DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-10-2018 08:01
SXEU31 DWAV 220800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 22.10.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
NW

Am Dienstag und Mittwoch stürmisch. An den Küsten und im Bergland schwere
Sturmböen, vereinzelt orkanartige Böen. Im Stau des Erzgebirges und der Alpen ab
Dienstag markanter Dauerregen. In Berchtesgaden WU Dauerregen nicht
ausgeschlossen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... wölbt sich über dem Nordatlantik ein breiter Höhenrücken auf, an
dessen Nordflanke die Frontalzone weit nach Norden Richtung Island und Grönland
verschoben wird. Sie biegt von dort aus nach Südosten um und verläuft in die
Nordsee und nach Südskandinavien. Mit einem kurzwelligen Trog weitet sie sich in
die Ostsee aus und der zunächst noch über uns befindliche Höhenrücken wird
abgebaut und nach Süden abgedrängt. Der atlantische Rücken stützt ein kräftiges
Bodenhoch mit mehr als 1045 hPa westlich von Irland.
An seiner Ostseite wird die Kaltfront des Nordmeertiefs von Norddeutschland nach
Süden geführt und erreicht abends die Gebiete zwischen Main und Donau. Da der
erwähnte Höhentrog nicht sonderlich markant ist und die trogvorderseitige PVA
von Kaltluftadvektion teilweise kompensiert wird, halten sich die
Hebungsvorgänge in Grenzen. Entsprechend mager fallen die Niederschlagsmengen
aus. Meist werden nur 0,5 bis 3 mm/12 h berechnet, nach Südwesten hin bleibt es
weitgehend trocken. Im Süden kommt bis zum Abend noch nichts an.
Dort hält sich zunächst Hochdruckeinfluss mit leichtem Absinken und es scheint
nach Nebelauflösung zeitweise die Sonne. Auch postfrontal lockert die
Wolkendecke in der einfließenden frischen subpolaren Meeresluft soweit auf, dass
die Sonne zumindest hin und wieder scheint. Die Temperatur geht dabei im 850hPa
Niveau auf 0 bis -2 Grad zurück. Rückseitige Schauer sind mangels Labilität und
ausreichend Feuchte nicht zu erwarten.
Der nordwestliche, im Süden nördliche bis nordöstliche Wind lebt mitunter leicht
böig auf. Stärkere Böen (Bft 7) treten lediglich an der Nordsee, auf dem Brocken
und nachmittags auch an der Ostsee auf.

Die Temperatur erreicht 10 Grad im mittleren Bergland und bis 15°C am
Niederrhein, im Oberrheingraben örtlich bis 17°C.

In der Nacht zum Dienstag wölbt sich Richtung Irmingersee ein Höhenkeil auf,
während sich der Trog über Skandinavien kräftigt und nach Süden ausweitet. Reste
des Rückens verschwinden Richtung Alpen. Die Höhenströmung dreht auf Nordwest
und nimmt deutlich zu. Vor einem nach Südskandinavien ziehenden Randtief setzt
im Norden und der Mitte kräftige WLA ein. So kommen von Norden her Regenfällen
auf, die bis zum Morgen das nördliche Niedersachsen und das nördliche
Brandenburg erfassen.
Zudem sinkt der Kerndruck des Tiefs laut ICON im Laufe der Nacht auf knapp 990
hPa und der Gradient nimmt vor allem über Norddeutschland deutlich zu. Das hat
an der See Böen Bft 8 bis 9, in der 2. Nachthälfte Böen Bft 9 bis 10, an der
Nordfriesischen Küste exponiert auch orkanartige Böen zur Folge. In
Schleswig-Holstein sind im Laufe der zweiten Nachthälfte ebenfalls Sturmböen zu
erwarten, im norddeutschen Tiefland Windböen.


Dienstag... verläuft die Frontalzone von der Nordsee und Südskandinavien nach
Südosten und greift verstärkt auch auf Mitteleuropa über. Gleichzeitig
entwickelt sich das Randtief zum Sturmtief und zieht bis zum Abend unter
Intensivierung auf ca. 980 hPa zum Baltikum.
Zwischen dem Tief und dem kräftigen Hoch westlich Irlands stellt sich in weiten
Teilen des Landes eine stramme West- bis Nordwestströmung am Boden ein (in der
Höhe Nordwest), mit der das okkludierende Frontensystem des Sturmtiefs
südostwärts über Deutschland gesteuert wird. Dabei breiten sich die Regenfälle
bis nach Süddeutschland aus.
Am meisten Regen gibt es im Norden und Osten, wo meist 5 - 10, nach ICON
gebietsweise an die 15 mm in 12 Stunden fallen können. Bei deutlich
antizyklonaleren Verhältnissen fällt dagegen im Westen und Südwesten
gebietsweise gar nichts. Im Erzgebirgsstau beginnt es kräftiger zu regnen. Von
etwa Dienstagmittag bis Mittwochmittag fallen dort 30 bis 40 mm Regen, womit
dort Dauerregenwarnungen in Erwägung gezogen werden sollten, auch wenn der Regen
nach der Trockenheit natürlich erwartet wird.

Im Blickpunkt des Geschehens steht aber der Wind respektive Sturm, der in der
Nordosthälfte in Böen Stärke 7-8 Bft, teils sogar 9 Bft erreicht. An der See
sowie in exponierten Hochlagen der Berge werden 10er- oder an der
Nordfriesischen Küste, auf den Nordseeinseln auch vereinezlte 11er-Böen
auftreten. Auf dem Brocken und Fichtelberg sind Orkanböen möglich. Höhepunkt der
Windentwicklung sollte an den Küsten in den Morgenstunden sein, sonst eher am
Vormittag, auf den Bergen verschiebt er sich noch etwas weiter nach hinten.
Etwas gedämpfter läuft die Windentwicklung nach Südwesten hin ab, wo es wohl nur
auf den Bergen stürmisch wird.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 9 bis 15 Grad, im äußersten Südwesten
(Oberrhein) mit etwas Sonne lokal etwas darüber.
In der Nacht zum Mittwoch herrscht in der Höhe weiter eine stramme
Nordwestströmung. Mit Abzug des Tiefs nach Weißrussland schwächen sich Gradient
und Wind in den meisten Landesteilen langsam ab. Es gibt aber gerade im Bergland
und an den Küsten weiter stürmische Böen und Sturmböen. Auch für den Südosten
könnte das Windmaximum erst noch anstehen. Forciert durch den Leitplankeneffekt
nimmt der Wind dort nachts mit Annäherung des Tiefausläufers sogar erst zu. Vor
allem in Südbayern sind bis in tiefe Lagen dann stürmische Böen, teilweise
Sturmböen zu erwarten, im dortigen Bergland gibt es exponiert schwere Sturmböen,
bzw. orkanartige Böen.

Besonders in einem Streifen von der Nordsee bis nach Südbayern und in den
östlichen Mittelgebirgsraum fällt schauerartiger Regen, der in Staulagen
verstärkt wird. So werden im Alpenraum teils über 15 mm, in exponierten
Staulagen von ICON auch über 30 mm Niederschlag in 12 Stunden simuliert. Auch
dort entwickelt sich eine Dauerregenlage und in den 36 Stunden von etwa
Dienstagabend bis Donnerstag früh fallen in Berchtesgaden und am Alpenrand 40
bis 60 mm Regen. ICON simuliert zwar teilweise erheblich mehr, bis über 100 mm,
schießt damit aber wohl über das Ziel hinaus. Diese Mengen werden weder von den
anderen Modellen, noch von den probabilistischen Verfahren gestützt. Dennoch
erscheint vor allem in Berchtesgaden, wo die höchsten Mengen anstehen und auch
die Probabilistik am stärksten zuschlägt, unwetterartiger Dauerregen durchaus im
Bereich des Möglichen.



Mittwoch... nähert sich das Hoch etwas an und die stramme Nordwestströmung
bleibt erhalten. Die teilokkludierte Kaltfront zieht im Süden zunächst Richtung
Alpen ab, verbleibt aber schleifend über den westlichen Landesteilen, wo sie in
die Warmfront eines neuen Tiefs übergeht. Dieses zieht im Tagesverlauf in die
Norwegische See, wobei die Warmfront wieder nach Osten vorankommt. Damit gehen
die anfangs teils noch schauerartigen Regenfälle mehr in flächigen Regen über
und in Staulagen intensivieren sich die Niederschläge noch.
In 12 Stunden sollen tagsüber 2 bis 10, in einigen Staulagen um 15 mm Regen
fallen. In Berchtesgaden zeigen ICON und das GFS um die 50 mm.
Da wirklich kältere Luft lediglich in den Nordosten einströmt und dort, wo es
den meisten Niederschlag gibt, die Schneefallgrenze recht weit oben bleibt,
spielt die feste Phase keine große Rolle. Schnee fällt lediglich oberhalb von
1800 bis 2000m, teilweise liegt die Schneefallgrenze noch höher.

Vor der Warmfront schwächt sich der Wind ab. Anfangs sind an der See und auf den
Bergen stürmische Böen zu erwarten, im Südosten sogar Sturmböen. Im Tagesverlauf
lässt der Wind aber nach und vorübergehend werden selbst an der See nur steife
Windböen auftreten. Im Laufe des Abends könnte aber der Wind an der Nordsee
hinter der Warmfront wieder auffrischen mit ersten stürmischen Böen.
Temperaturtechnisch liegen wir meist zwischen 11 und 16 Grad. Auflockerungen
sind am ehesten im Nordosten möglich, wo sich vorübergehend Skandinavienföhn
durchsetzen kann.

In der Nacht zum Donnerstag entwickelt sich am Okklusionspunkt des neuen
Frontensystems ein weiteres Tief, das nach Südschweden zieht. Hinter der
ostwärts abziehenden Front gelangen wir in den Warmsektor, die folgende
Kaltfront erreicht am Morgen das Küstenumfeld. Die Warmluftadvektion lässt zwar
nach, weitere Hebung wird aber durch kurze Wellen in der nordwestlichen Strömung
generiert und entsprechend wolkenreich geht die Nacht über die Bühne und
gebietsweise regnet es leicht. Im Alpenstau auch etwas mehr.

Die Nacht bleibt somit auch mild, ohne Frost.

Im Bergland und an der See weht weiter recht kräftiger West- bis Nordwestwind
mit starken bis stürmischen Böen, exponiert im Bergland auch mit Sturmböen. Im
Flachland hat der Wind dann soweit nachgelassen, dass keine Warnungen mehr nötig
sind.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Entwicklung ist in groben Zügen unstrittig. Leichte Unsicherheiten gibt es
bei der Entwicklung des Sturmtiefs am morgigen Dienstag. ICON hat eine etwas
südlichere Zugbahn auf der Karte, als die anderen Modelle und simuliert die
stärksten Böen bis Bft 11 an der Nordsee. Diese sind zwar nicht ausgeschlossen,
sollten aber höchstens vereinzelt auftreten, so dass markante Warnungen auch an
der See reichen müssten. Was den Regen angeht, ist noch etwas Zeit. Auch in
diesem Punkt sollte markanter Dauerregen meist genügen. Unsicherheiten sind
diesbezüglich aber schon im Text beschrieben.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner