DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-09-2018 07:01
SXEU31 DWAV 190800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 19.09.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wa, ab Freitag Übergang zu Wz bzw. NWz
Heute und morgen nochmals sommerlich warm und vielerorts sonnig, im Südosten vor
allem heute vereinzelte kräftige Gewitter (Unwetter wegen Starkregen nicht
ausgeschlossen). Freitag erste herbstliche Sturmlage und beginnender
Temperaturrückgang.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines umfangreichen
Höhentroges mit Drehzentrum südlich von Island unterhalb einer recht glatten
südwestlichen Höhenströmung. Darin eingebettet verlagert sich ein Randtrog über
dem Südosten des Landes bis zum Abend nach Tschechien bzw. Ostösterreich,
gefolgt von einem flachen Rücken, der sich von Ostfrankreich her über
Süddeutschland allmählich nordnordostwärts aufwölbt. Weitere, in die
südwestliche Höhenströmung eingebettete flache kurzwellige Troganteile laufen
eher nördlich des Vorhersagegebiets nordostwärts ab. Somit sind über dem
Vorhersagegebiet so gut wie keine dynamischen Hebungsantriebe mehr auszumachen,
im Süden des Landes dominiert sogar mehr und mehr Absinken.
Im Bodenfeld wird dadurch eine von Südwesteuropa über den Alpenraum und
Süddeutschland bis nach Südosteuropa reichende Hochdruckbrücke gestützt und kann
sich sogar noch etwas verstärken. Dagegen zieht ein entwicklungstechnisch
günstig auf der Vorderseite des Troges gelegenes Tiefdruckgebiet vom Seegebiet
westlich Irlands unter kräftiger Vertiefung bis zur kommenden Nacht Richtung
Norwegische See. Eine vorgelagerte schwache Kaltfront über der Nordsee wird
dabei von kräftiger WLA überlaufen, zeigt mehr und mehr Auflösungstendenzen und
kommt kaum mehr ostwärts voran. Vorderseitig können dennoch vorübergehend etwas
dichtere Wolkenfelder nach Nordwestdeutschland vordringen, die aber wohl so gut
wie keinen Niederschlag bringen. Lediglich der Wind frischt auf, so dass es im
Nordseeumfeld, eventuell auch im Weser-Emsgebiet und im Westmünsterland für
einzelne steife Böen (Bft 7) aus Südwest reicht.
Auch niedertroposphärisch dauert die Advektion sehr warmer Luftmassen aus dem
südwesteuropäischen Raum weiter an, die Temperatur in 850 hPa liegt zwischen 10
Grad an der Nordsee und etwa 15 Grad im Südosten. Dabei befindet sich die
Südosthälfte nach wie vor im Einflussbereich potenziell instabiler Luftmassen.
Bereits aktuell gibt es im Bereich des abziehenden Troges im östlichen Bayern
noch gebietsweise schauerartigen, bei vorhandener MU-Cape teils auch gewittrigen
Regen, der mit Abzug des Troges im Laufe des Vormittags nachlassen dürfte. Etwas
Einstrahlung vorausgesetzt, können zumindest nach Lesart der meisten Modelle von
Südbaden über weite Teile Bayerns hinweg bis zum östlichen Mittelgebirgsraum
wieder 300 bis an die 1000 J/kg ML-Cape generiert werden, PPW erreicht meist
Werte zwischen 25 und 30 mm. Mangels dynamischen Antriebs - im Laufe des
Nachmittags verstärkt sich von Westen her sogar das Absinken - bleibt die
Gewitterneigung sicherlich geringer als am gestrigen Dienstag, dennoch reicht es
orographisch getriggert für einzelne kräftigere Gewitter, wobei als
Begleiterscheinung der Starkregen im Fokus steht (kleinkörniger Hagel und Böen
Bft 7 bis 8 nicht ausgeschlossen). Mangels Zuggeschwindigkeit kann es lokal eng
begrenzt auch mal wieder mehr als 25 mm in einer Stunde regnen, wobei C-D2-EPS
so gut wie keine Wahrscheinlichkeiten dafür auf der Karte hat. Die
Schwerpunktregionen der Gewittertätigkeit dürften im ostbayerischen
Mittelgebirgsraum, eventuell noch an den Alpen, entlang der Schwäbischen Alb und
im Erzgebirge liegen.
Abgesehen vom Südosten und Nordwesten scheint aber heute meist die Sonne, wobei
aufgrund der WLA zeitweise auch mal hohe und mittelhohe Wolkenfelder
durchziehen. Dabei steigen die Temperaturen auf Werte zwischen 25 und 31 Grad,
ganz im Norden wird es nicht ganz so warm.

In der Nacht zum Donnerstag verlagert der Höhentrog sein Drehzentrum allmählich
zum Europäischen Nordmeer. Die Frontalzone rückt und zwar etwas näher "auf die
Pelle", ist aber weiterhin glatt konturiert und Süddeutschland bleibt im
Einflussbereich des Höhenrückens.
Das sich inzwischen zu einem ausgewachsenen Sturm verstärkte Bodentief verlagert
sich Richtung Lofoten, die Kaltfront erreicht im Laufe der Nacht die mittlere
Nordsee, wird dort aber rückläufig und geht über in die Warmfront einer Welle
westlich der Britischen Inseln, die im weiteren Verlauf noch eine wichtige Rolle
bzgl. der Wetterentwicklung im Vorhersagegebiet spielen wird. Entlang des
Frontenzuges fällt zeitweise Regen, der eventuell noch bis nach Nordfriesland
reicht, aber auch dort kommen keine nennenswerten Mengen zusammen. Allerdings
weht weiterhin lebhafter Südwestwind mit Böen Bft 7 im Nordseeumfeld, exponiert
(Helgoland, Sylt) bzw. über der Deutschen Bucht kann es vorübergehend auch
stürmische Böen (Bft 8) geben, ebenso auf dem Brockenplateau.
Ansonsten dominiert im Vorhersagegebiet Hochdruckeinfluss, die Hochdruckbrücke
über Süddeutschland kann sich sogar noch etwas verstärken. Eventuelle Schauer
und Gewitter im Südosten lösen sich bald auf. Dann ist es vielerorts gering
bewölkt, wobei sich bevorzugt in Süddeutschland Nebel bilden kann.

Donnerstag... kommt es westlich der Britischen Inseln zu einer erneuten
Austrogung. Vorderseitig werden aufgrund von PVA - unterstützt durch recht
markante WLA - kräftige Hebungsprozesse in Gang gesetzt. Gestützt durch die WLA
kann sich der nach Süddeutschland gerichtete Höhenrücken sogar noch etwas
verstärken, während auch sonst die südwestliche Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet zwar etwas aufsteilt, aber noch glatt konturiert bleibt. Auch
niedertroposphärisch kann sich dabei die Advektion sehr warmer Luftmassen
subtropischen Ursprungs von Südwesten her ins Vorhersagegebiet noch einmal
verstärken, die Temperatur in 850 hPa verharrt in Frontnähe an der Nordseeküste
bei etwa 10 Grad, während sie im Süden auf etwa 17 Grad steigt.
Das westlich der Britische Inseln gelegene, bereits weiter oben erwähnte
Wellentief gerät nun zunehmend auf die entwicklungstechnisch günstige
Trogvorderseite und beginnt sich im Tagesverlauf zu vertiefen, abends erreicht
es das Seegebiet südlich von Irland (ICON-EU) bzw. den Süden Irlands (GFS).
Dadurch wird der über der südlichen/mittleren Nordsee verlaufende Frontenzug als
Warmfront noch etwas rückläufig, so dass es im Tagesverlauf wohl auch in
Nordfriesland weitgehend trocken bleibt.
Vorderseitig des sich nähernden Tiefs setzt auch in Süddeutschland allmählich
leichter Druckfall ein, dennoch dominiert im Vorhersagegebiet noch
antizyklonaler Einfluss. Dabei bleibt der Gradient im Norden/Nordwesten nahezu
unverändert, so dass es im Nordseeumfeld, mit dem Tagesgang vielleicht auch im
nordwestdeutschen Binnenland, steife Böen (Bft 7), an exponierten
Küstenabschnitten und auf dem Brockenplateau vielleicht auch mal stürmische Böen
(Bft 8) geben kann.
Im Südosten des Landes halten sich weiterhin potenziell instabile Luftmassen,
wobei die Labilitätswerte weiter zurückgehen und kaum mehr als 500 J/kg ML-Cape
simuliert werden bei PPW-Werten von teils unter 25 mm. Im Einflussbereich des
Höhenrückens dominiert zudem Absinken, so dass auch orographisch getriggert
höchstens ganz vereinzelt - am ehesten wohl im ostbayerischen Mittelgebirgsraum
und im Erzgebirge - mit Auslöse zu rechnen ist. Starkregen steht aufgrund der
geringen Zuggeschwindigkeit nach wie vor im Fokus der Begleiterscheinungen.
Ansonsten steht noch einmal ein sehr warmer, gebietsweise sogar heißer Tag ins
Haus, wobei es im Norden in Frontnähe bewölkt bleibt und ansonsten meist die
Sonne scheint. Die Temperaturen erreichen Höchstwerte zwischen 20 und 24 Grad im
äußersten Norden, ansonsten zwischen 25 und 32 Grad.

In der Nacht zum Freitag verlagert sich der kräftige Höhentrog nach Schottland,
das auf der Vorderseite gelegene Bodentief kann sich deutlich verstärken und
schlägt morgens mit einem Kerndruck nahe 975 hPa (ICON-EU) über der westlichen
Nordsee auf (GFS mit etwa 979 hPa etwas weiter nördlich). Die Kaltfront erreicht
mit schauerartigen Regenfällen in den Frühstunden Benelux, im Vorhersagegebiet
bleibt es somit bis 06 UTC noch überwiegend trocken. Mit der markanten
Gradientzunahme nimmt der Wind allerdings im Laufe der Nacht im
Westen/Nordwesten sowie auf den Bergen deutlich zu und dreht auf Süd. Morgens
gibt es dabei über der offenen Nordsee und auf exponierten Gipfeln der
westlichen und zentralen Mittelgebirge bereits erste Sturmböen (Bft 9, Brocken
auch Bft 10), an der deutschen Nordseeküste sowie im äußersten Westen (Eifellee,
Westmünsterland, Emsland) stürmische Böen (Bft 8) und von NRW bis ins mittlere
Niedersachsen steife Böen (Bft 7).
Ansonsten verläuft die Nacht aber noch wettertechnisch ruhig und bevorzugt im
Süden bildet sich örtlich wieder Nebel.

Freitag... greift der Höhentrog auf die Nordsee bzw. Benelux und in weiterer
Folge auch auf Westdeutschland über und leitet einen markanten Wetterumschwung
ein. Abends erreicht dessen Drehzentrum Südnorwegen. Das korrespondierende
Sturmtief kann sich zunächst noch vertiefen und zieht bis zum Abend ebenfalls
nach Südnorwegen. Nach Lesart des ICON-EU erreicht es einen Kerndruck von etwa
971 hPa, GFS simuliert es mit 975 hPa geringfügig schwächer und ein wenig weiter
nördlich. Dennoch sind diese doch recht geringen Differenzen durchaus von
Warnrelevanz, dazu später mehr. Der generelle "Fahrplan" steht ansonsten nämlich
nach Lesart der bisher vorliegenden Modelle: Die Kaltfront greift morgens auf
den Nordwesten des Landes über, kommt rasch südostwärts voran und erreicht
abends die Lausitz bzw. den Südosten Bayerns. Dort scheint nochmals häufig die
Sonne, an den Alpen und am Erzgebirgsnordrand wird es föhnig und die
Temperaturen steigen auf 26 bis 32 Grad. Zwar ist die Luftmasse dort noch recht
labil geschichtet, trocknet aber durch die föhnige Überströmung von Alpen und
Erzgebirge zusehends ab, so dass meist keine 500 J/kg ML-Cape simuliert werden.
Kurze Gewitter sind nicht ausgeschlossen, allerdings geben die Modelle so gut
wie keine Hinweise darauf. Wenn sie denn doch auftreten, dürfte als
Begleiterscheinung am ehesten der Wind (Sturmböen) im Fokus stehen.
Ansonsten ist die Kaltfrontpassage überwiegend mit schauerartigen Regenfällen
verbunden, die eher Anafrontcharakter aufweisen, also postfrontal stattfinden,
da die Kaltfront bereits von KLA unterlaufen wird, die für Stabilisierung sorgt.
Dabei werden meist 2 bis knapp über 5 mm in wenigen Stunden simuliert, in den
Staulagen einiger Mittelgebirge auch bis über 10 mm.
Im Fokus der Warntätigkeit steht somit eindeutig der Wind: ICON-EU simuliert mit
Kaltfrontpassage auch in den Niederungen bzw. im Binnenland verbreitet
stürmische Böen, nach Norden zu auch Sturmböen (Bft 8 bis 9) aus Südwest bis
West. GFS hat dagegen etwa ein bis zwei Bft weniger auf der Karte. Nach
Kaltfrontpassage schwächt sich der Wind kurzzeitig deutlich ab ("postfrontale
Subsidenz"), um mit Annäherung des Bodentroges wieder deutlich zuzulegen. Im
Norden und Westen werden dann wieder recht verbreitet Bft 7 bis 8 simuliert,
Richtung Küsten auch Bft 9. Über der Nordsee hat ICON-EU sogar recht verbreitet
Bft 10 bis 12 auf der Karte, vor allem für die vorgelagerten Nordseeinseln und
Nordfriesland stünde nach Lesart des Models eine Orkanlage ins Haus. Wie weiter
oben schon erwähnt, gibt es diesbezüglich aber noch größere Modelldifferenzen.
IFS (Bft 9 bis 10 über der Nordsee) und vor allem GFS (maximal Bft 9) sehen die
Sache doch deutlich entspannter. Mit Sturm- und schweren Sturmböen ist
selbstverständlich auch auf exponierten Gipfeln zu rechnen.
Postfrontal gelangt ein Schwall polarer Meeresluft nach Deutschland, die einen
markanten Temperaturrückgang einleitet. In 850 hPa sinkt die Temperatur bis zum
Abend im Nordwesten auf etwa 2 Grad, während sie im Berchtesgadener Land dann
noch 16 Grad beträgt. Im Nordwesten werden somit keine 20 Grad mehr erreicht und
mittags/nachmittags wird es eher noch etwas kühler.
Im Trogbereich gelangt in den Nordwesten auch zunehmend höhenkalte Luft, die
Temperatur in 500 hPa sinkt auf etwa -26 Grad. Vor allem über der Nordsee dürfte
das am Nachmittag/Abend für einzelne Schauer und Graupelgewitter reichen.

In der Nacht zum Samstag erreicht die Kaltfront die Alpen, wo es längere Zeit
regnen kann, Warnschwellen für Dauerregen aber wohl nicht erreicht werden. Die
Schneefallgrenze sinkt dort morgens auf etwa 1500 m, vielleicht auch schon
darunter. Postfrontal schiebt sich ein Höhenrücken nach Süddeutschland, der für
Wetterberuhigung sorgt. Lediglich im Nordseeumfeld und über der Ostsee gibt es
noch einzelne Schauer und kurze Gewitter, ansonsten lockern die Wolken
vielerorts auf. Der Wind nimmt nach und nach ab, lediglich an den Küsten und auf
den Bergen gibt es noch stürmische Böen oder Sturmböen aus West.


Modellvergleich und -einschätzung
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Alle vorliegenden Modelle kommen im Kurzfristzeitraum zu sehr ähnlichen
Ergebnissen. Größere Differenzen gibt es noch, die Windentwicklung am Freitag
betreffend. Diese wurden im Text bereits ausführlich diskutiert.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff