DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-10-2018 08:01
SXEU31 DWAV 020800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 02.10.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Anfangs NWz (Nordwest zyklonal), zum Ende hin kurzzeitig BM (Brücke
Mitteleuropa)

Heute und kommende Nacht "normale" herbstliche Wind- und Sturmlage, Höhepunkt an
der Küste in der Nacht zum Mittwoch mit schweren Sturmböen. Am morgigen Tag der
Deutschen Einheit von Westen her beginnende Wetterberuhigung, trotzdem am
Feiertag selbst eher noch durchwachsendes Wetter.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... steht die Wetterentwicklung in Deutschland im Zeichen eines kleinen,
aber sehr wirksamen Teiltiefs, das heute von der nördlichen Nordsee über den
Skagerrak bis nach Gotland zieht. Dieses Teiltief bildet sich in den nächsten
1-2 Stunden knapp östlich der norwegischen Südspitze (=> orografische
Triggerung) unweit vom Okklusionspunkt des "Muttertiefs" JESSICA, das heute früh
06 UTC mit einem Kerndruck nahe 990 hPa knapp westlich der südnorwegischen
Westküste lag. Während sich JESSICA im Tagesverlauf zusehends auffüllt,
entwickelt sich das Tochtertief zu einem Sturmtief der Größe S, das am Tagesende
ebenfalls einen Kerndruck von etwas unter 990 hPa aufweist.
Unterstützt wird die Entwicklung freilich durch die Konstellation der
Höhenströmung. So greift nach Abzug eines flachen Rückens die Frontalzone von
Nordwesten her auf Deutschland über, was eine Zunahme der nordwestlichen
Höhenwinde zur Folge hat. Der Höhepunkt wird in der kommenden Nacht erreicht,
wenn ein Jet-Maximum mit 300-hPa-Winden bis knapp 150 Kt auf den Norden und
Osten des Vorhersageraums übergreift. Relevanter für die Entwicklung des
Teiltiefs ist allerdings die Tatsache, dass es etwa ab Mittag unter den
entwicklungsgünstigen linken Ausgang des Jets gelangt, was ein moderates
Auspumpen des Bodentiefs initiiert.
Druckfall hat inzwischen auch schon in weiten Teilen Deutschlands eingesetzt,
insbesondere im Nordwesten. Er kündigt die Annäherung eines Frontensystems an,
das im Laufe des Vormittags auf NW-Deutschland übergreift und in der Folge unter
fortschreitender Okkludierung südostwärts schwenkt. Die Okklusion respektive
Kaltfront erreicht in der kommenden Nacht Süddeutschland. Dahinter gelangt ein
frischer Schwall subpolarer Meeresluft in den Norden und die Mitte (T850 um
0°C), nachdem zuvor im Warmsektor kurzfristig etwas mildere Luft angezapft wurde
(T850 5 bis 7°C). Dem Frontensystem weit vorauseilende und den abwandernden
Rücken überlaufende WLA hat bereits mehrschichtige Bewölkung in den Norden und
Westen gebracht, die sich im Tagesverlauf immer weiter südostwärts ausbreitet
und anfangs noch vorhandene Lücken schließt. Ausbreiten wird sich auch der
skalige, präwarmfrontale leichte Regen, der bereits den Nordwesten erfasst hat,
wobei bis zum Abend selten mehr als 5 mm innert 12 h fallen. Nur in den
Mittelgebirgen kann durch Stau punktuell mal etwas mehr in den Topf fallen.
Weitgehend trocken bleibt es - nachdem letzte Schauer am Alpenrand aufgegeben
haben - in Teilen Süd- und Südostdeutschlands.
Im Blickpunkt des Warngeschehens steht heute ohne Zweifel der Wind, der in den
nächsten Stunden vornehmlich im Norden und in Teilen der Mitte sukzessive
zulegen wird, wobei er zunächst aus Südwesten kommt, um hinter der Kaltfront
bzw. Okklusion auf West bis Nordwest zu drehen. Dabei treten im Binnenland in
der Basis steife Böen 7 Bft, im nordöstlichen Teil des norddeutschen Binnenlands
sowie in exponierten Lagen (vor allem im Lee der Mittelgebirge, besonders
ausgeprägt am Harz) stürmische Böen 8 Bft auf. An der Küste sowie im höheren
Bergland stehen vermehrt Sturmböen 8-9 Bft auf der Karte, auf den berühmten
Pappenheimern Brocken und Fichtelberg sogar schwere Sturmböen oder orkanartige
Böen (10 bis 11 Bft). Auch an der Ostsee sind im Tagesverlauf an exponierten
Stellen vereinzelte 10er-Böen nicht ausgeschlossen, wie u.a. von PEPS oder
C-D2-EPS signalisiert. Postfrontal kommt es im Binnenland in den Abendstunden zu
einer Abschwächung des Windes.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 10 bis 15°C, im Bergland bleibt es
einstellig.

In der Nacht zum Mittwoch wird - was die Küste angeht - der Höhepunkt der
Sturmlage erwartet, was im Wesentlichen zwei Gründe hat. Zum einen legt mit
Annäherung eines Bodentroges (der quasi im Schlepptau des ostwärts ziehenden
Tiefs auftritt) von Südskandinavien her der Gradient noch etwas zu, zum anderen
wird im Zuge einer von Nordeuropa zum östlichen Mitteleuropa gerichteten
Austrogung etwas höhenkalte Luft (T500 um -25°C) in den äußersten Nordosten
gespült, die dort konvektive Umlagerungen in Form von kräftigen Schauern und
einzelnen Gewittern generiert. Bei Oberwinden von bis zu 50 Kt in 925 hPa und
bis zu 60 Kt in 850 hPa sind 10er-Böen mehr als plausibel und eine vereinzelte
"11" keine wirkliche Überraschung. Aber auch unabhängig von der konvektiven
Komponente sollte es an Nord- und Ostsee vermehrt für Böen 9-10 Bft reichen.
Etwas gemächlicher geht es im nord- und ostdeutschen Binnenland zu, wo der Wind
nach der kleinen abendlichen Depression zwar wieder zulegt, mit Ausnahme
exponierter Hochlagen (Insider wissen, welche Berge gemeint sind) aber nicht
mehr als steife, vereinzelt stürmische Böen (7-8 Bft) erreicht werden sollten.
Ansonsten soll nicht verschwiegen werden, dass die Nacht im Süden und Westen
ruhiger verläuft (Böen 7-8 Bft nur in exponierten Kamm- und Gipfellagen), wobei
es in Süddeutschland zeitweise etwas regnet.

Mittwoch... erreicht das kleine Sturmtief die baltischen Staaten, wo es genau
unter das Drehzentrum des sich intensivierenden Höhentrogs gelangt. Gleichzeitig
verlagert das kräftige Hoch über dem nahen Ostatlantik seinen Schwerpunkt
zusehends nach Osten (um 12 UTC etwas über 1030 hPa am Westeingang des
Ärmelkanals), was bei uns unweigerlich kräftigen Druckanstieg zur Folge hat. Der
führt einerseits dazu, dass sich die mittlerweile an den Alpen angekommene
Kaltfront beginnt aufzulösen. Andererseits wird der Gradient zwischen dem Tief
und dem Hoch kontinuierlich aufgeweicht, was im Norden und Osten aber erst ab
den Mittagsstunden allmähliche Wirkung erzielt. Zuvor weht in der Nordosthälfte
weiterhin ein frischer West-Nordwestwind mit Böen 7-8 Bft, an der Küste bis 9
Bft, anfangs vereinzelt noch 10 Bft (besonders an der Ostsee); auf dem Brocken
und dem Fichtelberg sind schwere Sturmböen obligatorisch.
Ansonsten gestaltet sich der Tag der Deutschen Einheit in der frisch
eingeflossenen subpolaren Meeresluft (T850 -1 bis +2°C, im Süden bis zu +6°C)
eher durchwachsen. Südlich der Donau bleibt es längere Zeit bedeckt, an den
Alpen regnet es staubedingt bis in den Nachmittag rein. Ansonsten bilden sich
unterhalb einer vor allem durch KLA getriggerten Absinkinversion (meist um 800
hPa, nach Osten und Nordosten zu höher und schwächer ausgeprägt) vermehrt
Quellungen, die es der Sonne schwer machen, sich in Szene zu setzen. Die Chancen
dazu stehen in Teilen des Südwestens (dort, wo der Hochkeil am kräftigsten ist)
sowie gebietsweise im Norden und Nordosten (wo evtl. der Skandinavienföhn
durchgreift) am besten. Dagegen kann es im Norden und Osten noch vereinzelte
Schauer geben, auch wenn sich die Luftmasse im Tagesverlauf zunehmend
stabilisiert.
Temperaturmäßig stehen 12 bis 17°C, im Südwesten lokal nahe 20°C, an den Alpen
bei längerem Regen z.T. nur um 10°C auf der Karte.

In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich das Zentrum des Hochs mehr und mehr
nach Mitteleuropa respektive Deutschland, wobei es aber etwas an Potenz verliert
(keine 1030-hPa-Isobare mehr). Letztlich macht das aber nix, da sich von Westen
her ein veritabler Höhenrücken nähert, der dem Bodenhoch im wahrsten Sinne des
Wortes den Rücken frei hält. Vor allem in der Mitte und im Süden bildet sich bei
Aufklaren gebietsweise Nebel.
Im Norden, also am Rande des zonal ausgerichteten Bodenhochs, ist die
Nebelneigung deutlich geringer, was zum einen den Wolkenfeldern im Vorfeld einer
sich von Westen nähernden Warmfront, zum anderen dem leichten, an der See auch
mäßigen westlichen Wind geschuldet ist.

Donnerstag... verlagert sich der Höhenrücken weiter nach Osten, so dass der
gesamte Vorhersageraum unter seinen "Schutzschirm" gelangt. Am Abend reicht
seine Achse (500 hPa) etwa von NO-Frankreich über Norddeutschland bis nach
Skandinavien. Das korrespondierende Bodenhoch verläuft weitgehend zonal
orientiert über Mitteleuropa bis zum Balkan, wobei sich der Schwerpunkt peu a
peu südostwärts verschiebt. Fakt ist, dass Absinken das Geschehen in weiten
Teilen des Landes, namentlich im Süden und in der Mitte bestimmt, wobei sich die
mittlerweile etwas gealterte maritime Subpolarluft nicht nur etwas erwärmen
(Anstieg T850 bis zum Abend auf 4 bis 8°C, im äußersten Süden und Südwesten bis
11°C), sondern auch ein Stück weit abtrocknen kann. Als Konsequenz scheint nach
z.T. etwas schleppender Nebelauflösung häufig die Sonne, die von einigen wenigen
flachen Quellungen (die Inversion wird noch etwas nach unten gedrückt) flankiert
wird. Dabei steigt die Temperatur auf 14 bis 19°C mit den höchsten Werten den
Rhein entlang, wo lokal auch mal die "Zwanzig" aufblinken kann.
Während sich der Süden und die Mitte am Goldenen Oktober laben können, muss der
Norddeutsche am Rande des weiter südlich liegenden Tiefs tapfer die
friesisch-herbe Passage einer Warmfront ertragen, die zu einem Sturmtief bei
Island gehört. Permanente, erst am Nachmittag von Westen her langsam
nachlassende WLA sorgt für einen hohen Anteil tiefer Bewölkung (bis maximal 750
hPa reichend), aus der es hin und wieder etwas regnen oder nieseln kann. Dazu
lebt der Südwestwind an der See mitunter auf, Böen 7 Bft sollten aber eher die
Ausnahme sein. Mit etwa 14 bis 17°C wird es immerhin nicht wesentlich kälter als
im sonnenverwöhnten Süden.

In der Nacht zum Freitag wandert der eine Höhenrücken nach Osten ab, dafür
schiebt sich vom Balkan ein neuer Höhenkeil bis nach Süddeutschland und
Frankreich vor. Letztlich bleiben weite Landesteile unter Hochdruckeinfluss, so
dass sich wieder Nebel bilden kann (durch die vorherige Abtrocknung
wahrscheinlich aber gar nicht mal so verbreitet, wie es in dieser Jahreszeit
möglich wäre).
Der Norden verbleibt im wolkigen bis bedeckten Warmsektor des sich nur
schleppend nach Osten verlagernden Sturmtiefs, die Kaltfront wird wohl erst im
Laufe des Freitags in schleifender Form die Küste erreichen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die externen Modelle simulieren die Entwicklung weitgehend kongruent,
signifikante Abweichungen sind nicht erkennbar.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann