschärfen in der Vorhersage zu tilgen, die eigentlich immer auftreten, wenn
irgendetwas die Alpen überquert.


Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Trotz bereits angesprochener Unschärfen respektive Unterschiede innerhalb des
Modellportfolios ist es nicht so, dass die Modelle meilenweit auseinander
liegen. Die Grundmuster findet man überall, jetzt gilt es, in den nächsten
Läufen das Finetunig zu schärfen.
Hinsichtlich der kurzfristigen Niederschlagsentwicklung sei angemerkt, dass die
Modelle wahrscheinlich in der Tendenz etwas zu warm simulieren (z.B.
prognostizierte Belagstemperaturen). Da sollte man sich auch nicht durch die
noch frühe Jahreszeit (bezogen auf den Winter) täuschen lassen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann