DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-10-2018 17:30
SXEU31 DWAV 261800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 26.10.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Übergang zu einer High-over-Low-Lage mit teils bissigem Nordostwind und
zeitweiligen Niederschlägen, die bis in mittlere Lagen als Schnee fallen können.
In den Alpen aufkommender Föhnsturm.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland vorderseitig eines positiv geneigten
Höhentrogs über der Nordsee respektive Westeuropa, der sich im Laufe der Nacht
weiter amplifiziert. Gleichzeitig weist er eine leichte Progression auf, was
seinen Südteil bis Samstagfrüh über die Iberische Halbinsel bringt, während sich
der nördliche Part zur Ostsee bequemt. Eingelagert in den Nordteil ist ein
abgeschlossenes Drehzentrum, das mit dem Bodentief UTA korrespondiert. Es lag
heute Mittag mit etwa 995 hPa Kerndruck über dem Norden Jütlands, von wo aus es
unter nur noch geringer Vertiefung (knapp über 990 hPa) Richtung Fünen zieht.
Die zugehörige Kaltfront schwenkt von Nordwesten her über die Mitte südostwärts,
wo sie am frühen Morgen bei zunehmender Schleiftendenz etwa eine Linie
Südschwarzwald-Fichtelgebirge-Lausitzer Bergland erreicht. An der Front kommt es
zu leichten Regenfällen, die sich später im Süden verstärken, ohne aber in die
ganz großen Dimensionen vorzustoßen (meist unter 5 mm/12 h, stellenweise bis
max. 10 mm). Neben dem erwähnten Schleifen kommt im Süden etwas WLA ins Spiel,
außerdem interagiert die Front dort besser mit kurzwelligen Troganteilen, die in
der südwestlichen Höhenströmung nordostwärts ablaufen.
Rückseitig der Front gelangt ein Schwall teils hochreichender maritimer
Polarluft in weite Teile des Landes. Dabei geht die Temperatur im 850-hPa-Niveau
auf 0 bis -3°C, in 500 hPa im äußersten Norden und Nordwesten auf etwas unter
-30°C zurück. Folgerichtig entwickeln sich insbesondere über der See
(zusätzliche Unterstützung durch diabatische Effekte), bedingst aber auch im
küstennahen Binnenland einige kräftige Schauer und kurze Gewitter, die bei
Höhenwinden von bis zu 45 Kt (925 und 850 hPa) mit Böen der Stärke 7-8 (9) Bft
einhergehen können.
Apropos Wind, der legt in der Nacht vor allem an der Küste noch ein paar Kohlen
drauf, meint, er erreicht in Böen Stärke 7-8 Bft, exponiert vielleicht auch mal
9 Bft. An und auf der Nordsee dreht er dabei auf Nordwest bis Nord, während er
an der Ostsee über weite Strecken aus Südwesten kommt. Auch in exponierten Kamm-
und Gipfellagen des Berglands sollten sich die zahlreichen Nachtwanderer auf
Sturmböen 8 bis 9 Bft einstellen.

Samstag ... bereitet sich der inzwischen zu einem veritablen Gebilde
herangewachsene Höhentrog west-südwestlich von uns auf seine unvermeidliche
Abtropfung bevor, die wohl in der Nacht zum Sonntag über der Iberischen
Halbinsel vonstattengehen wird. Auf seiner Vorderseite wird kontinuierlich
Druckfall induziert, dessen Produkt ein elliptisch geformtes, mit mehreren
Kernen gespicktes Bodentief namens VAIA ist, das sich Samstagmittag etwa von
Südspanien bis nach Oberitalien erstreckt. Aufgrund der stark frontogenetisch
geprägten Konstellation - westlich des Tiefs wird mit Unterstützung eines
meridional exponierten Hochs über dem Ostatlantik polare Kaltluft nach Süden
gesteuert, während vorderseitig Warmluft aus dem nordwestafrikanischen Raum
angezapft wird - bildet sich innerhalb des Tiefs eine wellende Luftmassengrenze,
die sich am Abend, spätestens in der Nacht zum Sonntag mit der o.e. Kaltfront
vereinigt.
Zuvor kommt es im Bereich der schleifenden Front(en) in Süddeutschland,
bevorzugt südlich der Donau, aber auch noch etwas darüber hinaus, zu länger
andauernden Niederschlägen. Neben der sich noch etwas verstärkenden WLA baut
sich zunehmend eine Gegenstromsituation mit nördlichen Winden ganz unten und
Südwestwind in der Höhe auf, was das sogenannte Aufgleiten forciert. Bis zum
Abend kommen südlich der Donau gebietsweise 10 bis 15 mm, stellenweise um 20 mm
innert 12 h zusammen. Im Hochschwarzwald fällt etwas Schnee oder Schneeregen, in
den Alpen dürfte die Schneefallgrenze etwa bei 1300 bis 1600 m liegen.
Der große Rest des Landes, also der gesamte Norden und auch weite Teile der
Mitte, verbringt den Samstag quasi im erweiterten Schlepptau des in Richtung
Baltikum abziehenden Tiefs UTA. In der eingeflossenen bzw. weiter einfließenden
maritimen Polarluft (T850 -2 bis -5°C) stellt sich ein wechselnder bis starker
Wolkencharakter ein, bei dem sich vor allem nach Norden hin, vereinzelt aber
auch im Westen sowie im Mittelgebirgsraum einzelne Schauer entwickeln. Dagegen
nehmen die Chancen für Gewitter (anfänglich an der Küste noch möglich) im Zuge
einer leichten Abtrocknung und Stabilisierung der Luftmasse immer weiter ab.
Thema Wind, der greift bis zum Vormittag noch etwas landeinwärts ins
nordostdeutsche Binnenland aus, wo es für die eine oder andere steife Bö 7 Bft
aus westlichen Richtungen reicht. Noch etwas stärker sind die Böen an der Küste
und auf den Inseln (8 Bft), allerdings schwächt sich der Wind mit Abzug des
Tiefs im Tagesverlauf von Westen her sukzessive ab, wobei er über Nordwest auf
Nord bis Nordost dreht.
Mit den Temperaturen geht es nach unten, vor allem dem Süden steht nach dem
heutigen milden Freitag ein regelrechter Temperatursturz von rund 10 Grad in
Laus. Landesweit beläuft sich die Spanne auf 8 bis 12°C, in höheren Lagen sowie
teils auch im Dauerregen noch darunter.

In der Nacht zum Sonntag (Achtung, Umstellung von Sommer- auf Winterzeit, heißt,
eine Stunde länger schlafen, feiern oder auch arbeiten) tropft der Trog wie
gesagt über der Iberischen Halbinsel aus, was eine Intensivierung des
korrespondierenden Bodentiefs zur Folge hat. Das Druckminimum etabliert sich
etwa im Bereich der Balearen, wo sich der Kerndruck auf einen Wert zwischen 995
und 990 hPa einpendelt. Flächenmäßig überdeckt das Tief quasi ganz Südwesteuropa
bis hinunter zum Maghreb. Dabei ist es mit dem o.e., inzwischen über Karelien
angekommenen Tief UTA durch einen langen Frontenzug verbunden. Dieser kommt als
Warmfront gaaanz langsam nord-nordwestwärts voran, wobei er zunächst aber noch
südlich der Alpen verbleibt. Dort kommt es auf der Südseite zu andauernden und
ergiebigen Stauniederschlägen, die im Tessin und im südlichen Wallis durchaus
eine Größenordnung von 80 bis 100 mm innert 12 h, exponiert vielleicht sogar
noch etwas mehr zustande bringen.
Nördlich des Alpenhauptkamms geht es deutlich entspannter zur Sache, zumindest
was die Intensität der Niederschläge angeht. Dafür kommt eine andere
hochinteressante Komponente ins Spiel, die Schneefallgrenze. Zunächst mal
breiten sich die Regenfälle aus dem Süden peu a peu nordwärts bis zum Main,
vielleicht auch noch etwas weiter (Rhön, Thüringer Wald, Vogtland) aus. Zum Teil
regnet es mit mäßiger Intensität in eine niedertroposphärisch von Nordosten
einfließende Kaltluft, die in 850-hPa bis -2°C temperiert ist. Das reicht mit
Unterstützung von Hebungs- und Verdunstungsabkühlung sowie stabiler Schichtung
insbesondere in vom Wind geschützten Mittelgebirgslagen, die Schneefallgrenze
bis in die Frühstunden auf mittlere Lagen von etwa 600 bis 400 m sinken zu
lassen, wobei der Schnee aufgrund des hohen Bodenwärmestroms freilich nicht
überall liegen bleibt. Je weiter man in den Süden schaut, desto höher liegt bzw.
steigt die Schneefallgrenze. An den Alpen steigt sie auf über 2000 m an, wobei
der Niederschlag dort mit langsam einsetzendem Südföhn sowieso nachlässt oder
sogar ganz zum Erliegen kommt.
Im Norden tut sich niederschlagstechnisch eher weniger - anfangs noch einige
Schauer im Nordosten, später nur noch einzelne über See. Mit dem
Nord-Nordostwind wird noch etwas kältere (T850 bis zu -7°C) und trockenere Luft
advehiert, so dass im Binnenland (vor allem SH) bei längerem Aufklaren leichter
Luftfrost auftreten kann. Frost über eine größere Fläche wird wahrscheinlich
durch den nicht ganz zur Ruhe kommenden Wind verhindert, auch wenn es
grenzwertig ist.
Apropos Wind, der legt aus Nordosten kommend vor allem in exponierten Kamm- und
Gipfellagen mit Böen 7-9 Bft, auf dem Feldberg im Schwarzwald sogar bis 10 Bft.
Auf den Alpengipfeln sind Sturmböen aus Süden zu erwarten.

Sonntag ... verbleibt das abgetropfte Höhentief über der Iberischen Halbinsel
ebenso wie das Bodentief im Bereich von Malle, Menorca und Ibiza verharrt, wo es
ihm offensichtlich gut gefällt - was menschlich ist. Wichtiger als etwaige
Befindlichkeiten ist aber die Tatsache, dass auf der Vorderseite des Höhentiefs
ein gewaltiger Südfetch erzeugt wird, der im Süden Saharaluft anzapft. Diese
wird über das noch warme Mittelmeer geführt führt, wo ordentlich Feuchtigkeit
geladen werden kann, um letztlich gegen die Alpen zu stoßen, wo die Staulage mit
ergiebigen Niederschlägen weiter andauert.
Zwischen dem Höhentief und dem nördlichen Trogresiduum über der Nordsee schiebt
sich bei uns von Osten her ein flacher Rücken vor, dessen Macht und
Einflusspotenzial aber etwa mit dem - sorry, Herr Steinmeier - eines deutschen
Bundespräsidenten vergleichbar ist. Oder mit anderen Worten, trotz
antizyklonaler Rahmenbedingungen in der mittleren und höheren Troposphäre ist
das Sonntagswetter in weiten Teilen des Landes eher lausig (wofür der
Bundespräsident aber ausdrücklich nichts kann). Zwischen dem Mittelmeertief und
weiter steigendem Druck über Nordeuropa stellt sich eine
High-over-Low-Situation ein, die landesweit für eine mäßige bis frische
nordöstliche Grundströmung sorgt. Dabei wird Kaltluft advehiert, was sich in
850-hPa-Temperaturen von 0 bis -5°C im Norden bis zu -7°C ausdrückt. Einzig im
Südosten Bayerns, wo sich der weiter auf dem Vormarsch befindliche Südföhn
bemerkbar macht, steigen die Werte in den Plusbereich (lokal bis zu 10°C!!).
Die Kaltluft und Wind (im Bergland, an der See und in exponierten Lagen Böen 7-8
Bft, in einigen Kamm- und Gipfellagen 9-10 Bft) sind das eine, Bewölkung und
Niederschlag das andere. Die Warmfront des Mittelmeertiefs macht - wenn auch nur
sehr schleppend - Boden nach Norden bzw. Nordwesten gut, wodurch sich auch die
Niederschläge bei uns weiter nordwärts ausbreiten, was vor allem im Osten der
Fall ist. In Teilen Süddeutschlands (BW, nördliches Bayern) können gebietsweise
10 bis 15 mm/12 h zusammenkommen (ICON, IFS; GFS defensiver), wobei weiterhin
Schnee bis in mittlere Lagen von 600 bis 400 m ins Kalkül gezogen werden muss
(besonders vom Schwarzwald über die Schwäbische Alb und die fränkischen bis in
die zentralen Mittelgebirge).
Auflockerungen oder gar sonnige Abschnitte findet man am Sonntag am ehesten im
äußersten Nordwesten etwa von Ems- und Ostfriesland bis hoch nach Sylt
respektive der deutsch-dänischen Grenze. Allerdings wird es dort bei böigem
Nordost auch nicht wärmer als 7/8°C. Ansonsten reicht die Spanne von 3-8°C, im
höheren Bergland noch darunter - so schnell kann´s gehen.

In der Nacht zum Montag steigt der Luftdruck weiter an über Skandinavien, was im
Norden des Vorhersageraums eine Gradientverschärfung zur Folge hat. Ergo legt
der Ost-Nordostwind insbesondere an der Küste und im nahen Binnenland soweit
wieder zu, dass er in Böen Stärke 7 bis 8 Bft erreicht. Ansonsten beschränken
sich warnwürdige Böen auf das höhere Bergland, wo sich aber gegenüber dem Tag
eine leichte Abnahme konstatieren lässt.
Darüber hinaus verlagern sich die Niederschläge unter allmählicher Abschwächung
noch etwas weiter nach Norden, wobei ICON den Schwerpunkt im Osten, IFS und GFS
im Westen sehen, was die Vorhersage ungemein "vereinfacht". Weiterhin muss im
Bergland mit Schnee gerechnet werden, wobei sich der Verfasser aufgrund der
Modellunterschiede weitere Details verkneift. An den Küsten nimmt die
Schauerneigung zu, weil es in der unteren Troposphäre etwas wärmer wird und es
oben gleich kalt bleibt (=> labiler).

Montag ... verlagert sich das iberische Cut-Off-Tief zum westlichen Mittelmeer,
während sich das Bodentief unter Vertiefung in Richtung Löwengolf aufmacht. Der
Kerndruck soll dabei gen 980 hPa konvergieren, was für ein Mittelmeertief ´ne
ordentliche Hausnummer ist. Ihm gegenüber steht ein nicht minder potentes Hoch
mit Schwerpunkt von etwas über 1035 hPa über Finnland. Dazwischen bleibt der
Gradient prominent aufgestellt, d.h. die neue Woche startet vielerorts mit einem
kalten und ruppigen Nordostwind, der an der Küste und in höheren Lagen stürmisch
daherkommt (Böen bis 9, exponiert 10 Bft). Im Tiefland sind einige 7er-Böen am
Start, insbesondere in für Nordost anfälligen Lagen.
Positive Schichtdickenadvektion 1000/500, gemeinhin auch WLA genannt, sorgt für
kontinuierliche, wenn auch nicht allzu stark ausgeprägte Hebung, die sich in
verbreitet kompakter Bewölkung widerspiegelt. Wo es daraus wie viel regnet,
darüber gehen die Meinungen der Modelle derzeit noch auseinander. ICON
favorisiert den Nordosten, GFS und IFS bleiben eher auf der Westschiene. Teils
kräftige Schauer über See respektive über dem küstennahen Binnenland haben
eigentlich alle Modelle auf der Karte.
Interessant ist die Temperaturentwicklung, die im Südosten föhnbedingt einen
gewaltigen Anstieg auf bis zu 16°C!! am Nachmittag in Oberbayern bringt, während
gleichzeitig im Norden und Westen -2 bis -5°C auf der Karte stehen. Mit Hilfe
föhniger Aufheiterungen respektive Föhndurchbruch bis unten erwärmt sich die
Luft im südöstlichen Bayern auf bis zu 15°C, vielleicht sogar noch etwas
darüber. Im großen Rest des Landes hingegen muss man sich mit für diese
Jahreszeit gar nicht so ungewöhnlichen 5 bis 10°C (im Bergland etwas darunter)
begnügen.
Noch ein Wort zum Föhn, der im Tagesverlauf, vor allem aber wohl in der Nacht
zum Dienstag an Stärke zulegt bis hin zu Orkanböen auf einigen Gipfeln und
Sturmböen 8-9 Bft, vielleicht sogar 10 Bft in exponierten Tälern.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden sehr ähnlich simuliert, die Auswirkungen nicht immer. Vor
allem nach hinten raus unterscheiden sich die Niederschlagsprognosen (im Text
erwähnt), was zwar nicht unbedingt warnrelevant ist, wohl aber im Hinblick auf
die Phase von Interesse sein könnte. Ohnehin ist das Thema "Schneefallgrenze"
hochspannend, wobei sogenannte "Überraschungen" nicht auszuschließen sind...


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann