DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-10-2018 08:01
SXEU31 DWAV 010800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 01.10.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NWZ (Nordwest zyklonal)

Heute im Süden noch Stark-/Dauerregen, Tendenz ab dem Nachmittag nachlassend.
Morgen an der Küste und abgeschwächt auch im norddeutschen Binnenland Sturm, im
Laufe des Einheitstages (Mittwoch) wieder nachlassend.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... startet der Monat Oktober mit vergleichsweise wechselhaftem und kühlem
Wetter. Die Ursache dafür liegt in einem Höhentrog, der heute früh mit seiner
Achse von Südnorwegen bis nach Südfrankreich reicht. Angesichts seiner
Konstitution - relativ kurwellig, dafür stark amplifiziert - steht er
unmittelbar vor der Abtropfung, die spätestens bis Mittag irgendwo unweit des
Dreiländerecks CH-F-I vollzogen sein sollte. Während sich das resultierende
Cut-Off-Tief in Richtung Korsika orientiert, passiert der nördliche Resttrog den
Vorhersageraum bis Tagesende ostwärts. Der Chronistenpflicht halber sei noch
erwähnt, dass ein weiteres Höhentief, das gestern Abend noch über
Südostfrankreich lag und nicht unerheblich an den bisherigen Regenfällen im
Süden beteiligt war, mittlerweile zu einem unscheinbaren Randtrog mutiert ist,
der von Oberitalien (heute früh) nordostwärts abzieht bzw. sich zunehmend
auflöst.
Dass es trotzdem an den Alpen und z.T. sogar bis ins südliche Vorland zunächst
noch kräftig weiterregnet (Stundensummen bis zu 10 mm, Starkregenwarnung im
Alpenvorland), ist zum einen der hebungsintensiven Vorderseite (PVA) des noch
nicht abgetropften Troges sowie am Alpenrand Staueffekten zuzuschreiben. So
können zu den bisher gefallenen Mengen von 10 bis 30 mm bis Mittag noch mal 10
bis 20, in östlichen Staulagen sogar bis 25 mm zusammenkommen, bevor am
Nachmittag (also nach erfolgtem Abtropfen) ein Nachlassen der Niederschläge zu
erwarten ist. In der sukzessive einfließenden subpolaren Meeresluft sinkt die
Schneefallgrenze von Westen her auf etwas unter 1500 m, so dass es in höheren
Lagen etwas Neuschnee gibt.
Apropos subpolare Meeresluft, die ist freilich nicht nur an den Alpen ein Thema,
sondern flutet heute das ganze Land, wobei die 850-hPa-Temperatur bis zum Abend
auf Werte zwischen -2°C im Nordwesten und +2°C im Südosten zurückgeht. Die dafür
verantwortliche Nordwestströmung wird induziert durch ein kräftiges Hoch mit
Zentrum westlich Irlands und eine langsam ostwärts abwandernde, meridional
exponierte Tiefdruckrinne, die ein sich über dem Golf von Genua bildendes Tief
mit einem Tiefkomplex über Skandinavien verbindet. Eingelagert in die
NW-Strömung ist eine schwache und nur wenig wetterwirksame Okklusion (seien wir
ehrlich, es ist eine Gammelfront), die heute gemächlich südostwärts schwenkt,
sich dabei in ihrem Südwestteil aber zusehend auflösen dürfte. An der Front
fällt hier und da etwas schauerartiger Regen und auf ihrer Rückseite entwickeln
sich in höhenkalter Luft (der thermische Trog mit T500-Werten von -25 bis nahe
-30°C verläuft nahezu kongruent zum Potenzialtrog) Schauer und besonders zur See
hin vereinzelt kurze Graupelgewitter. Dabei sind einzelne Böen 7 Bft, an der See
vielleicht sogar 8 Bft möglich, auch wenn die 925- und 850-hPa-Winde mit maximal
30 Kt keine stürmischen Böen hergeben.
Unabhängig von konvektiver Aktivität frischt der NW-Wind auch gradientbedingt im
Laufe des Vormittags zunächst an der Nordsee, später in etwas abgeschwächter
Form auch an der Ostsee sowie im nordwestdeutschen Binnenland auf. Dabei stehen
überwiegend steife Böen 7 Bft, exponiert sowie bei kräftiger Konvektion auch
stürmische Böen 8 Bft auf der Karte.
Die Sonne lässt sich heute am ehesten postfrontal, also im Norden und Westen mal
blicken, was sich temperaturmäßig aber nicht wirklich bemerkbar macht. Mehr als
11 bis 16°C, am Alpenrand bei Dauerregen eher noch darunter, sind heute nicht zu
erwarten.

In der Nacht zum Dienstag greift von der Nordsee her ein flacher Rücken auf
Deutschland über, der aber nur kurzzeitig für eine Stabilisierung respektive
Wetterberuhigung sorgt. So wird die Schaueraktivität insbesondere über dem
Binnenland merklich ausgebremst und auch die Niederschläge am Alpenrand werden
im Zuge nachlassender Staueffekte immer weniger, so dass sich keine Verlängerung
der Dauerregenwarnung abzeichnet. Zwar lockert die Wolkendecke an der einen oder
anderen Stelle auf, ein durchgreifendes, länger andauerndes Aufklaren hingegen
wird es wohl aber nur stellenweise geben, so dass sich Luftfrost auf einige
Hochlagen sowie einige wenige Mulden- und Tallagen der Mittelgebirge beschränkt.
Auch potenzieller Nebel dürfte nur örtlich auftreten.
Da der Rücken von kräftiger WLA überlaufen wird, die die Annäherung eines
Frontensystems ankündigt, nimmt die Bewölkung von NW her rasch wieder zu und in
den frühen Morgenstunden beginnt es von der Nordsee her zu regnen. Der Wind an
der Küste schwächt sich nur kurzzeitig ab und frischt auf und an der Nordsee
schon in der zweiten Nachthälfte wieder auf (7-8 Bft), wobei er auf West bis
Südwest rückdreht.

Dienstag... steht uns zumindest in Teilen des Landes eine recht dynamische
Wetterlage ins Haus. Der flache Rücken wird alsbald Richtung Polen "weggedrückt"
und es stellt sich eine lebhafte, relativ glatt konturierte nordwestliche
Höhenströmung ein. Im Bodenniveau nimmt ein von Island zur norwegischen
Westküste ziehendes Tief das Heft des Handelns in die Hand. Am Okklusionspunkt
des zugehörigen Frontensystems bildet sich ein kleines Teiltief, das um 12 UTC
über dem Skagerrak liegt, um von dort unter Intensivierung in Richtung Gotland
zu ziehen. Bei uns greift zuerst die Warmfront auf den Westen und Nordwesten
über, der von der Nordsee her die Kaltfront folgt. Beide schwenken unter
fortschreitender Okkludierung südostwärts über den Vorhersageraum hinweg, wobei
im Warmsektor kurzzeitig etwas mildere Meeresluft (T850 5-7°C), hinter der
Kaltfront aber schon wieder kühlere Subpolarluft (T850 nahe 1°C) advehiert wird.

Während es im Süden bis zum Abend weitgehend trocken bleibt und sich vor allem
in der ersten Tageshälfte sogar zeitweise die Sonne zeigt, breitet sich im
übrigen Land Regen von Nordwesten her bis in die Mitte aus. Viel Regen fällt
dabei allerdings nicht, da die WLA schon wieder auf dem absteigenden Ast ist und
sonst kaum hebungsfördernde Mechanismen erkennbar sind, so dass am Abend meist
unter 5mm/12h registriert werden dürften. Daran ändert auch die Tatsache wenig,
dass sich in der subpolaren Meeresluft noch einige Schauer entwickeln, die an
der Nordsee am kräftigsten ausfallen dürften.
Im Blickpunkt des (Warn)Geschehens steht eindeutig der Wind, der mit Ausnahme
Süddeutschlands (dort nur exponierte Gipfel) merklich Fahrt aufnimmt und dabei
zunächst aus Südwesten kommt, bevor er hinter der Kaltfront auf West bis
Nordwest dreht. Dabei kommt es verbreitet zu Böen 7 Bft, von der Küste bis in
die Norddeutsche Tiefebene ausgreifend zu Böen 8 Bft, an der Küste selbst und in
exponierten Hochlagen bis 9 Bft und auf dem Brocken sogar bis 11 Bft.
Die Temperatur schafft es nicht, über 10 bis 15°C hinauszukommen, lediglich am
Oberrhein wird die 15°C-Marke vereinzelt und auch nur knapp überschritten. Dafür
bleibt es in höheren Lagen einstellig.

In der Nacht zum Mittwoch überquert ein recht breit angelegter Randtrog den
Norden und Nordosten des Landes. Zudem nähert sich von Norden her ein Bodentrog,
der den westlichen Fortsatz des von Gotland zum Baltikum weiterziehenden Tiefs
darstellt. Damit einher geht eine Gradientverschärfung im Norden und Nordosten,
die insbesondere an der Küste zu einer Zunahme des Sturms führt. An der Nordsee
bedeutet das schwere Sturmböen 10 Bft, es liegen sogar schwache Signale (z.B.
von ICON, C-D2-EPS für Sylt) für orkanartige Böen 11 Bft vor. An der Ostsee ist
der Gradient geringfügig schwächer, dafür kommt dort etwas höhenkalte Luft ins
Spiel (T500 etwas unter -25°C), die für eine deutliche Labilisierung ergo eine
erhöhte Schauer- und Gewitteraktivität sorgt. Bei 925-/850-hPa-Winden zwischen
45 und 55 Kt sind auch dort mit Hilfe von Konvektion Böen 10 Bft möglich. Im
nord- und nordostdeutschen Binnenland hingegen sollten die Böen nicht über
Stärke 7-8 Bft hinausgehen.
Ansonsten gilt noch zu konstatieren, dass die Kaltfront Süddeutschland erreicht
und dort etwas Regen bringt. Die Mengen sind bescheiden, nur lokal und wenn,
dann mit orografischer Hilfe, fallen mal 5 bis 10 mm in die Töpfe. Windmäßig
bleibt der Süden aus dem Spiel, nur in exponierten Kamm- und Gipfellagen reicht
es für einzelne Böen 7-8 Bft um West.

Mittwoch... schwenkt der o.e. Randtrog rasch nach Osten durch, wobei er sich
deutlich amplifiziert. Rückseitig stellt sich bei uns abermals eine glatte
nordwestliche Höhenströmung ein, die im Tagesverlauf deutlich Schmackes
verliert. Das Bodentief erreicht die baltischen Staaten, wo es beginnt sich
aufzufüllen. Gleichzeitig verlagert das kräftige Hoch über dem nahen Ostatlantik
bis Mittag zum Westeingang des Ärmelkanals, wo es etwas über 1030 hPa aufweist.
Davon ausgehend erstreckt sich ein Keil über die Alpen bis zum nördlichen
Balkan, so dass die inzwischen an den Alpen angekommene Kaltfront in immer
größere Schwierigkeiten kommt und sich schlussendlich irgendwann auflösen wird.
Trotzdem wird es am unmittelbaren Alpenrand wahrscheinlich bis in den Nachmittag
hinein regnen, auch wenn die Mengen nicht hoch sein werden (unter 10 mm).
Ansonsten kommt es bei wechselnder bis starker Bewölkung vornehmlich im Norden
und Osten noch zu einzelnen Schauern, wohingegen die Gewittergefahr mit Abzug
des Höhentroges abnimmt. Sonnige Abschnitte dürften sich am ehesten im Südwesten
(wo der Hochkeil am stärksten ausgeprägt ist) und im Nordosten (dort
möglicherweise etwas Skandi-Föhn) einstellen.
Im Auge behalten sollte man auf alle Fälle den NW-Wind, der besonders in der
Nordosthälfte zunächst noch sehr flott unterwegs ist (starker Druckanstieg von
Nordwesten her!). Dabei treten Böen 7-8 Bft, an der Küste und in einigen
Hochlagen 9 Bft, auf dem Brocken und dem Fichtelberg (und vielleicht anfangs an
der See) 10 Bft auf. Am Nachmittag nimmt der Wind dann angesichts
flächendeckenden Druckanstiegs immer mehr ab.
Die Temperatur erreicht Maxima 13 bis 18°C, am Oberrhein lokal bis 20°C.

In der Nacht zum Donnerstag verlagert das Hoch seinen Schwerpunkt nach
Mitteleuropa, wodurch sich das Wetter weiter beruhigt. Dabei nimmt vor allem in
der Mitte und im Süden die Nebelneigung zu.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die externen Modelle haben grundsätzlich keine anderen Ideen als die deutsche
Modellkette. Das schließt natürlich gewisse Unschärfen z.B. bei der Frage
potenzieller Gewitter oder der detaillierten Windentwicklung nicht aus. Der oben
beschriebene Generalkurs kann aber als belastbar angesehen werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann