DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-10-2018 08:01
SXEU31 DWAV 250800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 25.10.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Anfangs noch NWz (Nordwest zyklonal), danach Umstellung mit Tendenz TrW
(Trog Westeuropa

Heute in der Nordosthälfte windig, teils stürmisch, Tendenz zum Abend und in der
Nacht nachlassend.
Richtung Wochenende Umstellung der Großwetterlage, dabei aber weiterhin
unbeständig.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Donnerstag... befindet sich Deutschland zwischen einem Höhenrücken über
Südwesteuropa und tiefem Potenzial über Nord- und dem nahen Osteuropa unter
einer leicht antizyklonal konturierten nordwestlichen Höhenströmung. Der Rücken
verlagert sich im Laufe des Tages zum westlichen Mittelmeer, während
gleichzeitig ein scharfer KW-Trog unter Intensivierung von der Irminger See in
Richtung Schottland. Warum erzählt das der Verfasser alles? - Nun, weil damit
ein kontinuierliches Rückdrehen der Höhenströmung auf zunehmend West-Nordwest
und die Weichenstellung für eine grundlegende Umstellung der Großwetterlage
erfolgt.
Betrachtet man die Lage in Bodennähe, so fällt einem das hohe morgendliche
Temperaturniveau von verbreitet über 10°C auf. Es ist der Tatsache geschuldet,
dass wir im breiten Warmsektor einer Welle liegen, dessen Scheitel heute früh um
03 UTC knapp östlich des Oslofjords verortet werden konnte. Mit
west-nordwestlicher Strömung wird dabei milde und wolkenreiche Nordseeluft
advehiert, in der es vielerorts leicht regnet oder nieselt (in den
Mittelgebirgen Sichtbehinderungen durch aufliegende Wolken). Im weiteren Verlauf
des Tages zieht die Welle via Südschweden zum Baltikum, wodurch etwa am späten
Vormittag die zugehörige Kaltfront auf Norddeutschland übergreift. Sie bringt
den Nordlichtern nur wenigen, schauerartig auftretenden Regen, das das
morgendliche Geniesel ablöst. Rückseitig gelangt ein Portion "Meereskaltluft
light" (oder auch erwärmte subpolare Meeresluft) in den Norden (T850 um +1°C),
die etwas trockener ist als die aktuelle Warmsektorluft, so dass die Wolkendecke
in einem von SH bis nach MV reichenden Streifen mitunter auflockert.
Auflockerungen, ja sogar sonnige Abschnitte wird es auch im Süden und Südwesten,
insbesondere zu den Alpen und der deutsch-schweizer Grenze hin geben, wo fernab
etwaigen frontalen Geschehens leichter Hochdruckeinfluss wirksam ist. Ansonsten
überwiegt meist starke Bewölkung mit wenigen Lücken und etwas Nieselregen, auch
wenn die Kaltfront nicht wesentlich über Norddeutschland nach Süden hinauskommt.
Ursache ist eine zum o.e. KW-Trog korrespondierende zweite Welle, die von Island
gen Schottland zieht. Die Kaltfront geht nach Westen hin in die Warmfront genau
dieser Welle über, die dann zum Freitag hin für unser Wetter relevant wird.
Thema Wind, der frischt - grob gesprochen - in der Nordosthälfte aus W-NW
kommend vorübergehend auf mit Böen 7 Bft, an der See und in Teilen MVs 8 Bft, an
der nordfriesischen Nordseeküste sowie an der Ostsee exponiert auch mal 9 Bft.
Stürmisch wird es auch auf den Kuppen der östlichen und südöstlichen
Mittelgebirge sowie des Harzes, auf dem Brocken und dem Fichtelberg stehen sogar
schwere Sturmböen 10 Bft auf der Karte. Bereits im Laufe des Nachmittags beginnt
der Wind mit Abzug der Welle und einsetzendem Druckanstieg sich abzuschwächen,
vor allem im Binnenland.
Die Temperatur erreicht in der Nordhälfte Spitzen von 12 bis 15°C (was übrigens
einen extrem geringen Tagesgang bedeutet), sonst werden 14 bis 18°C, im
äußersten Süden mit Sonnenunterstützung stellenweise sogar 19°C angesteuert.

In der Nacht zum Freitag erreicht die Welle die Nordsee (Utsira/Fischer) und die
zugehörige Warmfront den Nordwesten, von wo aus sie langsam aber sicher ostwärts
schwenkt. Damit gelangt Deutschland zum zweiten Mal innert kurzer Zeit in einen
Warmsektor, in dem große Teile des Landes abermals mit Nordseeluft versorgt
werden. Dabei fällt im Norden und in der Mitte zeitweise etwas Regen oder
Nieselregen. Der leicht rückdrehende Wind nimmt weiter ab, einzig an der See
treten noch ein paar steife Böen 7 Bft, auf dem Brocken und dem Fichtelberg
stürmische Böen 8 Bft auf.
Ruhig und gediegen präsentiert sich die Nacht im Süden, wo die Wolkendecke
teilweise auflockert, die Temperatur gebietsweise auf unter 5°C zurückgeht und
sich stellenweise Nebel bildet.

Freitag... erreicht der Nordteil des sich weiter amplifzierenden KW-Troges die
Nordsee, während die Trogspitze zum Tagesende über der Biscaya zu finden ist.
Damit verfügt das gesamte Konstrukt über eine stark positiv geneigte Achse, was
bei uns - nach Passage eines flachen Rückens - die Höhenströmung auf Südwest
rückdrehen lässt. Entwicklungsgünstig (auf der Trogvorderseite) gelegen
entwickelt sich die Welle zu einem kleinen Tief, das am Mittag bzw. dem frühen
Nachmittag mit etwas unter 1000 hPa Kerndruck und unter weitere Intensivierung
Jütland passiert. Am frühen Samstagmorgen dürfte es mit wenig über 990 hPa knapp
nördlich von Fünen aufschlagen.
Wettertechnisch verbringen wir den Vormittag im Warmsektor des besagten Tiefs,
bevor gegen Mittag die Kaltfront von der Nordsee her beginnt, das
nordwestdeutsche Festland zu traktieren. Der zugehörige, schauerartig verstärkte
Regen erfasst weite Teile Norddeutschlands und erreicht bis zum Abend auch den
tiefen Westen. Dabei kommen 1 bis 5 mm, mit Hilfe schauerartiger Verstärkungen
auch mal bis knapp 10 mm zusammen. Der Südwest- bis Westwind lebt im Norden
etwas auf, warnwürdige Böen 7 Bft (exponiert 8 Bft) bleiben wohl auf die Küste
und die Inseln sowie einigen Kamm- und Gipfellagen des Berglands beschränkt.
Zwar echauffiert sich der Wind mit Passage der Kaltfront auch in tiefen Lagen
des Binnenlands kurzzeitig mal etwas, auf 7er-Böen dürfte der Puls aber nicht
steigen.
Wer kein Bock auf Nordseeluft und Bewölkung hat, dem sei am morgigen Freitag
Süddeutschland empfohlen, wo nach Nebelauflösung trotz einiger hoher
Wolkenfelder zeitweise, Richtung Alpen und Vorland sogar längere Zeit die Sonne
scheint. Im Süden Bayerns und BWs steigt die Temperatur noch mal auf 15 bis
19°C, während in den übrigen Landesteilen bei 10 bis 15°C (höheres Bergland
einstellig) Schluss ist.

In der Nacht zum Samstag schwenkt die Kaltfront langsam über die Mitte hinweg
südostwärts, wo sie zunehmend ausgebremst wird. Als Bremsklotz fungiert eine
langgestreckte, von Südwesteuropa bis hoch zum "dänischen" Tief reichende
Tiefdruckrinne, die das Resultat kontinuierlichen Druckfalls vorderseitig des
o.e. Höhentroges ist. Die Rinne weist aber nicht nur Qualitäten auf dem Sektor
"Bremsen und Beschleunigen" auf, sie wirkt auch stark frontogenetisch. Während
auf der Westflanke - gestützt durch ein stark meridional angeordnetes kräftiges
Hoch über dem Ostatlantik - Kaltluft südwärts strömt, wird vorderseitig der
Rinne Warmluft aus dem nordwestafrikanischen Raum angezapft und nordwärts
gesteuert. Folgerichtig bildet sich innerhalb der Rinne eine zweite
Luftmassengrenze, auf deren Nordseite Aufgleitniederschläge einsetzen, die in
der zweiten Nachthälfte auf den äußersten Süden und Südwesten übergreifen. Dabei
kommt es in den frühen Morgenstunden zu einer "Fusion" der beiden Regengebiete
bei zunächst noch leichter Intensität.
Rückseitig der ersten (also der nördlichen) Kaltfront gelangt ein Schwall
polarer Meeresluft in weite Teile des Landes, in der die 850-hPa-Temperatur auf
0 bis -3°C zurückgeht. Darüber hinaus löst sich aus dem Höhentrog ein kleiner
Sekundärtrog, der den äußersten Norden und Nordwesten ostwärts passiert. Dabei
gelangt ein kleines Portiönchen Höhenkaltluft (T500 um oder etwas unter -30°C)
ins nördliche Norddeutschland, die den Weg für konvektive Umlagerungen bis hin
zu kurzen Graupelgewittern besonders über See (dort zusätzlich diabatische
Effekte) sowie im küstennahen Binnenland. Der Wind weht an der See und in
Hochlagen flott mit Böen 7-8 Bft, exponiert auch mal 9 Bft, wobei er an und über
der Nordsee hinter dem abziehenden Tief stark dreht auf Nordwest bis Nord.


Samstag... okkupiert der mittlerweile zu einem veritablen Gebilde
herangewachsene Höhentrog weite Teile Südwesteuropas, wo er über der Iberischen
Halbinsel in der Nacht zum Sonntag droht abzutropfen. Weiterhin wird auf seiner
Vorderseite ordentlich Druckfall induziert, so dass innerhalb der Rinne knapp
östlich von Spanien (unweit der Balearen) ein kräftiges Tief entsteht, das den
Samstag mit einem Kerndruck von etwas unter 995 hPa beendet. Zur gleichen Zeit
steuert sein nördliches Pendant (das dänische Tief) das Baltikum an, was
Deutschland genau zwischen diese beiden Tiefs bringt. Zwar findet man im Süden
immer noch zwei Fronten (siehe Vorhersagekarte T+60h), anhand der zugehörigen,
in weiten Teilen Bayerns und BWs auftretenden Dauerregenfälle lässt sich diese
Selektion aber nicht wiederfinden. Als Hauptimpulsgeber für die
niederschlagsbringende Hebung fungiert neben frontalen Prozessen übrigens eine
sich einstellende Gegenstromlage mit nördlichen Winden in der untersten
Troposphäre (bis etwa 800 hPa) und Südwestwind weiter oben. Südlich der Donau
kommen bis zum Abend gebietsweise 10 bis 20 mm innert 12 h Regen zusammen, im
Hochschwarzwald fällt etwas Schnee. Wo genau die Schneefallgrenze in den Alpen
liegen wird, lässt sich heute aus verschiedenen Gründen (u.a.
Modellunterschiede, starke Temperaturdrängung in 850 hPa, Intensität der
Niederschläge) noch nicht belastbar prognostizieren.
Der große Rest des Vorhersageraums präsentiert sich am Samstag vielfach stark
bewölkt bis bedeckt aber weitgehend trocken. Wie im richtigen Leben gibt es auch
in der Natur nichts geschenkt, will heißen, die zeitweilig zwischen den Wolken
auftretenden Sonnenstrahlen im Norden werden mit einigen Schauern erkauft, die
aber eher Segen statt Fluch darstellen sollten. Im Schlepptau des nur langsam
scheidenden Tiefs bleibt der Wind im Norden und Nordosten noch längere Zeit
lebhaft unterwegs, wobei sich das Starkwindfeld (Böen 7 Bft, Küste 8 Bft) mit
Drehung auf nördliche Richtungen peu a peu nach Vorpommern bzw. an die
vorpommersche Küste zurückzieht. An dieser Stelle soll nicht verschwiegen
werden, dass die meisten externen Modelle (darunter IFS und GFS) die
Windentwicklung schwächer sehen als ICON, weil das Tief nicht ganz so stark ist
und auch etwas schneller zieht.
In der eingeflossenen maritimen Polarluft (T850 0 bis -4°C, nur südlich der
Donau noch etwas darüber) reicht es temperaturmäßig nur noch für 6 bis 12°C, was
vor allem im Dauerregen Süddeutschlands einen regelrechten Temperatursturz
gegenüber Freitag bedeutet.

Kurz noch ein paar Takte zur Nacht auf Sonntag, in der die Höhenströmung noch
etwas weiter zurückdreht. Dadurch breiten sich die Hebungsprozesse respektive
Niederschläge über dem Süden etwas nach Norden aus, wobei noch nicht sicher ist,
wie weit tatsächlich (GFS und IFS sehen Thüringen und Sachsen mit an Bord, ICON
agiert defensiver). Sicher ist auch noch nicht, inwieweit die feste Phase ins
Spiel kommt. Vor allem die südwestdeutschen (Schwarzwald und Alb) und die
fränkischen Mittelgebirge nebst Bayerischem Wald könnten Schnee abbekommen,
wobei die Schneefallgrenze durchaus bis in mittlere Lagen sinken kann.
Allerdings gelten für die Nacht die gleichen Imponderabilien, die schon für den
Tag in den Alpen geäußert wurden. Apropos Alpen, dort fällt der meiste
Niederschlag im Südstau (durchaus bis zu 100 mm oder mehr).
Auf der Nord-Nordostflanke des sich intensivierenden Tiefs bei den Balearen
dreht der Wind landesweit auf Nord bis Ost und frischt besonders in den
Hochlagen merklich auf mit Böen bis 9 Bft, auf exponierten Alpengipfeln auch
darüber.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Es ist alles gesagt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann