DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-09-2018 08:01
SXEU31 DWAV 220800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 22.09.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Heute Sturmböen und mit Gewittern auch einzelne schwere Sturmböen an der See, im
Landesinneren im Norden und Osten Windböen und stürmische Böen. Am Sonntag
markantes Sturmtief mit Stark/DauerRR über der Mitte sowie schweren Sturmböen
von der Mitte bis in den Süden, lokal orkanartige Böen (UNWETTER). Montag noch
im Norden und Osten Sturmböen, insgesamt aber deutliche Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... befindet sich Deutschland rückseitig einer Kaltfront, die zu einem
kräftigen Nordmeertief an der norwegischen Küste gehört. Das Tief weist einen
Kerndruck von unter 975 hPa auf. Die rückseitig eingeflossene Luftmasse ist
klassische (erwärmte) Meereskaltluft mit 850 hPa Temperaturen unter 5 Grad.
Außerdem ist die Luftmasse deutlich trockener geworden, was sich an den
morgendlichen Taupunkten zeigt, die über der Mitte nur im unteren einstelligen
Bereich liegen.

Die Luftmasse ist in der Südwesthälfte zudem stabil geschichtet mit einer sehr
trockenen mittleren Troposphäre zwischen 600 und 850 hPa (z.B. Aufstieg von
Stuttgart). Anders sieht es in der Nordosthälfte aus, wo man im Einflussbereich
des nachrückenden (flachen) Troges liegt, sodass die Lapse Rates deutlich
labiler sind. Im Aufstieg von Greifswald kann man zudem eine klassische
Vertikalstruktur für maritime Kaltluft erkennen. Die Tropopause liegt nur noch
bei 400 hPa und die Labilitätsenergie konzentriert sich auf mittlere Niveaus mit
einer Obergrenze von 750 hPa.

Während eine Gleichgewichttemperatur von etwa -5 Grad normal nicht ausreichend
für Gewitter ist, dürfte das noch warme Wasser zumindest direkt an Nord- und
Ostsee für den ein oder anderen Blitz ausreichen. In jedem Fall sollte die
Labilität aber ausreichend sein um für einige Schauer über dem Norden und
Nordosten zu sorgen. Im Laufe des Nachmittags rückt die Labilitätsgrenze ganz
allmählich weiter nach Norden, sodass zum Abend am ehesten noch an der Ostsee
Schauer auftreten.

Warntechnisch relevant ist für den heutigen Tag vor allem der Wind. Bei dem
vorhandenen Gradienten sind vornehmlich im Norden und Osten Windböen zu
erwarten. Bei kräftigen Schauern sind mit 850 hPa Winden bis 35 kn auch einzelne
stürmische Böen möglich. An den Küsten gibt es allgemein stürmische Böen und bei
noch etwas höheren 850 hPa Winden sind auch Sturmböen zu erwarten. Sollte es
Gewitter geben, sind auch einzelne schwere Sturmböen an der See nicht
ausgeschlossen. Diese sollte es bis zum Nachmittag auch auf dem Brocken geben.

Die Südwesthälfte ist zwar sehr stabil geschichtet, allerdings macht sich in
höheren Niveaus bereits WLA bemerkbar, die sich in Richtung Abend noch weiter
verstärkt. Entsprechend zeigt sich dann mehrschichtige Bewölkung, aus der im
Westen nachmittags auch schon erste Tropfen fallen können. Im Süden ist der Wind
mit dem Zwischenhocheinfluss zudem deutlich schwächer.

In der Nacht auf Sonntag nimmt die Entwicklung Fahrt auf. Ein Randtief des
kräftigen Nordmeertiefs zieht über den Ärmelkanal nach Zentraleuropa und
erreicht am Morgen als Wellentief den äußersten Westen. Dabei lässt sich zum
Morgentermin eine Doppelstruktur mit zwei Tiefzentren erkennen. Bis zum Morgen
findet allerdings noch keine Vertiefung statt, da der sich allmählich
amplifizierende Höhentrog noch weit stromaufwärts liegt und das Tief sich zudem
noch knapp südlich des Hauptastes des leicht antizyklonal gekrümmten Höhenjets
befindet.

Bemerkbar macht sich das Wellentief vor allem durch kräftige Warmluftadvektion
mit der subtropische Luftmassen in die Südhälfte des Landes geführt werden.
Nicht nur, dass die 850 hPa Temperatur an der Südflanke des Tiefs auf deutlich
über 15 Grad steigt, die Luftmasse ist zudem angereichert mit einem hohen
Feuchtgehalt. So steigen die ppw-Werte auf deutlich über 30 mm und auch die
spezifische Feuchte nimmt von Westen her zum Morgen zu. Die zugehörige Warmfront
überquert den Südwesten und kommt bis zur Mitte voran. Mit der kräftigen WLA
setzen im Laufe der Nacht Niederschläge ein, die sich vor allem auf die
mittleren Landesteile konzentrieren. Vor allem im Westen werden 12 stündig
bereits um die 10 l/qm vorhergesagt.

Der Wind im Norden bzw. Nordosten lässt im Laufe der Nacht deutlich nach, da mit
dem heranrückenden Wellentief der Gradient zwischen Haupt- und Randtief über dem
Norden deutlich auffächert. Vor allem an der Ostsee sind zu Beginn aber noch
stürmische Böen möglich.

Gleichzeitig nimmt der Wind im Südwesten ausgangs der Nacht deutlich zu. Bei der
vorhandenen stabilen Schichtung sind zunächst vor allem im Bergland erste
Windböen und stürmische Böen zu erwarten. Auf exponierten Berggipfeln kann es
auch Sturmböen und einzelne schwere Sturmböen, auf Feldberg und Zugspitze
orkanartige Böen geben. Die 850 hPa Winde erreichen in der Spitze immerhin schon
um 50 kn.


Sonntag... gelangt das Wellentief auf die Vorderseite des sich deutlich
amplifizierenden Troges. Sodass sich das westliche der beiden Tiefs deutlich
vertiefen kann und damit die Doppelstruktur aus der Nacht verloren geht. Der
Kerndruck sinkt bis zum Abend auf unter 1000 hPa. Damit wird das Wellentief
zunehmend zu einem eigenständigen Bodentief. Das Zentrum des Tiefs zieht dabei
rasch über die Mitte des Landes hinweg.

Für die erste Tageshälfte ist vor allem der Warmsektor des Tiefs interessant. In
diesem regnet es insbesonder über der Mitte länger anhaltend. Mit 5 bis 10 mm in
6 h, lokal auch darüber. Zudem nimmt der Wind deutlich zu, bei allerdings
zunächst weiter stabiler Schichtung. Damit hält sich die Böigkeit im Tiefland
zunächst noch in Grenzen. Es muss vor allem im Südwesten mit Windböen, in
anfälligen Lagen auch stürmischen Böen gerechnet werden. Auf den Bergen gibt es
Sturmböen und schwere Sturmböen, auf exponierten Lagen (Feldberg) sind bereits
Orkanböen zu erwarten. Im Südosten bleibt der Wind durch die Verstärkung des
stromaufwärtigen Tiefs und die Abschwächung des anderen zunächst noch verhalten.


In der zweiten Tageshälfte bis in die erste Nachthälfte hinein erreicht die
Entwicklung ihren Höhepunkt. Dann überquert die Kaltfront des Tiefs die Mitte
und den Süden von West nach Ost. Damit nimmt nicht nur die Labilität deutlich
zu, auch gelangt der Bereich auf die Rückseite des sich deutlich verstärkenden
Tiefs und damit in den Bereich eines kräftigen Luftdruckgradienten. Die 925 hPa
Winde im Bereich der Kaltfront werden um 50 kn vorhergesagt. Damit ist eine
recht turbulente Kaltfrontpassage zu erwarten. Diese zeichnet sich auch durch
einen kräftigen Druckanstieg ab und ist als Linie im Feuchteflussdivergenzfeld
zu erkennen.

Im Radarreflektivitätsfeld ist die Kaltfront als klar definierte Linie mit einem
Maximum zu erkennen. Es spricht zudem vieles dafür, dass die Kaltfront sich
aktiviert. So wird ein schmaler konzentrierter Streifen an CAPE (100 bis 300
J/kg) prognostiziert, die sich vor allem mit der Feuchtekonzentration entlang
der Front erklären lässt.

Bei den vorhandenen Winden in der mittleren Troposphäre erscheint das Auftreten
von Sturmböen und schweren Sturmböen wahrscheinlich. Zudem dürfte es bei einer
aktiven Kaltfront sicherlich auch die ein oder andere orkanartige Böe geben.
Dies wird vor allem von den hochauflösenden Modellen auch angedeutet (siehe
beispielsweise auch CD2-Ensemble).

Wenig vom Wind bekommt man über der Nordhälfte mit, da man sich dort im
gradientschwachen Bereich nördlich des Tiefkerns befindet. Nur an der See kann
es Windböen, später an der Nordsee auf stürmische Böen geben.

Neben dem Wind liegt ein zweiter Fokus auf dem Niederschlag. So wird von allen
Modellen eine deutliche Intensivierung der Niederschläge mit Passage des
Tiefkerns und der nachfolgenden Kaltfront für die zweite Tageshälfte und die
erste Nachthälfte vorhergesagt. Die prognostizierten Mengen über der Mitte des
Landes liegen zwischen 20 und 30 l/qm in 6 h. Wobei die westlichen Region in der
zweiten Tageshälfte und die östlichen Gebiete in der ersten Nachthälfte
betroffen sind. Von (fast) allen Modellen werden zudem unwetterartige Mengen
oberhalb von 35 mm in 6 h bzw. 40 mm in 12 h prognostiziert. Die
Wahrscheinlichkeiten im CD2 Ensemble liegen bis 30 %. Dabei gibt es noch gewisse
Unsicherheiten in der genauen Lage des Schwerpunktes.

In der zweiten Nachthälfte zieht das Tief rasch ostwärts ab und ein kräftiges
Hoch mit Kern bei den Britischen Inseln macht sich bemerkbar. Die sorgt im
Südwesten für eine deutliche Abnahme des Gradienten. Zudem ist die Kaltfront
bereits über die Alpen südwärts abgezogen. Gleichzeitig rückt der Höhentrog nach
und überquert Deutschland bis zum Morgen.

In der labilen Luftmasse sind vor allem über der Nordhälfte Schauer und kurze
Gewitter zu erwarten. Mit dem kräftigen Gradienten in der Nordosthälfte treten
einzelne Windböen, an der See Sturmböen, exponiert vereinzelt auch schwere
Sturmböen auf. Im großen Rest des Landes beruhigt sich die Windsituation rasch.

Montag... befindet sich Deutschland auf der Trogrückseite in einer straffen
nordwestlichen Höhenströmung. Von Westen her macht sich ein flacher Höhenrücken
bemerkbar, der ein kräftiges Hoch bei den Britischen Inseln (Kerndruck 1040 hPa)
stützt. Dieses Hochdruckgebiet beeinflusst vor allem auch die Südwesthälfte des
Landes, wo zudem der Gradient deutlich auffächert. Damit bleibt es im Südwesten
niederschlagsfrei und vor allem in Richtung Ober- und Hochrhein auch länger
sonnig, wobei keine warnwürdigen Böen mehr zu erwarten sind.

In der Nordosthälfte und auch in großen Teilen von Bayern gibt es mit der
Höhenkaltluft im Tagesverlauf wiederholt Schauer, im Bereich der Ostsee auch
Gewitter. Der Bereich mit den höchsten Labilitätswerten verlagert sich im
Tagesverlauf in Richtung Nordosten.

Mit dem noch vorhandenen Gradienten kommt es zu Windböen und im Osten und Norden
auch stürmischen Böen. Das erscheint aufgrund der Höhenwinde von 30 bis 40 kn in
850 hPa auf plausibel. An den Küsten kann es Sturmböen geben, nicht
ausgeschlossen dass an exponierten Lagen der Nordsee auch noch schwere Sturmböen
auftreten. Auch auf den Berggipfeln der ostdeutschen Mittelgebirge kann es
Sturmböen und einzelne schwere Sturmböen geben.

Die Höchstwerte bewegen sich nur noch zwischen 13 und 18 Grad.

In der Nacht auf Dienstag verstärkt sich der Hochdruckeinfluss und die
Luftdruckgegensätze lassen deutlich nach. Zudem kommt die Schauertätigkeit rasch
zum Erliegen. Davon ausgenommen sind die direkten Küsten von Nord- und Ostsee.
Wind- und stürmische Böen gibt es vor allem noch an der See, sonst dürfte die
Nacht bereits warnfrei verlaufen. Zudem klart es gebietsweise stärker auf, teils
ist es sternenklar. Damit können die Tiefstwerte auf 7 bis 1 Grad zurückgehen,
an der See auf 10 Grad. Vor allem in den Hochlagen der Berge kann es leichten
Frost geben. Bodenfrost ist auch in tiefen Lagen zum Teil ein Thema, dann vor
allem über der Südhälfte.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle sind sich im kurzfristigen Entwicklungsbereich recht einig. Kleine
Unsicherheiten gibt es noch in der genauen Lage des Tiefs. Dies fällt vor allem
bei der Niederschlagsentwicklung ins Auge. Da sich das Maximum auf einen
schmalen Streifen im Bereich des Tiefkerns konzentriert, wirkt sich dies auch
auf die möglicherweise betroffene Region von unwetterartigen Niederschlägen aus.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer