DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-10-2018 17:30
SXEU31 DWAV 201800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 20.10.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Wochenende noch ruhig, danach allmähliche Umstellung der Wetterlage auf Nordwest
mit Sturm zum Dienstag hin.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland weiterhin innerhalb einer langgestreckten,
vom mittleren Nordatlantik bis zum östlichen Mitteleuropa reichenden
Hochdruckzone (WOLFGANG). Zwar büßt das Hoch etwas an Substanz ein (die
1030-hPa-Isobare verschwindet bis morgen früh von der Wetterkarte), das
Gesamtkonstrukt mit dem ebenfalls vom Atlantik bis zum Kontinent gerichteten
Höhenrücken bleibt aber vergleichsweise robust. Okay, nicht überall bleibt es
gering bewölkt oder klar. Vor allem von der Nordsee werden immer wieder
WLA-induzierte Wolkenfelder süd-südostwärts gesteuert, die aber kaum Regen
bringen (am ehesten etwas im Stau der ostdeutschen Mittelgebirge). Im Süden, im
Nordosten und teils auch in der Mitte bilden sich Nebel oder Hochnebel. Zudem
ist in diesen Regionen mit leichtem Frost in Bodennähe zu rechnen, wenn es für
längere Zeit aufklart.

Sonntag ... bleibt die GWL BM zunächst noch erhalten, auch wenn sich die
Zonalachsen des weiter schwächelnden Bodenhochs WOLFGANG und des Höhenrückens
etwas nach Süden verschieben. Damit kann sich die Frontalzone etwas dichter an
die nordwestlichen Landesteile heranschieben, wobei über dem nahen Ostatlantik
eine Austrogung in Gang kommt, deren Endprodukt - ein vergleichsweise flacher
Höhentrog - in der Nacht zum Montag die Nordsee erreicht. Vorgeschaltet ist das
Frontensystem eines veritablen Nordmeertiefs (RACHEL), dessen Warmfront die
Küstenregion marginal streift, während die nachfolgende Kaltfront von der
Nordsee her in der Nacht zum Sonntag auf das Festland übergreift.
Wettertechnisch läuft der Hase so, dass es von Nordwesten bis an den nördlichen
Mittelgebirgsrand häufiger stark bewölkt ist, aber weitgehend trocken bleibt.
Dichteres Gewölk respektive Hochnebel entpuppen sich auch von Ostbayern bis zum
östlichen Alpenrand als zähe Substanz, die sich nur schleppend auflöst. Dagegen
schein im Westen und Südwesten sowie im Nordosten nach unterschiedlich lang
andauernder Nebelauflösung häufig die Sonne.
Mit der Temperatur geht es peu a peu bergab, ohne dass es so richtig kalt wird.
Die Spanne reicht von 12-16°C in der Ost- bis 14-18°C in der Westhälfte.

In der Nacht zum Montag greift besagte Kaltfront mit etwas Regen auf
Nordwestdeutschland über. Bis zum frühen Montagmorgen erreicht die Vorderkante
des Regenbandes (meist nur 1-2 mm innert 12 h oder weniger, nur vereinzelt
geringfügig mehr) etwa eine Linie Ruhrpott-Leinebergland-Oderhaff.
Mit Frontpassage dreht der Wind nicht nur markant von SW auf NW, er frischt
zudem besonders an der Nordsee soweit auf, dass in der zweiten Nachthälfte ein
paar steife Böen 7 Bft am Start sind.
Der Süden und die Mitte bleiben in der Nacht noch unbeeinflusst vom genannten
zyklonalen Geschehen. Hier und da bildet sich Nebel, zudem geht die Temperatur
im Süden und Südosten vielerorts auf nahe 0°C oder in den leichten Frostbereich
zurück.

Montag ... setzt sich die zuvor schon begonnene Aufwölbung eines monumentalen
Höhenrückens über dem Ostatlantik fort. Auf seiner Ostabdachung gelangt
Deutschland im Laufe der Woche mehr und mehr unter eine nordwestliche
Höhenströmung, die sich am Montag aber noch sehr verhalten gibt. So verwundert
es denn auch nicht, dass die o.e. Kaltfront nebst Regenband (0,5 bis maximal 3
mm/12 h) mit angezogener Handbremse unterwegs ist und entsprechend relativ
undynamisch die Mittelgebirge in Richtung Süddeutschland überquert. An den Alpen
kommt sie erst in der Nacht zum Dienstag völlig ausgelaugt (kaum noch Regen) an,
so dass insbesondere die Regionen südlich der Donau nach Nebelauflösung einen
zumindest zeitweise heiteren oder gar sonnigen Wochenstart erleben dürfen.
Auch postfrontal lockert die Wolkendecke in der frisch einfließenden subpolaren
Meeresluft (Rückgang T850 im Norden und Osten auf etwas unter 0°C) soweit auf,
dass die Sonne zumindest hin und wieder einen Auftritt bekommt. Rückseitige
Schauer sind mangels Labilität und ausreichend Feuchte zunächst nicht zu
erwarten, was aber auch daran liegt, dass ein neuer Patriarch unter den
Hochdruckgebieten den Luftdruck hinter der Front kräftig steigen lässt. XERXES
heißt das Exemplar, das seinen Schwerpunkt am Montag mit etwas über 1045 hPa!
westlich Irlands positioniert, von wo aus sich ein Keil bis nach Mitteleuropa
erstreckt.
Der nordwestliche, im Süden nördliche bis nordöstliche Wind lebt zwar mitunter
leicht böig auf, zeigt aber tagsüber noch viel, viel Luft nach oben. Vor allem
an der Nordsee, exponiert auch an der Ostsee treten anfangs noch einzelne Böen
7 Bft auf, bevor der Wind zum Nachmittag vorübergehend etwas nachlässt.
Die Temperatur erreicht nur noch 11 bis 15°C, im südlichen Oberrheingraben
vielleicht ein Ticken mehr, in den Hochlagen der Mittelgebirge eher um oder
unter 10°C.

In der Nacht zum Dienstag kommt allmählich Schmackes in die Bude. Auslöser ist
eine flotte westliche Grundströmung, die vom Atlantik gegen die norwegischen
Berge weht. Dabei kommt es knapp nördlich von Oslo zu einer Leezyklogenese und
der Bildung eines kleinen Sturmtiefs, das am Dienstagmorgen mit einem Kerndruck
von etwas unter 990 hPa (ICON, 12 UTC) über Mittelschweden aufschlägt (gegenüber
dem 00-UTC-Lauf wird das Tief damit um rund 4 hPa tiefer simuliert).
Wie auch immer, Tatsache ist, dass sich der Gradient im Norden deutlich
verschärft und somit eine merkliche Windauffrischung bedingt. Diese wird auf
See sowie unmittelbar an der Küste am spürbarsten sein, stehen dort doch mit
Rückdrehen auf West bis Südwest Sturmböen 8-10 Bft, vereinzelt sogar orkanartige
Böen 11 Bft auf der Karte. Im norddeutschen Binnenland sollte man am Morgen
weitgehend mit Böen 7 Bft auskommen, während exponierte Kamm- und Gipfellagen
der nördlichen und zentralen Mittelgebirge vereinzelt mit 8 Bft, der Brocken bis
10 Bft dabei sind.
Während im äußersten Norden nicht nur Wind/Sturm, sondern auch Regen aufkommen
(ausgelöst vom sich nähernden Frontensystem des Sturmtiefs), geben sich der
Süden und weitgehend auch die Mitte in dem südwärts schwenkenden Hochkeil noch
sehr beschaulich. Hier und da bildet sich ein Nebelfeld und besonders in den
Mittelgebirgen ist teilweise leichter Frost in Bodennähe möglich.

Dienstag ... bekommt die Frontalzone von Nordwesten kommend mehr Zugriff auf den
Vorhersageraum. Gleichzeitig zieht das Sturmtief bis zum Abend unter
Intensivierung auf rund 975 hPa Kerndruck zum Westeingang des Finnischen
Meerbusens. Zwischen dem Tief und dem weiterhin potenten XERXES knapp westlich
Irlands stellt sich in weiten Teilen des Landes eine stramme
West-Nordwestströmung am Boden ein (in der Höhe rein Nordwest), mit der das
okkludierende Frontensystem des Sturmtiefs südostwärts gesteuert wird. Dabei
breiten sich die zugehörigen Regenfälle von Nord nach Süd aus. Am meisten Regen
fällt im Norden und Osten, wo gebietsweise 5-10 mm/12 h, mit Stau (Erzgebirge)
und schauerartigen Verstärkungen (z.B. bei Kaltfrontpassage) stellenweise auch
ein paar Millimeter mehr zusammenkommen können - immerhin. Weniger Regen wird im
Westen und Südwesten fallen, wo das ganze Setup etwas antizyklonaler aufgestellt
ist. Zum Teil (z.B. in Leegebieten) muss man froh sein, wenn überhaupt ein paar
Tropfen den Erdboden erreichen.
Im Blickpunkt des Geschehens steht ohnehin der Wind respektive Sturm, der in der
Nordosthälfte in Böen Stärke 7-8 Bft, teils sogar 9 Bft erreicht. Noch
stürmischer geht es an der See sowie in exponierten Hochlagen zur Sache, wo
sogar 10er- oder 11er-Böen auftreten; auf einigen Bergen reicht es sogar für ´ne
glatte "12", sprich, Orkanböen. Etwas geschmeidiger läuft die Windentwicklung
nach Südwesten hin ab, wo es wohl nur auf den Bergen stürmisch wird.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 9 bis 15 Grad, im äußersten Südwesten
(Oberrhein) mit etwas Sonne lokal etwas darüber.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundlegende Entwicklung scheint in trockenen Tüchern. Feinheiten zum
Sturmtief Montag/Dienstag sind freilich noch auf Findungskurs, so dass die
detaillierte Einschätzung der Sturmentwicklung noch mit Unschärfen versehen ist.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann