DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-09-2018 17:01
SXEU31 DWAV 201800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 20.09.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Der erste "Herbststurm" steht ins Haus: Mit Kaltfrontpassage am Freitag deutlich
kälter und verbreitet stürmische Böen oder Sturmböen, Richtung Küsten und auf
den Bergen schwere Sturmböen, an der Nordsee orkanartige Böen (Unwetter).
Am Samstag im Norden noch stürmische Böen, sonst vorübergehende
Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines kräftigen
Höhentroges über dem nahen Ostatlantik, der sich im Laufe der Nacht deutlich
verstärkt und auf Schottland übergreift. Die südwestliche Höhenströmung ist
dabei zunächst noch recht glatt und vor allem nach Süden zu antizyklonal
konturiert, wobei sich ein flacher Höhenrücken über die Alpen und den äußersten
Süden des Landes hinweg allmählich südostwärts verlagert. Im Laufe der Nacht
verstärkt sich die zunehmend diffluent konturierte Höhenströmung vor allem über
dem Westen und Norden Deutschlands und steilt mit Trogannäherung etwas auf.
Im Bodenfeld verläuft die Kaltfront eines Tiefs bei den Lofoten quer über die
Deutsche Bucht hinweg nach Westen und kommt mit der Rückdrehung der
Höhenströmung zunächst nicht weiter nach Süden voran, sondern geht über in die
Warmfront eines Wellentiefs südlich von Irland und verlagert sich sogar ein
wenig nach Norden. Entwicklungstechnisch günstig auf der Trogvorderseite gelegen
kann es sich aufgrund der durch PVA induzierten und anfangs noch von WLA
gestützten markanten Hebungsprozesse im Laufe der Nacht deutlich vertiefen und
zieht bis Freitagfrüh zur westlichen Nordsee, wo es dann nach Lesart des ICON-EU
(IFS von 00 UTC sehr ähnlich) mit einem Kerndruck von knapp unter 980 hPa
aufschlägt. GFS von 00 und 06 UTC simulierte das Tief um 06 UTC bereits über der
mittleren Nordsee mit einem etwas höheren Kerndruck. Die Kaltfront des Tiefs
erreicht mit schauerartigen Regenfällen morgens Benelux. Im Vorhersagegebiet
bleibt es noch weitgehend trocken.
Somit verläuft die Nacht zunächst ruhig, vor allem im Süden kann sich
stellenweise auch Nebel bilden. Bereits in der zweiten Nachthälfte rückt dann
aber der Wind zunehmend in den Fokus: Die Annäherung des Tiefs führt vor allem
im Norden und Westen zu einer deutlichen Gradientzunahme und somit frischt der
Wind bei gleichzeitiger Rückdrehung auf Süd bis Südwest auf. In den Frühstunden
gibt es im Westen und Nordwesten bereits recht verbreitet steife Böen (Bft 7),
ganz im Westen stürmische Böen (Bft 8) und über der Nordsee eventuell schon
erste Sturmböen (Bft 9). In den Gipfellagen der Mittelgebirge reicht es dann
ebenfalls für erste Sturmböen, auf dem Brocken eventuell schon für schwere
Sturm- oder gar orkanartige Böen (Bft 10 bis 11).

Freitag ... verlagert der markante Höhentrog sein Drehzentrum von Schottland bis
zum Abend nach Südnorwegen. Nach wie vor wird auf dessen Vorderseite vor allem
aufgrund von PVA (die allerdings nach und nach von KLA teilkompensiert wird)
markante Hebung generiert, so dass sich das bis zum Abend zum Skagerrak ziehende
Bodentief zunächst noch weiter vertiefen kann (Kerndruck dann knapp unter 975
hPa, IFS von 00 UTC ähnlich, GFS nach wie vor etwas schwächer und geringfügig
weiter nördlich). Die Kaltfront kommt rasch südostwärts voran, überquert weite
Teile des Vorhersagegebiets und erreicht am Abend die Lausitz und die Donau. Im
Vorfeld der Kaltfront gelangt in den Südosten nochmals sehr warme Luft, die auch
leicht labil geschichtet ist, aber nur relativ niedrige Instabilitätswerte
aufweist (ML-Cape durchwegs unter 500 J/kg bei PPW-Werten um oder knapp über 25
mm). Somit sind zwar vor allem über dem Bergland und an den Alpen einzelne
Gewitter (mit Starkregen, kleinkörnigem Hagel und stürmischen Böen) denkbar, der
aktuelle Lauf des C-D2 simuliert sogar eine der Kaltfront vorauslaufende
Schauer-/Gewitterlinie über dem Süden und Osten Bayerns.
Die Kaltfront selbst wird rasch von Kaltluftadvektion unterlaufen (die
Druckwelle eilt dem Niederschlag voraus), was wohl dem kräftigen rückseitigen
"Cold Pool" geschuldet ist (markanter Rückgang der pseudopotenziellen
Temperatur, verursacht durch die rasche Advektion recht trockener polarer
Meeresluft, innerhalb derer die Verdunstungsabkühlung durch den fallenden
frontalen Niederschlag wirksam werden kann). Die Niederschläge im frontalen
Bereich haben somit eher Anafrontcharakter (finden also unmittelbar postfrontal
statt) und fallen auch nicht allzu üppig aus (meist weniger als 5 mm, lediglich
in den Staulagen einiger Mittelgebirge, vor allem des Schwarzwaldes etwas mehr).
Die Kaltfront ist also sozusagen "stabil aktiv", weshalb auch so gut wie keine
Konvektion im Frontbereich simuliert wird. Allerdings frischt der Wind mit
Kaltfrontpassage deutlich auf und dreht auf Südwest bis West. Dabei gibt es
verbreitet starke bis stürmische Böen, im Norden auch Sturmböen, auf den Gipfeln
der Mittelgebirge auch schwere Sturmböen, auf dem Brocken kann es für
orkanartige Böen oder gar Orkanböen reichen.
Postfrontal lässt der Wind vorübergehend deutlich nach, ehe relativ rasch der
Westen und Norden des Landes in den Einflussbereich des Bodentroges gelangen.
Dort ist dann erneut recht verbreitet mit steifen bis stürmischen Böen zu
rechnen, Richtung Küsten mit Sturmböen, an den Küsten, insbesondere der Nordsee
sowie in Schleswig-Holstein auch mit schweren Sturmböen. Insgesamt zeigen
ICON-EU und IFS die Windentwicklung etwas intensiver als GFS. Vor allem ICON-EU
hat über der Deutschen Bucht und entlang der Nordseeküste Schleswig-Holsteins
auch orkanartige Böen auf der Karte, IFS zumindest auf Helgoland und entlang der
nordfriesischen Küste, weshalb wohl noch im Laufe des heutigen Abends die
Ausgabe einer Unwetterwarnung für die genannten Gebiete erfolgt.
Der Kaltfront folgt am späten Nachmittag und Abend ein Schwall höhenkalter
maritimer Polarluft, im Nordwesten sinkt die Temperatur in 500 hPa auf -27 Grad,
in 850 hPa geht sie bis zum Abend auf Werte zwischen 2 Grad im Nordwesten und 16
Grad am Alpenrand zurück. Vor allem im Nordseeumfeld, später auch an der Ostsee
und in Schleswig-Holstein entwickeln sich dabei Schauer und Graupelgewitter, die
dann auch weiter im Binnenland durchaus auch mal von der ein oder anderen
schweren Sturmböe begleitet werden können.
Ansonsten lockern die Wolken postfrontal auf, vor allem im Westen setzt sich
zeitweise die Sonne durch. Im Vorfeld der Kaltfront scheint anfangs vor allem in
Teilen Süddeutschlandsund in der Lausitz noch länger die Sonne und dort wird es
mit Höchstwerten zwischen 27 und 32 Grad noch einmal sehr warm bis heiß. Mit
Kaltfrontpassage kühlt es deutlich ab, dahinter werden bei auflockernder
Bewölkung dann kaum mehr 20 Grad erreicht.

In der Nacht zum Samstag verlagert der breit angelegte Höhentrog sein
Drehzentrum in 500 hPa - ähnlich wie das korrespondierende Bodentief -
allmählich nordwärts Richtung Lofoten. Die Kaltfront überquert die Alpen, wobei
es dort längere Zeit regnen kann, mit 10 bis 20 mm in 12 Stunden, in Staulagen
um 25 mm werden aber wohl höchstens in exponierten Staulagen die Warnschwellen
für Dauerregen überschritten, wenn überhaupt. Die Schneefallgrenze sinkt dabei
morgens auf etwa 1500 m. Dann lassen die Niederschläge aber bereits wieder nach.

Ansonsten klingen die Regenfälle postfrontal rasch ab, in weiten Teilen des
Landes bleibt es trocken, zumal sich ein Bodenhochkeil nach Südwestdeutschland
schiebt und für Wetterberuhigung sorgt. Lediglich im Trogbereich über
Norddeutschland (weiterhin um -27 Grad in 500 hPa) gibt es noch einzelne, vor
allem im Nordseeumfeld auch häufige Schauer und Graupelgewitter.
Vor allem im Süden und in der Mitte nimmt der Wind im Laufe der Nacht deutlich
ab und es gibt höchstens noch auf einigen Bergen warnrelevante Böen. Allerdings
kann sich bei teils geringer Bewölkung gebietsweise Nebel bilden, am ehesten im
Südwesten, Westen und in der Mitte.
Im Norden bleibt der Gradient scharf ausgeprägt und die Windabnahme geht dort
langsamer vonstatten. Ausgangs der Nacht gibt es an den Küsten noch immer
stürmische Böen, im angrenzenden Binnenland zumindest noch einzelne steife Böen
aus West.

Samstag ... bleibt vor allem der Norden Deutschlands im Einflussbereich des
Höhentroges mit Drehzentrum bei den Lofoten, wobei die Trogachse mit der
höhenkältesten Luftmasse (-27 Grad in 500 hPa, etwa +2 Grad in 850 hPa)
allmählich über die Nordhälfte hinweg ostwärts schwenkt. Dahinter setzt sich am
Nordrand eines Höhenhochs über der Iberischen Halbinsel eine recht glatte
westnordwestliche Höhenströmung durch, innerhalb derer kaum kurzwellige
Troganteile auszumachen sind.
Im Bodenfeld bleibt der Südwesten des Landes im Einflussbereich eines Hochkeils,
während die Nordhälfte erneut von einem flachen Bodentrog überquert wird.
Innerhalb der labil geschichteten Höhenkaltluft entwickeln sich im Norden und
Nordosten einzelne Schauer, die vor allem in Küstennähe auch gehäuft auftreten
und von kurzen Graupelgewittern begleitet werden können.
Der Wind frischt mit Unterstützung durch den Tagesgang rasch wieder auf, im
Norden und Osten, bis in die nördliche Mitte, gibt es verbreitet steife, nach
Norden zu auch stürmische Böen, meist aus West. An den Küsten und auf den
Gipfeln der nördlichen und östlichen Mittelgebirge kann es einzelne Sturmböen
geben, auf dem Brocken auch schwere Sturmböen.
Vor allem im Südwesten und in der Osthälfte scheint häufiger die Sonne, während
sich im Westen bereits am Nachmittag mit sich verstärkender WLA dichtere
mittelhohe Wolkenfelder bemerkbar machen, aus denen aber kaum Regen fällt. In
der eingeflossenen polaren Meeresluft (etwa 1 bis 5 Grad in 850 hPa) erreichen
die Temperaturen nur noch Höchstwerte zwischen 15 und 20 Grad, im
Oberrheingraben mit Sonne auch bis 22 Grad.

In der Nacht zum Sonntag greift vom nahen Ostatlantik her ein Kurzwellentrog auf
die Britischen Inseln über und beginnt sich zu intensivieren. Auf dessen
Vorderseite wird markante WLA in Gang gesetzt, wobei sich im Bodenfeld aufgrund
des sich noch zusätzlich durch kräftige PVA verstärkenden Hebungsantriebs ein
Wellentief über dem nahen Ostatlantik deutlich vertiefen kann und bis
Sonntagfrüh nach Lesart des aktuellen ICON-EU-Laufes etwa nach England zieht.
Die Warmfront des Tiefs greift auf Frankreich und Benelux über, wobei es im
Vorfeld auch im Westen Deutschlands bereits zu regnen beginnt.
An den Küsten gibt es im Einflussbereich des nur langsam ostwärts abziehenden
Höhentroges noch einzelne Schauer und/oder kurze Gewitter, die meisten wohl im
Ostseeumfeld. Der Wind nimmt im Binnenland allgemein weiter ab, in Küstennähe
weht aber weiterhin lebhafter Westwind mit steifen, anfangs auch noch
stürmischen Böen, morgens nimmt er auch dort allmählich ab.
Ansonsten verläuft die Nacht wettertechnisch ruhig, wobei sich vor allem im
Südosten bei teils geringer Bewölkung stellenweise Nebel bilden kann.

Sonntag ... überquert der Kurzwellentrog unter weiterer Austrogung bzw.
Intensivierung die Britischen Inseln und schlägt abends über Benelux auf.
Vorderseitig kann sich das unterhalb des diffluenten Höhenfeldes gelegene
Wellentief vor allem aufgrund von PVA weiter vertiefen, zieht rasch ostwärts und
erreicht abends bereits Südhessen bzw. Unterfranken mit einem Kerndruck von etwa
1000 hPa. Der Warmsektor bleibt noch breit geöffnet und markante, aus WLA
resultierende Hebungs- sowie Aufgleitprozesse führen an dessen Nordflanke vor
allem ab mittags zu sehr ergiebigen Regenfällen mit Mengen von mehr als 40 mm in
6 Stunden (Unwetter). Simuliert werden diese unwetterartigen Mengen in einem
breiten Streifen von der belgischen Grenze über den Norden von Rheinland-Pfalz,
weite Teile Hessens bis in den Westen Thüringens.
Neben dem Niederschlag rückt auch die Windentwicklung im Tagesverlauf - aber
wohl erst ab dem Nachmittag - erneut in den Fokus der Warntätigkeit. Im
Warmsektor frischt der Wind deutlich auf und es gibt vor allem direkt an der
Süd- bzw. Südwestflanke des Tiefs stürmische Böen oder Sturmböen, auf den Bergen
auch schwere Sturmböen aus Südwest. Die aktuelle ICON-EU-Variante hat im
Südwesten abends mit Kaltfrontpassage sogar orkanartige Böen auf der Karte.
Insgesamt muss aber konstatiert werden, dass die gesamte Entwicklung, sowohl,
was den Niederschlag, als auch, was den Wind angeht, ab Sonntagfrüh bzw. schon
in der Nacht zum Sonntag noch sehr unsicher ist. Vor allem das IFS simuliert das
Tief im 00 UTC-Lauf intensiver (985 hPa Kernisobare), aber auch deutlich weiter
nördlicher als das ICON-EU, nämlich um 18 UTC knapp nördlich der Deutschen Bucht
(!). Die Windentwicklung würde nach dieser Variante komplett anders verlaufen;
weiten Teilen des Landes stünde eine ausgewachsene Sturmlage mit einzelnen Böen
bis in den Unwetterbereich ins Haus , allerdings auch erst in der Nacht zum
Montag, wenn dieses Tief Richtung Vorpommern zieht und nicht, wie nach ICON-EU,
nach Tschechien bzw. der Slowakei. Warnrelevante Niederschläge würden nach
dieser Variante so gut wie keine auftreten.
Wie auch immer das Tief letztendlich ziehen wird - der Süden gelangt zumindest
kurzzeitig nochmals in den Warmsektor, die Temperaturen in 850 hPa steigen dort
auf deutlich über 10 Grad. Etwas Sonne vorausgesetzt, kann es somit vor allem im
Südwesten nochmals für einen Sommertag reichen. Über alles andere, was an dem
Tag wettertechnisch passieren soll, lassen sich noch keine seriösen Aussagen
tätigen.


Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Bis Samstag steht der Fahrplan einigermaßen. Alle Modelle simulieren eine sehr
ähnliche Wetterentwicklung. Unterschiede ergeben sich im Detail, vor allem, was
die Windentwicklung am morgigen Freitag angeht. Diese zeigt der aktuelle
GFS-Lauf nach wie vor schwächer als IFS und ICON-EU, wobei ICON-EU die
unwetterartigen Böen über der Nordsee nicht mehr ganz so weit nach Süden reichen
lässt wie noch im 06 UTC- Lauf. Die probabilistischen Verfahren zeigen für
Helgoland sowie für die nordfriesischen Inseln und die Halligen
Wahrscheinlichkeiten von 20 bis 40% für Bft 11, die höchsten auf Sylt. Für diese
Regionen ist entsprechend eine Unwetterwarnung vorgesehen.
Die Entwicklung am Sonntag steht dagegen noch völlig in den Sternen. ICON-EU,
GFS und GEM (von 00 UTC) lassen das Tief immerhin als Wellentief über
Deutschland (mal über die nördliche Mitte, wie GFS und GEN, mal weiter südlich,
wie aktuell ICON) hinweg ziehen mit Potenzial für Dauerregen an der Nordflanke
des Tiefs und Sturm an dessen Süd- und Westflanke. Die IFS-Version von 00 UTC
scheint dagegen eher ein Ausreißer zu sein.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff