DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

14-06-2016 09:00
SXEU31 DWAV 140800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 14.06.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TB (Tief Britische Inseln)

Weiterhin sehr unbeständig mit Gewittern und Starkregenfällen, örtlich Unwetter
durch Starkregen.


Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... liegt Deutschland nach wie vor auf der kalten Seite der weit südlich
über den Mittelmeerraum verlaufenden Frontalzone - eine für diese Jahreszeit
nicht gerade typische GWL. Über dem nahen Ostatlantik und Westeuropa hat sich
mittlerweile ein breiter Höhentrog etabliert, dessen Hauptdrehzentrum heute
Mittag über UK/Irland zu finden sein wird. Da dich der Trog im weiteren Verlauf
nach Süden ausweitet, dreht bei uns die vorderseitige Höhenströmung von W-SW auf
S-SW zurück. Dadurch schwenkt ein bis in die Nordhälfte des Vorhersageraums
gerichteter Randtrog langsam nach Norden, bei weiterhin zyklonal konturierter
Potenzialverteilung folgen aber weitere kurzwellige Anteile nach, so dass das
Strömungsregime in der Höhe - auch wenn aufgrund der nicht allzu hohen
Windgeschwindigkeiten die ganz große Power fehlt - mit im Wesentlichen
PVA-basierten Hebungsimpulsen einen soliden Beitrag zur Fortdauer der sehr
unbeständigen und vielfach nassen Witterung beisteuert.
Den Rest, der dazu nötig ist, resultiert zum einen aus der Bodendruckverteilung
sowie der über weiten Teilen Mitteleuropas respektive Deutschland befindlichen
Luftmasse. Bei beiden Komponenten gibt es nicht viel Neues zu berichten. Die
seit Tagen existente, sich über tausende von Kilometern vom mittleren
Nordatlantik bis nach SO-Europa erstreckende Tiefdruckrinne denkt auch heute
noch nicht ans Aufgeben, wird aber ihre heute früh etwa im Bereich der Elbe
positionierte Konvergenzachse noch etwas nach Norden verlagern. Damit kommt
quasi ganz Deutschland in den "Genuss" der seit Tagen ebenfalls
wetterbestimmenden mäßig warmen, vor allem aber feuchten und potenziell
instabilen Luftmasse. Aufgrund ihrer vergleichsweise nördlichen Herkunft ist die
Labilität nicht gerade überbordend (ML-CAPE häufig nur zwischen 100 und 500
J/kg), in Verbindung mit der mehr als soliden Feuchte (PPW 25 bis 30 mm) sind
die Rahmenbedingungen aber absolut hinreichend, um verbreitet kräftige Gewitter
und Starkregenfälle zu generieren, wie die vergangenen Tage eindrucksvoll
bewiesen haben. Da sollte man sich auch nicht zu sehr darauf verlassen, dass die
Numerik (in diesem Fall COSMO-EU) für die südlichen Landesteile heute etwas
weniger CAPE und PPWs simuliert. COSMO-DE-EPS jedenfalls sieht zwei Schwerpunkte
für die stärksten Regenfälle: einen im äußersten Norden um die gesamte
Küstenregion herum, der gut mit dem o.e. Trog und mit der Hauptwindkonvergenz
erklärbar ist. Und einen zweiten, der sich von SW her auf die westlichen
Landesteile sowie Teile des Mittelgebirgsraums und Nordbayern ausweitet und der
möglicherweise den neuen kurzwelligen Troganteilen geschuldet ist.
Tatsache ist, dass wir mit Aufleben des Tagesgangs verbreitet mit Gewittern und
überwiegend schauerartig geprägtem, gebietsweise durchaus aber auch mal länger
andauerndem Regen rechnen müssen, wobei Starkregen mit 15-25 mm/h oder
20-35 mm/6h ganz oben auf der Liste der Begleitelemente steht. Und auch das
Überschreiten der Unwetterschwellen wird heute nicht zu vermeiden sein, wobei
die Anfälligkeit in den von C-DE-EPS apostrophierten Regionen durchaus am
größten ist. Freilich sind auch kleinkörniger Hagel und auch Sturmböen nicht
kategorisch auszuschließen, treten gegenüber dem Starkregen aber in den
Hintergrund. Allerdings können im Streifen mit der markanten Bodenkonvergenz bei
gleichzeitig schwachen Höhenwinden vereinzelte TypII-Tornados ("landspouts")
nicht ganz ausgeschlossen werden.
Bei verbreitet eher weit unterdurchschnittlicher Einstrahlung reicht die
Temperaturspanne von 17 bis 22°C, bei längerem Regen im Mittelgebirgsraum teils
nur bei 15°C.

In der Nacht zum Mittwoch steilt die Höhenströmung über Deutschland noch etwas
auf. Gleichzeitig zieht über die Alpenländer ein Randtrog hinweg, dessen
Hebungsprozesse auch den Südosten des Landes tangieren. Ob die daraus
resultierenden Regenfälle Warnschwellen überschreiten, ist allerdings fraglich.
Ansonsten schwächen sich Gewitter und schauerartigen Regenfälle tagesgangbedingt
ab, ohne gänzlich zum Erliegen zu kommen. Zwischendrin lockert die Wolkendecke
auch mal auf, so dass sich in der feuchten Grundschicht stellenweise Nebel
bildet.

Mittwoch... weitet sich der Trog mit Drehzentrum über England weiter nach Süden
aus. Vorderseitig bleibt bei uns die zyklonale südliche bis südwestliche
Höhenströmung bestehen, in der kurzwellige Troganteile mit PVA den Nachschub
mitteltroposphärisch generierter Hebungsimpulse aufrechterhalten. Dagegen zieht
der alpine Randtrog aus der Nacht via Österreich und Tschechien ab.
Am Boden verbleibt Deutschland im Bereich des gradientschwachen Tiefdrucksumpfes
mit Rinne über Norddeutschland. Dort befindet sich weiterhin die feuchteste (PPW
25 bis 30 mm) Luftmasse mit ähnlichen ML-CAPE-Werten wie tags zuvor. Die Folge
sind erneut Gewitter und schauerartige Regenfälle mit Schwerpunkt Starkregen,
der lokal (besonders im Nordosten, wo sich evtl. ein kleines Mesotief bildet)
auch unwetterartig ausfallen kann (ein- oder mehrstündig). Kleinkörniger Hagel
und Sturmböen stehen nach wie vor weiter unten in der Prioritätenliste, und auch
die Wahrscheinlichkeit für TypII-Tornados nimmt aufgrund der nicht mehr ganz so
klar strukturierten und weniger scharfen Bodenkonvergenz weiter ab.
In der Mitte und im Süden ist zwar ein gewisser Rückgang der
gesamttroposphärischen Feuchte erkennbar auf PPWs unter
25 mm, ein nachhaltiger Luftmassenwechsel steht aber nicht ins Haus. Die
Labilität reicht größtenteils weiterhin aus, um mit Unterstützung des Tagesgangs
Schauer und Gewitter zu induzieren bei allerdings abnehmender
Unwetterwahrscheinlichkeit. Einzig im Süden (südliches Bayern und BW) deutet
sich eine zunehmende Deckelung an, was mögliche Gewitter verhindern könnte. Die
Sonne macht sich weiterhin rar und dürfte - für den Menschen sichtbar - am
ehesten in SO-Bayern ab und zu in Erscheinung treten. Temperaturmäßig ändert
sich nicht allzu viel gegenüber dem Vortag.

In der Nacht zum Donnerstag kommt es im äußersten Norden im unmittelbaren
Bereich der Rinne noch zu Regenfällen und einzelnen Gewittern mit nachlassender
Starkregentendenz. Und auch im Süden - grob südlich der Donau - kommt es
PVA-bedingt zu zeitweiligem Regen wahrscheinlich ohne Warnrelevanz. Dazwischen
lockert die Wolkendecke teilweise auf und es bildet sich stellenweise Nebel.


Donnerstag... rückt der o.e. LW-Trog noch etwas dichter an den europäischen
Kontinent heran. Seine Achse reicht um
12 UTC von der westlichen Nordsee bis hinunter nach Katalonien. Vorderseitig
verbleiben wir unter einer süd-südwestlichen Höhenströmung, die etwas an Stärke
zulegt, dabei vorübergehend aber einen antizyklonalen Touch bekommt. Am Boden
stellt sich eine umfangreiche und zunächst gradientschwache Tiefdruckzone ein,
die vom westlichen Mittelmeer bis nach Skandinavien und dem Baltikum reicht.
In der weiterhin labil geschichteten (ML-CAPE häufig 150 bis 600 J/kg), im Süden
und Südosten durch Überströmungs- bzw. Föhneffekte (niedertroposphärische
Abtrocknung) allerdings zunehmend gedeckelten Luftmasse entwickeln sich erneut
Schauer und Gewitter mit Starkregen, kleinkörnigem Hagel und stürmischen Böen.
Durch steigende Scherungswerte kann sich evtl. organisierte Konvektion
ausbilden, was die Wahrscheinlichkeit für Hagel und Sturmböen etwas erhöht. Die
Unwettergefahr ist aufgrund der limitierten Labilität (Hagel) und der
reduzierten PPWs (Starkregen) zwar nicht gleich null, summa summarum aber
reduziert.
Fraglich ist noch, ob es im Süden und Südosten in der abgetrockneten und
gedeckelten Luftmasse für einzelne Überentwicklungen reicht. Sollte das der Fall
sein, dann bestünde nicht zuletzt auch wegen der hohen Scherung (vor allem
deep-layer) sehr wohl lokale Unwettergefahr durch Hagel oder Sturmböen.
Ungeachtet möglicher Konvektion muss auf den Alpengipfeln mit (schweren)
Sturmböen durch Föhn gerechnet werden. Hinzu kommt, dass sich zum Nachmittag hin
über dem Süden ein orografisch induziertes Tiefdruckgebiet bildet, das sich im
weiteren Verlauf vertieft und auf Vb-artiger Bahn nord-nordostwärts zieht. Zwar
sind noch eine Menge Details ungeklärt, es deutet sich aber an, dass mit dieser
Entwicklung eine Menge Arbeit auf die Warnmeteorologen zukommt. So setzt wohl
schon im Laufe des Nachmittags von der Schweiz her teils gewittriger Starkregen
ein, der sich in der Nacht nordostwärts ausbreitet und dabei in einem schmalen
Korridor zum Teil über 50 mm innert 12 h, lokal sogar an die 100 mm bringen
soll. Wie das Ganze warntechnisch abgearbeitet wird, wird man noch diskutieren
müssen. Das betrifft auch die detaillierte Sturm- und Gewitterentwicklung.


Modellvergleich und -einschätzung
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Es ist alles gesagt, jetzt heißt es abwarten und in situ warnen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann