DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-10-2018 08:01
SXEU31 DWAV 240800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 24.10.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NWz (Nordwest zyklonal)

Wechselhafter Wettercharakter mit wechselnden Frontpassagen, dabei zeitweise
windig. An den Alpen Dauerregen.


Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Mittwoch... befindet sich Deutschland zwischen einer hochreichenden Antizyklone
(XERXES) über Westeuropa respektive dem nahen Ostatlantik und einem LW-Trog mit
integriertem Sturmtief (SIGLINDE) über dem nahen Osteuropa. Dazwischen hat sich
eine veritable nordwestliche Höhenströmung aufgebaut, die im Tagesverlauf aber
durch die leichte Progression des gesamten Strömungsmusters a) etwas an Kraft
verliert und b) von glatt zu leicht antizyklonal tendiert. Überhaupt muss man
konstatieren, dass die Strömung bzw. der Wind in allen Troposphärenschichten
allmählich schwächer wird, doch dazu später mehr.
Fakt ist, dass das okkludierende Frontensystem des vom Baltikum nach
Westrussland ziehenden Sturmtiefs in seinem Ostteil deutlich Boden nach Süden
hin gut macht, um im Laufe des Tages die Ostalpen zu erreichen. Nach Westen hin
allerdings wird die Kaltfront rasch strömungsparallel und geht in die Warmfront
eines weiteren Sturmtiefs über, das heute unter Abschwächung von Island zur
Norwegischen See zieht. Die Warmfront kommt mangels Schubkomponente nur äußerst
zögerlich nach Osten voran, trotzdem lässt sich ein Luftmassenunterschied
zwischen Nordost und Südwest von rund 8 Grad in 850 hPa ausmachen (heute Mittag
um -2°C nordöstlich der Elbe und um +6°C zwischen Eifel, Raum Basel und
Werdenfelser Land).
Wettertechnisch gelangt mit der nordwestlichen Strömung weiterhin mehrschichtige
Bewölkung in weite Teile des Landes, aus der es zunächst - überwiegend leicht -
regnet oder nieselt. Der Schwerpunkt des Regen verlagert sich dabei mehr und
mehr in den Südosten und dort besonders an die Alpen, wo nicht nur die Warmfront
"herangedrückt" wird, sondern zudem auch noch Stau im Spiel ist. ICON kommt über
12 Stunden auf 50-60 mm in den Berchtesgadener Alpen sowie im Karwendelgebirge,
was absolute Spitze ist und von anderen Modellen nur bedingt mitgegangen wird
(EURO4, COSMO-D2, noch weniger GFS, am allerwenigsten IFS, das lokal gerade mal
auf 15 mm/12 h kommt). Unter Berücksichtigung probabilistischer Verfahren und
ein wenig auch des Impact-Gedankens scheint es opportun zu sein, die laufende
markante Dauerregenwarnung so stehen zu lassen und nicht auf "Unwetter"
hochzustufen. Richtung Allgäu kann man später sogar über eine vorzeitige
Aufhebung nachdenken. Die aktuell gültige Dauerregenwarnung im Erzgebirge kann
am Mittag auslaufen. Am wenigsten Regen fällt im äußersten Westen und Südwesten
sowie im Nordosten (grob nordöstlich der Elbe), wo sich nicht nur durch
Skandinavienföhn abgetrocknete Luft (Taupunkte unter 5°C), sondern zudem
zeitweise die Sonne durchsetzen kann.
Punkt 2 auf der Warnagenda ist der west-nordwestliche Wind, der anfangs in
weiten Teilen des Vorhersageraums noch flott unterwegs ist (7-8 Bft, Küste bis 9
Bft, exponierte Hochlagen bis zu 12 Bft). Druckanstieg im Norden und Osten vs.
leichtem Fall im Südenosten führt zu einer allmählichen Gradientauffächerung,
die letztlich auch den Effekt des Tagesgangs tilgt, so dass der Wind sukzessive
schwächer wird. Zum Teil können die laufenden Wind- und Sturmwarnungen im
Tagesverlauf vorzeitig heruntergestuft oder sogar aufgehoben werden.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 10 bis 17°C, im höheren Bergland 5 bis
9°C.

In der Nacht zum Donnerstag füllt sich das ursprüngliche Sturmtief vor der
norwegischen Westküste soweit auf, dass es von der Wetterkarte verschwindet.
Dafür bildet sich im Lee der norwegischen Gebirge ein flaches Wellentief, das
langsam in Richtung Südschweden driftet. Während die zugehörige Warmfront (es
handelt sich um die o.e.) ostwärts über Deutschland hinwegschwenkt, bleibt die
Kaltfront über der Nordsee liegen. Entsprechend gelangen wir in den breit
aufgespannten Warmsektor, in dem nicht nur wolkenreiche Nordseeluft herangeführt
wird, sondern auch der Gradient zumindest im Norden und Nordosten wieder etwas
zulegt. Für die Küste und das küstennahe Binnenland bedeutet das nach der
vorübergehenden Abnahme am Nachmittag und Abend ein erneutes Auffrischen des
etwas gen West rückdrehenden Windes mit Böen 7 Bft, unmittelbar an der See 8
Bft. Allzu tief dürften die warnwürdigen Böen aber nicht ins Binnenland
eindringen, weil Tagesgang und stabile Schichtung als Bremse wirken. Ausgenommen
sind freilich die exponierten Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge (außer
Südwesten) und Alpen, wo 8er- bis 9er-Böen auf der Karte stehen.
Ansonsten sei noch erwähnt, dass es zu weiteren Regenfällen kommt, die aber
meist nur leichter Intensität sind. Die Stauniederschläge an den Alpen werden
allmählich schwächer (am östlichen Alpenrand exponiert vielleicht noch mal 10
bis 20 mm innert 12 h => bis zu 80 mm/24 h), sonst fällt der meiste Regen (in
der Regel unter 5mm/12h) vor der Warmfront, wo die WLA am kräftigsten ist. Ganz
dünn kommen einmal mehr der Westen und Südwesten weg, wo es nur marginal oder
gar nicht regnet. Dort bildet sich stellenweise sogar Nebel, wenn es mal für
längere Zeit aufgeht.

Donnerstag... beginnt sich die Potenzialverteilung insofern umzustellen, als
dass der Höhenrücken unter Abflachung nach Südeuropa wandert, während der
LW-Trog den Plan hat, über dem Schwarzen Meer oder der Türkei abzutropfen. Hinzu
kommt ein neuer, sich amplifizierender KW-Trog, der von der Irminger See südlich
an Island vorbei gen Schottland steuert. Unter dem Strich führt das über dem
Vorhersageraum zu einem kontinuierlichen Rückdrehen der Höhenströmung auf West
(24 UTC), wobei die Krümmung über weite Strecken des Tages antizyklonal
konturiert bleibt.
Im Bodendruckfeld erreicht das o.e. Wellentief das Gewässer zwischen Schweden
und den baltischen Staaten, wodurch die zugehörige Kaltfront mit etwas Regen
(unter 5 mm/12 h) nach Norddeutschland eindringen kann. Wesentlich weiter kommt
sie aber nicht, da auch sie nach Westen hin in die Warmfront einer flachen Welle
übergeht, die am Mittag über Schottland positioniert ist. Hinzu kommt, dass die
Front im Süden von einem Hochkeil geblockt wird, der Bestandteil eines neuen
atlantischen Hochs ist (Schwerpunkt um 12 UTC noch westlich von 30° W, grob
südlich von Kap Farvel) und via Frankreich bis nach Südwestdeutschland gerichtet
ist. Dieser Keil sorgt im Süden und Südwesten nicht nur für einen aufgefächerten
Gradienten, sondern auch für zumindest zeitweise auflockernde
Bewölkungsverhältnisse mit ein paar sonnigen Abschnitten.
Ansonsten überwiegt kompakte Bewölkung mit dem erwähnten frontalen Regen im
Norden und Osten. Postfrontal allerdings - etwa von SH bis hinüber nach MV -
lockert die Wolkendecke in der frisch einfließenden subpolaren Meeresluft (T850
bei 0°C) ebenfalls etwas auf, vor allem zum Nachmittag hin.
Thema Wind, der frischt auf der Süd-Südwestflanke des Wellentiefs aus westlichen
Richtungen kommend im Norden und Osten sowie in Teilen der Mitte (Osten)
vorübergehend auf mit Böen 7 Bft, exponiert und vereinzelt auch mal 8 Bft. An
der Küste sowie in höheren Lagen stehen Sturmböen 8-9 Bft auf dem Programm, auf
dem Brocken und dem Fichtelberg sogar ´ne schwere Sturmbö 10 Bft. Am Nachmittag
und Abend lässt der Wind im Binnenland dann schon wieder nach.
Die Temperatur erreicht in der Nordhälfte 11 bis 15°C, sonst 14 bis 18°C, im
äußersten Süden mit Hilfe von Klara lokal 19°C.

In der Nacht zum Freitag erreicht die o.e. Welle gegen Mitternacht das Seegebiet
"Fischer" und somit auch die zugehörige Warmfront den Norden Deutschlands. Dabei
kommt es im Norden, aber auch im Osten (dort an der abziehenden Kaltfront) zu
leichtem Regen oder Nieselregen. Der Wind an der Küste nimmt ab, gleichwohl
stellt sich im Warmsektor über der Nordsee eine frische Grundströmung aus
West-Südwest ein, die für einzelne steife Böen 7 Bft insbesondere auf den Inseln
durchaus zu haben ist.
Im windschwachen Süden zeigt sich die Wolkendecke bei leichtem Hochdruckeinfluss
teilweise aufgelockert, was das eine oder andere Nebelfeld zur Folge hat.


Freitag... erreicht der o.e. Höhentrog die Nordsee. Er verfügt über eine stark
positiv geneigte Achse und erstreckt sich somit über den Ärmelkanal bis zur
Biscaya (18 UTC). Vorderseitig dreht die Höhenströmung über dem Vorhersageraum
noch etwas zurück auf West-Südwest, wobei sie in weiten Teilen des Landes leicht
antizyklonal konturiert bleibt. Nicht so allerdings im äußersten Nordwesten, wo
nicht nur die Trogachse immer näher kommt, sondern ab Mittag auch die Kaltfront
von der Nordsee übergreift. Die zugehörige Welle hat sich mittlerweile zu einem
kleinen Tief gemausert, das um 12 UTC mit etwas unter 1000 hPa soeben Jütland
passiert haben dürfte. Es wird sich auf seinem Weg in Richtung südöstliche
Ostsee noch etwas vertiefen auf knapp unter 995 hPa.
Wettertechnisch ist es im Süden noch für längere Zeit aufgelockert, an den Alpen
scheint sogar für mehrere Stunden die Sonne. Ansonsten verdichtet sich von
Nordwesten die Bewölkung und es kommt zu frontalen Regenfällen, die sich
allmählich südostwärts ausbreiten und gegen Abend etwa eine Linie
Hunsrück-Oderbruch erreichen. Rückseitig gelangt auf direktem Weg ein Schwall
maritimer Polarluft vom Europäischen Nordmeer in den Norden und Westen, in der
die 850-hPa-Temperatur auf etwas unter 0°C zurückgeht. In den äußersten Norden
und Nordwesten wird zudem ein Schluck höhenkalter Luft (T500 um oder etwas unter
-30°C) gespült, was dort z.T. bis in die Nacht zum Samstag hinein Schauer und
sogar kurze Graupelgewitter zur Folge hat.
Der Südwest- bis Westwind (später an der Nordsee auf Nordwest drehend) lebt
besonders im Norden mitunter böig auf mit Böen 7 Bft insbesondere an der See und
in höheren Lagen. Mit Kaltfrontpassage könnte es auch mal in tiefen Lagen die
eine oder andere steife Bö 7 Bft geben. In der Mitte und im Süden beschränken
sich warnwürdige Böen auf exponierte Kamm- und Gipfellagen des Berglands (7-8
Bft, vereinzelt 9 Bft).
Die Temperatur erreicht Maxima zwischen 10 und 15°C, im Süden stellenweise noch
mal bis zu 18°C.

In der Nacht zum Samstag werden die Weichen für ein aus synoptischer Sicht
wahrscheinlich hochinteressantes Wochenende gestellt. Hauptimpulsgeber ist der
o.e. Trog, der sich weiter intensiviert respektive amplifiziert und mit seinem
Südteil die Iberische Halbinsel erreicht. Vorderseitig setzt kontinuierlicher
Druckfall ein, der zunächst eine von Südwest nach Nordost exponierte
Tiefdruckrinne generiert (am Samstag bildet sich dann über Ostspanien bzw. dem
festlandnahen Mittelmeer ein kräftiges Tief). Sie reicht von Spanien über die
Alpen bis zum o.e. Tief über der südöstlichen Ostsee. Genau in diese Rinne läuft
unsere Kaltfront hinein, die mit etwas Regen die Mittelgebirge überquert, in
Süddeutschland dann aber ins Schleifen kommt bzw. in eine zur Rinne gehörende
Warmfront übergeht. Dabei wird länger andauernder Regen generiert, der sich
tagsüber noch intensiviert. Wann und wo genau der Regen dann evtl. in Schnee
übergeht, ist einer der spannenden Fragen, die uns am Wochenende (und natürlich
auch bereits schon vorher) begleiten werden.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Wie so oft wird der Generalkurs von allen Modellen sehr ähnlich simuliert.
Auffallend sind die erheblichen Diskrepanzen bei Stauniederschlag an den Alpen
von heute bis morgen. Man ist geneigt, die Simulation von ICON als etwas zu
hoch, die von IFS hingegen als etwas zu niedrig einzuschätzen. Mal sehen,
abgerechnet wird Donnerstagfrüh bzw. -mittag.
Hinsichtlich der Entwicklung in Richtung Wochenende stimmt der Trend auch, hier
wird es aber auf Feinheiten ankommen, die jetzt noch nicht darstellbar sind.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann