DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

16-09-2018 10:30
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 16.09.2018 um 10.30 UTC



Spätsommer endet am Freitag - nur vorübergehend?
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 23.09.2018


Der kommende Mittwoch, der den heutigen Beginn der Mittelfrist darstellt, liegt
Deutschland zwischen einem Rücken über Osteuropa und einem mehrkernigen
Tiefdruckkomplex südlich von Island in einer antizyklonal geprägten
südwestlichen Strömung. Dabei hält der Zustrom sehr warmer Subtropikluft an,
wodurch bei 850 hPa Temperaturen zwischen 12 und 15 Grad verbreitet
spätsommerliche Höchstwerte zwischen 25 und 30 Grad zu erwarten sind. Am
Alpenrand ist die Luftmasse noch leidlich instabil geschichtet, so dass sich aus
den Alpen heraus im Tagesverlauf lokale Schauer und Gewitter entwickeln können.
Hebungsfördernd wirkt dabei ein kleinräumiges Höhentief über Norditalien, das
besonders in 300 hPa gut zu erkennen ist.

Am Donnerstag erreicht eine flache Welle die Britischen Inseln, die sich
ursprünglich aus den "Überbleibseln" des ehemaligen Hurrikans FLORENCE südlich
von Neufundland speist. Diese liegt über UK strömungsparallel
südwest-/nordostausgerichtet und bleibt daher mit seinen Ausläufern komplett
außen vor. Insofern hält der spätsommerliche Wetter über Mitteleuropa an. Auf
seiner Rückseite sorgt massive Kaltluftadvektion jedoch dafür, dass sich der
Höhentrog unter Ausweitung nach Süden amplifiziert. Das ist der Ausgangspunkt...


...für das vorläufige Ende des Spätsommers am Freitag. Von einer blockierenden
Wirkung des osteuropäischen Hochs, das mittlerweile über der Ukraine liegt, kann
für Mitteleuropa keine Rede mehr sein. So schwenkt der Höhentrog im Tagesverlauf
von Westen nach Deutschland herein und die Temperaturen gehen in 500 hPa im
Nordwesten von vormals kaum -15 Grad auf unter -25 Grad zurück. Die ehemals
flache Welle mausert sich unterdessen unter der diffluenten Trogvorderseite zu
einem veritablen Sturmtief, wird aber im Tagesverlauf im Bereich der
Norwegischen See achsensenkrecht. Auch niedertroposphärisch gehen die
Temperaturen im Zuge der Kaltfrontpassage von Nordwesten auf unter 5 Grad in 850
hPa zurück. Je nach Timing und präfrontaler Einstrahlung ist damit auch ein
Temperatursturz von 10-15 Kelvin in 2m Höhe wahrscheinlich. Womöglich steht gar
die vorerst letzte verbreitete sommerliche Gewitterlage ins Haus - für derartige
Details ist es aber noch deutlich zu früh.

Am kommenden Wochenende schwenkt der Trog rasch ostwärts ab und von Westen setzt
sich Hochdruckeinfluss durch. Dieses wird gestützt durch einen sich neu
aufwölbenden Rücken über Westeuropa, der sich durch WLA auf der Vorderseite
einer neuen Sturmtiefentwicklung über dem Nordatlantik kräftigt. Da die
Hochzelle erneut recht weit südlich ansetzt (Zentrum eher über Süddeutschland),
bleibt der Norden noch anfällig für frontale Streifschüsse und auch die folgende
Erwärmung könnte sich in Küstennähe schwer tun.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der EZ-Lauf zeigt sich in seinen Grundzügen bis Freitag konsistent. Im Gegensatz
zum gestrigen 0z Lauf ist der Abtropfvorgang über Deutschland nach Norditalien
aber vom Tisch und wurde bereits im 12z Lauf "abgemildert" und nun im 00z Lauf
noch ein Stück weit flacher als markanter Trogdurchgang simuliert. Damit hat
sich eine eventuelle Dauerregensituation an den Alpen so gut wie erledigt. Der
Trend zum erneuten Hochdruckeinfluss am Ende der Mittelfrist ist ebenfalls
konsistent gerechnet.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Im Gegensatz zum gestrigen Modellvergleich haben sich Globalmodelle
untereinander deutlich angenähert. So ist die GFS-Variante mit ersten
Niederschlägen innerhalb einer Tiefdruckrinne am Donnerstag vom Tisch. Das Ende
des Spätsommers haben alle unisono für den Freitag auf der Rechnung. Beim Timing
der Kaltfrontpassage ist ICON am langsamsten - sie erreicht erst um die
Mittagszeit den Nordwesten, womit der Süden und Osten auch am Freitag noch
spätsommerliche Bedingungen zu verzeichnen hätten. Zudem stößt der Trog bei ICON
gar nicht recht nach Deutschland vor, sondern schwenkt nur flach über Jütland
hinweg. Ein Szenario, das aufgrund fehlender vertikaler Temperaturgradienten und
antizyklonalem Einfluss im Süden gegen eine großräumige Gewitterlage sprechen
würde, aber eher unwahrscheinlich ist.
Eine nette Variante serviert uns das kanadische GEM, das am Sonntag über
Deutschland eine rapide Zyklogenese hin zu einem kleinräumigen schweren
Sturmtief rechnet. GFS hat einen vergleichbaren "Schlawiner" weiter nördlich
über der südlichen Ostsee im Programm. Beide entwickeln sich aus einer
Warmfrontwelle westlich der Britischen Inseln und werden dann rasch ostwärts
gesteuert. Diese Szenarien sollte man definitiv im Auge behalten, da die
Entstehungsbedingungen mit sattem horizontaler Temperaturgradienten,
frontogenentischem Viererdruckfeld (Tief Azoren/Skandinavien, Hoch Island/Alpen)
und rechtem Jeteingang ideal erscheinen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Der bevorstehende Wetterwechsel am Freitag manifestiert sich inzwischen auch in
den Rauchfahnen des EZMW. Parallel laufender Haupt- und Kontrolllauf finden
reichlich Unterstützung vom EPS, auch wenn der gesamte Spread noch recht groß
ist. So ist ein Rückgang der 850 hPa Temperatur unter 5 Grad im Norden und der
Mitte Deutschlands wahrscheinlich. Im Süden sieht das noch ein wenig anders aus.
Schwenkt der Trog doch nur im Norden durch, kann sich die niedertroposphärische
Abkühlung nur in leichter Form im Süden durchsetzen. Dort muss es also nicht
gleich von 30 Grad Höchsttemperatur auf 20 Grad gehen, sondern könnte auch
moderater in kleineren Schritten ablaufen. Um den Spätsommer zum Wochenstart
zurückzubringen? Zumindest im Süden und Südwesten des Landes scheint die Tendenz
dahin zu gehen.

Die Niederschlagssignale haben sich ebenfalls reduziert, was für einen kurzen,
aber "knackigen" Kaltfrontdurchgang ohne Gefahr einer Stausituation an den Alpen
spricht (im Süden zu antizyklonal + fehlender Abtropfvorgang).

Die Cluster haben auch Abstand vom Abtropfvorgang genommen. Im Zeitraum
+120-168h (Fr-So) zeigt lediglich noch Cluster 4 von 5 mit nur 9 der insgesamt
51 Member die gestrige Variante des Hauptlaufes. Den Potentialanstieg zum Ende
des Mittelfristzeitraums zeigen mehr oder minder alle Cluster mit geringen
Modifikationen. Abschließend noch die spannende Frage, ob die GEM-Version in
einem Cluster auftaucht? Auch im Folgezeitraum bis 240h (Mo-Mi) geht - wenn
überhaupt - nur über der Nord- und Ostsee "die Post ab". Sturmtiefberechnungen
gibt es gleichwohl in jedem Cluster, allerdings durchweg über der Norwegischen
See respektive Skandinavien, was hierzulande allenfalls einzelne stürmische Böen
an der Küste zur Folge hätte.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


GEWITTER:
Am Mittwoch und Donnerstag beschränken sich vereinzelte Gewitter auf das
südliche Bergland - insbesondere auf den unmittelbaren Alpenrand sowie den
Südschwarzwald. Bei PPW's bis 30 mm und nur geringer Verlagerung muss vor allem
mit lokalem Starkregen als Begleiterscheinung gerechnet werden. Potentiell
verbreiteter könnten Gewitter in Verbindung mit der Kaltfrontpassage am Freitag
auftreten (siehe Diskussion oben). Hauptgefahr dabei sind durch thermisch
induzierte Querzirkulation und vertikalem Impulstransport Sturmböen.

STURM:
Am Freitag sind an der Küste auch abseits von Gewitter zeitweise Sturmböen aus
West wahrscheinlich. COSMO-LEPS zeigt hierfür immerhin Wahrscheinlichkeiten von
rund 30%. Auch aus der Deterministik geht die Gefahr modellübergreifend
einheitlich hervor. EFI Signale verbleiben durch die Bank nördlich und westlich
des Vorhersagegebietes.

Trockenheit bleibt derweil Trumpf: Für weite Teile Deutschlands heißt es wohl
auf den Freitag zu hoffen, um danach in die nächste Trockenperiode zu gehen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EZ, EZ-EPS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen