DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-09-2018 17:30
SXEU31 DWAV 181800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 18.09.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Süden hochsommerlich warm bis heiß mit Gewittern, im Nordseeumfeld mitunter
steife Böen.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... zeigt sich auf dem Nordatlantik ein Langwellentrog in 500 hPa,
dessen Achse sich aktuell in Richtung Iberischer Halbinsel erstreckt, Auf der
Vorderseite des Troges laufen aktuell kurzwellige Anteile ab, die auch
Deutschland betreffen und im Südwesten und Süden entsprechende Hebung
generieren. Die aktuell zu beobachtenden Gewitter sind dabei einer Luftmasse
geschuldet, die zwischen Main und Alpen labil geschichtet ist (Lapse-Rates unter
-0,7K/100m, mit den niedrigsten Werten im Südwesten) und recht hohe Feuchtewerte
aufweist (PPWs bis zu knapp 30 mm), das im markanten Bereich liegende Niveau der
Gewitter erklärt sich dabei auch durch CAPE-Werte, die beispielsweise das Modell
ICON6-Nest in einer Größenordnung von bis zu 1500 J/kg ansiedelt.

Das zu dem oben angesprochenen Langwellentrog gehörende Tiefdruckgebiet
überdeckt weite Teile des Nordatlantiks und weist mehrere Kerne auf, wobei der
Hauptkern westlich von Schottland zu finden ist. Ein weiter, östlich der
Südküste Norwegens liegender Kern weist sogar eine eigene Kaltfront auf, die in
einem Bogen über die Doggerbank bis nach Norddeutschland reicht. Diese ist zwar
nur wenig wetterwirksam, aber in ihrem Bereich sind die Wolken dichter und der
Wind frischt mitunter böig auf, was dem im Frontbereich auf der Südwestflanke
des Tiefdruckkomplexes etwas verschärften Gradienten geschuldet ist. So treten
an der Nordseeküste einzelnen steifen Böen Bft 7 aus Südwest bis West auf.
Erwähnt sei noch, dass dem Tiefkomplex über dem Atlantik über dem Süden
Deutschlands eine Hochdruckbrücke mit gradientschwachen Bedingungen
gegenübersteht, die sich von Spanien bis nach Osteuropa erstreckt.

In der Nacht greift der Langwellentrog weiter nach Osten aus. Da er auf seiner
Rückseite durch einen einströmenden massiven Kaltluftkörper regeneriert wird,
bildet sich eine neue Hauptachse aus. Diese weist ausgangs der Nacht vom
zentralen Nordostatlantik nach Süden, während die ursprüngliche Hauptachse als
Kurzwellentrog Deutschlands Süden überquert und zum Datumswechsel etwa von der
Kölner Bucht ins Werdenfelser Land zeigt, um am Morgen Ostbayern zu erreichen.
Auf der Vorderseite des Troges und der Südwestflanke des großräumigen Tiefs über
dem Nordatlantik, dessen Lage sich, zumindest unter dem Blickwinkel des
Warnmanagements für Deutschland, nicht entscheidend ändert, wird die labil
geschichtete Luft mit ihren inhärenten Charakteristika (Feuchte, Labilität)
allmählich in Richtung Osten bzw. Nordosten verfrachtet. So ist zu erklären,
dass sich der Gewitterschwerpunkt in der Nacht in Richtung Bayern bzw.
Mitteldeutschland verlagert, und der Grund dafür, dass die Gewittertätigkeit
nicht tagesgangbedingt nachlässt, liegt in dem beschriebenen Kurzwellentrog (und
teils orografischer Unterstützung). Kurz: Auch in der Nacht zu Mittwoch ist mit
Gewittern zu rechnen, wobei ICON und seine Derivate, aber auch EZMWF, die
Gewitterschwerpunkte am Alpenrand und später im Bayerischen Wald (ICON dann auch
von der Südpfalz bis zum Westerwald) sehen, während GFS auch in
Mitteldeutschland Niederschlagsignale andeutet.

Während im Süden der Focus also auf den Gewittern liegt, wird der Norden von der
schwachen, immerhin im thermischen Feld, wenn auch nur schwach, erkennbaren
Front überquert, die auch wegen ihres schleifenden Charakters weiterhin kaum
wetterwirksam ist. Da postfrontal aber der Gradient etwas auffächert, gehen die
steifen Böen an der Nordsee vorübergehend in die Knie, so dass in der zweiten
Nachthälfte wohl diesbezüglich keine Warnungen mehr erforderlich sein werden.
Stattdessen kann es im Süden, insbesondere in Ecken, an denen der Nachmittag
oder der Abend etwas Regen gebracht haben, Nebel auftreten.

Mittwoch ... müssen wir uns doch noch um die Form des Tiefdruckkomplexes auf dem
Atlantik kümmern, da in seine Zirkulation ein kleinräumiges Tief westlich von
Irland eingebunden wird. Dieses wird dann am Tage über Schottland hinweg zur
nördlichen Nordsee geführt, um in der Nacht zu Donnerstag entlang der
norwegischen Küste nach Norden zu ziehen und sich dabei zum tiefsten Kern des
Gesamtkomplexes zu entwickeln. An dieses Tief ist eine Kaltfront gekoppelt, die
mit einer raschen östlichen Verlagerung am Tage England überquert und die
Nordsee erreicht, um dann über den Süden Skandinaviens bis zur zentralen Ostsee
voranzukommen. Allerdings wird diese Front über der Nordsee durch die zügige
Verlagerung in ihrem nördlichen Teil zunehmend schleifend und kann kaum noch
weiter nach Süden ausgreifen. Ihre Wolken erreichen aber immerhin (schon am
Tage) den Nordwesten, und von Nord- bis nach Ostfriesland kann es in der Nacht
etwas regnen. Da im Frontbereich bzw. präfrontal der Gradient aber wieder etwas
anzieht, kann an der Nordsee und auch im Nordwesten der Wind wieder etwas
zulegen und erreicht dann wieder lokal die Bft 7. Die vom Vortag noch über der
nördlichen Mitte befindliche Kaltfront verliert dagegen weiter an Einfluss und
löst sich zunehmend auf, auch, weil sie in die Hochdruckbrücke über dem Süden
Deutschlands hineinläuft.

Das Ganze geschieht auf der Vorderseite des atlantischen Langwellentroges, der
zwar etwas nach Süden ausgreift und nach Osten vorankommt, aber in seiner
Gesamtstruktur mit glattem Strömungsmuster nur geringe Änderungen aufweist. Die
langsame Verlagerung des Troges begünstigt ebenso wie seine gleichförmige, keine
klar ausgeprägte Achse aufweisende Struktur die Wellenbildung von in seinem
Einflussbereich liegenden Frontenzügen - was auch für die zum Atlantik weisende
Verlängerung der Nordsee-Front gilt. So kräftigt sich südwestlich von England
eine ebensolche Welle, die aber erst am Folgetag eine bedeutende Rolle für unser
Wetter spielen wird.

Da mit der über der Nordsee verharrenden Front (und der sich über der Mitte
auflösenden Front) auch ein Luftmassenwechsel ausbleibt, liegt über der
Südosthälfte immer noch eine feuchte, warme (T850 um 12 Grad) und labil
geschichtete Luftmasse. Dabei sind die MU-Cape-Werte im Südosten mit bis zu 1300
J/kg nicht mehr ganz so hoch und die Labilität (Lapse-Rates unter -065 K/100m)
nicht mehr so niedrig wie noch am Vortag. Allerdings deuten die PPWs mit Werten
weiterhin knapp unter 30 mm auf markante Gewitter hin. Dies ist nicht nur bei
ICON und seinen Derivaten so, sondern auch bei externen Modellen wie EZMWF
(ML-Cape 1200 J/kg) oder GFS (Cape bis etwa 1000 J/kg, PPWs bis 25 mm), wobei
GFS die höchsten CAPE-Werte deutlich weiter nördlich (Norddeutschland) simuliert
als ICON oder EZMWF. Da aus der Höhe keine klaren Hebungsantriebe zu erkennen
sind, sollte die Orografie bei der Auslöse eine entscheidende Rolle spielen.
Mithin könnte es vor allem entlang der Schwäbischen Alb, an den Alpen und im
ostbayerischen Mittelgebirgsraum, mit geringer Wahrscheinlichkeit auch im
Erzgebirge für einzelne Gewitter reichen. Begleiterscheinungen sind wiederum vor
allem der Starkregen, aber auch kleinkörniger Hagel und eventuell eine
stürmische Böe. Die Unwetterwahrscheinlichkeit ist aber etwas geringer als am
Vortag.
Ansonsten verläuft der Tag warntechnisch erneut ruhig (abgesehen von den o.e.
einzelnen Böen Bft 7 im Nordseeumfeld und vielleicht auch mal einer Bft 8 auf
dem Brockenplateau). Die Wolkenfelder im Einflussbereich der ehemaligen
Kaltfront "zerbröseln" mehr und mehr und vielerorts zeigt sich die Sonne. Vor
allem am Oberrhein, im Rhein-Main-Gebiet und in der Lausitz sowie im
Erzgebirgsvorland dürften die 30 Grad noch einmal erreicht oder überschritten
werden.

In der Nacht zum Donnerstag verlagert der Höhentrog seinen Schwerpunkt zum
Nordmeer, wobei die Höhenströmung an dessen Südflanke vor allem über Nord- und
Westdeutschland etwas stärker wird, aber weiterhin ziemlich glatt konturiert
bleibt, während Süddeutschland weiterhin im Einflussbereich eines von
Südwesteuropa bis zur Ukraine reichenden Höhenrückens bleibt.
Das von Schottland zur nördlichen Nordsee ziehende Tiefdruckgebiet wurde schon
erwähnt, ansonsten verläuft die Nacht bei sich vor allem in Süddeutschland noch
etwas verstärkenden Hochdruckeinfluss ruhig. Eventuelle Gewitter lösen sich
nachts rasch auf, bei oft geringer Bewölkung kann sich in der Südhälfte
allerdings wieder vermehr Nebel bilden.

Donnerstag ... erfolgt eine weitere, nunmehr deutlicher konturierte Austrogung
westlich der Britischen Inseln, wodurch die Höhenströmung etwas aufsteilt. Damit
bekommt die südwestlich der Britischen Inseln schon am Vortag erkennbare Welle
den Hebungsinput, den sie zu Ihrer Vertiefung braucht. Sie erreicht bis zum
Abend die südliche Irische See, um über Nacht zur zentralen Nordsee zu ziehen
und dabei einen Kerndruck unter 990 hPa zu entwickeln. Ein Blick auf externe
Modelle zeigt, dass es spätestens zu diesem Zeitpunkt mit der Modellharmonie
dahin ist. GFS simuliert das Tief am Freitagmorgen mit knapp 990 hPa Kerndruck
über dem Skagerrak, EZMWF (Lauf 00 UTC) mit Kerndruck unter 980 hPa über der
nördlichen Nordsee. Mit dieser Entwicklung wird die Kaltfront spätestens in der
zweiten Tageshälfte, vor allem aber in der Nacht massiv als Warmfront nach
Norden geschoben. Diese beeinflusst mit ihren Wolkenfeldern den Nordwesten,
anfangs auch noch mit geringen Niederschlägen im Nordseeumfeld, die später nach
Norden auswandern. Der Druckgradient über der Nordsee bleibt zunächst nahezu
unverändert, mit dem Tagesgang nimmt aber die turbulente Durchmischung im
Bereich eines Bodentroges etwas zu, so dass neben dem Nordseeumfeld auch im
nordwestdeutschen Binnenland einzelne Böen Bft 7 aus Südwest nicht
ausgeschlossen sind. Erst mit Annäherung des Wellentiefs in der Nacht zum
Freitag legt der Wind im Norden und Westen dann deutlich zu, ausgangs der Nacht
dann auch mit stürmischen Böen im Nordseeumfeld sowie auf einigen
Mittelgebirgsgipfeln.

Als Konsequenz aus der nordwärtigen Verlagerung der Front über der Nordsee
ergibt sich auch, dass weite Teile des Vorhersagebereichs im Warmsektor und im
Zustrom sehr warmer Luftmassen subtropischen Ursprungs bleiben, die Temperatur
in 850 hPa erreicht abgesehen vom Nordseeumfeld um 15 Grad.
Über Süddeutschland befinden sich weiterhin Reste der potenziell instabilen
Luftmasse, allerdings trocknet diese mit der Überströmung der Alpen etwas aus
(PPW-Werte nur noch um 25 mm, ML-CAPE bis 1000 J/kg), dazu ist die Luftmasse
aufgrund der WLA auch gedeckelt. Die Wahrscheinlichkeit für einzelne Gewitter
bleibt somit auch im Bergland nur gering, wenngleich man einzelne
Überentwicklungen vor allem im ostbayerischen Mittelgebirgsraum nicht komplett
ausschließen kann. Im großen Rest des Landes scheint häufig die Sonne und es
wird noch einmal sehr warm mit Höchstwerten zwischen 26 und 32 Grad, lediglich
im äußersten Norden/Nordwesten wird es unter den etwas dichteren Wolken nicht
ganz so warm.

Freitag ... zieht ein Sturmtief über Südskandinavien hinweg ostwärts. Seine
Kaltfront überquert Deutschland von Nordwest nach Südost und führt kühle
Meeresluft subpolaren Ursprungs heran mit 850-hPa-Temperaturen im Westen und
Norden unter 5 Grad C. Der zugehörige, recht breite Höhentrog zieht im
Tagesverlauf nach Deutschland.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren bis zum Donnerstag recht ähnlich, insbesondere bei den
Gewitterschwerpunkten zeigen sich aber Unterschiede, die jedoch im erwartbaren
Rahmen liegen und im Text angesprochen wurden. Ab Donnerstag nehmen die
Modellunterschiede deutlich zu.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas